Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1807 17. 03. 2017 1Eingegangen: 17. 03. 2017 / Ausgegeben: 09. 05. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche touristische und auch pädagogische Bedeutung misst sie Weinbergund Felderfahrten (Traktorfahrten zur Gästebegrüßung) bei? 2. Welche rechtlichen Rahmenbedingungen und Anforderungen gelten für Weinberg - und Felderfahrten in Baden-Württemberg? 3. Nach welchen Kriterien entscheiden die Landratsämter über deren Genehmigung bzw. Auflagen? 16. 03. 2017 Dr. Rapp CDU B e g r ü n d u n g Landwirtschaftliche Betriebe bieten immer häufiger Fahrten mit landwirtschaft - lichen Fahrzeugen zu touristischen Zwecken an, bei denen sie Personen auf dem Anhänger befördern. Die Genehmigungspraxis und die Auflagen scheinen hier zwischen den Landratsämtern unterschiedlich zu sein. Dies führt bei Betroffenen zu großer Unsicherheit. Ziel der Kleinen Anfrage ist es, hier Klarheit und Rechtssicherheit zu bekommen. Kleine Anfrage des Abg. Dr. Patrick Rapp CDU und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Weinberg- und Felderfahrten Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1807 2 A n t w o r t Mit Schreiben vom 10. April 2017 Nr. Z(24)-0141.5/138F beantwortet das Minis - terium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Ministerium der Justiz und für Europa und dem Ministerium für Verkehr die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Welche touristische und auch pädagogische Bedeutung misst sie Weinbergund Felderfahrten (Traktorfahrten zur Gästebegrüßung) bei? Zu 1.: Der Tourismus gilt als ein Wachstumssektor und ist in Baden-Württemberg ein wichtiger Wirtschaftszweig mit bedeutenden Beiträgen zu Einkommen, Beschäftigung und regionaler Entwicklung. Mit einer nachhaltigen Tourismuspolitik sichert die Landesregierung die zukunfts - orientierte Weiterentwicklung des Tourismus in den Tourismusorten und Regionen des Landes. Dazu gehört auch die Verknüpfung von Tourismus, Naturschutz und Landnutzung. Die Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg (TMBW) hat als Landesmarketingorganisation die Aufgabe, die touristische Wertschöpfung durch gezielte Imagewerbung und konkrete Marketingmaßnahmen für Baden-Württemberg zu steigern. Unter dem Kernthema „Genuss“ als einem von insgesamt vier fokussierten Themenfeldern bewirbt sie unter anderem aktiv die Erlebnismarke „Wein - süden“. Auch viele garten-, land- und weinbauliche Betriebe profitieren von diesen Marketingmaßnahmen und haben als weiteren Betriebszweig in die Beherbergung von Gästen oder in gastronomische Angebote investiert. Baden-Württemberg genießt hier ein sehr positives Image, die Standards und die Servicequalität werden hoch geschätzt. Darüber hinaus legen viele Teile der Bevölkerung Wert auf gute und gesunde Ernährung. Zu wissen, woher das Essen kommt, wird immer bedeutsamer , und zu erfahren, wie unsere Nahrungsmittel produziert werden, zum Erlebnis . Der direkte Kontakt zum Erzeuger und Gastgeber wird gesucht, und das Interesse der Gäste wächst, regionaltypische Spezialitäten und Eigenheiten kennenzulernen . Vor allem Besuche in Weinbaubetrieben mit Informationen zum Weinan- und -ausbau sowie den dazugehörigen Events erfreuen sich großer Beliebtheit . Die Tourismusverbände, Kommunen und Städte greifen das Thema Wein-Kultur-Kulinarik durch neue Reiseangebote und Gästeführungen auf, die unverwechselbaren und persönlichen Arrangements der Betriebe sind ein Schlüssel zum Erfolg. Vor diesem Hintergrund misst die Landesregierung im Rahmen der tourismus - politischen und marketingbezogenen Anstrengungen zur Entwicklung und zum Ausbau des Weintourismus den Weinberg- und Felderfahrten eine beachtliche touristische und auch pädagogische Bedeutung bei. Denn ein wesentliches Ziel dieser Veranstaltungen liegt darin, den nicht orts- und fachkundigen Besuchern die agrarische Produktion, die Besonderheiten der Umgebung und der ländlichen Lebensräume näherzubringen. Diese Thematik wird in den anderen deutschen Weinbauregionen, insbesondere in Rheinland-Pfalz, ebenfalls intensiv bearbeitet. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1807 2. Welche rechtlichen Rahmenbedingungen und Anforderungen gelten für Weinberg - und Felderfahrten in Baden-Württemberg? 3. Nach welchen Kriterien entscheiden die Landratsämter über deren Genehmigung bzw. Auflagen? Zu 2. und 3.: Nach der Zweiten Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften vom 28. Februar 1989 (BGBl. I S. 481) sind Fahrten von Zugmaschinen mit Anhängern bei der Verwendung auf örtlichen Brauchtumsveranstaltungen von verschiedenen Vorschriften der Fahrzeug-Zulassungsverordnung, der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, der Fahrerlaubnis-Verordnung und der Stra - ßenverkehrs-Ordnung ausgenommen. Eine durch Behörden erteilte Ausnahme - genehmigung ist daher grundsätzlich nicht erforderlich. Nach der Begründung zu dieser Ausnahmeverordnung fallen unter Brauchtumsveranstaltungen auch sogenannte Felderfahrten. Dieser Begriff ist allerdings weit auszulegen. Die Art und Weise des Fruchtanbaus ist nicht entscheidend, sodass auch Weinbergfahrten darunterfallen können. Solche Rundfahrten haben in manchen Weinbaugebieten eine langjährige Tradition und gelten dort als typische Brauchtumsveranstaltung. Bei der Durchführung solcher Fahrten darf keine Gewinnerzielungsabsicht bestehen, ansonsten wäre der Begriff der örtlichen Brauchtumsveranstaltung nicht erfüllt. Weinberg- und Felderfahrten als Brauchtumsveranstaltungen sind nach der Zweiten Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften mit folgenden Maßgaben zulässig: • Der Zugmaschine muss ein eigenes Kennzeichen zugeteilt sein, und ihre bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit darf nicht mehr als 60 km/h betragen; • die Fahrzeuge dürfen nur mit Schrittgeschwindigkeit gefahren werden; • für jedes der eingesetzten Fahrzeuge muss eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung bestehen, die die Haftung für Schäden abdeckt, die auf den Einsatz der Fahrzeuge im Rahmen der Brauchtumsveranstaltung zurückzuführen sind; • Personen dürfen auf Anhängern befördert werden (nicht jedoch auf den Anund Abfahrten), wenn deren Ladefläche eben, tritt- und rutschfest ist, für jeden Sitz- und Stehplatz eine ausreichende Sicherung gegen Verletzungen und Herunterfallen des Platzinhabers besteht und die Aufbauten sicher gestaltet und am Anhänger fest angebracht sind; • abweichend von der Fahrerlaubnis-Verordnung berechtigt die Fahrerlaubnis der Klasse L oder T auch zum Führen von Zugmaschinen und Anhängern, bei Klasse L jedoch nur bis zu einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit der Zugmaschine von nicht mehr als 40 km/h, wenn die Zugmaschinen und Anhänger vorschriftsgemäß eingesetzt werden und der Fahrzeugführer das 18. Lebensjahr vollendet hat. Das damalige Bundesverkehrsministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen hat darüber hinaus im Jahr 2000 ein „Merkblatt über die Ausrüstung und den Betrieb von Fahrzeugen und Fahrzeugkombinationen für den Einsatz bei Brauchtumsveranstaltungen “ im Verkehrsblatt (Seite 404) mit Regelungen zu folgenden Bereichen veröffentlicht: • Zulassungsvoraussetzungen, • Technische Voraussetzungen für Anhänger und Zugfahrzeuge, • Betriebsvorschriften und Zugzusammenstellung, • Voraussetzungen für die Fahrzeugführer, • Muster für ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1807 4 Der Landesregierung ist bekannt, dass die unteren Verwaltungsbehörden unterschiedliche Herangehensweisen insbesondere bei der Information der Veranstalter von Weinberg- und Felderfahrten haben. Zum Teil werden hierfür auch Merk - blätter zur Verfügung gestellt. Der rechtliche Rahmen wird jedoch hinreichend durch die Ausnahmeverordnung und das vorgenannte Merkblatt sowie durch das Erfordernis abgesteckt, dass keine Gewinnerzielungsabsicht vorliegen darf. Dieser rechtliche Rahmen ist den unteren Verwaltungsbehörden bekannt. Weiterer Regelungsbedarf wird seitens der Landesregierung derzeit nicht gesehen. Die Frage , ob eine örtliche Brauchtumsveranstaltung vorliegt, ist im Einzelfall vor Ort zu entscheiden, denn dabei spielen regionale Besonderheiten eine wichtige Rolle. Hierzu bedarf es keiner Vorgabe der Landesregierung. Das Ministerium für Verkehr wird die Kleine Anfrage aber zum Anlass nehmen, sich bei der in Kürze stattfindenden Dienstbesprechung mit den Regierungspräsidien zu Fragen der Straßenverkehrs-Ordnung über die Praxis der unteren Verwaltungsbehörden bei Weinberg- und Felderfahrten berichten zu lassen. Hauk Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz