Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1753 10. 03. 2017 1Eingegangen: 10. 03. 2017 / Ausgegeben: 08. 05. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wird sie sich im Bundesrat für eine Initiative der Industrie- und Handelskammern im Land auch im Sinne der über 47.000 Mitgliedsunternehmen für einen Bürokratieabbau stark machen? 2. Wird sie sich dafür stark machen, dass die Grenze – die seit 1965 nicht verändert wurde – von 410 Euro auf mindestens 1.000 Euro (geringwertige Wirtschafsgüter ), wie von der IHK beantragt, angehoben wird? 3. Welche Positionen wird sie nach einer geplanten Anhebung im Sommer 2017 im Bundesrat vertreten, wenn die Aufgaben dann auf die Länder übergehen? 4. Was tut sie diesbezüglich, dass Unternehmen zukünftig ihre Liquidität mit einer Einführung eines steuerlichen Sofortabzugs von geringwertigen Wirtschaftsgütern erhöhen können? 5. Welchen Nutzen sieht sie aus ihrer Sicht, auch im Sinne der mittelständischen Betriebe in den ländlichen Räumen, bezugnehmend auf das Bürokratieentlas - tungsgesetz (BEG II) darauf hinzuwirken, einer Erhöhung positiv entgegenzustehen und eine Anhebung aus ordnungspolitischer Sicht den realen Gegebenheiten anzupassen? 6. Wie viele Arbeitsplätze können aus ihrer Sicht in Baden-Württemberg durch die langfristig geforderte und real durchgeführte Umsetzung dieser Problematik entstehen, um steuerliche Mindereinnahmen in erheblichem Maße mittelfristig auszugleichen? Kleine Anfrage des Abg. Stefan Herre AfD und Antwort des Ministeriums für Finanzen Anhebung der Grenze für die Sofortabschreibung bei sogenannten geringwertigen Wirtschaftsgütern (§ 6 Absatz 2 Einkommensteuergesetz [EStG]) von derzeit 410 Euro auf 1.000 Euro Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1753 2 7. Könnte es aus realen und entlastungstechnischen Gesichtspunkten und der zeitlichen Entwicklung nicht geboten sein, eine Erhöhung auch darüber hinaus zu unterstützen? 02. 03. 2017 Herre AfD B e g r ü n d u n g Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) werden durch Bürokratie aufgrund rechtlicher Vorgaben und der daraus entstehenden Kosten besonders belastet und in ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Dynamik beeinträchtigt . Bürokratische Belastungen bremsen die wirtschaftliche Betätigung aller Firmen und belasten dabei überproportional die rund 3,6 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland. Ein zentraler Aspekt einer möglichen Ent - lastung für die Betriebe betrifft die im Falle einer Anhebung der Grenze deutlich seltener stattfindenden Auseinandersetzungen zwischen Finanzverwaltung und den betroffenen Betrieben über die Nutzungsdauer von geringwertigen Wirtschaftsgütern und etwaige Aktivierungspflichten. In einer florierenden und weiter stetig pulsierenden Wirtschaft haben Sofortabschreibungen nicht nur elementare wie temporäre, sondern auch fortlaufende positive Effekte auf Investitionen, Wachstum und Beschäftigungszahlen. Über eine wachsende Zahl an Arbeitnehmern und steigenden Lohnsteuereinahmen können kurzfristig Mindereinahmen bei der Anhebung der Grenze der Sofortabschreibung bei sogenannten geringwertigen Wirtschafsgütern mittelfristig ausgeglichen werden. Die Anhebung der Grenze wirkt sich ökonomisch langfristig positiv auf ein weiteres Wirtschafswachstum aus. Darüber hinaus gibt es viele weitere Gründe, warum eine Entlas - tung die kurzfris tigen Mindereinahmen mittelfristig wieder ausgleichen können. Mit dieser Kleinen Anfrage soll der Standpunkt und die Auffassung der Landesregierung erfragt werden und wie sie im Bundesrat zu dieser Angelegenheit im Sinne der ansässigen Betriebe aus Baden-Württemberg unterstützend vorgeht. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1753 A n t w o r t Mit Schreiben vom 4. April 2017 Nr. 3-S218.0/18 beantwortet das Ministerium für Finanzen die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Wird sie sich im Bundesrat für eine Initiative der Industrie- und Handelskammern im Land auch im Sinne der über 47.000 Mitgliedsunternehmen für einen Bürokratieabbau stark machen? 2. Wird sie sich dafür stark machen, dass die Grenze – die seit 1965 nicht verändert wurde – von 410 Euro auf mindestens 1.000 Euro (geringwertige Wirtschafsgüter ), wie von der IHK beantragt, angehoben wird? 5. Welchen Nutzen sieht sie aus ihrer Sicht, auch im Sinne der mittelständischen Betriebe in den ländlichen Räumen, bezugnehmend auf das Bürokratieentlas - tungsgesetz (BEG II) darauf hinzuwirken, einer Erhöhung positiv entgegenzustehen und eine Anhebung aus ordnungspolitischer Sicht den realen Gegebenheiten anzupassen? 7. Könnte es aus realen und entlastungstechnischen Gesichtspunkten und der zeitlichen Entwicklung nicht geboten sein, eine Erhöhung auch darüber hinaus zu unterstützen? Zu 1., 2., 5. und 7.: Die Fragen 1., 2., 5. und 7. werden gemeinsam beantwortet. Grundsätzlich müssen die Kosten von abnutzbaren Wirtschaftsgütern, die der Steuerpflichtige zur Erzielung von Einkünften verwendet, auf den Zeitraum der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer dieser Wirtschaftsgüter abgeschrieben werden , wenn die Nutzungsdauer erfahrungsgemäß mehr als ein Jahr beträgt (§ 7 Abs. 1 Einkommensteuergesetz – EStG). Dadurch können die Kosten des Wirtschaftsguts nicht sofort nach Anschaffung oder Herstellung als Betriebsausgaben abgezogen werden. Sie müssen zu gleichen Teilen jährlich über die voraussicht - liche Nutzungsdauer verteilt abgesetzt werden. Für bewegliche geringwertige Wirtschaftsgüter, die einer selbstständigen Nutzung fähig sind, besteht nach § 6 Abs. 2 EStG allerdings die Möglichkeit einer Sofortabschreibung . Betragen deren Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten nicht mehr als 410 Euro netto, können sie bereits im Jahr der Anschaffung bzw. Herstellung als Betriebsausgaben in voller Höhe abgezogen werden. Dies stellt die sog. Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG-Grenze) dar. Sinn und Zweck der Sonderregelung für geringwertige Wirtschaftsgüter war ursprünglich vor allem eine Vereinfachung der betrieblichen Rechnungslegung. Die große Masse der geringwertigen Wirtschaftsgüter sollte die Buchhaltung nicht unnötig belasten. Damit stand die Arbeitserleichterung für den Steuerpflichtigen und die Finanzverwaltung im Vordergrund . Daneben verbessert die Vorschrift generell die Absetzungsmöglichkeiten und dient somit der Verbesserung der Selbstfinanzierung des Steuerpflichtigen. Letztlich werden durch die Vereinfachung Auseinandersetzungen zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung vermieden. Bereits 1953 wurde die Möglichkeit der Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter eingeführt und 1964 die Höchstgrenze von 600 DM auf 800 DM angehoben . Heute liegt die Höchstgrenze bei 410 Euro. Ab 2008 wurde eine „Poolabsetzung “ mittels Sammelposten für Wirtschaftsgüter mit Kosten von 151 Euro bis 1.000 Euro eingeführt. Der Sammelposten ist gleichmäßig über fünf Wirtschaftsjahre verteilt abzusetzen. Im Rahmen des Gesetzes zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (Bürokratieentlastungsgesetz) vom 28. Juli 2015 (BGBl. I 2015, 1400) hat man eine Anhebung der GWG-Grenze auf 800 Euro diskutiert, jedoch nicht umgesetzt. Daraufhin hat der Bundesrat in seiner Entschließung vom 10. Juli 2015 (BR-Drs. 304/15 [B] Nr. 3) die Bundesregierung um Prüfung gebeten , inwieweit weitere Verbesserungen bei den geringwertigen Wirtschaftsgütern Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1753 4 umgesetzt werden können. Auch Baden-Württemberg hat diese Initiative unterstützt . Die Anhebung der GWG-Grenze würde eine echte Verwaltungsvereinfachung darstellen. Die hierdurch verursachten Steuermindereinnahmen fallen vor allem im zweiten und dritten Jahr nach der Anhebung höher aus (deutlich mehr als eine Milliarde Euro) und flachen dann recht schnell ab, sodass über lange Sicht gesehen nur ein Steuerverschiebungseffekt entsteht. Vor diesem Hintergrund wird die Landesregierung eine Anhebung der GWG-Grenze unterstützen. 3. Welche Positionen wird sie nach einer geplanten Anhebung im Sommer 2017 im Bundesrat vertreten, wenn die Aufgaben dann auf die Länder übergehen? Zu 3.: Mit einer Anhebung der Grenze für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter ist keine Verlagerung von Aufgaben verbunden. Die geplante Änderung des Einkommensteuergesetzes stellt eine bundesgesetzliche Regelung dar, der die Länder im Bundesrat zustimmen müssen. Die Verwaltung der Einkommensteuer obliegt nach Artikel 108 Absatz 2 des Grundgesetzes den Landes - finanzbehörden. 4. Was tut sie diesbezüglich, dass Unternehmen zukünftig ihre Liquidität mit einer Einführung eines steuerlichen Sofortabzugs von geringwertigen Wirtschafts - gütern erhöhen können? Zu 4.: Bereits derzeit können geringwertige Wirtschaftsgüter bis zu 410 Euro im Jahr der Anschaffung bzw. Herstellung als Betriebsausgaben sofort in voller Höhe abgezogen werden. Sollte die geplante Erhöhung dieses Betrages durch eine Änderung des Einkommensteuergesetzes umgesetzt werden, bedarf es keiner weiteren Maßnahmen auf Landesebene. Die Änderung würde unmittelbar Geltung auch in Baden-Württemberg erlangen und die gewünschte liquiditätserhöhende Wirkung entfalten. 6. Wie viele Arbeitsplätze können aus ihrer Sicht in Baden-Württemberg durch die langfristig geforderte und real durchgeführte Umsetzung dieser Proble - matik entstehen, um steuerliche Mindereinnahmen in erheblichem Maße mittelfristig auszugleichen? Zu 6.: Die Anhebung der Grenze für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter dient in erster Linie der Vereinfachung und dem Bürokratieabbau. Zwar trägt die Maßnahme auch zur Erhöhung der Liquidität bei den Unternehmen bei, inwieweit dadurch neue Arbeitsplätze geschaffen werden, lässt sich aber nicht vorhersagen. In Vertretung Dr. Splett Staatssekretärin