Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1716 01. 03. 2017 1Eingegangen: 01. 03. 2017 / Ausgegeben: 04. 05. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Arten von Luftschadstoffen werden in Esslingen seit wann gemessen? 2. Welche Gesundheitsgefahren gehen von den gemessenen Luftschadstoffen aus? 3. Wie haben sich die gemessenen Luftschadstoffwerte zuletzt entwickelt? 4. Wie oft wurden im vergangenen Jahr zulässige Grenzwerte bei den gemessenen Luftschadstoffen überschritten? 5. In welchem Zeitkorridor kann ein Luftreinhalteplan für die Stadt Esslingen entwickelt werden? 6. Welche Maßnahmen kann ein Luftreinhalteplan für Esslingen beinhalten, um Verbesserung der Luftqualität zu erreichen? 7. Welche Maßnahmen kann die Stadt Esslingen zur Verbesserung der Luft aktuell ergreifen? 8. Welche Maßnahmen zur Verbesserung der Luft haben Kommunen ergriffen, die eine vergleichbare Situation bei der Luftbelastung aufweisen? 9. Welche Folgen sind zu erwarten, wenn in Esslingen keine Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität umgesetzt werden? 01. 03. 2017 Lindlohr GRÜNE Kleine Anfrage der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE und Antwort des Ministeriums für Verkehr Luftbelastung in Esslingen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1716 2 B e g r ü n d u n g Diese Kleine Anfrage soll dem Erkenntnisgewinn über die tatsächliche Luftbelas - tung und über die Entwicklung schädlicher Luftpartikel und -gase in der Stadt Esslingen dienen. Außerdem verfolgt diese Kleine Anfrage das Ziel, beispielhaft verschiedene mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität aufzuzeigen . Die Verbesserung der Atemluft in Esslingen ist gemeinsame Aufgabe der Stadt Esslingen und des Landes Baden-Württemberg. Ziel ist es, anhand der zur Verfügung stehenden Maßnahmen die fachlich geeigneten auszuwählen, um vor Ort eine Verbesserung für die Bürgerinnen und Bürger zu erreichen. A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 30. März 2017 Nr. 4-0141.5/242 beantwortet das Ministerium für Verkehr im Einvernehmen mit dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft und dem Ministerium für Soziales und Integration die Kleine An - frage wie folgt: 1. Welche Arten von Luftschadstoffen werden in Esslingen seit wann gemessen? Mit Beginn des Jahres 2016 wurde die Spotmessstelle Esslingen Grabbrunnenstraße eingerichtet. Seit 1. Januar 2016 werden hier folgende Luftschadstoffkonzentrationen gemessen: • Stickstoffdioxid (NO2) mittels Passivsammler, • Partikel PM10 (Feinstaub) mittels Gravimetrie und • Benzo[a]pyren (BaP) als Gesamtgehalt in der Partikelfraktion PM10. 2. Welche Gesundheitsgefahren gehen von den gemessenen Luftschadstoffen aus? Als Luftschadstoff bezeichnet man jeden in der Luft vorhandenen Stoff, der schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt haben kann. Grundsätzlich sind diese Auswirkungen abhängig von der Belas - tungshöhe und der Dauer der Exposition. Wirkungen können akut oder chronisch auftreten. Der Ansatz der festgelegten Immissionsgrenzwerte ist es, diese schäd - lichen Auswirkungen zu vermeiden, zu verhüten oder zu verringern. Feinstaub PM10 kann beim Menschen in die Nasenhöhle, Feinstaub PM2,5 bis in die Bronchien und Lungenbläschen eindringen. Je nach Größe und Eindringtiefe der Teilchen sind die gesundheitlichen Wirkungen von Feinstäuben verschieden. Sie können abhängig von Vorbelastung oder Vorschädigung von Schleimhautreizungen oder lokalen Entzündungen in der Luftröhre und den Bronchien oder den Lungenalveolen bis hin zu verstärkter Plaquebildung in den Blutgefäßen, einer erhöhten Thromboseneigung oder Veränderungen der Regulierungsfunktion des vegetativen Nervensystems reichen. Stickstoffdioxid ist ein Reizgas und wirkt vor allem auf die Atemwege. Hiervon können besonders Asthmatikerinnen und Asthmatiker betroffen sein, da sich eine Bronchialkonstriktion (Bronchienverengung) einstellen kann, die zum Beispiel durch die Wirkungen von Allergenen verstärkt werden kann. Kinder und ältere Menschen sind hiervon besonders betroffen. Benzo[a]pyren zählt zur Gruppe der polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK), welche allgemein eine geringe akute Giftigkeit aufweisen. Unter den Langzeitwirkungen ist besonders die krebserzeugende Wirkung einiger Vertreter dieser Gruppe von Bedeutung. *) Nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist eingegangen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1716 3. Wie haben sich die gemessenen Luftschadstoffwerte zuletzt entwickelt? 4. Wie oft wurden im vergangenen Jahr zulässige Grenzwerte bei den gemessenen Luftschadstoffen überschritten? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die im Jahr 2016 an der Spotmessstelle Esslingen Grabbrunnenstraße ermittelten Jahresmittelwerte für die Luftschadstoffe NO2, Partikel PM10 und BaP sind in der Tabelle 1 zusammengestellt. Der Immissionsgrenzwert von 40 µg/m³ (Jahresmittelwert ) für NO2 wurde im Jahr 2016 mit 54 µg/m³ überschritten. Der Immissionsgrenzwert von 40 µg/m³ bezogen auf das Kalenderjahr für Par - tikel PM10 wurde eingehalten. Gleiches gilt für die erlaubte Anzahl an Überschreitungen des Tagesmittelwertes > 50 µg/m³. Mit 27 Überschreitungstagen wurde der Wert knapp eingehalten, erreichte aber den zweithöchsten Wert in Baden-Württemberg . Der Zielwert von 1 ng/m³ (Jahresmittelwert) für BaP konnten ebenfalls eingehalten werden. Tabelle 1: Jahresmittelwerte für NO2, Partikel PM10 und BaP in der Partikelfrak - tion PM10 an der Spotmessstelle Esslingen Grabbrunnenstraße für 2016 5. In welchem Zeitkorridor kann ein Luftreinhalteplan für die Stadt Esslingen entwickelt werden? Die Messungen der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LuBW) belegen erstmals für das Jahr 2016 die Überschreitung des zulässigen Jahresmittelwertes für NO2 an der Messstation Esslingen Grabbrunnenstraße. Gemeinsam werden nun das zuständige Regierungspräsidium Stuttgart und die Stadt Esslingen das weitere Vorgehen beraten. Der zeitliche Aufwand zur Aufstellung des Luftreinhalteplanes hängt dabei in nicht unerheblichem Maße von den vorhandenen Voruntersuchungen und den zu beauftragenden Gutachten ab. Das Ergreifen von Maßnahmen zur Aufstellung eines Luftreinhalteplans hat aber eine hohe Priorität für die Landesregierung. Derzeit forciert das zuständige Regierungspräsidium die Aufstellung des Luftreinhalteplans Esslingen bis Ende des Jahres 2018. /XIWVFKDGVWRII -DKUHVPLWWHOZHUW ,PPLVVLRQVJUHQ]ZHUW =LHOZHUW GHU %,P6FK9 6WLFNVWRIIGLR[LG 12 —J Pñ —J Pñ %HQ]R>D@S\UHQ %D3 QJ Pñ QJ Pñ 3DUWLNHO 30 —J Pñ —J Pñ /XIWVFKDGVWRII $Q]DKO GHU 7DJH PLW hEHUVFKUHLWXQJ GHV 7DJHVPLWWHOZHUWHV ! —J Pñ ,PPLVVLRQVJUHQ]ZHUW GHU %,P6FK9 3DUWLNHO 30 7DJH —J Pñ EHL ]XOlVVLJHQ hEHUVFKUHLWXQJVWDJHQ SUR -DKU Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1716 4 6. Welche Maßnahmen kann ein Luftreinhalteplan für Esslingen beinhalten, um Verbesserung der Luftqualität zu erreichen? 7. Welche Maßnahmen kann die Stadt Esslingen zur Verbesserung der Luft aktuell ergreifen? 8. Welche Maßnahmen zur Verbesserung der Luft haben Kommunen ergriffen, die eine vergleichbare Situation bei der Luftbelastung aufweisen? Die Fragen 6, 7 und 8 werden aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Nach § 47 Absatz 4 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) sind Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten. Bei Stickstoffdioxid (NO2) ist der Straßenverkehr maßgeblich für die Belastung. Baden-Württemberg-weit liegen die Beiträge dieser Quellgruppe zwischen 51 % und 77 %, der Beitrag von kleinen und mittleren Feuerungsanlagen zwischen 9 % und 27 %, die Industrie, der Offroad-Verkehr und die sonstigen technischen Einrichtungen tragen zwischen 3 % und 17 % (Luftreinhaltepläne für Baden-Württemberg – Grundlagenband 2015, LUBW). Wie sich der lokale Einfluss der einzelnen Quellgruppen gestaltet, wird für Esslingen noch untersucht werden. Erfahrungsgemäß dominiert an Messpunkte mit hoher Stickstoffdioxidbelastung der lokale und der großräumige Verkehr die Immissionen. Alle aktuellen Untersuchungen des Landes zur Luftreinhaltung in Baden-Württemberg deuten darauf hin, dass mithilfe einer Umweltzone mit blauer Plakette eine Minderung der Esslinger Luftbelastung unter den Jahresgrenzwert möglich sein sollte. Allerdings steht die dazu notwendige Änderung der 35. Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV) durch die Bundesregierung aus. Zudem ist die Maßnahme nach Einschätzung des Ministeriums für Verkehr frühestens 2020 unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu ergreifen. Daher geht es auch darum, ein Gesamtkonzept zur Minderung der Belastung zu erarbeiten, welches die Grenz - werte möglichst vor 2020 einhält. Welche Maßnahmen in diesem Kontext grund - sätzlich in Frage kommen zeigt sich aus der Aufstellung bzw. Fortschreibung anderer Luftreinhaltepläne. Hierzu zählen unter anderem die Förderung von ÖPNV, Elektromobilität und Fuß- und Radverkehr, rechtliche, technische und planerische Maßnahmen zur Verstetigung des Verkehrs, die Einführung und ggf. Fortschreibung von Umweltzonen und Verkehrsbeschränkungen. Eine bisher nicht in Baden -Württemberg erprobte Maßnahme läge in der Gewährung von deutlich spürbaren Nutzervorteilen für elektrisch angetriebene Kfz bei der Benutzung von Straßen und Parkmöglichkeiten. Details hierzu sind im Rahmen der Aufstellung des Luftreinhalteplans zu erörtern. 9. Welche Folgen sind zu erwarten, wenn in Esslingen keine Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität umgesetzt werden? Zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt hat die Europäische Union mit der Luftqualitätsrichtlinie in der Fassung 2008/50/EG für mehrere Luft - schadstoffe Immissionsgrenzwerte festgelegt. In Deutschland ist die Richt linie im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und insbesondere der 39. BImSchV umgesetzt worden. Die zuständigen Regierungspräsidien sind gemäß § 47 Absatz 1 Satz 1 BImSchG bei der Überschreitung der Immissionsgrenzwerte nach der 39. BImSchV verpflichtet einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der Maßnahmen zur schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung enthält. Die Europäische Union hat wegen der anhaltenden Überschreitung von Grenzwerten beim Stickstoffdioxid bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1716 Verfahren vor deutschen Verwaltungsgerichten haben in den letzten Jahren mehrere Urteile hervorgebracht, mit denen Länder zur Vorbereitung von Verkehrsverboten auf betroffenen Strecken aufgefordert wurden. Hermann Minister für Verkehr