Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1735 07. 03. 2017 1Eingegangen: 07. 03. 2017 / Ausgegeben: 05. 05. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Mengen an Klärschlamm fallen in Baden-Württemberg an und wie werden diese behandelt bzw. verwertet? 2. Wie schneidet die Verbrennung von Klärschlamm im Vergleich zu anderen Behandlungs- oder Verwertungsmethoden unter gesamtökologischen Gesichtspunkten ab? 3. Welchen Stellenwert hat Klärschlamm als (schadstoffgeprüftes) Düngemittel in der Landwirtschaft in Baden-Württemberg? 4. Welche Erkenntnisse liegen über radioaktive Bestandteile von Klärschlämmen vor? 5. Wie wird sich die Novelle der Klärschlammverordnung des Bundes vom 18. Januar 2017 auf Baden-Württemberg auswirken − insbesondere hinsichtlich der Nachrüstung von Kläranlagen zur P-Eliminierung? 6. Wie schätzt sie die weiteren Möglichkeiten der effizienten Klärschlammverwertung z. B. über Karbonisierungsverfahren (HTC) ein? 07. 03. 2017 Dr. Murschel GRÜNE Kleine Anfrage des Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Klärschlammbehandlung und -verwertung in Baden-Württemberg Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1735 2 B e g r ü n d u n g Der Bund hat am 18. Januar 2017 die Novelle der Klärschlammverordnung beschlossen . In diesem Zusammenhang ist von Interesse, um welche Mengen es in Baden-Württemberg dabei geht und inwieweit Rückwirkungen und Veränderungen in Baden-Württemberg erwartet werden. In den vergangenen Jahren ist die landwirtschaftliche Verwertung gegenüber der Verbrennung stark rückläufig. Weitere Verwertungswege sind die Kompostierung sowie der Einsatz im Rahmen von Rekultivierungsmaßnahmen und Begrünungen. Neue biotechnische Verfahren können auch in Zusammenhang mit der Klärschlammverwertung betrachtet werden. Mit Hilfe von Karbonisierungsverfahren können wertvolle Bodenhilfsstoffe (Biokohle) erhalten werden. Diese Verfahren werden auch im Zusammenhang mit Klimaschutzmaßnahmen diskutiert. Ein besonderes Augenmerk sollte hier auch dem knappen Rohstoff Phosphor gelten , welches im Zuge der Klärschlammverwertung rückgewonnen werden kann. A n t w o r t Mit Schreiben vom 3. April 2017 Nr. 25-8982.32/125 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Mengen an Klärschlamm fallen in Baden-Württemberg an und wie werden diese behandelt bzw. verwertet? Insgesamt 236.000 Tonnen Klärschlamm (Trockenmasse) fielen 2015 zur Entsorgung im Land an. Davon wurden rund 225.000 Tonnen in Verbrennungsanlagen energetisch verwertet, im Landschaftsbau etwa 7.000 Tonnen eingesetzt und in die Landwirtschaft ca. 2.000 Tonnen stofflich verwertet. Ein Rest von annähernd 2.000 Tonnen wurde einer sonstigen Entsorgung, im Wesentlichen der Kompos - tierung und Substratherstellung, zugeführt. Bei der Betrachtung der Klärschlammentsorgungswege für die Jahre 2003 bis 2015 lassen sich deutliche Erfolge bei der Abkehr von der bodenbezogenen Klärschlammverwertung erkennen, wie aus Abbildung 1 ersichtlich ist. Seit 2003 haben die in der Landwirtschaft und im Landschaftsbau verwerteten Klärschlammmengen stetig zugunsten einer zunehmenden energetischen Verwertung abgenommen. Der Anteil der Verbrennung konnte dabei von 39,2 Prozent auf mittlerweile 95,2 Prozent gesteigert werden. Abbildung 1: Entsorgungswege von Klärschlamm 2003 und 2015 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1735 Die energetische Verwertung von Klärschlamm aus Baden-Württemberg erfolgt in vier Zementwerken, in zwei Klärschlamm-Monoverbrennungsanlagen, in zwei Klärschlammvergasungsanlagen, in einem Kohlekraftwerk und in einer Papier - fabrik in Baden-Württemberg. Darüber hinaus werden Klärschlämme auch außerhalb von Baden-Württemberg mitverbrannt. In den letzten Jahren ist ein kontinuierlicher Rückgang der jährlich anfallenden Klärschlammmengen zu verzeichnen. Mussten 2004 rund 285.000 Tonnen Klärschlamm entsorgt werden, verringerte sich die Klärschlammenge 2014 auf 229.000 Tonnen. Gründe sind unter anderem der Umstieg von der Kalk- zur Polymerkonditionierung bei der Entwässerung, genauere Methoden zur Mengenermitt - lung sowie die zunehmende Vergärung des Klärschlamms auf Kläranlagen. Auch führt die verbesserte Vorreinigung bei den Indirekteinleitern zu diesem Mengenrückgang . Allerdings ist 2015 im Vergleich zu 2014 wieder ein leichter Anstieg um 3 Prozent auf 236.000 Tonnen zu verzeichnen, was auch auf eine Zunahme der Bevölkerung in Baden-Württemberg zurückzuführen ist. 2. Wie schneidet die Verbrennung von Klärschlamm im Vergleich zu anderen Behandlungs- oder Verwertungsmethoden unter gesamtökologischen Gesichtspunkten ab? Die Frage nach der gesamtökologischen Bewertung der Klärschlammbehandlung lässt sich nicht allein mit den Eigenschaften des Klärschlammes wie beispielsweise Wassergehalt, Aschegehalt und Heizwert der organischen Trockensubstanz beantworten. Im Hinblick auf eine vergleichende Bewertung der jeweiligen Verfahren zur Klärschlammbehandlung ist es erforderlich, die Verfahrensketten entsprechend der wesentlichen Verfahrensstufen (beispielsweise mit/ohne Faulung, Trocknung/Verbrennung am Standort oder extern) zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Energienutzung und des Energieaufwands ergeben sich je nach Verfahrenskombination der Gesamtkette für ein und denselben Klärschlamm ganz unterschiedliche Ergebnisse. Es können Verfahrensketten mit positivem Ergebnis (Netto-Energienutzen für die Behandlung) und Verfahren mit negativem Ergebnis (Netto-Energieaufwand für die Behandlung) gefunden werden. Wenn die entsprechenden Randbedingungen bei der Wahl des Verfahrens- und Anlagenkonzepts berücksichtigt wurden, wovon im Regelfall auszugehen ist, weist die Klärschlammverbrennung eine positive Energiebilanz auf. Klärschlamm kann demnach mit Energiegewinn (Strom und Wärme) verbrannt werden, weshalb hier von einer energetischen Verwertung des Klärschlamms gesprochen werden kann. Aus ökologischer Sicht ist das wichtigste Ziel der Verbrennung, die im Klärschlamm enthaltenen organischen Schadstoffe endgültig zu zerstören und anorganische Schadstoffe wie Schwermetalle in der Klärschlammasche aufzukonzentrieren . Dadurch ist es möglich, effektiv Schadstoffe aus dem Kreislauf zu entnehmen , die ansonsten über eine landwirtschaftliche Verwertung des Klärschlamms breitflächig in der Umwelt verbreitet werden würden. 3. Welchen Stellenwert hat Klärschlamm als (schadstoffgeprüftes) Düngemittel in der Landwirtschaft in Baden-Württemberg? Klärschlämme enthalten eine Vielzahl organischer Schadstoffe, die sich in Böden und Grundwasser anreichern können. Viele dieser Substanzen sind schwer abbaubar und ökotoxisch, wie auch eine Studie der Universität Tübingen1 zum Schadstoff -Screening von Klärschlamm aus 2014 bestätigt. Schadstoffe kommen nicht nur in produktionsbedingten Abwässern, sondern zunehmend auch im häuslichen Abwasser vor. Stoffe wie Arzneimittelwirkstoffe, Kosmetika, Rückstände aus Wasch- und Reinigungsvorgängen, Weichmacher aus Kunststoffen sowie Flamm- _____________________________________ 1 http://um.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-um/intern/Dateien/Dokumente/ 2_Presse_und_Service/Publikationen/Umwelt/Bericht_KS_Screening_ZAG_Uni_ Tuebingen_05_2014.pdf. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1735 4 schutzmittel zählen dazu. Eine Überprüfung der Schadstoffe erfolgt bei landwirtschaftlicher Verwertung entsprechend den Vorgaben durch die Klärschlammverordnung und Düngemittelverordnung. Das mögliche Schadstoffspektrum in kommunalem Klärschlamm ist jedoch weitaus breiter. Die im Klärschlamm enthaltenen Nährstoffe zu nutzen, liegt im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgedankens . Dies rechtfertigt aber nicht, die mit hohem Aufwand mühsam aus den Abwässern entfernten Schadstoffe über die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung wieder breitflächig in der Umwelt zu verteilen. Ziel einer Kläranlage ist es, nicht abbaubare Schadstoffe möglichst weitgehend aus dem Abwasser zu entfernen und im Klärschlamm zu konzentrieren. Klärschlämme haben daher die Funktion einer Schadstoffsenke bei der Abwasserreinigung und müssen wie alle Abfälle einer geregelten Entsorgung zugeführt werden. Auch gibt es mittlerweile technische Verfahren, mit denen Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff aus dem Klärschlamm zurückgewonnen werden können. So bleiben die Schadstoffbelastungen im Klärschlamm und Phosphor sowie Stickstoff können als Sekundärrohstoffdünger genutzt werden (siehe dazu auch Antwort zu Frage 5). Da eine Verwertung von Klärschlamm in der Landwirtschaft aufgrund der nachteiligen Wirkungen und Risiken mit einer umweltgerechten Landbewirtschaftung nicht zu vereinbaren ist, werden ab dem 1. Januar 2007 Ausgleichleistungen nach dem jeweils aktuellen Agrarumweltprogramm (damals MEKA III) an einen Verzicht auf Klärschlammausbringung im gesamten Betrieb gekoppelt. Dies ist eine sehr wirkungsvolle Maßnahme, da die überwiegende Mehrheit der landwirtschaftlichen Betriebe an den Agrarumweltprogrammen teilnimmt. Dieser Ausstieg aus der Verwertung von kommunalem Klärschlamm in der Landwirtschaft erfolgte zudem einvernehmlich mit dem Berufsstand. Daher ist der Stellenwert von kommunalem Klärschlamm als Düngemittel in der Landwirtschaft in Baden-Württemberg marginal. 4. Welche Erkenntnisse liegen über radioaktive Bestandteile von Klärschlämmen vor? Untersuchungen auf radioaktive Bestandteile von Klärschlamm liegen lediglich zu dem Element Uran vor. Uran ist ein in der Natur vorkommendes radioaktives Schwermetall. Bei Klärschlamm haben sich laut einer Studie des Umweltbundesamts 2 von 2012 die Gehalte an Uran zwischen Anfang der 1990er-Jahre und 2008 von rund 1,2 mg/kg TM auf etwa 2,4 mg/kg TM (Median) verdoppelt. Im Rahmen der Düngemittelverkehrskontrolle in Baden-Württemberg wurden 2011 die Urangehalte ausgewählter Mineraldünger untersucht. Die Urangehalte der insgesamt 116 untersuchten phosphathaltigen mineralischen Düngemittel lagen zwischen 0,23 und 188 mg/kg Düngemittel bei einem Median von 30,0 mg/kg (siehe auch Drucksache 15/2797). Es wird damit deutlich, dass die Urangehalte bei Klärschlamm weit niedriger als bei gängigen Mineraldüngern liegen. 5. Wie wird sich die Novelle der Klärschlammverordnung des Bundes vom 18. Januar 2017 auf Baden-Württemberg auswirken − insbesondere hinsichtlich der Nachrüstung von Kläranlagen zur P-Eliminierung? Der Entwurf der Klärschlammverordnung des Bundes vom 18. Januar 2017 sieht eine Pflicht zur Phosphor-Rückgewinnung für Kläranlagen größer 100.000 Einwohnerwerte (EW) 12 Jahre (frühestens 2029) und größer 50.000 EW 15 Jahre (frühestens 2032) nach Inkrafttreten der Verordnung vor. Zeitgleich mit der Pflicht der Kläranlagenbetreiber zur Phosphor-Rückgewinnung ist eine boden - bezogene Verwertung nicht mehr gestattet. Die bodenbezogene Verwertung von _____________________________________ 2 Uran in Boden und Wasser, Texte 37/2012, Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau, 2012. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1735 Klärschlamm bei Kläranlagen bis 50.000 EW soll allerdings möglich bleiben. Die Zwischenlagerung von Klärschlammaschen mit dem Ziel der späteren Aufbereitung soll unbefristet möglich sein. Auswirkungen der Novellierung der Klärschlammverordnung auf die Nachrüs - tung von Kläranlagen zur P-Eliminierung werden nicht erwartet, da diese Verordnung keine Anforderungen an das zu reinigende Abwasser stellt. Jedoch müssen sich die Kläranlagenbetreiber im Land mit einer Ausbaugröße von größer 100.000 EW (36 Kläranlagen) und zwischen 50.001 und 100.000 EW (48 Kläranlagen) zukünftig damit befassen, wie eine Phosphor-Rückgewinnung aus dem Klärschlamm ihrer Anlagen erfolgen kann. Durch die Neuordnung der Klärschlammverwertung sind rund 9 Prozent der insgesamt 924 Kläranlagen in Baden-Württemberg berührt. Dies hat durch die Größe der Anlage jedoch zur Folge, dass zukünftig aus rund 60 Prozent des im Land anfallenden Klärschlamms eine Rückgewinnung erfolgen muss. Bei einer aus heutiger Sicht realistischen Phosphor-Rückgewinnungsquote von 70 Prozent werden nach den Vorgaben des Verordnungsentwurfs in Baden-Württemberg voraussichtlich ab 2032 pro Jahr 3.500 Tonnen Phosphor aus Klärschlamm gewonnen. Damit ließe sich die derzeit mit mineralischen Düngemitteln zugeführte Phosphormenge in Baden-Württemberg theoretisch zu knapp 30 Prozent von aus Klärschlamm gewonnenem Phosphor decken und der Import von mineralischem Phosphordünger könnte entsprechend verringert werden. Würde die Pflicht zur Phosphor-Rückgewinnung auf alle Kläranlagen ausgeweitet, könnte in Baden-Württemberg über die Hälfte des Phosphors aus mineralischen Düngemitteln ersetzt werden. Baden-Württemberg tritt für eine möglichst weitreichende und schnellstmögliche Beendigung der bodenbezogenen Klärschlammverwertung und für die zeitnahe Einführung der Pflicht zur Phosphor-Rückgewinnung ein. Das Land erkannte bereits 2003 die Wichtigkeit von Phosphor und förderte Verfahren, um Phosphor aus Klärschlamm zu gewinnen und hat schließlich 2012 die Phosphor-Rückgewinnungsstrategie Baden-Württemberg3 aufgesetzt. Ziel dieser Strategie ist es, durch Errichtung einer ausreichenden Infrastruktur für die Phosphor-Rückgewinnung langfristig einen nennenswerten Beitrag zur Eigenversorgung des Landes mit Phosphor sicherzustellen. Um den Übergang von der bisherigen Linie bei der Klärschlammentsorgung zu erleichtern, wurde zudem für die Kläranlagenbetreiber im Land ein Förderprogramm aufgelegt, das in die Phosphor-Rückgewinnungsstrategie des Landes eingebunden ist. Es wird im Rahmen des Operationellen Programms – Innovation und Energiewende – des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) in Baden-Württemberg für die Förderperiode 2014 bis 2020 umgesetzt und somit aus EU-Mitteln kofinanziert (8 Millionen Euro aus EFRE-Mitteln und weitere 4 bis 6 Millionen Euro aus Landesmitteln). Über das Förderprogramm „Phosphor-Rückgewinnung“ werden Untersuchung, Weiterentwicklung sowie großtechnische Umsetzung unterschiedlicher Phosphor- Rückgewinnungsverfahren in Versuchs- und Pilotanlagen an verschiedenen Stand - orten gefördert, um die Forschung, technologische Entwicklung und Innovation in diesem Bereich stärker voranzubringen. Ziel ist es, qualitativ hochwertige, gering belastete Phosphorverbindungen als Rohstoff für industrielle Anwendungen oder als Düngemittel mit hoher Verfügbarkeit für Nutzpflanzen zu gewinnen, ohne auf Verdünnungseffekte bei Schadstoffen zurückzugreifen. Darüber hinaus werden Folgen der Neuordnung der Klärschlammverordnung auf den Verbrennungsmarkt erwartet. In den nächsten Jahren wird es voraussichtlich zunehmend schwieriger werden, Kapazitäten für die Klärschlammverbrennung zu finden. Etwa 80 Prozent der im Land anfallenden Klärschlämme werden derzeit in der Mitverbrennung, vorrangig in Kohlekraftwerken, energetisch verwertet. _____________________________________ 3 https://um.baden-wuerttemberg.de/de/umwelt/abfall-und-kreislaufwirtschaft/ kreislaufwirtschaft/recycling-und-abfalltechnik/phosphor-rueckgewinnung/ Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1735 6 Allerdings verringern Kohlekraftwerke durch die Energiewende sukzessive ihre Kapazitäten und zugleich steigen die technischen Anforderungen an die Mitverbrennung , sodass dieser Entsorgungsweg zukünftig an Bedeutung verlieren wird. Welche zusätzlichen Mengen an Klärschlamm zukünftig in der Zementindustrie verbrannt werden können, ist derzeit schwer abschätzbar. Nach den Vorgaben des Entwurfs der Klärschlammverordnung dürfen Zementwerke ab 2029 bzw. 2032 nur noch Klärschlamm von großen Kläranlagen verbrennen, welcher vorab einer Phosphor-Rückgewinnung unterzogen wurde. Der Druck auf den Verbrennungsmarkt nimmt ebenfalls durch den kontinuier - lichen Anstieg der Verbrennungsquote in Deutschland zu, der durch das wachsende Akzeptanzproblem der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung auch in anderen Bundesländern und Verschärfungen des Düngerechts (strengere Schwermetallgrenzwerte der Düngemittelverordnung gelten auch für Klärschlamm) zu begründen ist. Neue Verbrennungskapazitäten werden bundesweit nur langsam aufgebaut. In Betracht gezogen werden muss auch, dass aktuell rund 40 Prozent des in Baden-Württemberg anfallenden Klärschlamms in andere Bundesländer zur Verbrennung exportiert wird. Die Planungen zum Bau und Betrieb von neuen Monoverbrennungsanlagen wie in Böblingen oder Mannheim sind vor diesem Hintergrund von großer Bedeutung und zu begrüßen. 6. Wie schätzt sie die weiteren Möglichkeiten der effizienten Klärschlammverwertung z. B. über Karbonisierungsverfahren (HTC) ein? Die Verbrennung von Klärschlamm in Mono- und Mitverbrennungsanlagen ist heute die anerkannte Technologie, um Klärschlamm zu inertisieren und zu hygienisieren , die darin enthaltenen organischen Schadstoffe zu zerstören sowie das Volumen zu reduzieren. Alternative thermische Verfahren wie Pyrolyse, Vergasung oder Hydrothermale Karbonisierung (HTC) wurden zur Klärschlammbehandlung in den letzten Jahren entwickelt und an einigen Standorten in Baden- Württemberg umgesetzt. Allerdings spielen alternative thermische Verfahren bislang eine sehr untergeordnete Rolle, da diese bei der Klärschlammverwertung in Baden-Württemberg lediglich einen Anteil im unteren einstelligen Prozentbereich haben. Es ist derzeit auch nicht davon auszugehen, dass dieser Anteil in nächster Zeit bedeutend zunehmen wird. Bei HTC-Verfahren haben die Art und der Ort der Wärme- und Strombereitstellung sowie die Behandlung des HTC-Prozesswassers einen großen Einfluss auf den ökobilanziellen Vergleich von Klärschlammverwertungsverfahren (siehe auch Drucksache 15/7158). Das potenziell hochbelastete HTC-Prozesswasser, welches systemimmanent bei der hydrothermalen Carbonisierung entsteht, kann eine Schwachstelle dieses Systems darstellen. Eine gesamtökologische Beurteilung ist aufgrund fehlender belastbarer Grundlagen und Daten zu einem großtechnischen Dauerbetrieb derzeit nicht fundiert möglich. Eine stoffliche Verwertung der HTC-Kohle aus Klärschlamm auf Böden ist aufgrund der teilweise hohen Schwermetall- und Schadstoffaffinität und noch nicht ausreichend erforschter mutagener Wirkungen nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zu empfehlen. Auch Wachstums- und Ertragssteigerungen sowie langfris - tige C-Sequestrierungen sind bisher auf mitteleuropäischen Böden wissenschaftlich nicht eindeutig nachgewiesen. Es gibt daher auch keine Zulassung nach der Düngemittelverordnung für solche Stoffe. Die Landesregierung beobachtet die weitere Entwicklung der HTC-Verfahren jedoch intensiv und wird ihre bisherige Bewertung überprüfen, wenn neue belastbare Erkenntnisse aus den Pilotanlagen vorliegen. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft