Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1835 23. 03. 2017 1Eingegangen: 23. 03. 2017 / Ausgegeben: 09. 05. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Nach welchem Verfahren erfolgt die Zuweisung von Lehrkräften an die Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) ab dem Schuljahr 2017/2018 (aufgeschlüsselt nach Förderschwerpunkten)? 2. Mit welcher Begründung geht nur bei dem Förderschwerpunkt Lernen die Bevölkerungszahl in die Berechnung des Differenzierungskontingents ein? 3. Wie schätzt sie die Auswirkungen dieses Berechnungsmodells basierend auf der Bevölkerungszahl für Schulen im ländlichen Raum ein? 4. Wie stellt sie sicher, dass im ländlichen Raum auch in Zukunft SBBZ mit unterschiedlichen Förderschwerpunkten zugänglich sind? 5. Wie viele Lehrkräfte mit welcher Lehrbefähigung (Grundschule bzw. Sonderschule ) werden der Astrid-Lindgren-Förderschule in Osterburken-Bofsheim im Schuljahr 2017/2018 zugewiesen? 6. Inwiefern kann sie bestätigen, dass die Umsetzung des Organisationserlasses eine Reduzierung der Klassen (von sieben auf vier) in der Astrid-Lindgren- Schule zur Folge hätte und wie bewertet sie diesen Umstand? 23. 03. 2017 Nelius SPD Kleine Anfrage des Abg. Georg Nelius SPD und Antwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Astrid-Lindgren-Förderschule Osterburken-Bofsheim Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1835 2 B e g r ü n d u n g Die Umsetzung des Organisationserlasses des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport bewirkt eine Verlagerung von Lehrerressourcen von den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren hin zu den Regelschulen. Kinder mit erhöhtem Förderbedarf müssen daher häufig weit entfernte sonderpädagogische Einrichtungen aufsuchen, um adäquat gefördert zu werden. Besuchen sie dennoch Regelschulen, stehen dort unter Umständen nicht ausreichende Unterrichtskapazitäten oder keine passgenauen Angebote für sie bereit. Die Kleine Anfrage klärt, inwiefern eine Anpassung des Organisationserlasses nötig ist, um eine sonderpädagogische Förderung im ländlichen Raum zu gewährleisten. A n t w o r t Mit Schreiben vom 10. April 2017 Nr. 21-6411.700/530/1 beantwortet das Minis - terium für Kultus, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Nach welchem Verfahren erfolgt die Zuweisung von Lehrkräften an die Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) ab dem Schuljahr 2017/2018 (aufgeschlüsselt nach Förderschwerpunkten)? Grundlage für die Zuweisung von Lehrkräften an die Sonderpädagogischen Bildungs - und Beratungszentren (SBBZ) für das kommende Schuljahr ist die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport zur Eigenständigkeit der Schulen und Unterrichtsorganisation im Schuljahr 2017/2018 (Organisationserlass ) vom 3. April 2017. Dieser sieht für die Förderschwerpunkte emotionale und soziale Entwicklung, Sehen, Hören, Sprache, geistige Entwicklung, körperliche und motorische Entwicklung sowie für Schülerinnen und Schüler in längerer Krankenhausbehandlung eine Zuweisung von Lehrerwochenstunden (sowohl Direktzuweisung als auch Differenzierungskontingent) entsprechend der gemeldeten Schülerzahl vor. Für den Förderschwerpunkt Lernen orientiert sich die Zuweisung anhand der Schülerzahlen an den Grundschulen (Direktzuweisung ). Für das Differenzierungskontingent im Förderschwerpunkt Lernen wird die Zahl der 6- bis 15-jährigen im Einzugsbereich der Schule herangezogen. 2. Mit welcher Begründung geht nur bei dem Förderschwerpunkt Lernen die Bevölkerungszahl in die Berechnung des Differenzierungskontingents ein? Ende der 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre haben die damaligen Förderschulen sich außerordentlich stark im Rahmen des sonderpädagogischen Dienstes engagiert und für zahlreiche Schülerinnen und Schüler die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sie erfolgreich an allgemeinen Schulen gefördert werden können. Dies hat zwangsläufig dazu geführt, dass die Schülerzahl im Stammhaus zurückging . Nach der damaligen Verwaltungsvorschrift zur Eigenständigkeit der Schulen und Unterrichtsorganisation (Organisationerlass), die sich an der Zahl der Schülerinnen und Schüler am SBBZ orientierte, führte das wiederum dazu, dass die Schulen im Folgejahr personell schlechter gestellt wurden und damit auch ihr Engagement im Rahmen des sonderpädagogischen Dienstes an allgemeinen Schulen zurücknehmen mussten. Die Folge war, dass im darauffolgenden Jahr die Zahl der Schülerinnen und Schüler an Förderschulen wieder anstieg. Um diese Pendelbewegung zu durchbrechen, wurde die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des Gesamtbedarfs (Lehrerwochenstunden für die Unterrichtsversorgung der Schülerinnen und Schüler der Schule und für den sonderpädagogischen Dienst) an die Zahl der vollzeitschulpflichtigen Schülerinnen und Schüler im Einzugsbereich der Schule gekoppelt, die nicht solchen Schwankungen unter- 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1835 liegt. Die Schule hatte damit den Auftrag, für Schülerinnen und Schüler mit einem Bedarf an sonderpädagogischer Beratung und Unterstützung im Förderschwerpunkt Lernen an allgemeinen Schulen diesem Unterstützungsbedarf Rechnung zu tragen und für Schülerinnen und Schüler mit einem Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot im Förderschwerpunkt Lernen das entsprechende Unterrichtsangebot vorzuhalten. 3. Wie schätzt sie die Auswirkungen dieses Berechnungsmodells basierend auf der Bevölkerungszahl für Schulen im ländlichen Raum ein? Aus Sicht des Kultusministeriums hat sich in der Summe das Verfahren bewährt. In einzelnen Regionen, in denen ein überproportionaler Schülerrückgang v. a. im Primarbereich zu verzeichnen gewesen ist, war und ist es erforderlich, dass die untere Schulaufsichtsbehörde hier ausgleichend wirkt, da das „Herauswachsen“ der Schülerinnen und Schüler aus dem SBBZ mit dem Förderschwerpunkt Lernen auch die Sekundarstufe betrifft (die Schülerinnen und Schüler können diese Schule bei Bedarf bis zum Ende der 9. Klasse besuchen). Diese Möglichkeit der gezielten und bedarfsbezogenen Zuweisung sieht der Organisationserlass explizit vor. 4. Wie stellt sie sicher, dass im ländlichen Raum auch in Zukunft SBBZ mit unterschiedlichen Förderschwerpunkten zugänglich sind? Das Kultusministerium fühlt sich dem Elternwahlrecht verpflichtet. Dies sieht vor, dass die Eltern von Schülerinnen und Schülern mit einem Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot die Möglichkeit haben zu wählen, ob sie im Rahmen eines inklusiven Bildungsangebots eine Einlösung in der allgemeinen Schule oder an einem SBBZ wünschen. Entsprechend muss ein Netz von SBBZ aller Förderschwerpunkte vorgehalten werden, in dem die einzelnen Schulstand - orte in zumutbarer Entfernung erreichbar sind. Dort wo die Schülerzahlen so stark zurückgehen, dass ein ordentlicher Schulbetrieb nur sehr erschwert aufrechterhalten werden kann, sucht die Schulverwaltung zusammen mit dem Schulträger standortbezogen nach passgenauen Lösungen. Hierbei werden unterschiedliche Wege beschritten, die alle zum Ziel haben, ein für die Region sinnvolles und in Verbindung mit dem Elternwahlrecht ein für die Schülerinnen und Schüler erreichbares Bildungsangebot vorzuhalten. 5. Wie viele Lehrkräfte mit welcher Lehrbefähigung (Grundschule bzw. Sonderschule ) werden der Astrid-Lindgren-Förderschule in Osterburken-Bofsheim im Schuljahr 2017/2018 zugewiesen? Der tatsächliche Bedarf an Lehrkräften (u. a. mit den Lehrbefähigungen für Grundschulen bzw. Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren) kann erst nach Abschluss der Erhebung Prognose 2017 exakt definiert werden, sodass eine abschließende Aussage und Bewertung zum jetzigen Zeitpunkt nicht angemessen erfolgen kann. 6. Inwiefern kann sie bestätigen, dass die Umsetzung des Organisationserlasses eine Reduzierung der Klassen (von sieben auf vier) in der Astrid-Lindgren- Schule zur Folge hätte und wie bewertet sie diesen Umstand? Zum jetzigen Zeitpunkt ist weder die Lehrerversorgung im Land abgeschlossen, noch wurden die Schüleraufnahmen an den einzelnen Schulen abschließend verfügt . Die Astrid-Lindgren-Schule und das Staatliche Schulamt Mannheim gehen aber aktuell mit großer Wahrscheinlichkeit davon aus, dass die jetzigen sieben Klassen weitergeführt werden können, wobei es weiterhin zwei jahrgangsübergreifende Klassen gibt. Auch die inklusiven Bildungsmaßnahmen in der allgemeinen Schule werden von der Astrid-Lindgren-Schule fortgeführt werden können. Das Staatliche Schulamt berät die Schule dahingehend, dass zum einen die inklusive Beschulung im Umfang einer GS-Klassenstärke an der Astrid-Lindgren- Schule nicht weiter ausgedehnt werden soll, da ansonsten das Konzept pädagogisch gefährdet würde und auch die Ressourcenzuweisung aus der Grundschule Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1835 4 nur eine Lehrkraft zulässt. Zum anderen wird vom Schulamt dahingehend beraten , Schülerinnen und Schüler in den Blick zu nehmen, für die eine Rückschulung an eine allgemeine Schule möglich wäre. Hierfür wurde ein tragfähiges Netz mit den allgemeinen Schulen geknüpft, sodass Rückschulungsversuche zunehmend häufiger werden und meist gelingen. Die Staatlichen Schulämter sind bei der Ressourcenzuweisung an die Regelungen im Organisationserlass gebunden. Dabei können sie im Rahmen des ihnen zugewiesenen Budgets agieren. Bei ihren Zuweisungen berücksichtigen sie insbesondere auch die Versorgungssituation und die pädagogische Situation der jeweiligen Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren. Darüber hinaus können sie zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten Unterrichtsversorgung weitere Maßnahmen ergreifen. Das Staatliche Schulamt Mannheim ist im engen Austausch mit der Astrid-Lindgren -Schule Osterburken und wird gerade im Hinblick auf das dort stattfindende gemeinsame Lernen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne festgestellten Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot am Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum eine Versorgung sicherstellen, die eine Fortführung der erfolgreichen pädagogischen Arbeit ermöglicht. Dr. Eisenmann Ministerin für Kultus, Jugend und Sport