Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1715 28. 02. 2017 1Eingegangen: 28. 02. 2017 / Ausgegeben: 27. 04. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Inwieweit wird Flugverkehr in das Planungs- und Festlegungsverfahren von Windvorranggebieten einbezogen? 2. Sind Windvorranggebiete in der Nähe von Flugplätzen, Flughäfen oder Truppen - übungsplätzen zulässig? 3. Welche Kenntnisse hat sie über Flugverkehr innerhalb des Windvorranggebiets BB-02? 4. Inwieweit sind die US-Army, die Bundeswehr, die Deutsche Flugrettung oder die Flugsicherung bei der Ausweisung des Windvorranggebiets BB-02 einbezogen worden? 5. Mit welchen Einschränkungen müssen die Nutzer des Segelflugplatzes in Malms - heim durch das Windvorranggebiet BB-02 rechnen? 6. Befürwortet sie unter Einbeziehung der geringen Windhöffigkeit, dem geringen Abstand zur Stadt Heimsheim und den Beeinträchtigungen des Flugverkehrs weiterhin das Windvorranggebiet BB-02? 01. 03. 2017 Dr. Schweickert FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Flugverkehr über dem Windvorranggebiet BB-02 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1715 2 B e g r ü n d u n g Die US-Army und das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr führen mehrmals im Jahr Fallschirmübungen auf dem Segelflugplatz Malmsheim durch und überfliegen zu diesem Zweck den Bereich des Windvorranggebiet BB-02 in niedriger Höhe. A n t w o r t Mit Schreiben vom 24. März 2017 Nr. 54-0141.5/132 beantwortet das Ministe - rium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau im Einvernehmen mit dem Minis - terium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft und dem Ministerium für Verkehr die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Inwieweit wird Flugverkehr in das Planungs- und Festlegungsverfahren von Windvorranggebieten einbezogen? Zu 1.: Bei der Genehmigung von Windenergieanlagen sind mit Blick auf den zivilen Luftverkehr insbesondere folgende Punkte zu beachten: • Im sog. Bauschutzbereich eines Flughafens oder eines anderen Flugplatzes dürfen Windenergieanlagen nur mit Zustimmung der Luftfahrtbehörde genehmigt werden (vgl. §§ 12, 17 Luftverkehrsgesetz – LuftVG). Der Bauschutzbereich besteht aus einem je nach Flugplatz unterschiedlich großen Radius um den sog. Flugplatzbezugspunkt und den An- und Abflugsektoren. Bauschutzbereiche sind eingerichtet für die Verkehrsflughäfen, bestimmte andere Flugplätze und zahlreiche Hubschrauberlandeplätze. • Außerhalb des Bauschutzbereichs darf die Errichtung von Bauwerken, d. h. auch von Windenergieanlagen, nur mit Zustimmung der Luftfahrtbehörde genehmigt werden, wenn die Anlagen eine Höhe von 100 m über der Erdoberfläche oder eine andere in § 14 Abs. 2 LuftVG definierte Höhe überschreiten. • Bauwerke dürfen nicht errichtet werden, wenn dadurch Flugsicherungseinrichtungen , z. B. Radar- und Navigationsanlagen gestört werden können. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung veröffentlicht die Standorte der Flugsichereinrichtungen und der Bereiche um diese, in denen mögliche Störungen durch Bauwerke zu erwarten sind und damit eine Einzelfallprüfung für die Zulassung von Bauwerken erforderlich ist (sog. Anlagenschutzbereiche, vgl. § 18 a LuftVG). • Nach der Richtlinie NfL I 92/13 für die Anlage und den Betrieb von Flugplätzen für Flugzeuge im Sichtflugbetrieb sollen im Bereich von sog. Platzrunden, wie sie z. B. für das Segelfluggelände Malmsheim festgelegt sind, keine Hindernisse vorhanden sein, die die sichere Durchführung des Flugplatzverkehrs gefährden können. Von einer Gefährdung des Flugplatzverkehrs in der Platzrunde ist grundsätzlich dann auszugehen, wenn relevante Bauwerke innerhalb der Platzrunde errichtet werden sollen oder wenn in anderen Bereichen relevante Bauwerke einen Mindestabstand von 400 m zum Gegenanflug von Platzrunden und/oder 850 m zu anderen Teilen von Platzrunden (inkl. Kurvenbereich ) unterschreiten. • Weitere Gefährdungen des Luftverkehrs können sich insbesondere aus sog. Wirbelschleppen im Nachlauf von Windenergieanlagen ergeben, die ggf. einen über den Platzrundenabstand hinausgehenden Sicherheitsabstand erfordern. Dies kann üblicherweise erst im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren im Einzelfall beurteilt werden. Hierbei können auch Einzelgutachten zur Beurteilung der Gefährdung nötig werden. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1715 Neben den Belangen des zivilen Luftverkehrs sind bei der Genehmigung von Windenergieanlagen auch Belange des militärischen Flugbetriebs zu beachten. Betroffen sein können insbesondere Bauhöhenbeschränkungen in der Umgebung militärischer Flugplätze, Schutzbereiche um militärische Flugsicherungseinrichtungen , Radaranlagen zur Luftverteidigung sowie militärische Übungsräume und -strecken, insbesondere Hubschraubertiefflugstrecken. Den vorgenannten Vorgaben zur Sicherung des zivilen und militärischen Flug - betriebs ist, wenn und soweit auf der Ebene der Regionalplanung erkennbar und klärbar, grundsätzlich auch bereits bei der Ermittlung und Festlegung von Windvorranggebieten Rechnung zu tragen. Dazu sind die zuständigen zivilen und militärischen Luftfahrtbehörden und Dienststellen regelmäßig in den Planungsverfahren im Rahmen der Anhörung der Träger öffentlicher Belange zu beteiligen. Weil die luftfahrtrechtlichen Vorgaben vielfach allerdings erst bei konkreten Anträgen zur Errichtung von Windkraftanlagen, wenn eine genaue Kenntnis des Standorts, der Höhe der Anlage(n) und deren Rotordurchmesser vorliegt, geprüft und beurteilt werden können, ist auf der Ebene der Regionalplanung eine ab - schließende Klärung der luftverkehrsrechtlichen Zulässigkeit einzelner Windkraft - anlagen in Windvorranggebieten oft nicht möglich. 2. Sind Windvorranggebiete in der Nähe von Flugplätzen, Flughäfen oder Truppenübungsplätzen zulässig? Zu 2.: Diese Frage lässt sich nur anhand der einschlägigen Rechtsvorschriften (vgl. Ziffer 1) und aller Umstände des konkreten Planungsfalles beurteilen. 3. Welche Kenntnisse hat sie über Flugverkehr innerhalb des Windvorranggebiets BB-02? Zu 3.: Zu dem Flugverkehr in bzw. über dem geplanten Windvorranggebiet BB-02 liegen der Landesregierung keine Daten vor. Das östlich des Vorranggebiets gelegene Flugplatzgelände in Renningen-Malmsheim wird derzeit (noch) für den militärischen Flugverkehr und den zivilen Segelflugverkehr genutzt, militärisch insbesondere für Fallschirmsprungübungen des in Calw stationierten Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr und von US- Streitkräften. Die sich auf dem Gelände befindende Start- und Landebahn dient der Bundeswehr als Reserveflugplatz im militärischen Bedarfsfall. Aufgrund der Ansiedlung des Forschungs- und Entwicklungszentrums der Firma Bosch wird ein Teil des Geländes schon derzeit nicht mehr für Flugzwecke genutzt; im Zuge der weiteren Entwicklung des Forschungsstandorts ist mittel- bis längerfristig von einer Einstellung der fliegerischen Nutzung auszugehen. In einem Vertrag aus dem Jahr 2010 zwischen dem Bund (als früherem Eigentümer), der Firma Bosch und dem Land Baden-Württemberg hat sich das Land verpflichtet, die Bundeswehr bei der Suche nach einem geeigneten Ersatzgelände zu unterstützen. Für das bestehende Flugplatzgelände Malmsheim sind zur Sicherung des Flug - betriebs sowohl ein militärischer Bauschutzbereich als auch Platzrunden für den zur Mitbenutzung zugelassenen zivilen Segelflugverkehr festgelegt, in denen eine Errichtung von Bauwerken ausgeschlossen bzw. nur mit Zustimmung der zuständigen Luftfahrtbehörde möglich ist (vgl. Ziffer 1). Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1715 4 4. Inwieweit sind die US-Army, die Bundeswehr, die Deutsche Flugrettung oder die Flugsicherung bei der Ausweisung des Windvorranggebiets BB-02 einbezogen worden? Zu 4.: In den beiden Anhörungs- und Beteiligungsverfahren zur Teilfortschreibung Wind - energie des Regionalplans Stuttgart wurden als wesentliche Träger öffentlicher Belange im Bereich des zivilen Luftverkehrs die Landesluftfahrtbehörden, das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung und die Deutsche Flugsicherung GmbH beteiligt. Hinsichtlich der Belange des militärischen Luftverkehrs erfolgte eine Beteiligung der (damals zuständigen) Wehrbereichsverwaltung Süd (jetzt: Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr) sowie auf Ebene der Bundesministerien des Bundesministeriums für Verteidigung , die auch Belange der Truppen der NATO-Vertragsstaaten vertreten. 5. Mit welchen Einschränkungen müssen die Nutzer des Segelflugplatzes in Malmsheim durch das Windvorranggebiet BB-02 rechnen? Zu 5.: Etwaige Auswirkungen auf die fliegerische Nutzung des Segelfluggeländes Malms - heim ergeben sich grundsätzlich nicht durch das geplante Windvorranggebiet BB-02 selbst, sondern allenfalls durch eine konkrete Windenergienutzung in dem Vorranggebiet. In dem Planungsverfahren zur Ermittlung des Vorranggebiets BB-02 hat der Verband Region Stuttgart auf der Grundlage der in den Verfahren zur Anhörung der Träger öffentlicher Belange und zur Öffentlichkeitsbeteiligung eingegangenen Stellungnahmen Belange des Flugverkehrs und mögliche Gefährdungen des Flugbetriebs am Flugplatzgelände Malmsheim, soweit auf der Ebene der Regionalplanung möglich, bereits berücksichtigt. Nach Mitteilung des Verbands wurden zum Vorranggebiet BB-02 im Einzelnen folgende Flugverkehrsbelange vorgetragen und in die Planung einbezogen: Hinsichtlich der militärischen Nutzung hat die (damals zuständige) Wehrbereichsverwaltung Süd darauf hingewiesen, dass eine Ausweisung möglicher Windvorranggebiete im Landkreis Böblingen, darunter auch das Gebiet BB-02, Auswirkungen auf den militärischen Flugbetrieb bzw. den Übungsbetrieb der Bundeswehr und der ausländischen Streitkräfte haben könnte, die aber jeweils erst im Genehmigungsverfahren zur Errichtung von Windenergieanlagen im Einzelfall zu prüfen seien. Hinsichtlich des zivilen Luftverkehrs hat das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung mitgeteilt, dass – vorbehaltlich der erforderlichen Einzelentscheidung zu konkreten Anträgen zur Errichtung von Windkraftanlagen – der Schutz ziviler Flugsicherungseinrichtungen durch das Vorranggebiet BB-02 nicht berührt wird. Nach Mitteilung des Verbands wurden von der für das Segelfluggelände Malmsheim zuständigen Luftfahrtbehörde im Regierungspräsidium Stuttgart ebenfalls keine flugsicherheitlichen Bedenken zu dem Vorranggebiet vorgetragen. Die Deutsche Flugsicherung hat mitgeteilt, dass das Vorranggebiet BB-02 die gemäß der Richtlinie NfL I 92/13 erforderlichen Mindestabstände zu den Platzrunden des Segelfluggeländes einhält. Nach Recherchen des Regierungspräsidiums Stuttgart werden die Platzrundenabstände bei einer Entfernung zum westlichen Teil der Platzrunde von mindestens 1.000 m sogar deutlich eingehalten. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1715 6. Befürwortet sie unter Einbeziehung der geringen Windhöffigkeit, dem geringen Abstand zur Stadt Heimsheim und den Beeinträchtigungen des Flugverkehrs weiterhin das Windvorranggebiet BB-02? Zu 6.: Wie bereits in der Beantwortung der Kleinen Anfrage LT-Drs. 16/893 dargelegt, stellt der aktuelle Stand der Regionalplan-Teilfortschreibung des Verbands Region Stuttgart gemäß dem qualifizierten Zwischenbeschluss vom 30. September 2015 das Ergebnis einer umfassenden Gesamtbetrachtung aller relevanten Belange dar. Bei der Auswahl der geplanten Windvorranggebiete wurden mittels Ausschlussund Abwägungskriterien zunächst die für die Windenergienutzung ungeeigneten Gebiete ausgeschieden und die verbleibenden Potenzialflächen dann im Rahmen einer planerischen Einzelfallabwägung zu anderen konkurrierenden Nutzungen in Beziehung gesetzt. Das geplante Windvorranggebiet BB-02 wurde im Ergebnis des bisherigen Planungsprozesses als geeigneter Standort für die Windenergienutzung ermittelt, wobei die Planung jedoch grundsätzlich noch der abschließenden Gesamtabwägung beim Satzungsbeschluss unterliegt. Erkennbare Belange des Flugverkehrs in Bezug auf das Flugplatzgelände Malmsheim wurden vom Verband Region Stuttgart bei der Ermittlung des Vorranggebiets, soweit auf der Ebene der Regionalplanung möglich, berücksichtigt. Ob und inwiefern sich für eine konkrete Windenergienutzung in dem geplanten Vorranggebiet BB-02 bei einer weiteren fliegerischen Nutzung des Flugplatzgeländes gegebenenfalls Nutzungsrestriktionen aufgrund von Gefährdungen des Flugverkehrs ergeben können, kann erst im Rahmen eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens geklärt werden. Hinsichtlich der Berücksichtigung der Windhöffigkeit und der Siedlungsabstände bei der Ermittlung des Vorranggebiets wird auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage LT-Drs. 16/893 verwiesen. Dr. Hoffmeister-Kraut Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau