Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1831 22. 03. 2017 1Eingegangen: 22. 03. 2017 / Ausgegeben: 12. 05. 2017 G r o ß e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: I . D e r l ä n d l i c h e R a u m – A l l e i n s t e l l u n g s m e r k m a l B a d e n - W ü r t - t e m b e r g s 1. Welchen Stellenwert misst sie dem ländlichen Raum Baden-Württembergs bei? 2. Wo sieht sie die zentralen aktuellen und zukünftigen Herausforderungen für den Ländlichen Raum Baden-Württembergs, auch im Hinblick auf die Themen Flächenverbrauch und Ausgleichsmaßnahmen? 3. Wie bewertet sie die demografische Entwicklung in den ländlichen Räumen Baden-Württembergs – unter Berücksichtigung der Wanderungsbewegungen zwischen Stadt und Land – in den vergangenen und kommenden zehn Jahren? 4. Welche Maßnahmen ergreift sie für den ländlichen Raum, um dem in der Landesverfassung formulierten Staatsziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse im gesamten Land gerecht zu werden? 5. Inwieweit erkennt sie im ländlichen Raum einen Leistungserbringer für die Verdichtungsräume und wie soll zukünftig die Entwicklung von Stadt und Land aufeinander abgestimmt werden? 6. Welche Kenntnisse liegen ihr zu Situation und Potenzial des ehrenamt - lichen Engagements der Bürgerinnen und Bürger im ländlichen Raum vor? Große Anfrage der Fraktion CDU und Antwort der Landesregierung Bedeutung und Potenziale des ländlichen Raums in Baden-Württemberg Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 2 I I . S t a n d o r t f a k t o r e n – R a h m e n b e d i n g u n g e n f ü r e i n e n s t a r - k e n l ä n d l i c h e n R a u m 1. Mit welchen Förderprogrammen betreibt sie aktive Strukturpolitik für den ländlichen Raum (mit Angabe der finanziellen Ausstattung und Zielrichtung )? 2. Wie wird sie sicherstellen, dass den im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans 2030 für den ländlichen Raum geplanten Projekten im Rahmen der Priorisierung beziehungsweise Umsetzung ein angemessener Stellenwert eingeräumt wird? 3. Welche Maßnahmen sind geplant, um die Möglichkeiten der Digitalisierung (Ausbau der Breitbandversorgung, Telemedizin, Prozessoptimierung, Blended Learning, eGovernment, elektronischer Rechtsverkehr etc.) für eine erfolgreiche Weiterentwicklung der ländlichen Räume zu nutzen? 4. Was unternimmt sie zur Sicherstellung einer tragfähigen wohnortnahen und flächendeckenden gesundheitlichen Versorgung (medizinische und pflegerische Versorgung, Notfallversorgung, sonstige Hilfeleistungseinrichtungen etc.) im ländlichen Raum? 5. Wie kann aus ihrer Sicht ein flächendeckendes Schulangebot im länd lichen Raum unter Berücksichtigung der aktuellen Situation zielführend weiterentwickelt werden (regionale Schulentwicklung, Lehrer- und Unterrichtsversorgung etc.)? 6. Wie bewertet sie die Struktur und Qualität der beruflichen Bildung in den ländlichen Räumen unter den Prinzipien der Wohnort- und Betriebsnähe sowie in Bezug auf die Auszubildendengewinnung der Betriebe? 7. Mit welchen Maßnahmen fördert sie gezielt Wissenschaft, Forschung, Kunst und Kultur im ländlichen Raum? I I I . A r b e i t e n – W e r t s c h ö p f u n g i m l ä n d l i c h e n R a u m 1. Welche Bedeutung misst sie dem Mittelstand, dem Handwerk und der Indus - trie für den Arbeitsmarkt und die Wertschöpfung im ländlichen Raum bei und welche Maßnahmen möchte sie zu deren Stärkung, insbesondere auch im Hinblick auf Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen, ergreifen? 2. Welchen Stellenwert haben die familiengeführten landwirtschaftlichen Betriebe für den ländlichen Raum Baden-Württembergs? 3. Wie wirkt sich der landwirtschaftliche Strukturwandel auf den ländlichen Raum aus und wie unterstützt sie landwirtschaftliche Betriebe in Bezug auf den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit? 4. Wie kann der ländliche Raum die Potenziale der Energiewende und Bio - ökonomie verstärkt nutzen und welche Chancen eröffnen sich daraus? 5. Welchen Stellenwert nimmt der ländliche Raum für das Tourismusland Baden -Württemberg ein? 6. Welche Bedeutung misst sie den Naturparken, den Geoparken und den Biosphärengebieten hinsichtlich Naturschutz, Wertschöpfung und Tourismus im ländlichen Raum bei? I V . W o h n e n – A t t r a k t i v e u n d z u k u n f t s f ä h i g e l ä n d l i c h e R ä u m e 1. Ob und inwieweit möchte sie den kommunalen Finanzausgleich, insbesondere hinsichtlich der von der demografischen Entwicklung besonders betroffenen Kommunen, weiterentwickeln? 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 2. Wie kann aus ihrer Sicht langfristig ein flächendeckendes öffentlicher Personennahverkehrs (ÖPNV)-Angebot, insbesondere auch durch alternative Mobilitätskonzepte und -angebote, im ländlichen Raum sichergestellt werden? 3. Was unternimmt sie, um die Grundversorgung unter Einbeziehung alternativer Modelle und Konzepte der Nahversorgung mit öffentlichen und privaten Dienstleistungen im ländlichen Raum mittel- und langfristig zu gewährleisten und zu verbessern? 4. Wie möchte sie ein selbstbestimmtes und würdiges Älterwerden im länd - lichen Raum unterstützen? 5. Wie schätzt sie den Wohnraumbedarf im ländlichen Raum ein und mit welchen Maßnahmen kann dieser sichergestellt werden? 6. Welchen Handlungsbedarf erkennt sie in Bezug auf die rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Innenentwicklung der Kommunen und dem Erhalt attraktiver Ortskerne im ländlichen Raum? 21. 03. 2017 Dr. Reinhart, Dr. Rapp und Fraktion B e g r ü n d u n g Die Stärke von Baden-Württemberg liegt in einem breit aufgestellten ländlichen Raum. Er ist Lebens-, Erholungs- und Arbeitsraum für viele Bürgerinnen und Bürger, aber auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für unser Land. Dies gilt es zu erhalten und weiter zu fördern. Die demografische Entwicklung, der fortschreitende Strukturwandel, Konzentrations -, Digitalisierungs- und Rationalisierungsprozesse in allen Bereichen der Wirtschaft sowie begrenzte finanzielle Ressourcen bringen für den ländlichen Raum wesentliche Veränderungen mit sich. Die Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse, Infrastrukturen und Arbeitsbedingungen wurde als Staatsziel in der Landesverfassung verankert. Für die Umsetzung dieses Ziels ist es erforderlich, die vielschichtigen Rahmenbedingungen näher zu beleuchten, um die bestehenden Potenziale und Weiterentwicklungsmöglichkeiten , aber auch Problemstellungen, zu identifizieren und zukunftsorientierte Maßnahmen angehen zu können. A n t w o r t Schreiben des Staatsministeriums vom 2. Mai 2017 Nr. III-4580.2: In der Anlage übersende ich unter Bezugnahme auf § 63 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg die von der Landesregierung beschlossene Antwort auf die Große Anfrage. Murawski Staatsminister und Chef der Staatskanzlei Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 4 Anlage: Schreiben des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Mit Schreiben vom 26. April 2017 Nr. Z(42)-0141.5/140F beantwortet das Minis - terium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration, dem Ministerium für Finanzen , dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, dem Ministerium für Soziales und Integration, dem Ministerium der Justiz und für Europa und dem Ministerium für Verkehr im Namen der Landesregierung die Große Anfrage wie folgt: Wir fragen die Landesregierung: I . D e r l ä n d l i c h e R a u m – A l l e i n s t e l l u n g s m e r k m a l B a d e n - W ü r t - t e m b e r g s 1. Welchen Stellenwert misst sie dem ländlichen Raum Baden-Württembergs bei? Zu I. 1.: Die Landesregierung misst dem ländlichen Raum einen sehr hohen Stellenwert bei. Baden-Württemberg hat einen starken und äußerst attraktiven ländlichen Raum. Mit einem Anteil von 35 % lebt etwa jeder dritte Baden-Württemberger im ländlichen Raum, der über 70 % unserer Landesfläche ausmacht. Der ländliche Raum ist für Baden-Württemberg dabei nicht nur landschaftlich prägend, er ist ebenso die ökologische und ökonomische Kraftquelle des Landes, bietet hohe Lebensqualität für alle Generationen und ist die Heimat des Ehrenamtes. Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass sich Innovation, Intelligenz und Investition nicht allein in den Metropolregionen und Verdichtungsräumen unseres Landes konzentrieren. Denn der ländliche Raum und das Leben auf dem Land sind bedeutende Faktoren unserer Gesellschaft. Die Landesregierung möchte die Werte bewahren und die Potenziale nutzen, die mit dem ländlichen Raum und dem Leben auf dem Land in Verbindung stehen. Daher wurde die Förderung „gleichwertiger Lebensverhältnisse, Infrastrukturen und Arbeitsbedingungen im gesamten Land“ als Staatsziel formuliert und in der Landesverfassung verankert. Für die Weiterentwicklung des ländlichen Raums und zur Entwicklung zukunftsorientierter Zielvorstellungen und konkreter Handlungsempfehlungen wurde überdies im Koalitionsvertrag der Kabinettsausschuss Ländlicher Raum verankert (siehe auch I. 4.). 2. Wo sieht sie die zentralen aktuellen und zukünftigen Herausforderungen für den ländlichen Raum Baden-Württembergs, auch im Hinblick auf die Themen Flächenverbrauch und Ausgleichsmaßnahmen? Zu I. 2.: Neue Entwicklungen, Veränderungen und Herausforderungen im ländlichen Raum müssen fortlaufend beobachtet und bewertet werden. Neben der sehr attraktiven Ausgangslage, in welcher sich Baden-Württemberg hier befindet, werden Stichworte wie demografischer Wandel, Stadt-Land-Wanderung, Globalisierung , fortlaufende Strukturveränderungen in Landwirtschaft, Handwerk, Mobilität und Nahversorgung aber auch Arbeitskräftemangel auf der einen und Arbeitsplatzmangel auf der anderen Seite sowie die Sicherung der Daseinsinfrastruktur die Zukunftsfähigkeit des ländlichen Raums mitbestimmen. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 Innenentwicklung Der ländliche Raum ist durch Flächenverbrauch einerseits und Leerstand im Siedlungsbestand andererseits großen Veränderungen unterworfen. Um den negativen Folgen dieser Veränderungen zu begegnen, wirbt das Land aktiv für einen Bewusstseinswandel zugunsten der Innenentwicklung. So unterstützt das Land beispielsweise auch Kommunen im ländlichen Raum mit dem Förderprogramm „Flächen gewinnen durch Innenentwicklung“. Mit diesem Förderprogramm bietet das Land ohne Beschränkung auf eine Gebietskulisse finanzielle Unterstützung an, um gezielt Prozesse der Innenentwicklung und Flächeneffizienz anzustoßen. Nicht-investive Vorhaben, etwa Konzepte und Vorplanungen, die das Ziel einer kompakten, lebenswerten Siedlungsstruktur sowie attraktive Ortskerne mit guter Nahversorgung und kurzen Wegen verfolgen, stehen besonders im Fokus des Programms . Auch die Beauftragung oder Beschäftigung von kommunalen Flächen - managern, die sich ausschließlich um die Aktivierung von innerörtlichen Flächen für Wohnzwecke kümmern, können gefördert werden. Insbesondere kleinere Kommunen profitieren von diesem Förderprogramm, da mit einem relativ geringen finanziellen Beitrag bereits eine große Wirkung erzielt werden kann. Die finanzielle Ausstattung des Förderprogramms beträgt jährlich rund 1 Mio. €. Im Fokus des Entwicklungsprogramms Ländlicher Raum (ELR) steht die Innenentwicklung . So fließen im ELR-Jahresprogramm 2017 mit über 31 Mio. € mehr als die Hälfte der Fördermittel in den Förderschwerpunkt Wohnen. Damit werden Projekte zur Aktivierung leerstehender Gebäude, zur Schaffung zeitgemäßer Wohnverhältnisse gefördert und attraktive Ortskerne gestaltet. Mit der Konzentration auf den Förderschwerpunkt Wohnen in den Ortskernen werden gleichzeitig Impulse für Innenentwicklung und bezahlbaren Wohnraum gesetzt. Mit dem Förderinstrument Schwerpunktgemeinden innerhalb des ELR werden gezielt Innenentwicklungsprozesse und -projekte gefördert. Schwerpunktgemeinden müssen darstellen, welche konkreten Beiträge sie zu einer flächensparenden Siedlungsentwicklung in einem Zeitraum von fünf Jahren leisten wollen. Die Beiträge sind zu quantifizieren, beispielsweise als Bereitstellung einer Anzahl innerörtlicher Bauplätze durch Abbruch und Neuordnung oder als Bereitstellung einer Anzahl neuer Wohnungen durch Umnutzung leerstehender Bausubstanz. Die Ausweisung von neuen Baugebieten in Schwerpunktgemeinden ist möglich, wenn dies stichhaltig über die erwartete Entwicklung begründet werden kann. Mit dem Förderinstrument Schwerpunktgemeinden werden Gemeinden im länd - lichen Raum angesprochen werden, die sich in einem umfassenden Entwicklungskonzept intensiv mit den Handlungsfeldern flächensparende Siedlungsentwicklung , demografische Entwicklung sowie Schutz von Natur und Landschaft auseinandersetzen und daraus konkrete Projekte und Maßnahmen ableiten. Weitere Handlungsfelder können beispielsweise die Stärkung der Infrastruktur oder die Sicherung der Grundversorgung sein. Mobilität Die Landesregierung erkennt in der Sicherstellung gesellschaftlicher Teilhabe durch eine gute Mobilitäts-Infrastruktur für alle Bevölkerungsgruppen eine bedeutende Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit des ländlichen Raums. Die Erreichbarkeit von Dienstleistungen sicherzustellen, wird daher eine der zentralen Zukunftsaufgaben im ländlichen Raum sein. Die Landesregierung arbeitet intensiv daran, dass sich die regionalen Erreichbarkeiten insbesondere hinsichtlich der Daseinsvorsorge, aber auch im Hinblick auf Arbeitsplätze, nicht verschlechtern. Der Neu- und Ausbau von Verkehrswegen ist besonders im ländlichen Raum regelmäßig mit der Inanspruchnahme land- oder forstwirtschaftlich genutzter Flächen verbunden. Dies ist aufgrund der verkehrlichen Zielsetzungen und der Vorhabencharakteristik von Straßen und Schienenwegen meist unumgänglich. In der Vorplanung und Linienfindung ist es daher Aufgabe des Vorhabenträgers, Varianten bzw. Lösungen zu finden, welche die verkehrlichen Ziele erreichen und gleichzeitig möglichst wenig Fläche in Anspruch nehmen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 6 Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind zentraler Bestandteil der Eingriffsregelung (§§ 13 ff. Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG), die darauf zielt, die Funktionen des Naturhaushalts mit den Schutzgütern Biotope, Arten, Boden, Wasser, Luft und Klima sowie das Schutzgut Landschaft zu erhalten. Die ländlichen Räume sind das Reservoir der biologischen Vielfalt und der Vielgestaltigkeit und Schönheit der Landschaftsräume in Baden-Württemberg. In einem Land, das einem starken Druck durch Siedlungsbau und Infrastrukturmaßnahmen ausgesetzt ist, hat die Qualität von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen eine herausragende Bedeutung für die Erhaltung der Biodiversität. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft sind durch den Verursacher zu erbringen. Um eine hohe Qualität bei der Durchführung und Unterhaltung der Kompensa - tionsmaßnahmen zu sichern und in der Vergangenheit festgestellte Defizite zu vermeiden, wurde im Jahr 2011 die Kompensationsverzeichnisverordnung eingeführt , die die festgesetzten naturschutzrechtlichen Kompensationsmaßnahmen und den Stand ihrer Umsetzung transparent wiedergeben. Die Landesregierung beabsichtigt, in dieser Legislaturperiode auf der Grundlage von § 18 Naturschutzgesetz (NatSchG) diese Verordnung zu ergänzen und Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen sowie Maßnahmen aufgrund von Ersatzzahlungen aufzunehmen . Ferner sollen künftig bauplanungsrechtliche Ausgleichsmaßnahmen, soweit diese Maßnahmen außerhalb des Eingriffsbebauungsplans liegen Kohärenzsicherungsmaßnahmen , die Eingriffe in Natura 2000-Gebiete ausgleichen, und spezielle artenschutzrechtlich gebotene Ausgleichsmaßnahmen in die Verordnung einbezogen werden. Kompensationsmaßnahmen stehen im Hinblick auf die Verfügbarkeit von Flächen – wie die Eingriffe selbst – in Konkurrenz zu anderen Nutzungen, insbesondere zur landwirtschaftlichen Nutzung. Im Ballungsraum und zunehmend auch im ländlichen Raum stehen geeignete Kompensationsflächen nur in begrenztem Umfang zur Verfügung. Der Rückgang verfügbarer landwirtschaftlicher Nutzflächen und konkurrenzbedingt steigende Flächenkosten sind für die landwirtschaftlichen Betriebe ein zunehmend existenzielles Problem. Daher ist es ein wichtiges Anliegen, diese Konkurrenzsituation abzumildern und flächensparend, zugleich aber auch naturschutzfachlich umfassend zu kompensieren. Hierfür wird eine Reihe von Instrumenten eingesetzt: Bei der Kompensation der unvermeidbaren Eingriffe machen die Regierungspräsidien aufbauend auf den seit 2009 erweiterten Möglichkeiten des BNatSchG in verstärktem Maße davon Gebrauch, Kompensationsmaßnahmen so zu lenken, dass Produktionsflächen nicht dauerhaft entzogen werden. Voraussetzung dafür ist, dass die gesetzlichen Anforderungen (u. a. die artenschutzrechtlichen Bestimmungen ) eine flexible Maßnahmenplanung im Hinblick auf Lage und Gestaltung zulassen. Die Fachplanungen des Naturschutzes wie z. B. die Korridore des Biotopverbundes , die Wiedervernetzungskonzepte des Bundes und des Landes, das Landschaftsprogramm sowie die Landschaftsrahmen-, Landschafts- und Grünordnungspläne dienen hierbei als Grundlage. Bei der Inanspruchnahme land- oder forstwirtschaftlich genutzter Flächen für Ausgleichsund Ersatzmaßnahmen ist auf agrarstrukturelle Belange Rücksicht zu nehmen; für die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignete Böden, dürfen nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden; Maßnahmen zur Entsiegelung und zur Wiedervernetzung von Lebensräumen sowie Bewirtschaftungs - und Pflegemaßnahmen, die der dauerhaften Aufwertung des Naturhaushalts dienen, sollen vorrangig geprüft werden (§ 15 Abs. 3 BNatSchG). Sofern für Kompensationsmaßnahmen landwirtschaftlich genutzte Flächen in Anspruch genommen werden sollen, ist die zuständige Landwirtschaftsbehörde zu beteiligen. Ausgleichspflichten, die aus verschiedenen rechtlichen Vorgaben entstammen (Eingriffsregelung, Artenschutzrecht und Kohärenzsicherung) können in einer Maßnahme gebündelt werden. Im Hinblick auf die eingeschränkte Flächenverfügbarkeit werden ferner bevorzugt solche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ergrif- 7 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 fen, die für mehrere Schutzgüter gleichzeitig zu positiven Effekten führen. Mit einer solchen multifunktionalen Kompensation lassen sich Beeinträchtigungen verschiedener Funktionen auf ein und derselben Fläche kompensieren und damit der Gesamtflächenbedarf minimieren. Es werden möglichst Maßnahmen eingesetzt, die zu keiner hohen Flächeninanspruchnahme führen, aber ökologisch hochwirksam sind. Dabei wird geprüft, ob Möglichkeiten zur Entsiegelung beispielsweise nicht mehr benötigter Verkehrsflächen bestehen, Maßnahmen in bestehenden Schutzgebieten realisiert oder Gewässerentwicklungsmaßnahmen umgesetzt werden können. Ein weiterer Baustein im Rahmen der Eingriffskompensation ist die verstärkte Einbindung von Ökokontomaßnahmen, die freiwillig und ohne Vorhabenbezug angelegt und zur Kompensation künftiger Eingriffe genutzt werden können. Die Flexibilität von Ökokonto-Maßnahmen wird zusätzlich dadurch erhöht, dass bauplanungsrechtliche Ausgleichsmaßnahmen vom bauplanungsrechtlichen Ökokonto in das naturschutzrechtliche Ökokonto übertragen werden können und umgekehrt. Durch die Rechtsprechung ist entschieden worden, dass Kommunen für die Bauleitplanung auf Maßnahmen im naturschutzrechtlichen Ökokonto zurückgreifen können. Produktionsintegrierte Maßnahmen können ebenfalls ein wichtiges Instrument sein. So kann vermieden werden, dass landwirtschaftlich genutzte Flächen aus der Produktion genommen werden, da diese weiterhin – wenn auch eingeschränkt – bewirtschaftet werden können. Voraussetzung für die Anerkennung solcher Maßnahmen ist allerdings, dass sie zu einer Aufwertung der Schutzgüter der Eingriffsregelung führen. Schließlich besteht die Möglichkeit, dass Kommunen einen gemeinsamen Pool zu vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen bilden und auf die zur Verfügung stehenden naturschutzfachlichen Aufwertungsmaßnahmen oder Ökopunkte auch über Gemarkungsgrenzen hinweg zugreifen können. Eine wesentliche Herausforderung wird es auch in Zukunft sein, Infrastrukturprojekte im ländlichen Raum, welche für ländlich geprägte Gemeinden und Landkreise meist mit positiven Wirkungen auf Wirtschaftskraft und Wettbewerbsfähigkeit verbunden sind, möglichst flächenschonend und verträglich für Mensch und Umwelt zu planen und umzusetzen. Die gesellschaftliche Bedeutung des ländlichen Raums u. a. für die land- und forstwirtschaftliche Produktion, ein - schließlich der vor- und nachgelagerten Wirtschaft, für Naherholung und Tourismus , Naturschutz und Naturerleben, die Abmilderung von Hochwasserereignissen durch die Bereitstellung von Retentionsräumen sowie für die Grundwasserneubildung und Trinkwasserförderung hat hierbei einen maßgeblichen Stellenwert und liegt folglich im Fokus der zuständigen Verwaltungen bzw. der Vorhabenträger. 3. Wie bewertet sie die demografische Entwicklung in den ländlichen Räumen Baden -Württembergs – unter Berücksichtigung der Wanderungsbewegungen zwischen Stadt und Land – in den vergangenen und kommenden zehn Jahren? Zu I. 3.: Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg legte Ende 2015 eine neue Landesvorausrechnung sowie regionalisierte Vorausrechnungsergebnisse mit dem Basisjahr 2014 vor, die den aktuellen Entwicklungen, vor allem im Wanderungsgeschehen , Rechnung trägt. Von der Alterung der Bevölkerung sind demnach alle Raumkategorien betroffen, wenn auch unterschiedlich stark. Landesweit ist das Durchschnittsalter der Bevölkerung von 1950 bis zum Jahr 2014 um rund 9 Jahre gestiegen. Der Alterungsprozess wird sich auch in Zukunft fortsetzen. Dabei dämpft die hohe Zuwanderung allerdings die Alterung der Gesellschaft ab. In Baden-Württemberg ist, ausgehend vom Jahr 2014, mit einem Anstieg des Durchschnittsalters um 2,4 Jahre auf 45,7 Jahre in 2035 zu rechnen. Bis zum Jahr 2060 haben die Baden-Württemberger voraussichtlich ein Durchschnittsalter von 48 Jahren. Ohne Berücksichtigung der Zuwanderung läge das voraussichtliche Durchschnittsalter bei 51 Jahren. Die Zunahme des Durchschnittsalters von 2014 bis 2035 bewegt sich hinsichtlich der Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 8 vier Raumkategorien in einer Spanne von 1,9 Jahren in den Verdichtungsräumen und 3,2 Jahren im ländlichen Raum i. e. S. Demgegenüber liegt der voraussicht - liche Alterszuwachs in den Verdichtungsbereichen im ländlichen Raum mit 2,5 Jahren fast im Landesdurchschnitt. Die Randzonen um die Verdichtungs - räume altern aller Voraussicht nach um 2,9 Jahre. Das Wanderungsverhalten wirkt sich kleinräumlich deutlich altersdifferenziert aus. Die Wanderungsbewegungen der 18- bis unter 25-Jährigen (zum großen Teil Ausbildungs- und Berufsstarterwanderung) waren in der vergangenen Zeit quantitativ stärker ausgeprägt als in anderen Altersgruppen. In den vergangenen 10 Jahren haben allerdings nur noch die Verdichtungsräume und hier vor allem die Zentren in den Verdichtungsräumen von der Zuwanderung dieser Altersgruppe profitiert. Alle anderen Raumkategorien haben seit 2006 einen negativen Wanderungssaldo zu verzeichnen. Für den ländlichen Raum i. e. S. ist dieser Trend des negativen Wanderungssaldos schon seit Mitte der 1990er-Jahre festzustellen und tritt in allen betrachteten Zeiträumen am stärksten zu Tage. Für die Altersgruppe der 25- bis unter 30-Jährigen gilt im Zeitfenster 2006 bis 2010 ebenfalls, dass nur die Verdichtungsräume hinzugewannen (durchschnittlicher jährlicher Wanderungssaldo je 1.000 der Altersgruppe: zehn Personen ). In den letzten Jahren trifft dies jedoch nicht mehr zu. Jede Raumkategorie profitierte von der verstärkten Wanderung dieser Altersgruppe, dabei konnte der ländliche Raum i. e. S. allerdings mit einem durchschnittlichen jährlichen Wan - derungssaldo von sechs Personen je 1.000 Einwohner der Altersgruppe den geringsten Wanderungsgewinn verzeichnen. Den höchsten Wanderungssaldo hatten weiterhin die Verdichtungsräume (durchschnittlicher jährlicher Wanderungssaldo je 1.000 der Altersgruppe: 22 Personen). Wird die Altersgruppe der Minderjährigen zusammen mit den 30- bis unter 50-Jährigen analysiert, ergibt sich ein Bild von der Familienwanderung. Hier liegt die Annahme zugrunde, dass Minderjährige nur selten alleine umziehen und sich aus der höheren Altersgruppe vorrangig die Eltern rekrutieren. Bei diesen Wanderungen stehen die weniger verdichteten Räume vergleichsweise stärker im Fokus. Insbesondere die Mittelzentren in den Verdichtungsräumen, wenn auch in den letzten Jahren (Zeitspanne 2011 bis 2014) nicht im Verlust liegend, wiesen mit einem durchschnittlichen jährlichen Wanderungssaldo von drei Personen je 1.000 Einwohner der Altersgruppe der 30- bis unter 50-Jährigen (durchschnitt licher jährlicher Wanderungssaldo je 1.000 der unter 18-Jährigen: vier Personen) die geringsten Wanderungsgewinne auf. Quantitativ am wenigsten von Bedeutung sind die Wanderungen der höheren Altersgruppen . In der Altersgruppe der 50- bis unter 65-Jährigen haben in den letzten Jahren die Verdichtungsräume durchgängig Bevölkerung durch Abwanderung verloren. Insbesondere die Randzonen um die Verdichtungsräume und der ländliche Raum i. e. S. scheinen aber für diese Altersgruppe – evtl. vorbereitend auf den Ruhestand – attraktiv zu sein. Eine Abschwächung der Abwanderung aus den Verdichtungsräumen ist aber zu beobachten. Das Wanderungsverhalten der älteren Bevölkerung – ab 65 Jahre bis unter 75 Jahre – ist durch Abwanderung aus dem Land insgesamt gekennzeichnet. Wenngleich diese mit gut einer Person je 1.000 Einwohner gleichen Alters vergleichsweise gering ausfällt, lässt sich festhalten, dass das seit mehreren Jahren für alle Räume des Landes gilt. Der Fortzug älterer Menschen aus dem Land betrifft vor allem ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger, die vermutlich in ihre frühere Heimat zurückkehren. Diese lebten überdurchschnittlich oft in den Arbeitsplatzzentren und damit in den größeren Städten, sodass sich in der Folge die stärkste Abwanderung in diesem Altersbereich aus den Verdichtungsräumen zeigt. Auch für die Altersgruppe der 75-Jährigen und älteren kann die stärkste Abwanderung in den Verdichtungsräumen festgestellt werden. Insgesamt ist der Zuwachs an älterer Bevölkerung im ländlichen Raum am stärks - ten. Die Verdichtungsräume altern weniger als der ländliche Raum. Das zeigt sich nicht nur an der Entwicklung des Durchschnittsalters, sondern spiegelt sich auch in der prozentualen Veränderung der Altersgruppen über die Zeit hinweg wider. Besonders auffällig ist überall der starke Zuwachs in der Altersgruppe der 65- bis 9 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 unter 75-Jährigen und etwas schwächer ausgeprägt in der Gruppe der 75-Jährigen und älteren. Dabei verzeichnen vor allem der ländliche Raum i. e. S. und die Randzonen um die Verdichtungsräume den größten Anstieg von 65-Jährigen und älteren. Gleichzeitig muss der ländliche Raum i. e. S. voraussichtlich mit einem höheren Bevölkerungsrückgang in der wanderungsaktiven Altersgruppe der 18- bis unter 25-Jährigen rechnen als die anderen Raumkategorien. Hier könnte diese Bevölkerungsgruppe um nahezu ein Fünftel zurückgehen. In den Verdichtungsräumen dürfte der Verlust in dieser Altersgruppe bei etwa 6 % liegen. Ebenso ist der ländliche Raum i. e. S. – unter den gegebenen Annahmen der Bevölkerungsvorausrechnung – die einzige Raumkategorie, in der voraussichtlich die Zahl der Minderjährigen abnehmen wird. Allerdings haben auch die Randzonen um die Verdichtungsräume bis 2035 nur eine prozentuale Zunahme dieser Altersgruppe von etwa 1 %. Die Bevölkerungsbilanz seit 2001 und die Bevölkerungsvorausrechnung bis 2035 sind in den Abbildungen 1 und 2 dargestellt (Quelle: Statistisches Landesamt BW). Abbildung 1: Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 10 Abbildung 2: 4. Welche Maßnahmen ergreift sie für den ländlichen Raum, um dem in der Landesverfassung formulierten Staatsziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse im gesamten Land gerecht zu werden? Zu I. 4.: Gerade die neuen und komplexen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen und Anforderungen benötigen für den ländlichen Raum eine Gesamtstrategie und Lösungen aus einem Guss, um dem Staatsziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse im gesamten Land gerecht zu werden. Strukturförderprogramme für den ländlichen Raum Die Landesregierung beobachtet und analysiert die demografische Entwicklung und die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen im ländlichen Raum mit großer Sorgfalt und will den negativen Folgen des Strukturwandels gezielt und mit Einsatz umfangreicher Fördermittel entgegensteuern. So fördert sie die Lebensqualität im ländlichen Raum mit den bestehenden Landwirtschafts-, Forstwirtschafts- und Strukturförderprogrammen. Das ELR als zentrales Förderprogramm für den ländlichen Raum unterstützt die nachhaltige strukturelle Verbesserung von Gemeinden insbesondere im länd - lichen Raum. Ziele des ELR sind die Stärkung der dezentralen Wirtschaftsstruktur des Landes, die Begleitung des Strukturwandels und die Abmilderung der Abwanderung der Bevölkerung. Damit leistet das ELR einen erheblichen Beitrag zur Erreichung gleichwertiger Lebensverhältnisse im gesamten Land. Die Landesmittel des ELR zur Strukturförderung werden durch Kofinanzierungen der EU im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und des Eu- 11 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 ropäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) sowie des Bundes im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) ergänzt. Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu sichern, dient auch die Verankerung der EU-Strukturförderung aus dem EFRE im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Dies galt für die Programme der EU zum Schwächenausgleich bis 2006 und gilt umso mehr für die Programme, die die „Stärken entwickeln“ seit 2007, bei denen Innovation und Nachhaltige Entwicklung im Zentrum stehen. Durch die enge Abstimmung mit dem ELER wird die Kohärenz bei der Umsetzung dieser beiden EU-Fonds zur Strukturentwicklung gewährleistet. Alle EFRE-Programme in Baden-Württemberg haben daher einen besonderen Schwerpunkt im ländlichen Raum. Die Städtebauförderung dient in den Städten und Gemeinden des Landes dem Abbau städtebaulicher Missstände und von Entwicklungsdefiziten sowie einer zeitgemäßen und nachhaltigen Weiterentwicklung gewachsener baulicher Strukturen. Dabei wird nicht unterschieden, ob die Fördermittel im Verdichtungsbereich oder im ländlichen Raum eingesetzt werden. Nach dem Grundsatz „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ trägt die städtebauliche Erneuerung maßgeblich zur Reduzierung der Freiflächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke bei und sie sichert im behutsamen Umgang mit dem baulichen Erbe das Erscheinungsbild der Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg. In baulich vorgenutzten Gebieten können insbesondere auch stadtklimatische und energetische Verbesserungen erreicht werden. Insgesamt stärkt die Städtebauförderung die kommunale Identität und Attraktivität , verbessert die wirtschaftliche Leistungskraft und die soziale Stabilität in den Kommunen. Kabinettsausschuss Ländlicher Raum Als wichtiges landespolitisches Vorhaben hat die Landesregierung den Kabinettsausschuss Ländlicher Raum im Koalitionsvertrag verankert und eingerichtet. Der Kabinettsausschuss Ländlicher Raum ist ein ressortübergreifendes Gremium, dem alle Landesministerien angehören. Ziel des Kabinettsausschusses ist es, das Leben auf dem Land attraktiv zu halten sowie langfristige und zukunftsfähige Strategien zu entwickeln. Für eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung des ländlichen Raums sollen daher in interministeriellen Arbeitsgruppen kreative Lösungsan - sätze gefunden und in Modellprojekten erprobt werden. Der Kabinettsausschuss Ländlicher Raum wurde nach Beschluss des Ministerrats vom 26. Juli 2016 am 15. November 2016 konstituiert. Ständige Mitglieder des Kabinettsausschusses sind alle Fachressorts der Landesregierung sowie die Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung. Aktuell wurden bereits zwei interministerielle Arbeitsgruppen auf den Weg gebracht . Unter Federführung des Kultusministeriums wird sich die interministe - rielle Arbeitsgruppe „Bildung“ mit den Themen Schule, Bildung und Betreuung im ländlichen Raum befassen. Unter Federführung des Ministeriums für Soziales und Integration wird die interministerielle Arbeitsgruppe „Pflege und Gesundheit “ die Sicherstellung der pflegerischen und gesundheitlichen Versorgung sowie das Potenzial des Ehrenamts in diesem Bereich bearbeiten. Weitere Themen und Fragestellungen, die auf dem Land und in den Dörfern gegenwärtig sind, sollen kooperativ, konstruktiv und aufgeschlossen in einem Miteinander der Fachressorts angegangen werden. Von der Dorf- und Innenentwicklung bis hin zu einer flächendeckenden medizinischen Versorgung sollen alle Bereiche ihre Berücksichtigung erhalten. Wie beispielsweise eine stärkere Verzahnung von Haupt- und Ehrenamt in allen gesellschaftlichen Bereichen, insbesondere in der Pflege. Die Themen Mobilität, Erreichbarkeit und Infrastruktur spielen im Kabinettsausschuss ebenso eine wichtige Rolle wie die Fachkräftegewinnung auf dem Land. Aber auch das Megathema Digitalisierung, die Potenziale der Bio öko - nomie für die Wertschöpfung, der kommunale Finanzausgleich und die Vernetzung mit den großen Städten stehen auf der weiteren Agenda des Kabinettsausschusses . Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 12 Da die Bürgerbeteiligung ein wichtiges Anliegen der Landesregierung darstellt, wurde für den Kabinettsausschuss auch eine breite Bürgerbeteiligung und Öffentlichkeitsarbeit konzipiert. Im ersten Halbjahr 2017 finden landesweit sechs dialog orientierte Veranstaltungen statt. Der Kabinettsausschuss Ländlicher Raum wirkt an der Vorbereitung von Kabinettsentscheidungen mit. Der Kabinettsausschuss erarbeitet zukunftsorientierte Zielvorstellungen und konkrete Handlungsempfehlungen für die Weiterentwicklung der ländlichen Räume. Zur Umsetzung schlägt er dem Ministerrat die erforderlichen Maßnahmen vor oder legt diese im Rahmen seines Aufgabenbereiches fest. Mit Projekten, Konzepten, Programmen und Maßnahmen aus der Arbeit des Kabinettsausschusses Ländlicher Raum füllt die Landesregierung unter Federführung des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz den Verfassungsauftrag der Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse im gesamten Land mit Leben. 5. Inwieweit erkennt sie im ländlichen Raum einen Leistungserbringer für die Verdichtungsräume und wie soll zukünftig die Entwicklung von Stadt und Land aufeinander abgestimmt werden? Zu I. 5.: Eine Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse bedeutet für die Landesregierung keineswegs, dass es keine Unterschiede zwischen Stadt und Land mehr geben darf. Es wird und muss sie sogar immer geben. Jedoch dürfen die Metropolregionen nicht auf Kosten der Dörfer wachsen. Der Ansatz der Landesregierung ist es, dass sich Ballungszentren und ländliche Räume harmonisch entwickeln. Beide sind aufeinander angewiesen. Auch der ländliche Raum übernimmt für die Verdichtungsräume wichtige Aufgaben und Leistungen insbesondere hinsichtlich Lebensmittelproduktion , Energieerzeugung sowie als Erholungs- und Lebensraum. Der im EFRE-Programm Baden-Württemberg 2014 bis 2020 – Innovation und Energiewende – durchgeführte Wettbewerb Regionale Wettbewerbsfähigkeit durch Innovation und Nachhaltigkeit (RegioWIN) hat alle Regionen in Baden-Württemberg zur Teilnahme aufgefordert. Maßgeblich waren hier nicht politische oder administrative , sondern funktionale Zusammenhänge. Es hat sich dabei erwiesen, dass durch regionale Absprachen innerhalb der funktionalen Räume gesamthafte Entwicklungen untersucht und entsprechende Konzepte dafür entwickelt werden können. Wie beim Vorläufer von RegioWIN, dem EFRE-Modellprojekt zur innovativen Kommunalentwicklung EU-Leuchtturmprojekte (EULE), hat sich auch hierbei gezeigt, dass die ländlichen Räume strategiefähig sind und sich durch gute und innovative Ideen auszeichnen. 6. Welche Kenntnisse liegen ihr zu Situation und Potenzial des ehrenamtlichen Engagements der Bürgerinnen und Bürger im ländlichen Raum vor? Zu I. 6.: Der ländliche Raum steht für Zusammenleben, Gemeinschaft und Miteinander. Eine seiner größten Stärken sind die Menschen, die in ihm leben. Für die Menschen auf dem Land ist eine aktive „Mitmachgesellschaft“ seit jeher selbstverständlich . Das freiwillige Engagement in Baden-Württemberg ist generell überdurchschnittlich hoch. Zu diesem Ergebnis kommt der jüngste Deutsche Freiwilligensurvey 2014, eine Erhebung des Deutschen Zentrums für Altersfragen in Berlin. Die Engagementquote liegt bei 48,2 % gegenüber 41 % im Jahr 2009. Mit Blick auf den ländlichen Raum lag die Engagementquote nach den Ergebnissen des Freiwilligensurveys des Jahres 2009 bezogen auf die ländlichen Gebiete in Baden-Württemberg bei 41 %. Der Freiwilligensurvey 2014 wies demgegen - über für den ländlichen Raum in Baden-Württemberg eine Engagementquote von 52,6 % aus. Diese Entwicklung kann auch als Erfolg der Engagementpolitik der vergangen Jahre gewertet werden. Die Landesregierung wird diese positive Ent- 13 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 wicklung über die Engagementstrategie Baden-Württemberg auch im ländlichen Raum weiter fördern. Auch das freiwillige gesellschaftliche Engagement von Unternehmen (Corporate Social Responsibility, CSR) stellt einen unverzichtbaren Beitrag zur Erhaltung der Attraktivität und des gelingenden Miteinanders im ländlichen Raum dar. Die vielfältigen CSR-Aktivitäten, gerade auch von kleinen und mittleren Unternehmen , die zum Beispiel die Inklusion benachteiligter Gruppen, die Integration geflüchteter Menschen, die Kooperation von Schule und Wirtschaft oder die Bewältigung lokaler Umweltfragen zum Ziel haben, erfolgen vor Ort häufig mit Kooperationspartnern aus dem Sozialbereich oder mit den lokalen Verwaltungen. Dies belegen die Erfahrungen aus dem Mittelstandspreis für soziale Verantwortung in Baden-Württemberg, der seit mehr als zehn Jahren erfolgreiche CSR-Aktivitäten von kleinen und mittleren Unternehmen auszeichnet (www.csr-bw.de). I I . S t a n d o r t f a k t o r e n – R a h m e n b e d i n g u n g e n f ü r e i n e n s t a r - k e n l ä n d l i c h e n R a u m 1. Mit welchen Förderprogrammen betreibt sie aktive Strukturpolitik für den ländlichen Raum (mit Angabe der finanziellen Ausstattung und Zielrichtung)? Zu II. 1.: ELR Das ELR ist – gemeinsam mit der Städtebauförderung – das zentrale Strukturentwicklungsprogramm für den ländlichen Raum. Es trägt maßgeblich zum Erhalt einer hohen Lebensqualität im ländlichen Raum bei. Gefördert werden private, kommunale und privatgewerbliche Projekte aus den vier Förderschwerpunkten Wohnen, Arbeiten, Grundversorgung und Gemeinschaftseinrichtungen . Entsprechend den aktuellen Herausforderungen im ländlichen Raum spielen die vier Förderschwerpunkte in den einzelnen Programmjahren eine unterschiedliche Rolle. Stand 2008 und 2009 infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise besonders die Stärkung der lokalen Wirtschaft im Fokus der ELR-Förderung, so ist es ak - tuell die Schaffung von zeitgemäßem Wohnraum. Das ELR ist ein aus Mitteln des Kommunalen Investitionsfonds (KIF) finanziertes Förderprogramm. Laut Staatshaushaltsplan stehen im ELR in diesem Jahr rund 53,4 Mio. € zur Verfügung. Diese konnten durch den Abschluss alter Förderprogramme und durch Rückflussmittel aus den vorangegangen Jahren aufgestockt werden, sodass in diesem Jahre eine Programmentscheidung in Höhe von 62 Mio. € möglich war. Daneben ist das ELR ein wichtiges Kofinanzierungsinstrument für die EU-Strukturprogramme EFRE und LEADER sowie zukünftig auch der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (siehe Ziff. IV. 3.). Seit Bestehen des ELR (1995) wurden einschließlich der EFRE- und LEADER-Mittel über 23.800 Projekte mit einem Zuschussvolumen von rund 1,5 Mrd. € unterstützt. Damit wurden ein Investitionsvolumen von über 11 Mrd. € angestoßen, mehr als 10.000 Wohnungen modernisiert oder neugeschaffen sowie bei den geförderten Unternehmen rd. 37.000 Arbeitsplätze zusätzlich eingerichtet und eine noch höhere Zahl gesichert. LEADER LEADER ist ein EU-Kulissenprogramm im Rahmen des ELER. Die Umsetzung des Programms LEADER ist im Rahmen des ELER verpflichtend. Förderungen werden nur in festgelegten LEADER-Aktionsgebieten (LAG) gewährt. LEADER ist vom sog. Bottom-Up-Ansatz geprägt, d. h. die letztendliche Entscheidung darüber, ob ein Vorhaben gefördert wird, trifft die LEADER-Aktionsgruppe . Die Mittelbereitstellung orientiert sich am Mittelbedarf der einzelnen Re- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 14 gionen. In der aktuellen Förderperiode bis 2020 rechnet das Land mit bis zu 70 Mio. € (50 Mio. € EU- und bis zu rund 20 Mio. € Landesmittel) an Fördermitteln , über die die LEADER-Aktionsgruppen beschließen können. LEADER hat in Baden-Württemberg die Erhaltung des ländlichen Raums als attraktiven Lebens- und Wirtschaftsraum sowie die Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen in Stadt und Land zum Ziel. Das Förderspektrum LEADER ist sehr weit gefasst. Gefördert werden zum Beispiel kommunale Vorhaben, um das Gemeinschaftsleben, die Bildung, Kultur oder den Tourismus zu unterstützen. In LEADER können private Projekte, die nach dem ELR förderfähig sind, unterstützt werden. Mit LEADER-Mitteln werden Projekte zum Schutz, zur Erhaltung und zur Entwicklung von Lebensräumen ebenso gefördert wie private Kultur- und Tourismusprojekte, Vorhaben zur Bewältigung des demografischen Wandels, des Klimawandels, des Ressourcenschutzes, zum beruflichen Wiedereinstieg von Frauen nach der Familienphase und vieles mehr. EFRE Aus Mitteln des EFRE wird im Ministerium für Ländlichen Raum und Ver - braucherschutz die Förderlinie „Spitze auf dem Land! Technologieführer für Baden -Württemberg“ mitfinanziert. Ziel der Förderung ist es, die Innovationskraft Baden-Württembergs in der Fläche zu erhalten und zu steigern, indem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit Potenzial zur Technologieführerschaft gefördert werden. Dabei werden deren umfassende Unternehmensinvestitionen in Gebäude , Maschinen und Anlagen im Zusammenhang mit der Entwicklung und wirtschaftlichen Nutzung neuer oder verbesserter Dienstleistungen und Produkte unterstützt. Zuwendungen werden KMUs in allen Gemeinden des ländlichen Raums nach dem Landesentwicklungsplan Baden-Württemberg gewährt. Bedingung ist, dass diese weniger als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sinne der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) beschäftigen. Der Fördersatz beträgt für kleine Unternehmen 20 %, für mittlere Unternehmen 10 % der Gesamtinvestitionskosten . Die Zuwendung pro Projekt muss mind. 200.000 € betragen, höchs - tens jedoch 400.000 €. Die Förderung erfolgt je zur Hälfte aus Mitteln des EFRE und des KIF, die über das ELR abgewickelt werden. Die geplanten Fördermittel für den gesamten Zeitraum belaufen sich auf rd. 40 Mio. €. Daraus ergibt sich ein Fördervolumen von rd. 6 Mio. € pro Jahr, das in zwei Tranchen zu je ca. 3 Mio. € aufgeteilt ist. Durch die Verankerung der EU-Strukturförderung im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz ist eine angemessene Berücksichtigung des länd - lichen Raums im EFRE gewährleistet. In der Förderperiode 2007 bis 2013 standen speziell für die Förderung im ländlichen Raum 45,8 Mio. € EU-Mittel zur Verfügung. In der Förderperiode 2014 bis 2020 fließen 56,8 Mio. € EFRE-Mittel gezielt in den ländlichen Raum. Dabei sind die Mittel für die Verbundforschung, an denen Forschungseinrichtungen im ländlichen Raum teilnehmen sowie die Klimaschutzinvestitionen in Kommunen nicht eingerechnet, deren Anteile für den ländlichen Raum erst nach Abschluss der Ausschreibungen ermittelt werden können . Im Rahmen des EFRE-Programms Baden-Württemberg 2014 bis 2020 – Innovation und Energiewende – wurde der Wettbewerb RegioWIN federführend vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau in Kooperation mit dem Wissenschaftsministerium und dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz durchgeführt. Der Wettbewerb RegioWIN hat Akteuren aller funktionalen Räume in Baden-Württemberg gleichermaßen die Chance geboten, vom EFRE-OP (Operationelles Programm) des Landes zu profitieren und kontinuierliche Verbesserungsprozesse voranzubringen. Insgesamt wurden im Rahmen des Wettbewerbs RegioWIN 11 Wettbewerbsregionen prämiert, die auch erheb - liche Teile des ländlichen Raums umfassen. Dementsprechend werden rund 20 % der in den erfolgreichen Wettbewerbsregionen prämierten Leuchtturmprojekte schwerpunktmäßig im ländlichen Raum realisiert. Weitere Informationen zu den prämierten Leuchtturmprojekten sind unter www.regiowin.eu sowie www.efrebw .de abrufbar. Darüber hinaus kommen auch die Technologietransferangebote 15 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 der im Rahmen der Fachförderung des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau aus Mitteln des EFRE geförderten Technologietransfermanager/ -innen dem ländlichen Raum zugute. Die Clusterpolitik ist Teil der Innovations- und Mittelstandspolitik in Baden- Württemberg. Sie dient dazu, die Leistungskraft kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) zu erhalten und zu stärken, aber auch die Anpassung an den wirtschaftlichen und technologischen Wandel sowie die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft zu fördern. In dem Zusammenhang werden Cluster-Initiativen in den Ballungsräumen wie auch in der Fläche zunehmend als eine Form von moderner Infrastruktur verstanden, um insbeson - dere in den kleinen und mittleren Unternehmen Innovationen in Produkte, Verfahren und Dienstleistungen zu ermöglichen und zu beschleunigen. Die Clusterpolitik vollzieht sich im Rahmen der Innovationsstrategie des Landes und folgt damit der Schwerpunktsetzung auf ausgewählte Technologiefelder und Querschnittstechnologien. Mit den clusterpolitischen Maßnahmen werden insbesondere KMU untereinander und mit Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen vernetzt und dadurch gestärkt mit dem Ziel, Baden-Württemberg als Standort voranzutreiben. Wie bereits in der Beantwortung zum Landtagsantrag Drs.16/1736 des Abg. Wacker u. a. CDU ausgeführt, geht es dabei konkret um die stärkere Profilierung, Professionalisierung und Internationalisierung der Cluster-Initiativen und -Netzwerke. Dazu hat das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau im Dialog mit allen relevanten Akteuren verschiedene Instrumente entwickelt, die sich vor allem an die Unternehmen und die Clustermanagements richten. Im Einzelnen sind dies Maßnahmen zur Transparenz und Unterstützung wie der Cluster-Atlas und die Clusterdatenbank Baden-Württemberg, das Clusterportal Baden-Württemberg (www.clusterportal-bw.de), die Zertifizierung von Clustermanagements mit dem Qualitätslabel „Cluster-Exzellenz Baden-Württemberg“, das von Baden-Württemberg International (bw-i) umgesetzte Förderprogramm zur „Internationalisierung von Cluster-Initiativen“ oder die Cluster-Projektförderung aus dem EFRE sowie die als zentrales operatives Element der Clusterpolitik 2014 eingerichtete ClusterAgentur Baden-Württemberg. Im Rahmen der Clusterförderung werden in der aktuellen Förderperiode 2014 bis 2020 aus dem EFRE bisher nach einem ersten Aufruf neun Maßnahmen von Cluster-Initiativen mit zusammen rund 1,675 Mio. € an EFRE-Mitteln bezuschusst, die auch Projekten aus dem ländlichen Raum zugutekommen. Mittel des Ausgleichstocks Die Mittel des Ausgleichstocks sollen gezielt leistungsschwachen Gemeinden mit erheblichem Rückstand in der Ausstattung mit notwendigen kommunalen Einrichtungen zugutekommen. Dies gilt verstärkt insbesondere dann, wenn diese Gemeinden zusätzlich zentralörtliche Funktionen wahrzunehmen oder als Flächengemeinden eine Vielzahl räumlich getrennter Ortsteile zu versorgen haben. Damit trägt der Ausgleichstock insbesondere auch zur Unterstützung von Städten und Gemeinden im ländlichen Raum und zur Stärkung deren Infrastruktur bei. Über die Bewilligung der Zuweisungen aus dem Ausgleichstock entscheidet in jedem Regierungsbezirk ein Verteilungsausschuss. Die Verteilungsausschüsse sind gehalten , unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Ausgleichstocks nach Maß - gabe des FAG und der entsprechenden Verwaltungsvorschrift für eine strukturell ausgewogene, bedarfsgerechte Verteilung der Ausgleichstockmittel zu sorgen. Der Ausgleichstock ist ein Jahresprogramm, bei dem die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel jährlich zugewiesen werden. Flurneuordnung Flurneuordnung ist als Instrument der flächenhaften Landentwicklung ein wesentlicher Bestandteil der aktiven Strukturpolitik für den ländlichen Raum. Zur Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft sowie zur Förderung der allgemeinen Landeskultur und der Landentwicklung werden im Land Baden-Württemberg aktuell 349 Flurneuordnungsverfahren Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 16 auf rd. 260.000 Hektar ländlicher Fläche durchgeführt. Die Verfahren orientieren sich in ihren Zielsetzungen eng an den sich stetig verändernden Bedürfnissen des ländlichen Raums. Neben den klassisch agrarstrukturell geprägten Regelflurneuordnungsverfahren werden im Wesentlichen Unternehmensverfahren zur Umsetzung von Infrastrukturmaßnahmen durchgeführt. Darüber hinaus werden vereinfachte Verfahren und Beschleunigte Zusammenlegungen zur Umsetzung einzelner spezieller Ziele wie beispielsweise ländlicher Wegebau, Naturschutz, Biotopverbund, Hochwasserschutz und andere gefördert. Die Verteilung auf die verschiedenen Verfahrensarten und der Verfahrensbestand sind in Abbildung 3 aufgeführt. Das Förderprogramm ist im Staatshaushaltsplan 2017 mit rd. 16,5 Mio. € veranschlagt und unterstützt damit insbesondere die Kommunen im ländlichen Raum. Abbildung 3: Tourismusinfrastrukturprogramm Der Tourismus stellt gerade in den ländlichen Räumen einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar, der Wertschöpfung generiert sowie Arbeitsplätze vor Ort schafft und sichert. Für die erfolgreiche Weiterentwicklung des Tourismus auf der Ebene der kommunalen touristischen Infrastruktur – insbesondere im ländlichen Raum – ist es deshalb von großer Bedeutung, dass die touristische Infrastruktur modern und nachhaltig aufgestellt ist. Hierfür ist das Tourismusinfrastrukturprogramm im Rahmen der aktiven Strukturpolitik ein wichtiges Förderprogramm. Die finanzielle Ausstattung des Programms erfolgt aus Mitteln des KIF und belief sich in den Jahren 2012 bis 2016 auf rd. 5 Mio. € pro Jahr. Die Zielrichtung des Tourismusinfrastrukturprogramms besteht insbesondere darin , die Tourismuskommunen dabei zu unterstützen, sich mit attraktiven touristischen Infrastruktureinrichtungen am Markt zu positionieren und damit im öffentlich -rechtlichen Bereich des Tourismus eine wichtige Säule für das Urlaubsland Baden-Württemberg zu bilden. Dazu setzt das Förderspektrum des Programms auf eine zukunftsorientierte Ausrichtung. Zu den wichtigsten Förderzielen des Tourismusinfrastrukturprogramms zählen beispielsweise: • die Stärkung der wirtschaftlichen und ökologischen Nachhaltigkeit von Tourismusinfrastruktureinrichtungen , • die Stärkung der sozialen Nachhaltigkeit, vor allem durch den Ausbau der Barrierefreiheit im Sinne eines „Tourismus für alle“, • Klimaschutz und Energieeinsparung durch Maßnahmen zur energetischen Sanierung und zur effizienten Nutzung von Energie und Wasser bei Tourismusinfrastruktureinrichtungen , )OXUQHXRUGQXQJHQ LQ %DGHQ :UWWHPEHUJ 9HUIDKUHQVEHVWDQG LQ >KD@ 5HJHOYHUIDKUHQ †† )OXUE* LQNO 5HEYHUIDKUHQ † )OXUE* 9HUHLQIDFKWH 9HUIDKUHQ † )OXUE* 8QWHUQHKPHQVYHUIDKUHQ †† )OXUE* %HVFKOHXQLJWH =XVDPPHQOHJXQJVYHUIDKUHQ † )OXUE* 6XPPH 17 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 • der Ausbau des sog. „Sanften Tourismus“ durch investive und infrastrukturelle Vorhaben an touristischen Rad- und Wanderwegen. Im Rahmen der Tourismusinfrastrukturförderung konnten seit 2012 bis 2016 landesweit insgesamt 121 kommunale Vorhaben mit Zuschüssen in Höhe von rund 28,2 Mio. € gefördert werden. Dadurch wurden Investitionen in Höhe von rund 97,2 Mio. € ausgelöst. Rund 66,6 % der geförderten Vorhaben wurden dabei in den ländlichen Räumen umgesetzt. Das Tourismusinfrastrukturprogramm leistet somit durch die gezielte Förderung von kommunalen touristischen Infrastrukturvorhaben einen maßgeblichen Beitrag zu einer weiterhin erfolgreichen Tourismus - entwicklung gerade im ländlichen Raum in Baden-Württemberg. Förderung ÖPNV Das Förderprogramm Regiobuslinien wurde 2017 auf die Anbindung von Unterzentren an den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) durch Regiobuslinien erweitert . Landesweit verfügen rund 25 Unterzentren – überwiegend im ländlichen Raum – über keine Anbindung an den SPNV. Diese können vom Förderprogramm profitieren. 2018 sollen 5,6 Mio. € an Fördermitteln zur Verfügung stehen. Seit 2013 fördert das Land Bürgerbusse als eine sinnvolle Ergänzung des be - stehenden öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) zur Mobilitätssicherung im örtlichen Verkehr. Um die positive Entwicklung von Bürgerbussen fortzuführen und zu intensivieren, gibt es auch 2017 ein Bürgerbusprogramm. Das Land Baden -Württemberg stellt für Bürgerbusprojekte im Jahr 2017 200.000 € zur Verfügung . Das Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) ist das zentrale Ins - trument zur Förderung der kommunalen Verkehrsinfrastruktur im Land. Die Novellierung des LGVFG wurde am 28. Oktober 2015 im Landtag beschlossen. Das LGVFG greift für kommunale Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen mit einem Volumen von bis zu 50 Mio. €. Insgesamt erhält Baden-Württemberg nach dem Entflechtungsgesetz 165,5 Mio. € jährlich für Maßnahmen des kommunalen Straßenbaus , des ÖPNV und des Rad- und Fußgängerverkehrs. Seit der Novelle werden 60 % der Mittel für den Umweltverbund von ÖPNV, Rad- und Fußgängerverkehr zur Verfügung gestellt. Um möglichst vielen Kommunen eine Förderung zukommen lassen zu können, wurde der Höchstfördersatz auf maximal 50 % der Kosten gesenkt, in Ausnahmefällen bis zu 75 %. Davor lag der Satz im Bereich des ÖP- NV bei rund 75 %. Dadurch profitieren mehr Projekte von einer Förderung. Damit wird der ÖPNV im ländlichen Raum gestärkt. Im Bereich des Radverkehrs dient die Förderung unter anderem dem Radtourismus. Städtebauförderung Die Städtebauförderung leistet seit 46 Jahren einen bedeutenden Beitrag zu einer zeitgemäßen und nachhaltigen Weiterentwicklung gewachsener baulicher Strukturen in den Städten und Gemeinden des Landes. In all diesen Jahren wurden den Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg insgesamt rund 5,86 Mrd. € an Landesmitteln und 1,49 Mrd. € an Bundesfinanzhilfen bewilligt. Allein im Jahr 2017 wurden rund 252,9 Mio. € – davon 101,3 Mio. € Bundesmittel – für die städtebauliche Erneuerung zur Verfügung gestellt. Wichtige Förderschwerpunkte der Städtebauförderung sind derzeit: • Schaffung von Wohnraum durch Umnutzung, Modernisierung und Aktivierung von Flächen und leerstehenden Immobilien (mit Fördervorrang), • die Stärkung bestehender Zentren, Sicherung und Erhalt denkmalpflegerisch wertvoller Bausubstanz, • Maßnahmen zur Anpassung vorhandener Strukturen an den demografischen Wandel, • die Stabilisierung und Aufwertung bestehender Gewerbegebiete, • die Neustrukturierung und Umnutzung baulich vorgenutzter Brachflächen, • die ganzheitliche ökologische Erneuerung. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 18 Die Städtebauförderung ist eines der am nachhaltigsten und breitesten in die kommunale Lebenswelt wirkenden Förderprogramme. Von den insgesamt 1.101 Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg sind 851 in den Stadterneuerungsprogrammen vertreten. Im Ländlichen Raum und im Verdichtungsbereich des ländlichen Raums sind von 655 Kommunen landesweit 444 in der Städtebauförderung vertreten, davon 364 mit laufenden Maßnahmen. In vier Jahrzehnten ist es gelungen, zahlreiche Quartiere aufzuwerten, Brachflächen einer neuen Nutzung zuzuführen, Strukturverbesserungen zu erreichen, das bauliche Erbe zu bewahren sowie Wohnraum und Arbeitsplätze zu schaffen. Wohnraumförderung Am 3. April 2017 trat das Förderprogramm Wohnungsbau BW 2017 in Kraft. Mit den sozial orientierten Fördertatbeständen dieses Programms will die Landes - regierung zur Schaffung mehr bezahlbaren Wohnraums zur Vermietung wie zur Selbstnutzung beitragen. Der Gesamtverfügungsrahmen umfasst 250 Mio. €, die sowohl zur Vergünstigung von Darlehen als auch zur Gewährung von Zuschüssen zur Verfügung stehen. Die allgemeine soziale Mietwohnraumförderung, die bei der Programmgestaltung im Vordergrund steht, sieht nun ein landesweites Angebot vor; damit kann geförderter und sozial gebundener Mietwohnraum zugunsten einkommensschwächerer wohnberechtigter Haushalte auch in Städten und Gemeinden des ländlichen Raums entstehen. Die Förderung selbst genutzten Wohneigentums wird wie bereits in der Vergangenheit landesweit angeboten. Neu ist hier, dass für das Förderdarlehen, mit dem die Begründung von Wohn - eigentum durch Bau oder Erwerb unterstützt wird, landeseinheitliche Höchstbetrage gelten; die Staffelung der Darlehenshöhe nach Gebietskategorien ist entfallen . Förderung überbetrieblicher Berufsbildungsstätten Die Förderung überbetrieblicher Berufsbildungsstätten in Trägerschaft der Wirtschaftsorganisationen und Selbsthilfeeinrichtungen der Wirtschaft ist wesent - licher Teil der Infrastrukturförderung des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau im Bereich der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung. Die überbetrieblichen Berufsbildungsstätten sind dezentral über das ganze Land verteilt und bilden ein flächendeckendes Netz. Damit ist insbesondere auch die Versorgung des ländlichen Raums mit entsprechenden Angeboten der beruflichen Aus- und Weiterbildung gewährleistet. Die überbetrieblichen Berufsbildungsstätten ergänzen in vielen Branchen die betriebliche Ausbildung durch entsprechende Lehrgänge und sichern damit das hohe Niveau in der betrieblichen Ausbildung. Darüber hinaus bieten sie vielfältige Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen an, die dazu beitragen, den technologischen und strukturellen Wandel der Wirtschaft zu bewältigen. Gefördert werden Bau-, Ausstattungs- und Modernisierungsmaß - nahmen. Das Land beteiligt sich an diesen Maßnahmen mit 25 % der zuwendungsfähigen Ausgaben, der Bund mit 45 %. In den vergangenen Jahren lag der Haushaltsansatz bei durchschnittlich rund 6 Mio. €. Das Ministerium für Wirtschaft , Arbeit und Wohnungsbau geht davon aus, dass der Finanzbedarf in den kommenden Jahren in entsprechender Höhe bestehen bleibt. 2. Wie wird sie sicherstellen, dass den im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans 2030 für den ländlichen Raum geplanten Projekten im Rahmen der Priorisierung beziehungsweise Umsetzung ein angemessener Stellenwert eingeräumt wird? Zu II. 2.: Die Aufgabe der Umsetzungspriorisierung ist es, die Wirkungen der Maßnahmen nach landesweit einheitlichen fachlichen, objektiven und nachvollziehbaren Kriterien zu beurteilen. Das heißt, für Maßnahmen, die im ländlichen Raum umgesetzt werden sollen, muss genau so wie für die Maßnahmen in Verdichtungsräumen anhand dieser Kriterien die Dringlichkeit belegt werden. Die erhobenen 19 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 Werte werden nicht als absolute Zahlen bewertet, sondern werden in Relation zur geeigneten Größe gesetzt. So ist gewährleistet, dass sehr hohe Einzelwerte in dem Bewertungssystem relativiert werden. Zudem wird bei den Landeskriterien die Ist-Situation in einem engen räumlichen Umfeld untersucht. Hier ergeben sich die Unterschiede durch die Ortslage und nicht aus der räumlich groben Zuordnung zu einer Raumkategorie. Im ländlichen Raum in Baden-Württemberg leben rd. 35 % der Bevölkerung. Bei den jetzt zur Priorisierung anstehenden Ortsumfahrungen befinden sich fast 60 % im ländlichen Raum. Dies ist ein Ergebnis des Anmeldekonzepts zur Fortschreibung des Bedarfsplans, bei dem auch großräumige Verbindungsachsen berücksichtigt wurden, die sich im ländlichen Raum befinden. Durch die hohe Anzahl an Maßnahmen in Verbindung mit dem Bewertungsverfahren ist ein angemessener Stellenwert des ländlichen Raums bei der Umsetzung des Bedarfsplans in jedem Fall gewährleistet. Bei den Verkehrsträgern Schiene (Eisenbahnen des Bundes) und Wasserstraße (Bundeswasserstraßen) ist im Rahmen des BVWP 2030 wie auch bei den ent - sprechenden Ausbaugesetzen Bundesschienenwegeausbaugesetz (BSWAG) und Gesetz über den Ausbau der Bundeswasserstraßen und zur Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes (WaStrAbG) – entsprechend der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern – alleine der Bund für die Realisierung verantwortlich. Nur der Bund kann bei diesen Verkehrsträgern somit sicherstellen, dass im Rahmen der Priorisierung beziehungsweise der Umsetzung dem ländlichen Raum ein angemessener Stellenwert eingeräumt wird. Dass der Bund hierbei viele Schienenverbindungen nicht berücksichtigt hat, die auch und gerade für den ländlichen Raum von Bedeutung sind, hat das Land in seiner Stellungnahme zum Entwurf des BVWP 2030 vom Mai 2016 deutlich kritisiert. Betroffen sind hierbei fast alle Strecken zwischen Oberzentren im Land, beispielsweise die Bahnstrecken zwischen Heilbronn und Würzburg, zwischen Ulm und Aalen, zwischen Ulm und Donaueschingen, zwischen Tübingen und Ravensburg oder auch die Verbindung zwischen Basel und Ulm, also die Hochrheinstrecke und die Bodenseegürtelbahn. Überwiegend wird die Nichtaufnahme damit begründet , dass es „reine SPNV-Maßnahmen“ seien, dass dort kein Schienengüterverkehr oder Schienenpersonenfernverkehr prognostiziert wird, oder dass die Maßnahmen „unwirtschaftlich“ wären. Diese pauschale Beurteilung wird vom Land nicht geteilt. Baden-Württemberg hat gerade keine nur lokal/regional bedeutsamen Strecken angemeldet. Bei den beantragten Relationen handelt es sich um Direktverbindungen zwischen den Oberzentren des Landes, die weit über eine Nahverkehrsfunktion hinausgehen, und auf denen die Mehrzahl der Fahrgäste der Regionalzüge auf Distanzen über 50 km unterwegs sind. Selbstverständlich wird die Landesregierung auch weiterhin darauf achten, inwiefern der Bund seine Verantwortung für den Ausbau des Eisenbahnnetzes wahrnimmt. 3. Welche Maßnahmen sind geplant, um die Möglichkeiten der Digitalisierung (Ausbau der Breitbandversorgung, Telemedizin, Prozessoptimierung, Blended Learning, eGovernment, elektronischer Rechtsverkehr etc.) für eine erfolg - reiche Weiterentwicklung der ländlichen Räume zu nutzen? Zu II. 3.: Es ist Ziel der Landesregierung, ganz Baden-Württemberg am digitalen Wandel teilhaben zu lassen und für gleichwertige Lebens- und Wirtschaftsbedingungen zu sorgen. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels eröffnet uns die Digitalisierung dabei gerade im ländlichen Raum neue Möglichkeiten zur Sicherstellung der Daseinsvorsorge und deren Erreichbarkeit. Digitalisierungsstrategie Ein zentraler Aspekt der Digitalisierungsstrategie ist es, nicht nur die urbanen Räume in den Blick zu nehmen, sondern auch den ländlichen Raum mit seinen besonderen Anforderungen auf diesem Weg mitzunehmen. Nur so kann die verfassungsrechtliche Pflicht in Art. 3 a Abs. 2 LV zur Förderung gleichwertiger Le- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 20 bensverhältnisse, Infrastrukturen und Arbeitsbedingungen im gesamten Land gewahrt werden. Die Digitalisierung zeigt hierbei bereits heute neue Wege auf, um diese Ziele zu erreichen und den Ländlichen Raum stark und erfolgreich zu halten . Daher gilt es die Chancen der Digitalisierung im ländlichen Raum insbesondere zu nutzen, um Einrichtungen der Daseinsvorsorge und deren Erreichbarkeit auch in Zeiten des demografischen Wandels zu sichern. Auch bei der Förderung der Interaktion des ländlichen Raums mit den Ballungszentren sollen die Potenziale der Digitalisierung genutzt werden. Bei der Umsetzung ist es wichtig, die Stärken des ländlichen Raums, die Regionalität und die Bedürfnisse der Menschen in den Vordergrund zu stellen sowie die kommunalen Entscheidungsträger einzubinden. Förderung einer flächendeckenden Breitbandversorgung Eine flächendeckende bedarfsgerechte Breitbandversorgung ist Grundvoraussetzung , um die Möglichkeiten der Digitalisierung auch nutzen zu können. Nach dem europäischen Rechtsrahmen für Telekommunikation sowie dem Grundgesetz ist es Aufgabe der privaten Telekommunikationsunternehmen, den Breitbandausbau wettbewerblich vorzunehmen. Erst wenn dieser marktgetriebene Ausbau versagt, ist es Kommunen möglich, im Rahmen ihrer Selbstverwaltung und unter Beachtung aller rechtlichen Regelungen der EU, des Bundes und des Landes, eine zukunftsorientierte Breitbandinfrastruktur mit Mitteln der öffent - lichen Hand aufzubauen. Die Landesregierung unterstützt daher die Kommunen im Land beim Auf- und Ausbau von Glasfasernetzen. Hierfür stellt sie im Rahmen der Breitbandförderprogramme Finanzmittel zur Verfügung und die Kommunen können die Beratung der Landesverwaltung in Anspruch nehmen. Im Jahr 2016 hat das Land Fördermittel in Höhe von 113 Mio. € bewilligt, für das Jahr 2017 ist ein Bewilligungsvolumen von rund 125 Mio. € eingeplant. Kabinettsausschuss Digitalisierung Der Kabinettsausschuss Digitalisierung hat am 21. Februar 2017 zum ersten Mal getagt und Finanzmittel für Einzelprojekte der Ressorts in einer Gesamthöhe von 58,3 Mio. € für 2017 freigegeben. Dabei hat der Kabinettsausschuss auch ein Projektvorhaben des Innenministeriums „Zukunftskommune@BW“ mit kommunalem Fokus und einem Fördervolumen von 7,6 Mio. € genehmigt. Hierin enthalten sind 0,5 Mio. € für die wissenschaftliche Begleitung des Projekts sowie 0,5 Mio. € für Netzwerkformate wie beispielsweise die Durchführung von Informationsveranstaltungen mit Fachexperten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung in den Kommunen vor Ort. Mit dem Wettbewerb „Zukunftskommune@BW“ werden Kommunen als Modellvorhaben adressiert, deren politisch Verantwortliche eine langfristig angelegte, digitale Agenda und damit verbundene soziale, ökonomische und/oder ökologische Ziele verfolgen. Diese digitale Agenda soll sich an den jeweiligen Bedürfnissen und der Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger sowie der lokalen Wirtschaft orientieren. Dabei machen die politisch Verantwortlichen in den Kommunen ihre digitale Agenda zur „Chefinnen- bzw. Chef-Sache.“ Bis Jahresende werden gemeinsam von Herrn Minister Strobl und dem Landesbeauftragten für Informationstechnologie im Rahmen einer Informationstour 12 Digitalkonferenzen in den Kommunen vor Ort zum Thema „Digitale Zukunftskommune @bw“ durchgeführt. Dabei diskutieren Fachexperten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft über die Chancen und Potenziale der Digitalisierung u. a. bei der Mobilität, Gesundheit, Verwaltung oder im Energiebereich. Dabei werden auch die Bürgerund Oberbürgermeister aus den benachbarten Kommunen zu den jeweiligen Veranstaltungen eingeladen. Ziel ist es, die digitalen Vorreiter mit solchen Kommunen zu vernetzen, die sich auf den digitalen Weg aufmachen, und für das Thema Digitalisierung mit seinen zahlreichen Chancen zu sensibilisieren. 21 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 Digitalisierung im Gesundheitswesen Es besteht ein breiter Konsens in der Gesellschaft, dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens große Chancen und Potenziale beinhaltet, um die hohe Qualität der medizinischen und pflegerischen Versorgung in Deutschland sicherzustellen und weiter zu verbessern. Deshalb hat das Ministerium für Soziales und Integration die „Strategie zur Verbesserung der medizinischen und pflegerischen Versorgung in Baden-Württemberg durch Nutzung digitaler Technologien“ entwickelt. Für Prävention, Diag - nose, Pflege und Behandlung ergeben sich durch die Telemedizin neue Möglichkeiten . Prioritäres Ziel dieser Strategie ist es, die Chancen und Potenziale digitaler Entwicklungen im Gesundheitswesen effizienter zu nutzen, um die hohe Qualität der medizinischen und pflegerischen Versorgung in Baden-Württemberg sicherzustellen und weiter zu verbessern. Dazu gehört auch die Sicherung der medizinischen und pflegerischen Versorgung von Patientinnen und Patienten in strukturschwächeren Regionen. In der ambulanten und stationären Versorgung werden durch das Ministerium für Soziales und Integration Projekte zur Stärkung der telemedizinischen Versorgung, beispielsweise Telesprechstunde, Telekonsil, Televisite im Rahmen der jeweils vorhandenen Mittel angestoßen. Die Sektorenübergreifende Versorgung soll mit Projekten für Kommunikations-/ Informationsplattformen und Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte in multiprofessionellen Behandlungsteams die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung verbessern. Projekte zur Qualitätsverbesserung und Weiterentwicklung der Pflege und Entlastung der Pflegekräfte und pflegenden Angehörigen durch telemedizinische Lösungen, beispielsweise Televisite in Pflegeheimen oder Unterstützung häuslicher Pflege durch niedergelassene Ärzte, werden die Pflegeinfrastruktur stärken. Der Aufbau von Zentren für personalisierte Medizin soll erfolgen sowie einer Cloud BW, die behandler- und institutionsübergreifende Forschung ermöglicht, und einer App BW, die der Privatisierung von Gesundheitsdaten entgegenwirkt. Eine Koordinierungsstelle als telemedizinisches Kompetenzzentrum, das zukunftsfähige E-Health-Projekte im Land fördert und begleitet sowie Leuchtturmprojekte identifiziert und unterstützt, wird die vorhandenen Ressourcen zielgerichtet organisieren. E-Government Das Land verfolgt in enger Abstimmung mit den kommunalen Landesverbänden konsequent seine E-Government-Ziele. Mit dem 2015 modernisierten Serviceportal service-bw.de bietet das Land allen Kommunen die notwendige Infrastruktur, um ihren Bürgerinnen und Bürgern sowie den ansässigen Unternehmen Online- Dienste kostengünstig zugänglich zu machen. Bei der Modernisierung des Portals spielten die strategischen E-Government-Ziele des Landes eine tragende Rolle: • Das Land strebt ein flächendeckendes Angebot an elektronischen Verwaltungsleistungen an. • Das Land bietet hierfür allen Bürgern und Unternehmen in Baden-Württemberg nutzbare standardisierte elektronische Formulare und Prozesse an. • Wie die elektronischen Anträge/Anzeigen an die Kommunen übermittelt werden , hängt an dem jeweiligen „E-Government-Grad“ der Kommune. • Für eine Verwaltungsleistung läuft im Hintergrund unabhängig vom Einstiegspunkt – das Serviceportal oder die kommunale Homepage – stets die gleiche Lösung. Mit diesem Ansatz entwickelt das Land den schon lange gelebten Grundsatz des Teilens von Inhalten auf das Teilen von elektronischen Diensten weiter und ermöglicht damit allen baden-württembergischen Kommunen, ihren Bürgern und Unternehmen E-Government kostengünstig und mit verhältnismäßig einfachen Mitteln anzubieten. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 22 Die E-Government-Angebote von Land und Kommunen werden nur dann erfolgreich sein, wenn Bürgerinnen und Bürger wie Unternehmen sie tatsächlich finden und gerne nutzen. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor dafür sind fachübergreifend einheitlich und nutzerzentriert gestaltete Prozessschritte zwischen Antragstellern und den zuständigen Behörden. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die öffentliche Hand hier gemeinsam auftritt. Gemeinsam mit den Kommunen, die hier mit dem Land vorangehen, wird ein flächendeckendes Angebot an nutzerzentrierten elektronischen Verwaltungsleistungen realisiert werden. Alle Bürger und Unternehmen in Baden-Württemberg werden die bereitgestellten Formulare und Prozesse nutzen können. Die dafür erforderlichen zentralen Dienste von service-bw werden sich gut in kommunale Webseiten einbinden lassen. Aktuell arbeitet das Land gemeinsam mit Partnerkommunen und den kommunalen IT-Dienstleistern auf Basis von service-bw an der Digitalisierung des Führerscheinantrags , der Außerbetriebsetzung und Wiederzulassung von Kraftfahrzeugen und des Bauantrags. Der IT-Kooperationsrat hat jüngst eine Empfehlung für eine Reihe von weiteren Pilotprojekten ausgesprochen, die 2017 umgesetzt werden sollen. Die Kommunen können die Dienste von service-bw im Sinne von § 15 des E-Government -Gesetzes Baden-Württemberg auch für die Entwicklung und Bereitstellung eigener Prozesse und Formulare sowie – ab dem zweiten Halbjahr 2017 – für die Erschließung ihrer offenen Daten nutzen. Sie können ferner in ihren eigenen Webanwendungen den im Servicekonto Baden-Württemberg enthaltenen Dienst zur elektronischen Identifizierung von natürlichen und – perspektivisch – juristischen Personen nutzen. Im Bereich der Geoinformation schafft das Land in Partnerschaft mit kommunalen Landesverbänden mit der Geodateninfrastruktur Baden-Württemberg als Geokomponente des E-Governments die Voraussetzungen, Bauleitpläne der Kommunen und schrittweise weitere kommunale Geodaten über das Geoportal BW nach dem Prinzip „einmal erheben – mehrfach nutzen“ auf Basis von Standards über das Internet übergreifend nutzbar zu machen. Elektronischer Rechtsverkehr Das Justizministerium setzt sich für eine bürgernahe Justiz ein, die auch im länd - lichen Raum stark vertreten ist. Nicht alle Angelegenheiten lassen sich jedoch am eigenen örtlichen Gericht erledigen. Daher berücksichtigt die Justiz bei der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte mit ihrem „eJustice-Programm“ auch die Belange des ländlichen Raums, um die Vorteile der Digitalisierung zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger wie auch der Unternehmen in Baden-Württemberg nutzbar zu machen. So werden etwa Sitzungssäle in den Gerichten mit Visualisierungs- und Videokonferenztechnik ausgestattet, um Parteien, Zeugen oder Sachverständige „live“ in den Gerichtssaal einbinden zu können. Mit dieser Technik können lange Anfahrtswege zu überörtlichen Gerichtsstandorten reduziert werden; außerdem lassen sich Gerichtstermine effektiver gestalten, sodass die Anzahl von Vertagungen und Fortsetzungsterminen verringert werden kann. Der elektronische Rechtsverkehr sorgt nicht nur für eine unmittelbare und einfach zu handhabende Kommunikation mit den Gerichten, sondern ermöglicht auch eine deutliche Beschleunigung der Akteneinsicht: Dank e-Justice können Akteninhalte als PDF-Dateien über ein Web-Portal per Mausklick bereitgestellt werden – die bislang üblichen Postlaufzeiten oder das Erfordernis der Einsichtnahme in Akten in den Räumen des Gerichts entfallen. Bei der Neuordnung des Grundbuch - und Registerwesens wurde im Interesse der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen durch den Einsatz digitaler Akten und Kommunikationsmittel dafür Sorge getragen, dass Rechtsangelegenheiten auch „über die Distanz“ schnell und komfortabel erledigt werden können. Flächendeckende Unterstützung von Unternehmen auf dem Weg in die Wirtschaft 4.0 Die Digitalisierung der Wirtschaft ist eine zentrale Herausforderung für die gesamte Wirtschaft in Baden-Württemberg. Die wirtschaftlichen Zukunftsaussich- 23 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 ten sind umso besser, je erfolgreicher die Wirtschaft des Landes die digitale Transformation bewältigen kann. Um dieses zentrale wirtschaftspolitische Ziel zu erreichen, plant das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau gemäß dem Auftrag des Koalitionsvertrages eine Initiative Wirtschaft 4.0 zu starten. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass sich alle Bereiche der Wirtschaft durch die Digitalisierung einschneidenden Veränderungen gegenübersehen und bei dieser Entwicklung Unterstützung in allen Regionen des Landes brauchen. Dies gilt besonders auch für Handwerk, Handel, Hotellerie und Gastronomie sowie Dienstleistungen ein - schließlich der Finanzbranche. Die Initiative zielt darauf ab, die Unternehmen des Landes und insbesondere den Mittelstand dabei zu unterstützen, die Herausforderungen der Digitalisierung zu bewältigen und die damit verbundenen Chancen zu nutzen. Landesweite Förderung von Industrie 4.0 Darüber hinaus wird das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau die Allianz „Industrie 4.0“ fortführen und im Rahmen der vorhandenen Mittel - ansätze weiterentwickeln. Die mit „Industrie 4.0“ benannten neuartigen Produk - tionssysteme mit intelligenten Maschinen und einer durchgängigen IT-Vernetzung bieten hier ein großes Innovationspotenzial. Durch ihre Stärken sowohl bei Industrieausrüstern wie Maschinenbau, Automatisierungstechnik und industrieller Informations- und Kommunikationssystemen als auch bei Branchen wie Auto - mobilbau und Zulieferindustrie hat die Wirtschaft des Landes Baden-Württemberg ideale Voraussetzungen beim Aufbruch zur Industrie 4.0. Führende Forschungseinrichtungen legen dafür eine ausgezeichnete wissenschaftliche Basis. Dies gilt selbstverständlich auch für die typischen industriellen Branchen im ländlichen Raum wie Automobil- und Zulieferindustrie und Maschinenbau. Im Rahmen der Allianz Industrie 4.0 setzt das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau ein ganzes Bündel von Maßnahmen um, beispielsweise: • Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau fördert die Transferplattform Industrie 4.0, eine Kooperation der Steinbeis-Stiftung mit drei Hochschulen (Reutlingen, Esslingen, Aalen) insbesondere für die Unterstützung von Automobilzulieferern. • Um Auszubildende und Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Weiterbildungskursen ideal auf die Anforderungen der digital vernetzten Industrie der Zukunft vorzubereiten, fördert das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau den Aufbau von „Lernfabriken 4.0“ an beruflichen Schulen im Land. Ziel ist es, das abstrakte Konzept von Industrie 4.0 für Nachwuchskräfte und Beschäftigte fassbar zu machen. Bis zum Halbjahr 2017 werden in beruflichen Schulen im Land 16 Lernfabriken als Trainings- und Demonstrationszentren für Industrie 4.0 auf der Basis realer Industriestandards eingerichtet sein. Sie wenden sich an Auszubildende, an Fördervereine der beruflichen Schulen aber auch an Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Weiterbildungslehrgängen. Es hatte in der Konzeption des Förderprogramms eine hohe Bedeutung, dass die Lernfabriken die mittelständischen Unternehmen in der Fläche erreichen. Ihre Standorte sind in 11 von 12 Regionen und damit fast über das ganze Land verteilt . Landwirtschaft 4.0 nachhaltig.digital Die Digitalisierung der Landwirtschaft eröffnet im Pflanzenbau, bei Sonderkulturen und in der Tierhaltung völlig neue Möglichkeiten zur Organisation und zur Durchführung von Arbeits- und Produktionsprozessen, die sowohl einen Mehrwert für die landwirtschaftlichen Betriebe als auch für die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen und den Schutz der Umwelt und der Nutztiere darstellen. Beispielsweise erlauben auf standortspezifischen Daten und digitalen Erkennungsverfahren aufgebaute Verfahren im ökologischen wie integrierten konventionellen Pflanzenbau ein optimiertes Nährstoffmanagement, eine bodenschonende Bearbeitung oder die Verringerung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes. Digitale Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 24 Managementsysteme in der Tierhaltung unterstützen die Halter in der Betreuung und Versorgung der Tiere hinsichtlich Verbesserung sowohl des Tierwohls wie auch der Wirkungen auf die Umwelt. Aber auch der soziale und ökonomische Aspekt der Nachhaltigkeit in Form moderner Arbeitsplätze steht im Fokus. E-Government -Verfahren zur Online-Antragstellung im Bereich Landwirtschaft ermöglichen effiziente Arbeitsweisen und Arbeitsabläufe und damit eine bürgerfreundliche Gestaltung. Über ein integriertes Programm „Landwirtschaft 4.0 nachhaltig.digital“ wird das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Entwicklung und Einführung der digitalen Produktionsprozesse im Pflanzenbau, bei Sonderkulturen , in der Tierhaltung und in der Unternehmensführung begleiten und die Akteure beim Wissens-, Informations-, Förder- und Datenmanagement unterstützen. Als erste Leuchtturmprojekte werden die Entwicklung und Einführung digitaler Produktionsprozesse in der Außenwirtschaft mit dem Projekt „Einführung und Begleitung von Landwirtschaft 4.0“ und die Wissensvermittlung an Fachschulen über das Projekt „Einführung von Blended Learning an den landwirtschaftlichen Fachschulen“ unterstützt. Unterstützung und Begleitung der Landes-Initiative Smart Home and Living e. V. Das damalige Ministerium für Finanzen und Wirtschaft hat im Mai 2014 zusammen mit dem Ministerium für Soziale und Integration die Plattform zur Gründung der Initiative Smart Home & Living eingerichtet. Darin arbeiten Akteure aus Wirtschaft, Forschung und Entwicklung, Netzwerken und Verbänden zusammen. Ziel ist es, durch gezielte Kooperation und Vernetzung der unterschiedlichen Kompetenzen des Wachstumsfeldes „Smart Home & Living“ zu erschließen. Dazu gehören u. a. Gesundheit und Pflege, Haushalt und Versorgung, Sicherheit und Privatsphäre, Kommunikation und soziales Umfeld. Dabei stehen diese Themenfelder im engen Zusammenhang mit der Digitalisierung der Wirtschaft. Vor dem Hintergrund, dass bis 2030 die Anzahl der Pflegebedürftigen in Baden- Württemberg um 28 % steigen wird, von denen nur 1/3 stationär gepflegt werden, bietet die Digitalisierung und insbesondere die Technologie im Bereich Smart Home & Living hervorragende Möglichkeiten, die Personen möglichst lange zu Hause zu unterstützen. Der wesentliche Mehrwert von Smart Home-Technologien liegt in der Kombination von Technologie und Dienstleistung, der Menschen – gerade auch im länd - lichen Raum – angeboten werden kann, bei der Organisation von Einkäufen, durch die Zulieferung in gesondert gesicherte Post-/Paketfächer oder durch die Übertragung des örtlichen Gottesdienstes in das Zuhause. Die Ausstattung des Hauses, aber auch des Quartiers mit smarter Technologie ist hierfür notwendig. Die Technologien sind vorhanden, doch die Markttransparenz für die Kunden, die Qualifikation der beteiligten Akteure und die Erkenntnis, dass diese Herausforderungen nur in Kooperation beispielsweise von Handwerk, Pflegedienstleistern, Bauherrn und Planern bewältigt werden können, muss gesteigert werden. 4. Was unternimmt sie zur Sicherstellung einer tragfähigen wohnortnahen und flächendeckenden gesundheitlichen Versorgung (medizinische und pflegerische Versorgung, Notfallversorgung, sonstige Hilfeleistungseinrichtungen etc.) im ländlichen Raum? Zu II. 4.: Ambulante Versorgungsstrukturen Mit dem Konzept zur Weiterentwicklung ambulanter Versorgungsstrukturen – Konzept ambulant 2.0 – verfolgt die Landesregierung das Ziel einer tragfähigen wohnortnahen und flächendeckenden pflegerischen Versorgung. Es wird gemeinsam mit allen Akteuren im Pflegesetting entwickelt und richtet sich an den Bedarfen von Menschen mit zunächst geringfügigem Unterstützungsbedarf bis an die 25 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 Schwelle zur Notwendigkeit stationärer Pflegeversorgung aus. Das Konzept ambulant 2.0 identifiziert Lücken in der Versorgung und Unterstützung, skizziert Lösungsansätze und zeigt Maßnahmen zur Umsetzung auf und regt diese an. Angesprochen sind die vielfältigen Akteure im Vor- und Umfeld von Pflege. Zu nennen sind beispielsweise Land, Kommunen, Träger der Wohlfahrtspflege, Leistungserbringer, Pflegekassen, Bürgerschaft, Betroffene und informell Pflegende . Dabei gilt, neben landesweiten Maßnahmen, die besondere Aufmerksamkeit der Entwicklung in den Quartieren vor Ort, beispielsweise in den Dorfgemeinschaften im ländlichen Raum, und zwar immer unter Berücksichtigung der vorhandenen Rahmenbedingungen, Ressourcen und Potenziale. Konzept ambulant 2.0 gibt darüber hinaus auch Anregungen zur Vernetzung von Angeboten, Strukturen und Partnern vor Ort. Hierzu zählt auch das Erproben neuer Konzepte in Modellvorhaben. Dabei gilt ein besonderes Augenmerk der Unterstützung von Pflege zu Hause. Nächste Schritte sind der Einbezug von Konzept ambulant 2.0 in die Planungen zur Quartiersentwicklung , sowie die Weiterentwicklung ausgewählter Ansätze aus dem Konzept. Durch seinen ganzheitlichen Ansatz aus Sicht der Betroffenen unter Einbeziehung aller an der Unterstützung, Betreuung und Versorgung im Pflegekontext beteiligten Akteure leistet das Konzept ambulant 2.0 im ländlichen Raum einen wichtigen Beitrag zur Sicherstellung einer tragfähigen wohnortnahen und flächendeckenden pflegerischen Versorgung. Die ambulante ärztliche Versorgung ist in Baden-Württemberg grundsätzlich nach wie vor gut. In Baden-Württemberg gibt es keine unterversorgten Gebiete im rechtlichen Sinne, d. h. es gibt keine Gebiete, für die der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Unterversorgung nach § 100 SGB V festgestellt hat. Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt jedoch, dass Praxen nicht immer adäquat nachbesetzt werden können. Die Gründe dafür sind vor allem die Altersstruktur bei den Haus- und Fachärzten sowie zu wenig nachwachsende Studienabgänger und weitergebildete Fachärzte für Allgemeinmedizin. Um Ärztinnen und Ärzte zu motivieren, in der ambulanten ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum tätig zu werden, sind in erster Linie gute Rahmenbedingungen notwendig. Gemeinsam mit der ärztlichen Selbstverwaltung müssen Bund, Land und Kommunen mit vereinten Kräften daran arbeiten, die Versorgungsstrukturen , die Arbeitsbedingungen und die örtliche Infrastruktur an den Bedürfnissen der nachwachsenden Ärztegeneration auszurichten. Um bereits Studierende der Medizin für eine hausärztliche Tätigkeit auf dem Land zu motivieren, plant das Ministerium für Soziales und Intergration ein entsprechendes Stipendienprogramm zu entwickeln. Hierzu wird derzeit eine Konzeption erarbeitet. Allgemein der Stärkung der Allgemeinmedizin dient der Masterplan Medizinstudium 2020 von Bund und Ländern, der kürzlich verabschiedet wurde. Er beinhaltet u. a. Vorschläge für Änderungen der Ärztlichen Approba - tionsordnung, durch die der Allgemeinmedizin in Studium und Praktischem Jahr ein größeres Gewicht eingeräumt werden soll. Darüber hinaus werden vom Ministerium für Soziales und Integration gezielte Anreize für eine Niederlassung im ländlichen Raum gesetzt. Das Ministerium für Soziales und Integration hat auf Landesebene im Sommer 2012 ein überarbeitetes Förderprogramm für Landärzte mit einem Fördervolumen von 2 Mio. € auf den Weg gebracht. Hausärztinnen und Hausärzte können bis zu 30.000 € Landesförderung erhalten, wenn sie sich in Baden-Württemberg in einer ländlichen Gemeinde niederlassen, die als Fördergebiet ausgewiesen ist. Durch das Förderprogramm „Landärzte“ der Landesregierung wurden in den Jahren 2012 bis heute bereits über 90 Ärztinnen und Ärzte mit über 1,8 Mio. € dabei unterstützt, sich in unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Regionen niederzulassen. Das Förderprogramm unterstützt durch gezielte finanzielle Anreize passgenaue Lösungen vor Ort. Auch die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg hat im Benehmen mit den Kostenträgern ein Förderprogramm „Ziel und Zukunft (ZuZ)“ aufgelegt. Mit den Mitteln des Strukturfonds nach § 105 Abs. 1 a SGB V in Höhe von jährlich über 5 Mio. € werden Zuschüsse zu den Investitionskosten bei Neuniederlassung, Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 26 Praxisübernahme, Gründung einer Zweigpraxis oder Anstellung von Haus- und Fachärzten in unterdurchschnittlich versorgten Regionen gewährt. Das Ministerium für Soziales und Integration hat zudem einen sektorenübergreifenden Landesausschuss eingerichtet, in dem die Spitzen der Selbstverwaltung, die Patientenvertretungen und die Kommunalen Landesverbände in einen Dialog über vor allem für den ländlichen Raum wichtige ambulante und stationäre Versorgungsfragen treten. Beispielsweise hat dieses Gremium ein Vorhaben zu flexiblerer hausärztlicher Bedarfsplanung beschlossen. Kommunen mit angespannter hausärztlicher Versorgungslage erhalten so die Möglichkeit, eine kleinräumigere Bedarfsplanung in ihrem Gebiet prüfen zu lassen. Zur Sicherstellung der qualitativ hochwertigen und flächendeckenden medizinischen Versorgung der Zukunft entwickelt das Ministerium für Soziales und Integration außerdem gemeinsam mit ausgewählten Landkreisen und Unterstützung namhafter Universitätsinstitute im Rahmen von zwei Modellprojekten Versorgungskonzepte der Zukunft zur sektorenübergreifenden und ambulanten Versorgung . Notfallversorgung Für die Notfallversorgung ist zunächst auf die Reform des vertragsärztlichen Bereitschaftsdienstes durch die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg hinzuweisen. Durch die Einrichtung zentraler Portal- bzw. Notfallpraxen, häufig in Koopera - tion mit Krankenhäusern, konnte die Dienstbelastung der niedergelassenen Ärzte im Land verringert und vereinheitlicht werden, was die Arbeitsbedingungen für Ärzte und Ärztinnen auch im ländlichen Raum attraktiver macht. Notfallpatienten werden in Baden-Württemberg über die integrierte Leitstelle des Deutschen Roten Kreuzes, die über die Anrufe der Rufnummer 112 hinaus auch eingehende Gespräche über die Rufnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes (116117) entgegennimmt, auch auf dem Land in die geeignete Versorgungsstruktur geleitet (Hausbesuchsdienst, Notfall- oder Portalpraxen, Notaufnahme Krankenhaus ). Darüber hinaus plant die Kassenärztliche Vereinigung BW mit Projektbegleitung durch die Landesärztekammer Baden-Württemberg einen ärztlichen Telefondienst einzuführen, der „Notfallpatienten“ in BW berät und sie an geeignete Strukturen (ambulante oder stationäre Notfallversorgung) auf dem Land und in der Stadt weitervermittelt. Das Projekt wird im Verlauf evaluiert werden, sodass eine Kosten-Nutzen-Abwägung getroffen werden kann. Für Notfallpatienten müssen zudem an den Krankenhäusern in der Stadt und auf dem Land zentrale Anlaufstellen geschaffen werden, die rund um die Uhr mit Hilfe einer standardisierten Ersteinschätzung den individuellen Behandlungsbedarf erfassen und die Patienten der für sie angemessenen Versorgungsstruktur zuweisen. Eine enge örtliche Anbindung dieser Anlaufstellen an die im Krankenhausstrukturgesetz vorgesehenen Portalpraxen ist sinnvoll, damit eine nahtlose , übersektorale Notfallversorgung stattfinden kann. Dies konnte in Ba den- Württemberg schon für einen Teil der Krankenhäuser (beispielsweise am Schwarzwald-Baar Klinikum in Villingen-Schwenningen) realisiert werden. Allerdings stellt die enge räumliche Anbindung an eine Portalpraxis gerade im ländlichen Bereich eine Herausforderung dar, da die Verfügbarkeit der niedergelassenen Ärzte begrenzt ist. Um sich diesen Herausforderungen im Land stellen zu können, fand Anfang des Jahres 2017 mit allen Leiterinnen und Leitern der zentralen Notaufnahmen Baden -Württembergs, den Vertretern der KV Baden-Württemberg und der BWKG im Ministerium für Soziales und Integration ein Workshop statt, der zum Ziel hatte , bestehende Probleme in der übersektoralen Notfallversorgung, existierende Lösungsstrategien und mögliche Lösungswege zur Verbesserung zu diskutieren und zu erfassen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschließt derzeit gemäß §136c Ab satz 4 Satz 1 f. SGB V ein gestuftes System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern. 27 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 Für jede Stufe der Notfallversorgung sind insbesondere Mindestvorgaben zur Art und Anzahl von Fachabteilungen, zur Anzahl und Qualifikation des vorzuhaltenden Fachpersonals sowie zum zeitlichen Umfang der Bereitstellung von Notfall - leistungen differenziert festzulegen. Hierauf aufbauend sollen die Krankenhäuser der Höhe nach gestaffelte Zuschläge für ihre Beteiligung an der Notfallversorgung erhalten. Verbindliche Abschläge sind bei einer Nichtbeteiligung an der Notfallversorgung zu erheben. Dies wird zu einer Bündelung von Kapazitäten und medizinischem Know-how führen. Derzeit findet noch eine Folgeabschätzung des geplanten gestuften Systems zur stationären Notfallversorgung statt. Eine zentrale Forderung der Flächenländer ist, dass in dem gestuften System auch zukünftig die zeitgerechte, flächendeckende Erreichbarkeit der stationären Notfallversorgungsstrukturen gewährleistet ist. Darüber hinaus müssen länderspezifische Besonderheiten bei der Notfallversorgung Berücksichtigung finden. Die Ländervertreter bringen diese für die Notfallversorgung in Baden-Württemberg wichtigen Punkte in die Entscheidungsfindung des G-BA ein. Das Land Baden- Württemberg hat einen Ländervertreter in die Arbeitsgruppe „stationäre Notfallversorgung “ beim G-BA entsendet. Ergänzend wird auf die Digitalisierungsoffensive des Landes sowie die mit den Akteuren des Gesundheitswesens sowie Patientenvertretern gemeinsam entwickelte „Strategie zur Verbesserung der medizinischen und pflegerischen Versorgung in Baden-Württemberg durch Nutzung digitaler Technologien“ hingewiesen . Rettungswesen Auch mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen durch die demografische Entwicklung, die Strukturentwicklungen im ländlichen Raum, einer zunehmenden Konzentration und Spezialisierung im Krankenhaussektor sowie einer an hal ten - den Steigerung der Einsatzzahlen verfügt Baden-Württemberg weiterhin flächendeckend über höchste Versorgungsmaßstäbe im Rettungsdienst. Entsprechend dem Verfassungsauftrag, gleichwertige Lebensverhältnisse und Infrastrukturen im gesamten Land zu fördern, ist im Rettungsdienstgesetz Baden- Württemberg – im Gegensatz zu anderen Ländern – sowohl für den Rettungswagen , als auch für den notärztlichen Einsatz eine für alle Rettungsdienstbereiche geltende einheitliche Planungsgröße festgelegt, die keine Unterschiede bei der Einhaltung der Hilfsfrist in städtisch strukturierten Gebieten und im ländlichen Raum vorsieht. Zur kontinuierlichen Verbesserung der Hilfsfrist werden regelmäßig zahlreiche Anstrengungen und Maßnahmen auf Landesebene und durch die Bereichsausschüsse in den Stadt- und Landkreisen unternommen. Hierzu werden die gesamte Rettungskette und deren Teilprozesse in den Blick genommen ; dies umfasst insbesondere eine Überprüfung der Alarm- und Ausrückzeiten , Standortverlegungen von Rettungswachen und Notarztstandorten bis hin zu Strukturerweiterungen durch die Beschaffung zusätzlicher Einsatzfahrzeuge oder Anpassungen des Dispositionsverhaltens in den Integrierten Leitstellen. 5. Wie kann aus ihrer Sicht ein flächendeckendes Schulangebot im ländlichen Raum unter Berücksichtigung der aktuellen Situation zielführend weiterentwickelt werden (regionale Schulentwicklung, Lehrer- und Unterrichtsversorgung etc.)? Zu II. 5.: Wichtigstes Ziel der gesetzlichen Regelungen zur regionalen Schulentwicklung in den §§ 30 a bis 30 e des Schulgesetzes ist es, allen Schülerinnen und Schülern in zumutbarer Erreichbarkeit von ihrem Wohnort einen Bildungsabschluss entsprechend ihren Begabungen und Fähigkeiten zu ermöglichen. Sie dienen somit der nachhaltigen Sicherung eines regional ausgewogenen, alle Bildungsabschlüsse umfassenden Bildungsangebots in zumutbarer Erreichbarkeit. Gleichzeitig geht es darum, im Interesse aller Beteiligten langfristig leistungsstarke und effiziente Schulstand - orte zu sichern, gerade auch in ländlichen Gebieten. Es sollen Schulen geschaffen werden, die aufgrund ihrer Größe sehr gute pädagogische Bedingungen bieten Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 28 und langfristig effizient arbeiten können. So können große Schulen unter anderem vielfältigere pädagogische Angebote schaffen, etwa in Hinblick auf Wahlmöglichkeiten , als kleine Schulen. Auch können Personalengpässe, etwa bei Erkrankung einer Lehrkraft, an großen Schulen besser ausgeglichen werden. Zur Gewinnung von Lehrkräften für den ländlichen Raum und zur Stärkung des ländlichen Raums hat das Kultusministerium bereits vor rd. 10 Jahren ein Ausschreibungsverfahren für den ländlichen Raum eingerichtet. Dieses Ausschreibungsverfahren wird zum einen sehr frühzeitig (Anfang Februar) durchgeführt und zum anderen ist es ein Alleinstellungsmerkmal für die Standorte im länd - lichen Raum, weil Schulen in Ballungsgebieten bei diesem Verfahren nicht ausschreiben dürfen. Für die Einstellung zum Sommer 2017 wurde angesichts der besonders schwierigen Bewerberlage bereits im Dezember 2016 eine Sonderausschreibung für die Grundschulen und die beruflichen Schulen sowie für die Lehrkräfte für Sonderpädagogik durchgeführt, um noch frühzeitiger die Lehrkräfte in diesen Regionen zu binden. Die Bewerberinnen und Bewerber haben bereits vor Weihnachten eine Einstellungszusage zum Sommer 2017 erhalten. Rund 50 % der ausgeschriebenen Stellen konnten hierbei besetzt werden. Die Situation auf dem Lehrerarbeitsmarkt ist schulartbezogen landesweit angespannt , allerdings gibt es Regionen, in denen es besonders schwierig ist, Lehrkräfte einzustellen. Das hängt auch mit der Tatsache zusammen, dass immer weniger junge Lehrkräfte bereit sind, an Standorten außerhalb der Ballungsgebiete eine Stelle anzutreten. Es besteht die Notwendigkeit, dass alle Beteiligten gemeinsam zur Hebung der Attraktivität des ländlichen Raums beitragen. So sollten die Vorteile dieser Regionen im Hinblick auf den hohen Freizeitwert und die hohe Lebensqualität deutlicher kommuniziert werden. Jede Stellenausschreibung ist mit einem Link zur Homepage der jeweiligen Gemeinde versehen, den die Kommune nutzen kann, um auf die Vorzüge ihrer Raumschaft hinzuweisen und Werbung zu betreiben. Derzeit wird geprüft, wie sich die Kommunen und ihre Schulen verstärkt vor Ort an den Lehrerausbildungsseminaren präsentieren können. Im Zusammenhang mit der Lehrergewinnung für den ländlichen Raum hat das Kultusministerium den Vorschlag unterbreitet, regionale Arbeitsgruppen mit möglichst allen Beteiligten (Schulen, Schulverwaltung, Ausbildungsseminar, Kommunen und Landkreise) zu dieser Thematik zu bilden. So sollen die Vor-Ort-Akteure zusammenkommen , Erfahrungen austauschen und regionalspezifische, die zentralen Konzepte der Lehrergewinnung ergänzende und auch neue Ideen entwickeln. Das Regierungspräsidium Freiburg hat im März 2017 eine erste Arbeitsgruppentagung , bestehend aus Vertretern des Regierungspräsidiums Freiburg, des Staat - lichen Schulamts Lörrach und Schulleitungen der Region Waldshut, durchgeführt . Nach einer intensiven gemeinsamen Problemerörterung wurden Problem - lösungen angegangen. Neben diversen schulorganisatorischen Vorschlägen wie z. B. Vorziehen der Schüleranmeldungen an weiterführenden Schulen wird die neue „Allianz der Schulleitungen“ nunmehr verstärkt den Landkreis und die Kommunen einbeziehen. Unabhängig von allen Verfahrenstechniken besteht bei der Lehrereinstellung in der unzureichenden regionalen Mobilität der Bewerberinnen und Bewerber ein grundsätzliches Problem. Zudem bringt die derzeit sehr günstige Einstellungssituation bei vielen Schularten diese Bewerberinnen und Bewerber in eine sehr komfortable Position. Sie können nahezu risikolos auch bis zum Ende des Einstellungsverfahrens abwarten, ob nicht ein entsprechendes Einstellungsangebot in einem für sie attraktiven räumlichen Bereich hinzukommt. 6. Wie bewertet sie die Struktur und Qualität der beruflichen Bildung in den ländlichen Räumen unter den Prinzipen der Wohnort- und Betriebsnähe sowie in Bezug auf die Auszubildendengewinnung der Betriebe? Zu II. 6.: Baden-Württemberg verfügt über ein leistungsfähiges Netz an beruflichen Schulstandorten . 29 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 Die Landesregierung verfolgt das Ziel, dauerhaft ein regional ausgewogenes, differenziertes und zugleich ressourceneffizient organisiertes Bildungsangebot in zumutbarer Erreichbarkeit sicherzustellen. Dem tragen die Regelungen zur regionalen Schulentwicklung im Schulgesetz und die Verordnung des Kultusministeriums zur regionalen Schulentwicklung an beruflichen Schulen (RSEbSVO) Rechnung . Wesentliche zu prüfende Planungsgesichtspunkte sind gemäß RSEbSVO ein inhaltlich und organisatorisch abgestimmtes Angebot am jeweiligen Standort, die Konzentration von Bildungsangeboten innerhalb der Raumschaft, die Stärkung kleiner leistungsfähiger Standorte, Optimierungen durch schulübergreifende Kooperationen und die Bildung effizienter Klassen vergleichbarer Größe. Für Kleinklassen der Berufsschule gelten darüber hinaus besondere Kriterien. Sie können laut Rechtsverordnung nur aufgehoben werden, wenn die Mindestschülerzahl in drei (statt wie bei vielen anderen Schularten in zwei) aufeinanderfolgenden Jahren nicht erreicht wird und wenn der entsprechende Bildungsabschluss im jeweiligen Ausbildungsberuf in zumutbarer Erreichbarkeit von einer anderen Berufsschule angeboten wird. Dabei fließt in die Bewertung der Zumutbarkeit auch ein, inwieweit der Schulstandort Einfluss auf das Berufswahlverhalten der Jugendlichen und damit auf die Attraktivität der jeweiligen Ausbildung hat. Ziel ist es nach wie vor, dass ein tragfähiges Netz an leistungsfähigen beruflichen Schulen im Land vorhanden ist. Hierbei ist auch die Frage der zumutbaren Distanz zwischen Betrieb und Berufsschule im Blick zu behalten und im Rahmen der regionalen Schulentwicklung tragfähige Lösungen für stabile Standorte zu suchen. Im Übrigen setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass auch weiterhin ein flächendeckendes Netz an leistungsfähigen beruflichen Schulen im Land vorhanden ist und dass die Distanz zwischen Betrieb und Berufsschule möglichst kurz ist. Im Rahmen der regionalen Schulentwicklung sind daher unter Mitwirkung der Wirtschaft tragfähige Lösungen für stabile Standorte anzustreben. Die berufliche Bildung wird neben den öffentlichen Schul- und Bildungsträgern insbesondere durch die betriebliche Ausbildung getragen. Daher ist es ein Ziel der Landesregierung, im ländlichen Raum zukunfts- und wachstumsorientierte Unternehmen zu fördern. Zu den Förderlinien zählen auch die EFRE-Förderung „Spitze auf dem Land“, mit der ganz gezielt Unternehmen mit dem Potenzial zur Technologieführerschaft gefördert werden. Ein Qualifikationskriterium ist auch die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden. Als Modell für andere Regionen hat das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz aus Mitteln des Programms Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung – Teil EFRE – Baden-Württemberg 2007 bis 2013 die EULE Gmünder Wissenswerkstatt am Bahnhof von Schwäbisch Gmünd gefördert. Dort können Schülerinnen und Schüler zum ersten Mal praktisch Technik „erspielen “ und ausprobieren. Dieses Projekt wurde mit 5,25 Mio. € EU- und Landesmitteln gefördert. Auch die EULE-Innovationswerkstatt in Albstadt hat sich Schülerinnen und Schülern sowie Auszubildenden geöffnet und bietet Kurse in IT-Technologie an. Damit Betriebe im ländlichen Raum für ihren Bedarf ausreichend Fachkräfte ausbilden können, ist es notwendig, die Attraktivität der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung auch im ländlichen Raum zu stärken. Hierzu muss jungen Menschen insbesondere im ländlichen Raum aufgezeigt werden, welche interessanten Ausbildungsberufe angeboten werden und welche Chancen sich mit einer beruf - lichen Ausbildung ergeben. Ein weiteres Ziel muss sein, ein qualitativ hochwertiges und erreichbares berufsschulisches Unterrichtsangebot zu gewährleisten. Um die Qualität der Ausbildung insbesondere auch im ländlichen Raum zu erhalten, fördern das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau und das Minis - terium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz überbetriebliche Ausbildungslehrgänge . In diesen Lehrgängen, der rund 100 Bildungszentren im Land, lernen mehr als 80.000 Auszubildende jährlich Ausbildungsinhalte, die kleine und mittlere Betriebe, die vor allem auch im ländlichen Raum ihren Standort haben, nicht vermitteln können. Durch die überbetrieblichen Berufsbildungsstätten im ländlichen Raum wird darüber hinaus ein qualitativ hochwertiges Fort- und Wei- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 30 terbildungsangebot gewährleistet, das dazu beiträgt, den technologischen und strukturellen Wandel der Wirtschaft zu bewältigen. Damit wird der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit von Mitarbeitern insbesondere in KMU-Betrieben im ländlichen Raum sichergestellt (siehe auch II. 1.). 7. Mit welchen Maßnahmen fördert sie gezielt Wissenschaft, Forschung, Kunst und Kultur im ländlichen Raum? Zu II. 7.: Wissenschaft und Forschung Baden-Württemberg verfügt über ein außerordentlich ausdifferenziertes Netzwerk von Hochschulstandorten. Etwa die Hälfte der rund 50 staatlichen Hochschulen befinden sich außerhalb der Ballungszentren. Vor allem die Hochschulen für angewandte Wissenschaften (die ehemaligen Fachhochschulen) und die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) sind mit einer Vielzahl von Standorten außerhalb der Ballungszentren präsent. Diese Hochschulen profitieren in besonderem Maße von folgenden Forschungsförderprogrammen : Im Rahmen des Förderprogramms „Zentren für angewandte Forschung an Hochschulen für angewandte Wissenschaften“ (ZAFH) werden im Zeitraum 2015 bis 2022 insgesamt sechs Verbundforschungsvorhaben an Hochschulen für angewandte Wissenschaften mit einem Gesamtfördervolumen von 15 Mio. € unterstützt. An den thematisch sehr unterschiedlichen Forschungsvorhaben kooperieren insgesamt 15 baden-württembergische Hochschulen für zunächst jeweils drei Jahre. Das Wissenschaftsministerium fördert im Zeitraum 2017 bis 2020 mit insgesamt 14 Mio. € zwei sogenannte „Regionale Innovationszentren“, die am 23. Januar 2015 als EFRE-Leuchtturmprojekte des Wettbewerbs RegioWIN prämiert wurden. Es handelt sich um das „Zentrum für Nachhaltigkeit“ (ZTN) an der Hochschule Aalen und das „Regionale Innovationszentrum für Energietechnik“ (RIZ Energie) an der Hochschule Offenburg. Mithilfe dieser Forschungsneubauten und den darin rund 80 neuen Arbeitsplätzen für Forscherinnen und Forscher sollen in den nächs - ten Jahren eine Vielzahl von Forschungsvorhaben mit und für die regionalen Unternehmen umgesetzt werden. Durch die anteilige Förderung von sogenannten Industry on Campus (IoC)-Vorhaben unterstützt das Wissenschaftsministerium strategische Forschungskooperationen , in denen Hochschulen und Unternehmen über gemeinsam festgelegte Themen forschen. Diese zeichnen sich gegenüber herkömmlicher Forschungszusammenarbeit dadurch aus, dass bei ihnen die Industrie-Forschung enger und nachhaltiger mit der öffentlichen Forschung verzahnt ist. Mit der Fördermaßnahme „Innovative Projekte“ unterstützt das Wissenschafts - ministerium kleinere Kooperationsprojekte, die von Hochschulen für angewandte Wissenschaften unter Beteiligung von weiteren Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft durchgeführt werden. Ziel des Programms ist es, die Forschungskompetenzen an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften auszubauen , und den Wissens- und Technologietransfer im Besonderen in die regio - nalen KMU zu stärken. In der aktuellen Ausschreibungsrunde werden insgesamt 14 Vorhaben aus verschiedenen Themenbereichen gefördert. Das sogenannte „Mittelbauprogramm“ zielt darauf ab, dauerhaft erfolgreich arbeitende Forschergruppen an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften zu stärken. Dadurch soll die Drittmittelfähigkeit der dortigen Professorinnen und Professoren verbessert und der wissenschaftliche Nachwuchs für weitergehende und leitende Tätigkeiten in der Forschung qualifiziert werden. Aktuell werden insgesamt 24 Forschungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter an Hochschulen für angewandte Wissenschaften projektunabhängig für eine Laufzeit von 2016 bis 2019 finanziert . Darüber hinaus fördert das Wissenschaftsministerium an 21 staatlichen Hochschulen für angewandte Wissenschaften sogenannte Institute für angewandte For- 31 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 schung (IAF) als organisatorisches Dach für ihre Forschungsaktivitäten. Die IAF agieren dabei als zentrale Ansprechpartner für Unternehmen mit Interesse an gemeinsamen Aktivitäten im Bereich Forschung und Entwicklung. Weiterhin identifizieren diese mögliche Partner aus der regionalen Wirtschaft zur Durchführung von gemeinsamen Forschungs- und Transferprojekten und sprechen diese aktiv an. Das Bonusprogramm ist eine gesonderte Förderung für besonders forschungsstarke Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Die jährliche Mittelverteilung erfolgt dabei in Abstimmung mit den Hochschulen auf Basis von festgelegten Leistungsindikatoren (beispielsweise Einwerbung von Drittmitteln, Anzahl von Publikationen und betreuten kooperativen Promotionen sowie Patentanmeldungen ). Zur Förderung der kooperativen Forschung an der DHBW hat das Wissenschaftsministerium die DHBW-Forschungsförderlinie in bisher drei Fördertranchen (2011 bis 2014) ausgeschrieben. Durch die DHBW-Forschungsförderlinie soll u. a. der Aufbau einer Forschungsförderinfrastruktur und die Profilierung der Forschungsarbeit der Professorinnen und Professoren an der DHBW gefördert und die Forschungs- und Transferkompetenz ausgebaut werden. Insgesamt stellt das Wissenschaftsministerium dafür Mittel in Höhe von 1,2 Mio. € bereit. Diese müssen durch Mittel in gleicher Höhe durch die eingebundenen dualen Partner ergänzt werden. Bisher wurden 22 kooperative Forschungsvorhaben an unterschiedlichen DHBW-Standorten gefördert. Das Land fördert zudem aus den EFRE-Programmen Baden-Württemberg 2014 bis 2020 – Innovation und Energiewende und Baden-Württemberg 2007 bis 2013 – Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung – Teil EFRE – Gründerund Technologiezentren in Aalen, Albstadt, Biberach, Sigmaringen und Tuttlingen . Insgesamt fließen in diese Zentren 23,3 Mio. € EU- und 10,8 Mio. € Landesmittel . Zusätzlich fördert das Land zwei Forschungszentren an den Hochschulen in Aalen und Offenburg mit je 10 Mio. € EU- und Landesmitteln. Kunst und Kultur In der vom Landtag einstimmig angenommenen Konzeption „Kultur 2020. Kunstpolitik für Baden-Württemberg“ sind die vier Grundprinzipien der Kulturpolitik genannt. Neben Liberalität, Pluralität und Subsidiarität ist dort auch das Prinzip der Dezentralität verankert. Mit dem Prinzip der Dezentralität wird das Ziel formuliert, dass überall im Land Kunst erlebbar sein muss, nicht nur in den großen Städten und Ballungszentren, sondern auch in den ländlichen Gebieten. Ausgehend von dieser Basis, fördert das Land in vielfältiger Weise Kunst und Kultur im ländlichen Raum: Theaterförderung Bei der Theaterförderung sind die drei Landesbühnen ein wichtiges Element für ein dezentrales und vielfältiges Angebot. Die Badische Landesbühne Bruchsal, die Württembergische Landesbühne Esslingen und das Landestheater Württemberg -Hohenzollern Tübingen Reutlingen versorgen mit einem vielfältigen Angebot , das auch spezifische Angebote für Kinder und Jugendliche sowie Senioren umfasst, den ländlichen Raum. Ebenso ist das Regionaltheater Lindenhof stark im ländlichen Raum mit Aufführungen präsent und hat in Melchingen seinen Sitz. Im ländlichen Raum wirken zum Teil vom Land geförderte Privat- und Figurentheater bzw. haben dort ihren Sitz. Das als Kommunaltheater geförderte Theater Aalen hat seinen Sitz und Wirkungskreis im verdichteten ländlichen Raum. Ebenso gastieren oder produzieren freie Tanz- und Theaterensembles, die über den Landesverband Freie Tanz- und Theaterschaffende Baden-Württemberg e. V. gefördert werden, im ländlichen Raum. Die Studie „Freie Darstellende Künste im Ländlichen Raum Baden-Württembergs“ hat ergeben, dass über ein Drittel der geförderten Aufführungen (das entspricht ca. 3.000 Aufführungen im Unter - suchungszeitraum von 1993 bis 2014) im ländlichen Raum stattgefunden haben. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 32 Theaterfestspiele Auch die Landesförderung der Theaterfestspiele ist dezentral ausgerichtet. Mehrere Theaterfestspiele, wie zum Beispiel die Freilichtspiele Schwäbisch Hall, die Opernfestspiele Heidenheim, die Burgfestspiele Jagsthausen, die Volksschauspiele Ötigheim, die Theaterfestspiele Wangen und das Isny Oper Festival haben ihren Sitz und Wirkungskreis außerhalb der urbanen Zentren. Literatur Der deutsche Südwesten ist mit über 100 Museen und Gedenkstätten die dichteste literarische Landschaft Europas. Um deren Betreuung kümmert sich die Arbeitsstelle für literarische Museen, Archive und Gedenkstätten (alim). Sie betreut vom Deutschen Literaturarchiv Marbach aus über 100 literarische Museen, Gedenkstätten und Archive literaturwissenschaftlich und museumsdidaktisch und unterstützt sie mit Landesmitteln auch finanziell. Sie fördert u. a. Dauer- und Sonderausstellungen , bestandserhaltende und -erschließende Maßnahmen sowie museumspädagogische Materialien und Veranstaltungen. Davon profitieren viele literarische Museen und Gedenkstätten im ländlichen Raum, u. a. das Mörikehaus in Ochsenwang, das Hebel-Haus in Hausen im Wiesental, das Sebastian Sailer- Haus in Dieterskirch, Hauffs Märchenmuseum in Baiersbronn u. v. a. Auch die vom Land jedes Jahr geförderten Baden-Württembergischen Literaturtage und die Baden-Württembergischen Kinder- und Jugendliteraturtage, die sich als kommunale Veranstaltungen über das ganze Land verteilen, finden immer wieder im ländlichen Raum statt. Nichtstaatliche Museen Die nichtstaatlichen Museen im ländlichen Raum werden durch die Landesstelle für Museumsbetreuung unterstützt. Sie können die Beratungs- und Fortbildungsangebote der Landesstelle in Anspruch nehmen. Darüber hinaus können sie einen Zuschuss in Höhe von bis zu 50 % für Maßnahmen zur Restaurierung von Sammlungsobjekten und zur präventiven Konservierung erhalten. In besonderer Weise werden die sieben regionalen ländlichen Freilichtmuseen gefördert. Diese Museen erhalten Zuschüsse für den Abbau, Aufbau und für die Überführung von kulturhistorisch wichtigen Gebäuden und anderen Kulturdenkmälern (Komplementär - finanzierung in Höhe von 65 %), für Restaurierungs- und Renovierungsarbeiten (50 %), für die Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft, für Einzelprojekte sowie für die Kulturprogramme der Freilichtmuseen. Breitenkultur Im Bereich der Breitenkultur, insbesondere der Amateurmusik mit mehr als 6.400 Vereinen, der Amateurtheater mit allein weit über 600 Bühnen, die im Landesverband Amateurtheater organisiert sind sowie der Heimat- und Brauchtumspflege mit unzähligen Vereinen, hat das Land 2016 rund 6,2 Mio. € zur Verfügung gestellt . Diese Mittel kommen zum überwiegenden Anteil direkt und indirekt der Vielzahl an Vereinigungen zugute, die im ländlichen Raum beheimatet sind und dort eine wichtige Rolle im kulturellen Leben der Gemeinden spielen. Große Bedeutung für die Kultur insbesondere im ländlichen Raum haben insbesondere die Blasmusikvereine. Sie gestalten das gesellschaftliche Leben, fördern den Zusammenhalt und betreiben eine hervorragende Jugendarbeit. So ist z. B. fast jedes zweite, in einem Blasmusikverein in Baden-Württemberg aktive Mitglied jünger als 27 Jahre. Um das große bürgeramtliche Engagement zu unterstützen , wird das Land die beiden Blasmusikverbände im Land beim Neubau derer Musikakademien im badischen Staufen und im württembergischen Plochingen mit insgesamt 18 Millionen Euro unterstützen. Die geplanten Akademien werden jedoch nicht nur für die Blasmusikverbände sondern für alle Verbände der Amateurmusik zur Umsetzung ihrer Bildungsangebote offenstehen. Jazzförderung Eine Vielzahl der ca. 40 Jazzclubs im Land befindet sich im ländlichen Raum, z. B. in Aidlingen, Biberach a. d. R., Ehingen, Heidenheim, Saulgau und Villingen . Die Clubs können eine Auftrittsförderung für Musiker erhalten. 33 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 Hierfür wurden 2016 insgesamt ca. 41.000 € aufgewendet. Es werden auch Jazzfes - tivals im ländlichen Raum gefördert, z. B. Jazz an der Donau, das Jazzfest Aalen, das JazzArtFestival Schwäbisch Hall, das Trans4JAZZFestival Ravensburg und das JazzMe Eberbach. Die Festivals wurden 2016 mit insgesamt 67.000 € gefördert. Förderung von Kulturinitiativen und Soziokulturellen Zentren Der Bereich der Soziokultur umfasst im ganzen Land ca. 60 Soziokulturelle Zentren . Eine Vielzahl davon befindet sich im ländlichen Raum jenseits der großen Ballungszentren, beispielsweise in Simmersfeld, Rottweil, Lörrach, Schopfheim, St. Georgen, Tuttlingen, Hechingen, Burladingen, Meidelstetten, Wilhelmsdorf, Bad Wurzach, Ravensburg, Sigmaringen, Schwäbisch Hall, Aalen, Geislingen a. d. Steige, Schwäbisch Gmünd und Weikersheim. Die Soziokulturellen Zentren können eine Förderung für die laufende Programmarbeit, für Projekte sowie zum Teil auch für Ausstattungs- und Baumaßnahmen erhalten. Die Fördermittel für die Soziokultur im ländlichen Raum betrugen 2016 ca. 425.000 €. Musikfestivals Das Land fördert Musikfestivals im Bereich der professionellen Musik und ähn - liche Veranstaltungen im ländlichen Raum. Diese Fördermaßnahme ermöglicht kulturelle Spitzenereignisse im ländlichen Raum jenseits der großen Metropolen. Vor allem sind hier der Chorwettbewerb Mosbach, die Donaueschinger Musik - tage, das Festival Europäische Kirchenmusik Schwäbisch Gmünd, die Herbst - lichen Musiktage Bad Urach, das Klassikfestival Sommersprossen Rottweil, die Klosterkonzerte Maulbronn, das Schwarzwald Musikfestival, die Sommerkurse der Musikalischen Jugend Weikersheim e. V. und das Stimmenfestival Lörrach zu nennen. Insgesamt wurde 2016 in diesem Bereich rund 523.000 € aufgewendet. Filmförderung Die Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg GmbH (MFG) fördert durch ihre Programme für Kommunale Kinos sowie Kinoinnovationsdarlehen und Kinoprogrammprämien für gewerbliche Kinos zu einem sehr großen Teil auch Kinos im ländlichen Raum. Das von der MFG institutionell bezuschusste Kinomobil ist explizit nur an kinolosen Orten unterwegs. Anträge für medienpädagogische Projekte bzw. Projekte zur Medienkompetenzvermittlung im länd - lichen Raum unterstützt die MFG aus Mitteln der „LFK-Kooperation“ (Kooperation mit der Landesanstalt für Kommunikation). Aus Mitteln der „LFK-Kooperation“ unterstützt die MFG alljährlich den Jugendfilmpreis , der im Rahmen der Filmschau Baden-Württemberg stattfindet und damit auch zahlreiche jugendliche Teilnehmer aus dem ländlichen Raum im Land nach Stuttgart bringt und damit vor Ort derartige Jugendfilmarbeit unterstützt. Ebenfalls aus der „LFK-Kooperation“ unterstützt die MFG medienpädagogische Begleitprogramme der jährlich stattfindenden Schulkinowochen, die im ganzen Land und somit auch im ländlichen Raum stattfinden. Mit dem europaweit dichtesten Netz an regionalen Film Commissions werden u. a. auch Betreuungs- und Beratungskapazitäten für Filmproduktionen zur Verfügung gestellt. Diese Dreharbeiten finden sehr oft im ländlichen Raum statt. Die MFG bezuschusst alljährlich die Landesfilmsammlung im Haus des Dokumentarfilms , die damit auch historische Filmaufnahmen aus dem ländlichen Raum archivieren kann. Innovationsfonds Kunst – Programmlinie „Kunst und Kultur für das ganze Land“ Mit dem 2012 eingeführten Innovationsfonds Kunst unterstützt die Landesregierung neue und innovative Ansätze in der Kulturarbeit. Seit 2014 gibt es eine eigene Förderlinie „Kunst und Kultur für das ganze Land“, in der bisher 64 Projekte mit Mitteln in Höhe von knapp 1,5 Mio. € finanziell unterstützt wurden. Weitere Maßnahmen und ausgewählte Einzelprojekte im ländlichen Raum • TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel – „Lernende Kulturregion Schwäbische Alb“. Die Gestaltung des Strukturwandels in ländlichen Regionen steht im Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 34 Fokus des Programms „TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel“ der Kulturstiftung des Bundes. Hauptamtlich geführte Kultureinrichtungen sollen gemeinsam mit den Menschen vor Ort und durch Kooperationen und Vernetzung ein attraktives und zukunftsfähiges Kulturangebot entwickeln. Damit werden zukunftsfähige Strukturen für Kunst und Kultur im iändlichen Raum entwickelt und mehr Menschen für die aktive Gestaltung und Wahrnehmung des Kulturangebots gewonnen. Zur Modellregion „Lernende Kulturregion Schwäbische Alb“ gehören die sieben Landkreise Alb-Donau-Kreis, Biberach, Heidenheim, Ostalbkreis , Reutlingen, Schwäbisch Hall und Sigmaringen sowie die vier LEADER- Regionen Brenz, Jagst, Mittlere Alb und Oberschwaben. Die im Projekt TRAFO eingebundenen Regionen gehören bundesweit zu den vier Modellregionen, die von 2016 bis 2020 durch die Kulturstiftung des Bundes gefördert werden. Von ihr erhält die Modellregion „Lernende Kulturregion Schwäbische Alb“ Fördermittel in Höhe von insgesamt 3 Mio. €. Die landesseitige Kofinanzierung erfolgt gemeinsam durch das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst jeweils hälftig mit insgesamt 0,6 Mio. € im gesamten Projektzeitraum. • inter!m – Kulturhandlungen Schwäbische Alb. Seit dem Jahr 2015 wird inter !m – Kulturhandlungen institutionell jährlich mit 50.000 € gefördert. inter!m – Kulturhandlungen veranstalten das inter!m – Festival im September 2017 und 2019 und wirken im projekt inter!im – Räume gemeinsam mit dem Museum Villa Rot (Burgrieden-Rot) in die Fläche. inter!m – Kulturhandlungen hat seinen Sitz in Münsingen und hat zum Ziel die Auseinandersetzung mit kultureller Identität und aktuellen Fragestellungen im und zum ländlichen Raum. Mit dem Kooperationspartner Museum Villa Rot in Burgrieden-Rot ist inter!m – Kulturhandlungen auch Teil des Projekts TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel – „Lernende Kulturregion Schwäbische Alb“ (s. o.). • Freies Theater Tempus Fugit. Das Freie Theater Tempus Fugit in Lörrach wird seit dem Haushaltsjahr 2015 als „Zentrum für Theater und kulturelle Bildung“ mit einem institutionellen Landeszuschuss in Höhe von 150.000 € gefördert. Tempus Fugit leistet mit einem Drei-Säulenkonzept aus Theaterpädagogik, Schauspiel und der Ausbildung von Multiplikatoren sowie als kulturelle Begegnungsstätte seit Jahren hervorragende Arbeit mit überregionaler Strahlkraft im ländlichen Raum. Die Erweiterung zu einem inklusiven Theater erweitert das Spektrum in einem wichtigen und bisher wenig bearbeiteten Feld, auch mit Blick auf den Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention . I I I . A r b e i t e n – W e r t s c h ö p f u n g i m l ä n d l i c h e n R a u m 1. Welche Bedeutung misst sie dem Mittelstand, dem Handwerk und der Industrie für den Arbeitsmarkt und die Wertschöpfung im ländlichen Raum bei und welche Maßnahmen möchte sie zu deren Stärkung, insbesondere auch im Hinblick auf Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen, ergreifen? Zu III. 1.: Der Ländliche Raum in Baden-Württemberg steht bei der wirtschaftlichen Leis - tungsfähigkeit und bei den Arbeitsplätzen auf gleicher Augenhöhe mit den Ballungszentren . Er ist erfolgreich und bietet eine hohe Lebensqualität. Diese Wirtschaftsstruktur des ländlichen Raums ist vor allem durch zahlreiche klein- und mittelständische Unternehmen geprägt, darunter viele Familienbetriebe, die in ihrem Segment am Weltmarkt führend sind. Sie sind das Markenzeichen des ländlichen Raums. Dem Unternehmensregister zufolge entfallen auf die rund 492.000 mittelstän - dischen Unternehmen (mit weniger als 250 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ) 46 % des gesamtwirtschaftlich erzielten Umsatzes und über die Hälfte (53 %) aller Arbeitsplätze in Baden-Württemberg. Legt man nicht die rechtlich selbstständigen Einheiten der Unternehmen, sondern die der örtlichen Betriebe zugrunde, dann stellen die KMU sogar zwei Drittel 35 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 (65,5 %) aller Beschäftigten. Allein an diesen Daten wird die große Bedeutung des Mittelstands für den Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg erkennbar. Der ländliche Raum ist in seiner Betriebsstruktur traditionell durch mittelständische und handwerkliche Betriebe geprägt, während sich die großen Industriebetriebe überwiegend in Ballungsgebieten angesiedelt haben. Vor diesem Hintergrund sind vor allem die kleineren Betriebe die Stützen der Arbeitsmarktentwicklung im ländlichen Raum. Diese Betriebe haben dazu beigetragen, dass bei der Arbeitsmarktentwicklung im ländlichen Raum im Vergleich zu Baden-Württemberg insgesamt keine negativen Abweichungen erkennbar sind. Die Zahl der so - zialversicherungspflichtig Beschäftigten hat sich im ländlichen Raum mit einem Plus von 19,3 % zwischen 1999 und 2016 vergleichbar zu den Daten im gesamten Land mit plus 20,2 % entwickelt. Auch bei den Arbeitslosenquoten, die für den ländlichen Raum insgesamt nicht verfügbar sind, können in den betroffenen Landkreisen keine negativen Abweichungen im Vergleich zum Land insgesamt festgestellt werden. ELR-Förderung für den Mittelstand Im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Ländlichen Raum und Ver - braucherschutz verfügt die Landesregierung mit dem ELR bereits seit 1995 über ein wirkungsvolles Förderinstrument, um gute Rahmenbedingungen für Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern, Infrastrukturen anzupassen und zu verbessern, die Lebensqualität zu verbessern und so den ländlichen Raum als Wohn- und Arbeitsort weiterhin attraktiv zu halten. Das ELR ist ein Förderprogramm zur Strukturverbesserung ländlicher geprägter Orte sowie im Förderschwerpunkt Arbeiten auch anderer Orte im ländlichen Raum. Neben kommunalen und privaten Wohnbauprojekten können Projekte von Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten mit einem Fördersatz von bis zu 20 % und maximal 200.000 € pro Projekt gefördert werden. Der Mittelstand im ländlichen Raum ist Wachstumsmotor für Baden-Württemberg . Mit der Förderlinie „Spitze auf dem Land! Technologieführer für Baden- Württemberg“ im ELR spricht das Land gezielt kleine und mittlere Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten im ländlichen Raum an, die das Potenzial erkennen lassen, einen Beitrag zur Technologieführerschaft Baden-Württembergs und damit auch zur Zukunftsfähigkeit des ländlichen Raums zu leisten. In der laufenden Förderperiode werden hierfür rd. 40 Mio. € (EU und Land) bereitgestellt . Förderung auf Basis des Mittelstandsförderungsgesetzes Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau unterstützt die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen in Baden-Württemberg branchenübergreifend mit verschiedenen Fördermaßnahmen auf Grundlage des Mittelstandsförderungsgesetzes. Im Jahr 2016 standen hierfür rund 153 Mio. € zur Verfügung. Die Mittel fließen insbesondere in die berufliche Aus- und Weiterbildung sowie die Fachkräftesicherung, in die Förderung von Technologie, Innovationen und Maßnahmen zur Digitalisierung, in die Mittelstandsfinanzierung über die Programme der L-Bank und der Bürgschaftsbank /MBG sowie in die Unterstützung von Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen . Die Mittel kommen auch Unternehmen im ländlichen Raum zugute. Das Land stellt für Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen Unterstützungsleistungen unabhängig vom Wohn- oder Geschäftsort zur Verfügung. Diese beinhalten die Bereitstellung von Beratungs- und Erstanlaufstellen, Finanzierungshilfen sowie Branchen- und Innovationsförderungen. Diese Unterstützungsleistungen sollen auch weiterhin angeboten werden: • Mit den branchen- und landesweiten Beratungsgutscheinen können Gründerinnen und Gründer bei sieben Institutionen bzw. Netzwerken eine kostengünstige Gründungsberatung durch eine Expertin oder einen Experten in Anspruch nehmen . Der aktuelle Förderaufruf (Antragsfrist: 26. Juni 2017) zur Beratung von Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 36 Existenzgründerinnen und Existenzgründern in der Vorgründungsphase mit zielgruppenspezifischen Begleitprojekten greift die speziellen Bedarfe von Gründungsinteressierten mit Migrationshintergrund sowie von Gründungsinteressierten , die arbeitslos und/oder gering qualifiziert sind, auf. Auch dieser Förderaufruf wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert. • Eine besondere Form der Existenzgründung ist die Unternehmensnachfolge. Die baden-württembergischen Nachfolge-Moderatoren sprechen Inhaberinnen und Inhaber von KMU sowie Nachfolgerinnen und Nachfolger aktiv an und moderieren den Nachfolgeprozess. Dabei arbeiten sie mit unterschiedlichen Fachberaterinnen und -beratern zusammen. Die Projektförderung erfolgt aus Mitteln des ESF sowie des Landes Baden-Württemberg. Seit 2008 organisiert das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau gemeinsam mit der Akademie für Ländlichen Raum zusammen mit den Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern dezentrale Informationsveranstaltungen zum Thema „Unternehmensnachfolge im Ländlichen Raum“. • Im Rahmen des KMU-Instruments „Innovationsgutscheine“ bietet Baden- Württemberg speziell für innovative Start-ups bis fünf Jahre nach Beginn der Selbstständigkeit den „Innovationsgutschein B Hightech“ an. Gefördert werden junge Unternehmen mit einem innovativen Vorhaben in den Zukunftsfeldern „Nachhaltige Mobilität“, „Umwelttechnologie und Ressourcen - effizienz“, „Erneuerbare Energie“, „Gesundheitswirtschaft/Lebenswissenschaften “ sowie „IT in Produkten und IT-Dienstleistungen“. 2. Welchen Stellenwert haben die familiengeführten landwirtschaftlichen Betriebe für den ländlichen Raum Baden-Württembergs? Zu III. 2.: Die familiengeführten landwirtschaftlichen Betriebe sind das Rückgrat des länd - lichen Raums in Baden-Württemberg und Leitbild der Landesregierung. Sie erzeugen nachhaltig sichere und gesunde Lebensmittel, sie nutzen, pflegen und erhalten unsere Kulturlandschaft und sind damit das zentrale Glied in der regionalen Wertschöpfungskette mit überragender Bedeutung für vor- und nachgelagerte Sektoren, für die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie für einen attraktiven ländlichen Raum mit hoher Lebensqualität. Die Pflege und Bewirtschaftung unserer Kulturlandschaft bildet mit dem Tourismus auf dem Land das „magische Dreieck” aus Land- und Waldwirtschaft, Naturschutz und Tourismus. Regionale Wertschöpfungsketten mit ihrer starken Vernetzung in verschiedenste Wirtschafts- und Dienstleistungsbereiche und regionale wie überregionale Absatzmärkte sind ein Zukunftsmodell für ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltiges Wirtschaften. Die bäuerlichen Familien mit ihren land- und forstwirtschaftlichen Haupt- oder Nebenerwerbsbetrieben sind Garant dafür, dass die Menschen qualitativ hochwertige heimische Lebensmittel kaufen können. Ebenso liefern sie die Rohstoffbasis für Unternehmen der Ernährungswirtschaft, die mit hochwertigen Qualitätsprodukten nationale und internationale Märkte bedienen. Auch die Versorgung der Wirtschaft und der Bevölkerung mit erneuerbaren Energien ist inzwischen ein wichtiger Beitrag des Agrarsektors. Der hohe Stellenwert der landwirtschaftlichen Familienbetriebe kommt auch durch das breite und effiziente Förderinstrumentarium der Landesregierung zum Ausdruck. Der Maßnahmen- und Entwicklungsplan ländlicher Raum Baden- Württemberg 2014 bis 2020 (MEPL III) umfasst für 16 Förderprogramme für die Entwicklung des ländlichen Raums ein Fördervolumen von über 1,8 Mrd. €, das zu über 90 % über die Land- und Forstwirtschaft umgesetzt wird. Der ELER beteiligt sich an der Finanzierung mit 710 Mio €. Die wichtigsten landwirtschaftlichen und landwirtschaftsnahen Förderinstrumente sind das Programm zur einzelbetrieblichen Investitionsförderung (beispielsweise 37 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 Agrarinvestitionsförderungsprogramm, Förderung der Diversifizierung und Förderung der Marktstrukturverbesserung) sowie die Agrarumweltprogramme (zum Beispiel Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl FAKT oder der Vertragsnaturschutz nach der Landschaftspflegerichtlinie), die landwirtschaftlichen Betrieben eine Honorierung für ihre Leistungen zur Erfüllung von gesellschaftlichen Anforderungen gewähren. 3. Wie wirkt sich der landwirtschaftliche Strukturwandel auf den ländlichen Raum aus und wie unterstützt sie landwirtschaftliche Betriebe in Bezug auf den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit? Zu III. 3.: Der Strukturwandel in der Landwirtschaft ist wie der Strukturwandel in anderen Wirtschaftssektoren Spiegelbild der technologischen, organisatorischen und sozialen Entwicklungen in der Gesellschaft. Der internationale Wettbewerb, gesellschaftliche Anforderungen und regulatorische Eingriffe treiben diese Entwicklungen an. Insbesondere in der Tierhaltung führen erhöhte Vorgaben an die Haltung aufgrund hoher Investitionskosten zu einer beschleunigten Aufgabe kleinerer Betriebe. Entsprechend ist die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaft - lichen Betriebe ein Schwerpunkt der Agrarpolitik der Landesregierung. Im Rahmen der 2. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) fördert die Landesregierung mit den Förderprogrammen Agrarinvestitionsförderung die Modernisierung landwirtschaftlicher Betriebe. Ein Förderschwerpunkt ist die Verbesserung des Tierwohls, das auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern zunehmend wichtig ist. Im Rahmen der Landschaftspflegerichtlinie können seit 2015 Investitionen kleiner landwirtschaftlicher Betreibe gefördert werden. Die Investitionen sollen dazu beitragen, dass die Kulturlandschaft durch eine nachhaltige landwirtschaftlich geprägte Flächennutzung dauerhaft erhalten bleibt. In den naturräumlich benachteiligten und in der Regel durch einen hohen Grünlandanteil geprägten Regionen sind es häufig kleine und Kleinstbetriebe, die einen wichtigen Beitrag für die Offenhaltung und Pflege der Kulturlandschaft leis - ten. Mit dem Förderprogramm Marktstrukturverbesserung werden Betriebe der Vermarktung und Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse bei der Investi - tion in neue effiziente Anlagen unterstützt. Ein besonderer Fokus liegt in der Unterstützung regionaler Wertschöpfungsketten und von Qualitätsprodukten, wie beispielsweise des Ökologischen Landbaus oder mit den Qualitätszeichen des Landes. Das Förderprogramm Diversifizierung ermöglicht landwirtschaftlichen Familienbetrieben den Aufbau von zusätzlichen Einkommensmöglichkeiten, beispiels - weise Dienstleistungen wie die Pensionspferdehaltung, touristische Angebote oder den Einstieg in die Verarbeitung und Vermarktung und die örtliche Nahversorgung der Bevölkerung. Die Weiterentwicklung der Unternehmen wird neben der Aus-, Fort- und Weiterbildung auch über ein umfangreiches Beratungsangebot unterstützt. Mit dem Programm „Beratung.Zukunft.Land.“ fördert Baden-Württemberg die Inanspruch - nahme von Beratungsmodulen wie zum Beispiel „Betriebswirtschaftliche Begleitung “, „Öko-Umstellung“, „Umstellung auf höhere Tierschutzstandards“ oder „Optimierung von Tierwohl“, um den Landwirten in diesen Bereichen unternehmensspezifische Unterstützung durch konzessionierte Beratungsorganisationen zu ermöglichen. Im Rahmen des Programms Europäische Innovationspartnerschaft (EIP) fördert das Land innovative Projekte aus den verschiedensten Bereichen, beispielsweise nachhaltige und wettbewerbsfähige Pflanzenproduktion, tiergerechte, wettbewerbsfähige , gesellschaftlich akzeptierte landwirtschaftliche Nutztierhaltung, Ökolandbau oder Sonderkulturen. Unternehmen aus der Landwirtschaft, dem Garten- und Weinbau arbeiten dabei in operationellen Gruppen mit Wissenschaft oder Beratungskräften eng zusammen. Diese und weitere Programme sind Teile des MEPL III, der im Siebenjahreszeitraum 2014 bis 2020 1,8 Mrd. € umfasst und von der Europäischen Union mit Mitteln aus dem ELER mitfinanziert wird. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 38 Nach Angaben des Statistischen Landesamtes gab es 2015 in Baden-Württemberg noch 41.600 landwirtschaftliche Betriebe mit einer landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF) von mindestens 5 Hektar. Diese Betriebe bewirtschaften 1.424.100 Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche bei einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 34,3 Hektar. Ursächlich dafür ist auch der hohe Anteil an Garten- und Sonderkulturbetrieben incl. des Weinbaus. Nach derzeitig vorliegenden Erhebungen des Statistischen Bundesamtes werden in den vier Produktionssparten des Gartenbaus (Zierpflanzenbau, Gemüsebau, Obstbau und Baumschule) circa 6.950 Betriebe verzeichnet. Ebenso werden in gut 26.000 Betrieben in Baden-Württemberg, auf 28.000 ha, Weintrauben erzeugt . Damit wird die Landwirtschaft in Baden-Württemberg trotz des seit Jahrzehnten fortschreitenden Strukturwandels weiter durch eher kleine bäuerliche Familienbetriebe geprägt. Der Rückgang der Betriebe ist jedoch nicht mit einem Rückgang an Existenzen gleichzusetzen. In den Betrieben entstehen neue Arbeitsplätze , insbesondere auch im Zusammenhang mit der Spezialisierung sowie der Diversifizierung, beispielsweise in der Verarbeitung und Vermarktung oder im Dienstleistungssektor. Die Maßnahmen und Programme des Landes haben die nachhaltige Weiterentwicklung und Sicherung der Land- und Ernährungswirtschaft zum Ziel. Veränderungsprozesse in der Landwirtschaft sind durch die standortgebundene Flächenbewirtschaftung und lange Investitionszyklen in größeren Zeiträumen zu sehen. Gleichzeitig sind strukturbedingte Wettbewerbsnachteile der kleinstrukturierten Landwirtschaft und der teils hohe Anpassungsdruck aufgrund gesellschaftlicher Anforderungen wie aktuell beispielsweise in der Tierhaltung zu beachten. Dementsprechend verfolgen die langfristig angelegten Maßnahmen und Pro - gramme des Landes das Ziel, die zukunftsorientierte Anpassung und Entwicklung des Sektors aktiv zu begleiten und damit zu sichern. Dazu gehören Maßnahmen der investiven Förderung, Forschung und Bildung zur Erhöhung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit, die Unterstützung über verschiedene Instrumente beim Ausbau der Wertschöpfung in Qualitätsmärkten, insbesondere auch auf heimischen Absatzmärkten, die wichtige Honorierung gesellschaft - licher Leistungen, die nicht über den Markt abgegolten werden, der Ausgleich natürlicher Stand ortnachteile sowie weitere Maßnahmen zur Unterstützung angepasster betrieblicher Entwicklungspfade mit neuen Betriebszweigen und Geschäftsfeldern . Flurneuordnung ist ein vielfältiges und flexibles Instrument zur Begleitung des Agrarstrukturwandels. Ein wichtiges Ziel von Neuordnungsverfahren ist die Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft . Durch gezielte Maßnahmen wie die Optimierung des Wege- und Gewässernetzes oder die Neuordnung des ländlichen Grundbesitzes werden die Produktionskosten gesenkt und die Wirtschaftlichkeit der landwirtschaftlichen Betriebe gesteigert. 4. Wie kann der ländliche Raum die Potenziale der Energiewende und Bioökonomie verstärkt nutzen und welche Chancen eröffnen sich daraus? Zu III. 4.: Der ländliche Raum trägt wesentlich zur lokalen Umsetzung der Energiewende bei und kann gleichzeitig von der Transformation des Energiesystems erheblich profitieren. Durch die Energiewende kommt es zu einer verstärkten Dezentralität der Energieerzeugung, wobei die wesentlichen Potenziale im ländlichen Raum liegen. Somit weist der ländliche Raum schon heute einen überdurchschnitt lichen Anteil der Erzeugung aus erneuerbaren Energien auf, sowohl bei Photovoltaik, Bioenergie als auch Windkraft. Daraus ergeben sich für den ländlichen Raum beachtliche Chancen zur Erschließung neuer Wertschöpfungsmöglichkeiten. Regionale Unternehmen und Handwerksbetriebe profitieren von der Planung, Installation und Wartung von Erzeugungsanlagen . Land- und Forstwirte können sich durch die Bereitstellung von Biomasse oder den Betrieb von Biogasanlagen zusätzliche Einkommensmöglich- 39 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 keiten sichern. Kommunen im ländlichen Raum profitieren von steigenden Gewerbesteuereinnahmen aus dem Betrieb von Erneuerbaren-Energien-Anlagen. Chancen der Bioökonomie für den ländlichen Raum Die Auswirkungen des Klimawandels und die prognostizierte zunehmende Verknappung fossiler und mineralischer Ressourcen werden die wachsende Weltbevölkerung zukünftig vor existenzielle Herausforderungen stellen. Die Bioökonomie ist ein Lösungsansatz und zugleich Leitmotiv für die Entwicklung und Umsetzung einer zukunftsfähigen, vermehrt biobasierten Wirtschafts- und Lebensweise , die weitgehend ohne fossile Rohstoffe auskommt und biologische und nachwachsende Ressourcen mittels moderner Verfahren nutzt. Eine nachhaltige Bioökonomie kann einen entscheidenden Beitrag für die Sicherung der Er - nährung, den Schutz des Klimas und der natürlichen Ressourcen sowie für die Bewahrung fossiler Ressourcen für nachfolgende Generationen leisten. Die Land- und Forstwirtschaft bewirtschaftet mit zusammen 2,8 Mio. Hektar rd. 80 % der Bodenfläche Baden-Württembergs und damit die bedeutendste regionale natürliche Ressource für eine nachhaltige Bioökonomie. Die stoffliche und energetische Nutzung trägt zur Stärkung der regionalen Wirtschaftskraft bei, vor allem im ländlichen Raum durch die Dezentralität der Erzeugung. Auch die Verwertung und Verarbeitung der nachwachsenden Rohstoffe geschieht meist dezentral , in den Regionen. Durch die intelligente Vernetzung von Forschung, Gesellschaft und Wirtschaft lässt sich im ländlichen Raum eine Belebung und Weiterentwicklung der regionalen Wertschöpfung erreichen. Intelligente Prozessketten und Nutzungsformen bieten zudem weitere Absatzmöglichkeiten von (Non-Food) Biomasse. Die enge Kooperation von Forschung, Landund Forstwirtschaft, verarbeitenden Unternehmen sowie dem Handel bietet hier den Schlüssel zum Erfolg. Das Wissen um den Umgang mit natürlichen Rohstoffen sowie die handwerkliche Kompetenz liegen ebenfalls im ländlichen Raum. Die stoffliche Nutzung von nachwachsenden Agrarrohstoffen spielt für die Landwirte hierzulande noch keine große Rolle: Bundesweit dienten im Jahr 2015 weniger als 0,3 Mio. von insgesamt rd. 2,5 Mio. Hektar der Anbaufläche von nachwachsenden Agrarrohstoffen der stofflichen Nutzung. Die biomasseverarbeitende Industrie importiert momentan noch viele ihrer Rohstoffe aus dem Ausland. Dabei könnten Anbau und vor allem auch Weiterverarbeitung von Stärke, Ölen, Zucker oder Fasern dem ländlichen Raum zugutekommen. Biogasanlagen, Biomasse -Heizwerke oder auch Sägewerke bringen schon jetzt Arbeit und Wertschöpfung in den ländlichen Raum. Innovative Verfahren zur stofflichen Verwertung von land- und forstwirtschaft - licher Biomasse – insbesondere von Koppel- und Nebenprodukten aus der Biomasseverarbeitung – könnten künftig zur Herstellung von biobasierten Produkten dienen und robuste Wertschöpfungs- und Beschäftigungspotenziale im länd lichen Raum eröffnen. Wald ist mit einem erfassten Holzvorrat von 499 Mio. m³ und einer jährlich leicht zunehmenden Fläche von 1.371.886 Hektar (2012) eine bedeutende erneuerbare Rohstoffquelle des Landes. Baden-Württemberg verfügt damit in großem Umfang und Qualität über einen der zukunftsfähigsten natürlich nachwachsenden Rohstoffe für die Bioökonomie. Mit der Wertschöpfungskette von Wald und Holz sind ideale Voraussetzungen für die weitere Entwicklung innovativer Produkte und die Ansiedlung von Hightech- Unternehmen in Baden-Württemberg geschaffen. Neben den bekannten Verwendungsbereichen im Bauwesen und in der Papier- und Möbelindustrie bietet die Weiterverarbeitung von Holz, seiner Inhaltsstoffe und Bestandteile eine nahezu unbegrenzte Vielfalt von Einsatzmöglichkeiten. Eine schlüssige Nutzung von Sägenebenprodukten , von Rinde und von Durchforstungsholz, welche im Aufschluss bzw. in der Weiterverarbeitung zu Faserprodukten und biochemischen Substanzen eingesetzt werden, birgt ein großes Anwendungsspektrum. Der Stand - ort Baden-Württemberg bietet mit einer großen Anzahl innovativer Betriebe vielfältige Chancen, die im Zuge einer Vernetzung durch Clusterinitiativen ausgeschöpft werden sollten. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 40 Die Entwicklung einer nachhaltigen Bioökonomie kann in erheblichem Umfang zur Stärkung der ländlichen Räume, sowie der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft einschließlich deren vor- und nachgelagerten Sektoren beitragen. Die Drucksache 16/901 „Bioökonomie im Geschäftsbereich des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz für Baden-Württemberg“ vom 28. November 2016 geht darauf ausführlich ein. Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz wird in Zusammenarbeit mit den betroffenen Ressorts einen maßgeblichen Beitrag zur Entwicklung einer Landestrategie nachhaltige Bioökonomie Baden-Württemberg leisten, denn die Herstellung, Aufbereitung, Verarbeitung und stoffliche Nutzung nachwachsender , biogener Rohstoffe ist seit jeher fest in der Land-, Forst- und Er - nährungswirtschaft verankert. Chancen der Energiewende für den ländlichen Raum Damit Kommunen in ländlichen Raum die Chancen der Energiewende verstärkt nutzen können, ist es wichtig, dass bei der Umsetzung von lokalen Energiewende- Projekten Geschäftsmodelle gewählt werden, bei denen regionale Unternehmen und insbesondere die Bürger und Bürgerinnen vor Ort beteiligt sind. Dadurch kann die Akzeptanz gestärkt und sichergestellt werden, damit die Wertschöpfung in der Region verbleibt. Die Zahl der Energiegenossenschaften in Baden-Württemberg ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. So sind derzeit (Stand August 2016) 150 Energiegenossenschaften, hinter denen etwa 26.950 Einzelmitglieder stehen, Mitglied im Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband (im Vergleich zu 74 im Jahr 2010). Die Gründung von Bürgerenergieanlagen wird vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft unterstützt. Das Veranstaltungsangebot der LUBW bietet regelmäßige Erfahrungsaustausche des Landesnetzwerks Ehrenamtlicher Energie -Initiativen. Auch der jedes Jahr stattfindende Energietag des Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft und des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands e. V. bildet eine Plattform für Informationen und Vernetzungsmöglichkeiten für Akteure im Bereich der Bürgerenergie. Die Kommunen können sich aber auch aktiv an der Energiewende beteiligen, beispielsweise durch die Gründung von Stadtwerken, oft in Kooperation mehrerer Kommunen. Baden-Württemberg nimmt zudem eine Spitzenstellung bei den Bioenergiedörfern ein – Ende 2016 gab es in Baden-Württemberg bereits 84 Bioenergiedörfer , weitere 6 befinden sich aktuell im Bau. Auch von dem Förderprogramm „Energieeffiziente Wärmenetze“ können Kommunen im ländlichen Raum profitieren, etwa durch die Erstellung kommunaler Wärmepläne oder In ves - titionen in Nahwärmenetze. Hier bestehen insbesondere bei der verstärkten Wärmenutzung aus Biogasanlagen noch erhebliche Potenziale. Im Koalitionsvertrag ist zudem das Ziel von „Sonnen-Energie-Dörfern“ durch eine Förderung großer Solarthermie-Anlagen, die in Wärmenetze einspeisen, vorgegeben. Damit Kommunen im ländlichen Raum von den Potenzialen der Energiewende profitieren können, ist es zudem wichtig, dass die entsprechenden Flächenkulissen für Erneuerbare-Energien-Projekte zur Verfügung stehen und gleichzeitig auch anderen Aspekten, wie dem Natur- und Landschaftsschutz, der Produktion von Nahrungsmitteln und der Erholungsfunktion des ländlichen Raums Rechnung getragen wird. Mit der Anfang März vom Kabinett verabschiedeten Frei flächen - öffnungsverordnung soll nun auch der Bau von PV-Freiflächenanlagen in benachteiligten Gebieten auf Acker- und Grünlandflächen in begrenztem Umfang ermöglicht werden. Damit hat Baden-Württemberg bessere Chancen, von den bundesweiten Ausschreibungen im Rahmen des EEG zu profitieren. Eine Solarenergienutzung kann auch für Kommunen vor Ort durch Gewerbesteuerzahlungen nach Ablauf der Verlustphase wirtschaftlich von Vorteil sein. Die Wertschöpfung vor Ort kann weiter erhöht werden, indem beispielsweise Stadtwerke oder Energiegenossenschaften selbst Solarparks betreiben, indem Vorhabenträger Kommunen, deren Bürgerinnen und Bürger und insbesondere auch die ehemaligen Bewirtschafter der für den Solarpark vorgesehenen landwirtschaftlichen Flächen finanziell am Solarpark beteiligen und indem in Bezug auf 41 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 die wirtschaftliche Bedeutung für landwirtschaftliche Betriebe bedeutsame Flächen möglichst geschont werden. Der Ausbau der Windenergie im ländlichen Raum wird zudem durch die Verpachtung geeigneter landeseigener Waldflächen durch den Landesbetrieb ForstBW unterstützt. 5. Welchen Stellenwert nimmt der ländliche Raum für das Tourismusland Baden- Württemberg ein? Zu III. 5.: Der ländliche Raum ist für das Tourismusland Baden-Württemberg von hoher Bedeutung und bildet gemäß einer Analyse des Statistischen Landesamtes aus dem Jahr 2014 weiterhin das Kernland vor allem des Gesundheits- und Erholungstourismus . So geht die Schwarzwald Tourismus GmbH davon aus, dass mindestens 80 % der Wertschöpfung in der Ferienregion dem ländlichen Raum zuzumessen sind. Allerdings lässt sich der Untersuchung des Statistischen Landesamtes zufolge innerhalb des ländlichen Raums in touristischer Sicht eine Zwei teilung erkennen . So finden sich hier einerseits viele, meist kleinere Gemeinden ohne besondere Vorzüge, in denen der Tourismus nur eine geringe oder gar keine Rolle spielt. Andererseits gibt es eine begrenzte Zahl von Kur- und Bäderorten mit regionalen Schwerpunkten, vor allem im Schwarzwald und um den Bodensee, in denen dem Tourismus eine tragende Rolle zukommt. Vor diesem Hintergrund entfielen im Jahr 2016 mit gegenüber dem Jahr 2012 leicht abnehmender Tendenz rund 58 % der geöffneten Betriebe und rund 52 % der angebotenen Schlafgelegenheiten sowie 40 % der Gästeankünfte und 46 % der statistisch erfassten Übernachtungen auf den ländlichen Raum (siehe Abbildung 4, Quelle: Statistisches Landesamt BW). Mit Anteilen zwischen 88 und 90 % an den Kapazitäten (angebotene Schlafgelegenheiten , geöffnete Betriebe) und 86 bis 88 % der Nachfrage (Ankünfte, Übernachtungen ) lag dabei die Mehrzahl unter derselben Entwicklungstendenz beim ländlichen Raum im engeren Sinn gemäß den Raumkategorien des Landesentwicklungsplanes 2002. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 42 (Q WZ LF NO XQ J GH V 7R XU LV P XV V HL W QD FK D XV JH Z lK OWH Q 5 DX P ND WH JR UL HQ G HV / DQ GH VH QW Z LF NO XQ JV SO DQ HV % HK HU EH UE XQ JV EH WU LH EH H LQ VF KO LH ‰O LF K 5 HL VH YH UN HK UV FD P SL QJ L Q % DG HQ : U WW HP EH UJ LQ VJ HV DP W 9H U lQ GH UX QJ ]X P 9R UMD KU GD U YR Q $X VO DQ GV Jl VW HQ 9H U lQ GH UX QJ ]X P 9 RU MD KU LQ VJ HV DP W 9H U lQ GH UX QJ ]X P 9 RU MD KU GD U YR Q $X VO DQ GV Jl VW HQ 9H U lQ GH UX QJ ]X P 9 RU MD KU $Q ]D KO $Q ]D KO $Q ]D KO 7D JH + 4, 5 + 8, 1 + 4, 1 + 8, 0 + 0, 2 + 5, 5 – 0, 9 + 5, 4 + 3, 0 + 5, 4 + 0, 9 + 3, 5 + 4, 0 + 8, 0 + 2, 5 + 7, 9 + 3, 1 + 3, 3 + 2, 7 + 2, 1 + 4, 2 + 7, 8 + 4, 1 + 8, 0 + 0, 2 + 5, 2 – 0, 7 + 5, 3 + 3, 3 + 5, 5 + 1, 1 + 3, 4 + 3, 7 + 7, 3 + 2, 2 + 7, 4 + 2, 9 + 3, 0 + 2, 5 + 1, 7 + 4, 4 + 6, 2 + 4, 7 + 7, 4 + 0, 5 + 3, 5 + 0, 2 + 5, 0 + 4, 4 + 5, 9 + 2, 9 + 4, 4 + 4, 4 + 8, 3 + 3, 3 + 7, 6 + 3, 0 + 1, 4 + 2, 5 + 0, 7 6 WD QG - XO L G HV MH Z HL OLJ HQ - DK UH V ± 6 WH OOS Ol W] H DX I & DP SL QJ SO lW ]H Q Z HU GH Q P LW 6F KO DI JH OH JH QK HL WH Q DQ JH VH W] W [ $ QJ DE H QL FK W Y HU I JE DU /l QG OLF KH U 5D XP LQ VJ HV DP W 6 XP P H DX V /l QG OLF KH U 5D XP L H 6 X QG 9 HU GL FK WX QJ VE HU HL FK H LP / 5 % DG HQ : U WW HP EH UJ LQ VJ HV DP W /l QG OLF KH U 5 DX P LQ VJ HV DP W /l QG OLF KH U 5 DX P L H 6 $Q JH ER WH QH 6 FK OD I JH OH JH Q KH LWH Q -D KU * H| II % H WUL HE H $X IH QW KD OWV GD XH U h EH UQ DF K WX QJ VD Q WH LO $X VO DQ GV Jl VW H $X VO DV WX QJ DQ JH E 6 FK OD I JH O $Q N QI WH h EH UQ DF KW XQ JH Q $Q ]D KO A bb il du ng 4 : 43 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 Insbesondere der Natururlaub mit seinen vielseitigen Facetten spielt im länd lichen Raum eine große Rolle. Laut der Studie GfK/IMT DestinationMonitor Deutschland machten 2015 in Baden-Württemberg „Reisen mit naturbezogenen Anlässen bzw. Aktivitäten“ einen Anteil von 65 % bei den Urlaubsreisen der Inländer aus und der „Urlaub auf dem Land/in den Bergen“ ist bei den Inlands urlaubsreisen der wichtigste Hauptreiseanlass in Baden-Württemberg. Mit der Erlebnismarke „Grüner Süden“ hat Baden-Württemberg als erstes Land nachhaltige Angebote gebündelt vermarktet und damit den Nachfragetrend nach naturnahen Angeboten frühzeitig aufgegriffen und somit den Stellenwert des ländlichen Raums weiter gestärkt. Auf die Antwort der Landesregierung zu Ziff. III. 1. der Großen Anfrage der Fraktion GRÜNE: Wertschöpfung und Arbeitsplätze im ländlichen Raum in Baden -Württemberg: Potenziale, Voraussetzungen und Maßnahmen der Landesregierung , Drucksache 15/3962, wird im Übrigen verwiesen. 6. Welche Bedeutung misst sie den Naturparken, den Geoparken und den Bio - sphärengebieten hinsichtlich Naturschutz, Wertschöpfung und Tourismus im ländlichen Raum bei? Zu III. 6.: Für die Bedeutung des Tourismus im ländlichen Raum spielen Großschutzgebiete wie Naturparke, die Biosphärengebiete Schwäbische Alb und Schwarzwald sowie der Nationalpark Schwarzwald eine wichtige Rolle. Natur- und Landschaftsschutz sowie wirtschaftliche Nutzung und touristische In- Wert-Setzung gehen im Sinne eines symbiotischen Verhältnisses im ländlichen Raum Hand in Hand. Die Großschutzgebiete leisten mit ihren Infrastruktur-, Umweltbildungs - und Naturschutzmaßnahmen wesentliche Beiträge für das touris - tische Angebot auf der einen und für das Konsumbewusstsein der Bevölkerung für regionale Produkte auf der anderen Seite. Natur erleben, sich erholen, den Alltag hinter sich lassen, abschalten, sind Motive, die für die Urlauber immer wich - tiger werden. Laut der Studie GfK/IMT DestinationMonitor Deutschland gehört in Baden-Württemberg der „Aufenthalt in der Natur“ mit einem Anteilswert von 50 % zu den beliebtesten Aktivitäten im Urlaub, ebenso Wandern (30 %) oder spazieren gehen (29 %). Für diese Aktivitäten bieten die Naturparke, Biosphärengebiete , der Nationalpark und Geoparke ideale Voraussetzungen und Möglichkeiten . Laut der Studie „Naturtourismus Deutschland 2016“ ist der Naturtourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, der regionale Wertschöpfungseffekte erzeugt. Allerdings ist aufgrund der Überschneidung mit unterschiedlichen Segmenten, wie dem Wander- oder Radtourismus, ein Gesamtumsatz nur schwer zu beziffern. Naturparke Die sieben Naturparke in Baden-Württemberg sind nach Naturschutzrecht verordnete Großschutzgebiete. Sie umfassen rund 33 % der Landesfläche, damit sind sie die flächenmäßig größte Schutzgebietskategorie des NatSchG. Naturparke sind ein geeignetes Instrument für eine nachhaltige, umweltangepasste Entwicklung der ländlichen Räume. Ihr Aufgabenschwerpunkt liegt in der Erhaltung und Förderung der Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft sowie der Sicherung und Entwicklung einer vorbildlichen Erholungslandschaft. Die sieben Naturparke in Baden-Württemberg stellen attraktive touristische Destinationen dar und ermöglichen dem Besucher und der lokalen Bevölkerung einzigartige Naturerlebnisse. Naturnaher und naturbewusster Urlaub erfreut sich einer steigenden touristischen Nachfrage. Zahlreiche Kooperationsprojekte mit den örtlichen Tourismusverbänden weiten das Angebot in diesem Bereich zunehmend aus. Zusätzlich bietet jeder Naturpark den Besuchern jährlich einen umfangreichen Veranstaltungskalender an, der vielfältige Naturerlebnisangebote umfasst . Alle Naturparke betreiben jeweils ein Naturpark-Informationszentrum vor Ort, wo im Jahr 2016 rund 148.700 Besucher gezählt wurden. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 44 Neben ihrer Bedeutung als Ferienregion sind Naturparke wichtige Impulsgeber und Prozesstreiber für eine nachhaltige Entwicklung ländlicher Räume. Im Mittelpunkt der Naturparkarbeit steht die Kooperation in den Regionen, wobei die Menschen vor Ort stets intensiv miteinbezogen werden. Durch die hohe Akzeptanz, welche die Naturparkvereine bei Kommunen und Vereinen genießen, sind die Naturparke wichtige Akteure auf lokaler Ebene und spielen bei der Erreichung der Ziele im ländlichen Raum eine zentrale Rolle. Gemäß ihrer gesetzlichen Zielsetzung leisten die Naturparke mit den Landnutzern , ihren Partnern und Verbänden auch einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der biologischen Vielfalt. Mit Anteilen von Naturschutz-, Landschaftsschutz- und Natura 2000-Gebieten sind in den Naturparken viele Flächen nach regionalen und europäischen Kriterien unter Schutz gestellt. In der Naturschutzstrategie Baden-Württemberg 2020 bekennt das Land die Naturparke ausdrücklich als ein wichtiges Element der Großschutzgebiete an: „Die Naturparke verbinden Naturschutz und Landschaftspflege mit Naherholung, Tourismus und Regionalentwicklung.“ Das Land misst den Naturparken hinsichtlich Naturschutz, Wertschöpfung und Tourismus im ländlichen Raum eine große Bedeutung bei und unterstützt diese bei der Erfüllung ihrer Aufgabenschwerpunkte. Die Naturparkförderung des Landes spielt hierbei eine zentrale Rolle. Die Förderung induziert in den Naturparkregionen wirtschaftlich relevante Wirkungen insbesondere in den Bereichen Bewusstseinsbildung , Regionalvermarktung und naturverträglicher Tourismus und Erholung. Die Naturparke leisten auf diese Weise einen wichtigen Beitrag zur Wertschöpfung im ländlichen Raum. Die Naturparke wurden im Zeitraum zwischen 1980 bis 2014 mit insgesamt 53,4 Mio. € (Land inklusive Lotterie Glücksspirale und EU) gefördert. Durch diese Förderung wurde in den 34 Jahren seit den ersten Naturparkgründungen ein In - ves titionsvolumen in Höhe von rund 113,5 Mio. € angestoßen (aggregierte Förderdaten der Zentralen Sachbearbeitung [ZS]-ForstBW), wobei die körperschaftlichen und privaten Maßnahmenträger in den Naturparken (Mitgliedsgemeinden der Naturparke, Naturschutzverbände, Wander- und Heimatvereine, sonstige private Maßnahmenträger) und die Naturparkvereine selbst über ihre Eigenanteile an den geförderten Investitionen einen erheblichen Anteil am gesamten Investitionsvolumen trugen. Geoparke Neben dem Schutz des geologischen und archäologischen Erbes und der Vermittlung geologischer Themen im Rahmen der Umwelt- bzw. Geobildung gehören die nachhaltige Regionalentwicklung und der Geotourismus ebenso wie die wissenschaftliche Forschung innerhalb der Kulissen zu den Aufgaben der Geoparke. Die Geoparke betreiben Infozentren mit Informationen über die Besonderheiten des jeweiligen Geoparks (Geologie, paläontologischen Vegetation und Tierwelt, Besiedelung durch Steinzeitmenschen etc.). Mehrere Partner bieten Landschaftsführungen an (u. a. Geopark-Ranger). Seit den 1990er-Jahren entsteht weltweit eine Bewegung der Geoparks. In Deutschland verbreitet sich die Idee seit dem Jahr 2000. Gegenwärtig gibt es in Deutschland 16 Geoparks, die als „Nationaler Geopark“ zertifiziert sind. Die Zertifizierung als „Nationaler GeoPark“ setzt für diese Gebiete keine rechtsverbindliche Schutzkategorie vergleichbar den Natur- oder Nationalparken voraus. Es ist ein Gütesiegel im Sinne einer Qualitätssicherung. In Baden-Württemberg gibt es seit 2002 den Geopark Schwäbische Alb und den ländergrenzüberschreitenden Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald. Seit 2015 sind beide Geoparks als „UNESCO Global GeoPark“ ausgezeichnet. Die UNESCO- Zertifizierung wird von der Landesregierung als Bestätigung für die hohe Qualität der Gebiete und der dort durch die Geoparke geleisteten Arbeit gesehen und anerkannt . Vor diesem Hintergrund wird gemäß dem Koalitionsvertrag auch den Institu - tionen außerhalb der klassischen Naturschutzkategorien, wie den Geoparken, ein hoher Stellenwert eingeräumt. 45 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 Biosphärengebiete Die baden-württembergischen Biosphärengebiete haben sehr hohe Bedeutung für den ländlichen Raum. Als UNESCO-Biosphärenreservate bieten sie die Chance, eine zukunftsfähige, ökologisch orientierte, ökonomisch nachhaltige und sozial verträgliche Regionalentwicklung im ländlichen Raum umzusetzen. Die Bio - sphärengebiete sind Modellregionen, in denen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Bewahrung der natürlichen Ressourcen und der wirtschaftlichen Nutzung und Entwicklung erprobt wird. Sie fördern die regionalen Entwicklungspotenziale und unterstützen die Menschen und Betriebe beim Aufbau von wirtschaftlich tragfähigen Strukturen, die den natürlichen Lebensräumen und Ressourcen Rechnung tragen. In den Biosphärengebieten werden Umwelt- und Naturschutz als Entwicklungschance gerade auch für den ländlichen Raum gesehen. Sie können sich als unverwechselbare Kulturlandschaften erhalten und daraus wirtschaftliche Werte schöpfen. Die Biosphärengebiete mit ihren Geschäftsstellen sind kompetente Ansprechpartner für alle Bürger und aktive Kommunikations- und Kooperationspartner für regionale Projekte und Initiativen. Es gilt die bestehende Kulturlandschaft zu erhalten und im Einklang mit den Menschen weiterzuentwickeln. Um dies zu unterstützen, werden Projekte in den Biosphärengebieten gefördert. Die Projektideen stammen aus der Bevölkerung, von Gemeinden, Unternehmen und von Vereinen und Verbänden, also allen Akteuren in den Biosphärengebieten. Über allem steht das Grundprinzip, als Modellregion für ein ausgeglichenes Miteinander von Mensch und Natur einen Mehrwert für die Region zu schaffen. Entscheidend ist, dass sich die Regionen aus sich selbst heraus nachhaltig entwickeln und die Menschen, die in den Biosphärengebieten leben und arbeiten, nicht nur ihre Ideen einbringen, sondern vor allem ihren Lebensraum durch die vielfältigen Möglichkeiten der Partizipation gestalten helfen. Daraus ergibt sich eine regionale Wertschöpfung. Das Biosphärengebiet Schwäbische Alb mit einer Fläche von 85.300 Hektar und einer Einwohnerzahl von ca. 170.000 wurde 2008 als solches ausgewiesen und 2009 von der UNESCO als Biosphärenreservat anerkannt. Seitdem arbeiten das Land und die Landkreise Reutlingen, Esslingen und Alb-Donau-Kreis, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben als Eigentümer des ehemaligen Truppen - übungsplatzes Münsingen sowie 29 Städte und Gemeinden sehr erfolgreich daran, Mensch und Natur als gleichberechtigte Partner in Einklang zu bringen. Dabei steht die Zielsetzung einer nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums zentral im Fokus und wird durch die Entwicklung und Realisierung vieler innovativer Ideen und Projekte mit Leben gefüllt. Mit der Geschäftsstelle des Biosphärengebiets Schwäbische Alb verfügt die Re - gion über ein auf Dauer angelegtes Regionalmanagement. Ihre Arbeit ist darauf ausgerichtet, zukunftsfähige Projekte und Strukturen mit der Zielsetzung einer beispielhaften nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums gemeinsam mit den regionalen Akteuren zu entwickeln und umzusetzen. Das große Engagement aller Beteiligten macht das Biosphärengebiet Schwäbische Alb zu einer Erfolgsgeschichte , von der seine Bewohner und Besucher sowie die angesiedelten Unternehmer und Arbeitnehmer und somit der ländliche Raum insgesamt in hohem Maße profitieren. Der weitere Ausbau eines nachhaltigen, qualitätsorientierten Tourismus ist zentral für die durch ihn hervorgerufene Wertschöpfung aus Natur- und Kulturlandschaft und damit für die Entwicklung des ländlichen Raums. Hierbei wurden in den letzten Jahren im Biosphärengebiet Schwäbische Alb große Fortschritte erzielt. So sind beispielsweise die Übernachtungszahlen im Bereich des Biosphärengebiets Schwäbische Alb deutlich gestiegen. Im Rahmen der Partnerinitiative des Bio - sphärengebiets haben sich 106 touristische Partnerunternehmen und -dienst leis - ter, die sich im besonderen Maße verpflichten, Qualitätsstandards im Bereich Umwelt- und Naturschutz, Service und Regionalität einzuhalten, zusammengeschlossen . Sie tragen den Nachhaltigkeitsgedanken und das Biosphärengebiet an den Gast und die Bewohner heran. Innerhalb kürzester Zeit hat es die Partner - initiative bundesweit auf Platz zwei unter den Großschutzgebieten geschafft. Zusätzlich zum Biosphärenzentrum Schwäbische Alb in Münsingen wurde ein Netzwerk von 16 Erlebnis- und Informationszentren aufgebaut, die jeweils verschie - Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 46 dene Themen des Biosphärengebiets aufarbeiten. Zusammen haben diese Zentren ca. 600.000 Besucher jährlich. Das Biosphärengebiet Schwäbische Alb ist einer von fünf Gewinnern des Bundeswettbewerbs Nachhaltige Tourismusdestinationen 2016/2017 des Deutschen Tourismusverbandes e. V., des Bundesumweltministeriums und des Bundesamtes für Naturschutz. Das Biosphärengebiet Schwäbische Alb bietet für den Naturschutz im ländlichen Raum einen großen Mehrwert. Durch die auf Dauer angelegte nachhaltige und naturschutzorientierte Regionalentwicklung werden in allen Wirtschaftssektoren Werte generiert und gleichzeitig Natur und Landschaft geschützt. Erhebliche zusätzliche Mittel für gezielte Naturschutzmaßnahmen und Modellprojekte konnten akquiriert werden. So wurden beispielsweise im Zeitraum 2013 bis 2016 für alle Biosphärengebiets-Kommunen sowie den ehemaligen Truppenübungsplatz Münsingen sogenannte „Biodiversitäts-Checks für Gemeinden“ erarbeitet. Dabei werden auf Grundlage des Zielartenkonzepts Baden-Württemberg systematisch besonders bedeutsame Tierarten und Lebensräume identifiziert und vorrangige Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen abgeleitet. Die Ergebnisse bilden die Schwerpunkte der Naturschutzarbeit der Geschäftsstelle des Biosphärengebiet Schwäbische Alb, die in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen der höheren und unteren Verwaltungsebenen und den Naturschutzverbänden durchgeführt wird. Zudem werden den Kommunen besonders bedeutsame Naturschutzmaßnahmen für die Umsetzung z. B. im Rahmen des Ökokontos oder des Kreispflegeprogramms aufgezeigt. Ein solch systematisches und prioritätenorientiertes Vorgehen mit einem erkennbaren Mehrwert für die Kommunen bei der Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen geht weit über das „normale“ Verwaltungshandeln hinaus. Im ländlichen Raum des Biosphärengebiets Schwäbische Alb wurden für zahl - reiche landwirtschaftliche Produkte regionale Wertschöpfungsketten aufgebaut und zudem verschiedene Regionalvermarktungsansätze verfolgt. Es konnte ein immer noch wachsendes Bewusstsein für Naturschutz und regionalen Konsum erreicht werden. In der Direktvermarktung, auf verschiedenen Wochenmärkten und vereinzelt auch im Handel ist eine Vielzahl von regionalen Produkten zu erwerben . Das Biosphärengebiet Schwarzwald besteht seit gut einem Jahr und zurzeit läuft das Antragsverfahren für die UNESCO-Anerkennung. Das Biosphärengebiet Schwarzwald hat eine Größe von etwa 63.000 Hektar: 28 Gemeinden in den Landkreisen Breisgau-Hochschwarzwald, Lörrach und Waldshut sowie die Stadt Freiburg im Breisgau sind mit ihren Gesamtgemarkungen oder Teilbereichen Mitglied im Biosphärengebiet. Die Gemeinden und Landkreise haben sich zusammengeschlossen, um im Biosphärengebiet Schwarzwald gemeinsam mit dem Land und mit der Bevölkerung die nachhaltige wirtschaft - liche Nutzung mit der Erhaltung und Weiterentwicklung der Natur- und Kulturlandschaft zu verknüpfen und positiv zu gestalten. So sind zwei der Hauptziele im Biosphärengebiet die Stärkung der Landwirtschaft selbst, durch die Stärkung der Regionalvermarktung ihrer Produkte und das Schaffen einer zukunftsorientierten wettbewerbsfähigen Grünlandwirtschaft, sowie die Stärkung der heimischen Industrie und des Gewerbes. Ende März 2017 lief die Antragsfrist für die erste Förderperiode des Förderprogramms im Biosphärengebiet Schwarzwald ab. Bei der Geschäftsstelle gingen mehr als 20 Anträge ein. Mit der Umsetzung des Förderprogramms wird bereits ein erster Beitrag zur Wertschöpfung in der Region geleistet. Insgesamt wurde eine Vielfalt an Projektanträgen eingereicht. Themenwege greifen Kulturlandschaftsgeschichte , kulturelles Erbe, Landnutzung und Naturschutz auf. Mit den entsprechenden Konzeptionen soll ein nachhaltiger, naturverträglicher Tourismus gefördert werden. Der Südschwarzwald ist bereits touristisch gut erschlossen. Hier gilt es, gemeinsam mit dem Naturpark Südschwarzwald Konzeptionen für einen nachhaltigen Tourismus zu erarbeiten. Dieser hat seit seinem Bestehen einen Förderschwerpunkt beim Tourismus, wodurch insbesondere in diesem Bereich Synergien geschaffen werden können. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich das Bio - sphärengebiet Schwarzwald – vergleichbar mit dem Biosphärengebiet Schwäbi- 47 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 sche Alb – ebenfalls in seinen Mitgliedsgemeinden positiv auf die Besucher- und Übernachtungszahlen auswirken wird. Dem gesamten Biosphärengebiet kommt eine hohe naturschutzfachliche Bedeutung zu. Beispielhaft zu nennen sind die großflächigen Allmendweiden oder die Moore im Oberen Hotzenwald. Zahlreiche vom Aussterben bedrohte oder stark gefährdete Tier- und Pflanzenarten finden hier noch Lebensraum. Die Förderung von Naturschutzmaßnahmen im Arten- und Biotopschutz hat dort schon eine längere Tradition. Das Biosphärengebiet tritt in die Nachfolge des Naturschutzgroßprojekts „Feldberg-Belchen-Oberes Wiesental“ (2002 bis 2012) sowie des LIFE-Projekts „Oberer Hotzenwald“ (2005 bis 2011) ein. In der Raumschaft bestehen viele Landschaftspflegeverträge. Die Pflege und Offenhaltung der Kulturlandschaft ist aufgrund des teilweise sehr schwierigen Geländes und des Aufkommens von Sukzessionsgehölzen als Folge der extensiven Weidenutzung äußerst aufwändig. Die Geschäftsstelle des Biosphärengebiets sieht ihre Rolle in der Koordinierung bestehender Förderprojekte in Zusammenarbeit und enger Abstimmung mit den unteren Verwaltungsbehörden und den Landschaftserhaltungsverbänden . Geplant sind effiziente, nachhaltige Landschaftspflegekonzeptionen, welche sowohl landwirtschaftliche, als auch forstwirtschaftliche und Naturschutzbelange berücksichtigen. Für die Biosphärenreservate sowie für die Nationalparke haben das Bundesumweltministerium und das Bundesamt für Naturschutz in den letzten Jahren bundesweit die wirtschaftlichen Effekte errechnen lassen. Für die Biosphärenreservate wurde dabei ein Bruttoumsatz von 2,94 Mrd. € ermittelt (Quelle: „Naturtourismus Deutschland 2016“, BTE Tourismus und Regionalberatung). Auf die Antwort der Landesregierung zu Ziff. III. 1. der Großen Anfrage der Fraktion GRÜNE: Wertschöpfung und Arbeitsplätze im ländlichen Raum in Baden- Württemberg: Potenziale, Voraussetzungen und Maßnahmen der Landesregierung , Drucksache 15/3962, wird im Übrigen verwiesen. I V . W o h n e n – A t t r a k t i v e u n d z u k u n f t s f ä h i g e l ä n d l i c h e R ä u m e 1. Ob und inwieweit möchte sie den kommunalen Finanzausgleich, insbesondere hinsichtlich der von der demografischen Entwicklung besonders betroffenen Kommunen, weiterentwickeln? Zu IV. 1.: Art. 73 Absatz 1 der Landesverfassung gebietet dem Gesetzgeber, den Gemeinden und Gemeindeverbänden die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Als Einnahmequellen kommen grundsätzlich eigene Steuern, Steueranteile, Umlagen wie auch Finanzzuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich in Betracht. Vor Entscheidungen des Gesetzgebers über den kommunalen Finanzausgleich bedarf es eines verfahrensrechtlichen Schutzes der kommunalen Selbstverwaltung. Hierzu ist die Gemeinsame Finanzkommission eingerichtet. Sie gibt Empfehlungen sowohl zur vertikalen und wie auch zur horizontalen Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs. Der Landesregierung ist es ein Anliegen, vom demografischen Wandel besonders betroffene Gemeinden finanziell und strukturell zu unterstützen. Ob und inweiweit hierfür eine Anpassung des kommunalen Finanzausgleichs erforderlich ist, wird zur Vorbereitung der Gemeinsamen Finanzkommission derzeit mit den kommunalen Landesverbänden beraten. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 48 2. Wie kann aus ihrer Sicht langfristig ein flächendeckendes öffentlicher Personennahverkehrs (ÖPNV)-Angebot, insbesondere auch durch alternative Mobilitätskonzepte und -angebote, im Ländlichen Raum sichergestellt werden? Zu IV. 2.: Aufgabenträger für den ÖPNV sind die kreisfreien Städte und Landkreise in Baden- Württemberg. Mit der ÖPNV-Finanzreform werden Aufgaben- und Finanzverantwortung auf der kommunalen Ebene zusammengeführt. Ab 2021 sollen die Mittel von 200 Mio. € p. a. schrittweise auf 250 Mio. € aufgestockt werden. Damit werden die Weichen auch für einen zukunftsfähigen ÖPNV im ländlichen Raum gestellt. Um Wege für die Aufgabenträger zu alternativen Mobilitätsangeboten aufzu - zeigen, fördert das Land zwei Modellprojekte zu einem innovativen, flexiblen ÖPNV im ländlichen Raum in den Landkreisen Calw und Göppingen über eine Laufzeit von drei Jahren mit rund 1,7 Mio. €. Sie sollen Wege aufzeigen, wie ÖPNV im ländlichen Raum vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und begrenzter finanzieller Ressourcen der Auf - gabenträger dauerhaft und auf hohem Niveau als Aufgabe der Daseinsvorsorge gesichert werden kann. Flankiert wird dies durch das Kompetenzzentrum „Innovative Angebotsformen im ÖPNV“, das das Land 2014 bei der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg eingerichtet hat. Zu seinen Aufgaben gehören: • die Beratung kommunaler Aufgabenträger bei der Einrichtung neuer Angebotsformen im ÖPNV, • der Aufbau eines Netzwerkes der ÖPNV-Aufgabenträger sowie der Betreiber neuer ÖPNV-Angebotsformen zur Förderung des Best-Practice-Austauschs, • die Erarbeitung von Leitlinien für die Einrichtung neuer Angebotsformen im ÖPNV sowie • die Tätigkeit als Ideengeber zur Entwicklung neuer Angebotsformen im ÖPNV. 3. Was unternimmt sie, um die Grundversorgung unter Einbeziehung alternativer Modelle und Konzepte der Nahversorgung mit öffentlichen und privaten Dienstleistungen im ländlichen Raum mittel- und langfristig zu gewährleisten und zu verbessern? Zu IV. 3.: Im Rahmen des ELR werden im Förderschwerpunkt Grundversorgung Projekte zur Grund- und Nahversorgung mit Waren und Dienstleistungen durch Zuschüsse gefördert. Der Fördersatz liegt bei 20 % der zuwendungsfähigen Ausgaben. Der maximale Zuschuss pro Projekt beträgt 200.000 € pro Projekt. Es gelten die üb - lichen Voraussetzungen für eine ELR-Förderung, also ein aussagefähiges Konzept der Gemeinde, wie die strukturelle Situation verbessert werden soll (Darstellung von Ausgangssituation, Zielen und Maßnahmen). Die Förderung im Rahmen des ELR konzentriert sich auf ländlich geprägte Orte und ist auf Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern beschränkt. Zukünftig werden auch Bundesmittel aus GAK im Rahmen der Fördergrundsätze „Kleinstunternehmen der Grundversorgung“ sowie „Einrichtungen für lokale Basisdienstleistungen “ als Kofinanzierungsmittel genutzt. In Baden-Württemberg existiert eine ganze Reihe von unterschiedlichen Nahversorgungskonzepten für den Lebensmitteleinzelhandel. Dabei lassen sich unterscheiden: Kleinflächenkonzepte und Nachbarschaftsmärkte , Nahversorgung auf Basis eines bürgerschaftlichen Engagements (z. B. genossenschaftliche Dorfläden), Konzepte mit sozialem Ansatz und Konzepte der Handelsketten . Zusätzlich kommen in den letzten Jahren noch Lieferdienste, mobile Versorger sowie Online-Angebote hinzu. Die Konzepte müssen an die jeweiligen Standortbedingungen angepasst werden. 49 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 Für die Aufrechterhaltung einer funktionierenden Nahversorgung kommt es darauf an, die Informationen über diese vorhandenen, sich immer wieder wandelnden Konzepte den Akteuren in den Kommunen, engagierten Bürgerinnen und Bürgern und an der Gründung oder Übernahme eines Lebensmittelgeschäfts Interessierten zu vermitteln. In dem Leitfaden „Nahversorgung aktuell“, den das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau und der Handelsverband Baden-Württemberg (HBW) zuletzt im Jahr 2015 gemeinsam herausgegeben haben, werden die o. g. Konzepte sowie ihre jeweiligen Standortvoraussetzungen anhand diverser Praxisbeispiele dargestellt. Der Leitfaden wurde allen Kommunen im Land kos - tenlos zur Verfügung gestellt. Im Rahmen seiner Beratungsförderung der mittelständischen Wirtschaft fördert das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau über die Handelsverbände betriebswirtschaftliche Kurzberatungen von Unternehmen des Einzelhandels , so auch von Nahversorgungsgeschäften. Der HBW erhält für das Jahr 2017 einen Zuschuss in Höhe von rund 170.000 € und wird damit in die Lage versetzt, den Betrieben verbilligte Beratungsleistungen durch branchenerfahrene Fachberater anzubieten. Ein Schwerpunkt liegt dabei beim Lebensmitteleinzelhandel. Des Weiteren stehen die in Ziff. III. 1. genannten Darlehens- und Bürgschaftsprogramme der L-Bank/Bürgschaftsbank/MBG auch den Unternehmen des Einzelhandels offen. Der Leitfaden „Nahversorgung aktuell“ enthält einen Überblick über be - stehende Fördermöglichkeiten. 4. Wie möchte sie ein selbstbestimmtes und würdiges Älterwerden im ländlichen Raum unterstützen? Zu IV. 4.: Mit der breit angelegten Strategie „Quartier 2020 – Gemeinsam. Gestalten.“ zur alters- und generationengerechten Quartiersentwicklung leistet die Landesregierung einen wesentlichen Beitrag zur Unterstützung des selbstbestimmten Älterwerdens im ländlichen Raum und knüpft damit an die Empfehlungen der Enquete - kommission „Pflege in Baden-Württemberg zukunftsorientiert und generationengerecht gestalten“ an. Quartiersentwicklung kann Antworten auf die Herausforderungen des demografischen Wandels im ländlichen Raum bieten, wenn Quartiere als Räume des Gemeinwesens gestaltet werden, die den steigenden Bedarf an Strukturen der Unterstützung und Pflege befriedigen und es älteren Menschen ermöglichen, lange in ihrem gewohnten Umfeld wohnen zu bleiben. Deshalb ist die Strategie „Quartier 2020 – Gemeinsam. Gestalten.“ ein Leuchtturmvorhaben des Ministeriums für Soziales und Integration und soll in dieser Legislaturperiode mit allen maßgeb - lichen Akteuren auf Landesebene entwickelt werden. Als Auftakt zur Strategie hat das Ministerium für Soziales und Integration bereits in diesem Jahr einen Ideenwettbewerb für innovative Konzepte zur beteiligungsorientierten Quartiersentwicklung bei den Kommunen ausgeschrieben. Ein wichtiger Aspekt der Quartiersentwicklung im ländlichen Raum sind die mit dem Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz (WTPG) geschaffenen alternativen und ins Quartier integrierbaren Wohngemeinschaften. Auf der Suche nach zukunftsorientierten Wohnalternativen für Menschen mit Unterstützungs - und Versorgungsbedarf und für Menschen mit Behinderungen auch im ländlichen Raum rücken seit geraumer Zeit Wohnformen in den Blick, in denen diese in kleinen Gruppen in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben und von Betreuungskräften unterstützt werden. Solche ambulant betreuten Wohngemeinschaften kommen dem Wunsch der Menschen nach, nicht alleine und weitestgehend selbstbestimmt zu leben. Hierbei sollen insbesondere das Wohnen sowie die Alltagsgestaltung und nicht die Unterstützungsleistungen selbst im Vordergrund stehen. Mit dem 2014 in Kraft getretenen WTPG wurden die gesetzlichen Grundlagen für die Entwicklung und Verbreitung dieser innovativen Wohnformen im Land geschaffen . Klassische Merkmale dieser familienähnlichen Wohn- und Lebensgemeinschaften sind etwa deren Kleinteiligkeit und Überschaubarkeit. Durch die geringe Größe können ambulant betreute Wohngemeinschaften auch direkt in klei- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 50 neren Gemeinden oder in Wohnquartieren realisiert werden. So kann es ermöglicht werden, dass Menschen mit Unterstützungs- und Versorgungsbedarf und Menschen mit Behinderungen vor Ort in ihrer Heimatgemeinde ein ihren Bedürfnissen entsprechendes Wohnangebot mit Versorgungssicherheit in Anspruch nehmen können. 5. Wie schätzt sie den Wohnraumbedarf im ländlichen Raum ein und mit welchen Maßnahmen kann dieser sichergestellt werden? Zu IV. 5.: Studien gehen in den nächsten Jahren von einem erheblichen zusätzlichen Wohnungsbedarf in Baden-Württemberg aus. Dieser resultiert aus steigenden Bevölkerungszahlen , einem geänderten Wohnungsbedarf durch Veränderungen in der Haushaltsstruktur und dem gestiegenen Wohnflächenbedarf pro Kopf. Wohnraum-Allianz Eine genaue Bezifferung des aktuellen und künftigen Wohnungsbedarfs kann derzeit nicht vorgenommen werden. Deshalb hat die L-Bank in Abstimmung mit der zuständigen Arbeitsgruppe der Wohnraum-Allianz den Auftrag für eine Bedarfsstudie erteilt. Es ist davon auszugehen, dass auch in den Städten und Gemeinden des ländlichen Raums der Bedarf über den aktuellen Baufreigabezahlen liegt. Aus diesem Grund sieht das Förderprogramm Wohnungsbau BW 2017 (vgl. hierzu Antwort zu II. 1.) auch eine Ausweitung der Förderkulisse auf alle Gebietskate - gorien im Land und damit erstmals ein landesweites Angebot auch für die allge - meine soziale Mietwohnraumförderung vor. Diese war zuvor an den sog. Bedarfszentren des Landes ausgerichtet. ELR Das ELR ist seit 2017 verstärkt auf den Förderschwerpunkt „Wohnen“ und die Innenentwicklung ausgerichtet. Mindestens 50 % der zur Verfügung stehenden Fördermittel werden für diesen Bereich eingesetzt. Damit können bereits in diesem Jahr Projekte gefördert werden, mit denen über 900 zeitgemäße Wohneinheiten entstehen. Städtebauförderung Von den Städtebauförderungsmitteln fließen erhebliche Finanzmittel in die Sicherung und Aufwertung des Wohnungsbestandes sowie des Wohnumfeldes. Dabei ist vor allem die energetische Modernisierung von Bedeutung. Immer stärker in den Blickpunkt gelangen hier die Wohnsiedlungen der 50er- bis 70er-Jahre: viele Bewohner sind betagt, die Häuser groß und unsaniert. Hier ist noch stärker als bisher zu überlegen, für die älteren Bewohnern im Quartier Wohnraum zu schaffen , der ihren Bedürfnissen entspricht. Gleichzeitig sollte dann jungen Familien geholfen werden, den Bestand energetisch zu sanieren und an heutige Wohnstandards anzupassen. Ein bedeutsamer Schwerpunkt der Städtebauförderung ist schon seit Jahren die Neustrukturierung und Umnutzung von Brachflächen. Solche Brachflächen sind beispielsweise Industrie- und Gewerbebrachen, bisher militärisch genutzte Gebäude und Liegenschaften, oder Bahnbrachen. Diese Gelände eignen sich für andere Nutzungen, insbesondere den Wohnungsbau, Gewerbe und hochwertige Dienstleistungen. Wie die laufende Bundeswehrstrukturreform sowie der Abzug der US-Streitkräfte aus Baden-Württemberg zeigen, wird dieser Schwerpunkt auch zukünftig unverzichtbar sein. 51 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1831 6. Welchen Handlungsbedarf erkennt sie in Bezug auf die rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Innenentwicklung der Kommunen und dem Erhalt attraktiver Ortskerne im ländlichen Raum? Zu IV. 6.: Mit dem ELR sollen vor allem die Gemeinden des ländlichen Raums in die Lage versetzt werden, auf der Grundlage eigener Überlegungen oder in interkommunaler Zusammenarbeit ihre Strukturen zu verbessern und sich entsprechend der jeweiligen Eigenart weiterzuentwickeln. Dabei sind die Innenentwicklung, die Stärkung der Ortskerne und die wohnortnahe Grundversorgung von besonderer Bedeutung . Um speziell bei innerörtlichen Problemlagen die Beseitigung nicht erhaltenswürdiger Bausubstanz zur Schaffung von Baumöglichkeiten in den Ortskernen voranzubringen, wurde der Fördersatz für Gemeinden zur Förderung des unrentierlichen Mehraufwandes bei Baureifmachungen auf 75 % erhöht. Die Schaffung steuerlicher Anreize zum effizienten Umgang mit Flächen könnte neben anderen Maßnahmen einen wichtigen Beitrag zur Aktivierung von Brachflächen und Innenentwicklungspotenzialen leisten. Daher hatte die Landesregierung in der ersten Phase der Grundsteuerreform im Rahmen der Behandlung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Bewertungsgesetzes im Bundesrat (Bundesratsdrucksache 515/16) eine Entschließung mit dem Ziel eingebracht, die Stärkung der Innenentwicklung durch finanzielle Anreize voranzutreiben. In der Ent - schließung war eine Ermächtigung der Gemeinden angedacht, für bestimmte durch Satzung festgelegte Grundstücke Abweichungen vom Grundsatz der Einheitlichkeit des Hebesatzes vorzusehen, um es den Städten und Gemeinden zu ermög lichen, Anreize für einen effizienten Umgang mit Flächen zu setzen und die Mobilisierung von erschlossenen, aber unbebauten Grundstücken voranzubringen . Im Bereich des Städtebaus ist die derzeitige Städtebauförderung fortzuführen und aufgrund der aktuellen Herausforderungen moderat zu erhöhen. Es ist darauf hinzuwirken , dass eine verstärkte Bündelung von Fördermaßnahmen in Sanierungsgebieten nach § 142 Baugesetzbuch erfolgt (siehe auch Ziff. I. 4.). Zusätzlich beabsichtigt die Landesregierung in Umsetzung des Koalitionsvertrags , den Bestandsschutz bei langjährig nicht mehr genutzten innerörtlichen Tierhaltungsanlagen gesetzlich zu begrenzen. Damit sollen Hemmnisse bei der Innenentwicklung in landwirtschaftlich geprägten Innenbereichen von Gemeinden beseitigt und Wohnbebauung ermöglicht werden. In Vertretung Gurr-Hirsch Staatssekretärin