Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1890 05. 04. 2017 1Eingegangen: 05. 04. 2017 / Ausgegeben: 06. 06. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Vertragskonstruktionen sind ihr bekannt, die beim Wechsel innerhalb von Besitzverhältnissen bei Immobilien und Grundstücken die Grunderwerbssteuerpflicht zu reduzieren vermögen? 2. Wie hoch schätzt sie die Ausfälle in der Grunderwerbssteuer (auch in prozentualem Verhältnis zur Steuerpflicht bei Asset Deals), die dem Land Baden- Württemberg durch die Praxis der Reduzierung der Grunderwerbssteuerpflicht bisher entstanden sind, insbesondere durch den Übertrag von Immobilien und Grund mithilfe von Teilübertragungen der Anteile an einzelnen Objektgesellschaften durch Share Deals anstelle eines Kaufs von Immobilien und Grundstücken ? 3. Wie bewertet sie die Nutzung von Instrumenten wie Share Deals, bei denen meist 94 Prozent einer Objektgesellschaft, in deren Besitz sich Immobilien und Grund befinden, erstanden werden, anstatt die Immobilie oder das Grundstück direkt zu kaufen, um die Grunderwerbssteuerpflicht zu reduzieren? 4. Was hat sie bislang dagegen getan, die Ausfälle bei der Grunderwerbssteuer durch die Anwendung von Rechtsgeschäften, die durch die Bildung von Objektgesellschaften, deren Zweck es ist, bei einem Eigentümerwechsel einer oder mehrerer Immobilien die Grunderwerbssteuer zu reduzieren zu vermindern ? 5. Wie steht sie zu den Zwischenergebnissen der Beratungen der Länder-Arbeitsgruppe zu diesem Thema (inklusive eines Berichts über den Zwischenstand dieser Beratungen)? Kleine Anfrage des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Finanzen Reduzierung der Grunderwerbssteuerpflicht durch Share Deals Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1890 2 6. Inwieweit werden Rechtskonstrukte wie beispielsweise Share Deals, die den Zweck der Vermeidung von Grunderwerbssteuer erfüllen, von Privatpersonen genutzt, die Immobilien zum Zwecke der Eigennutzung als Wohnraum erwerben möchten? 7. Welche Schlüsse zieht sie aus den Ergebnissen der Fragestellung, wer Grund - erwerbssteuervermeidung durch Geschäfte mit Share Deals betreibt, hinsichtlich der damaligen Begründung der Grunderwerbssteuererhöhung im Land Baden-Württemberg im Jahr 2011? 8. Inwieweit liegen ihr Erkenntnisse vor, wo bei Share Deals der Erwerber der Objektgesellschaft und der Eigentümer der Minderheitsanteile sich auf den gleichen Eigentümer zurückführen lassen, also z. B. Hauptgesellschaft und Tochtergesellschaft? 9. Inwieweit wurde diese Konstruktion von Städten und Gemeinden genutzt, also z. B. Stadt und Eigenbetrieb? 10. Haben baden-württembergische Städte und Gemeinden solche Vertragskonstruktionen angewandt, um bei Rechtsgeschäften mit Immobilien die Grund - erwerbssteuerpflicht zu reduzieren? 05. 04. 2017 Dr. Rülke FDP/DVP A n t w o r t Mit Schreiben vom 28. April 2017 Nr. 3-S450.1/51 beantwortet das Ministerium für Finanzen die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Vertragskonstruktionen sind ihr bekannt, die beim Wechsel innerhalb von Besitzverhältnissen bei Immobilien und Grundstücken die Grunderwerbsteuerpflicht zu reduzieren vermögen? Zu 1.: Mit sog. „Share Deals“ wird versucht, den Anfall von Grunderwerbsteuer zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren. Als „Share Deals“ werden Transaktionen bezeichnet, bei denen Investoren nicht die betreffenden Immobilien selbst erwerben (sog. „Asset Deal“), sondern Anteile an einer Objektgesellschaft, die ihrerseits eine oder mehrere Immobilien hält. Eigentümer der Immobilie bleibt weiterhin die Objektgesellschaft, während der Investor mit seiner Gesellschafterstellung nur mittelbar an der Immobilie beteiligt wird. Werden auf diesem Wege von dem Investor weniger als 95 % der Anteile an der Objektgesellschaft erworben und behält der Verkäufer dauerhaft mehr als 5 % der Gesellschaftsanteile fällt keine Grunderwerbsteuer an. Wird die 95 %-Grenze überschritten, fingiert das Grund - erwerbsteuergesetz einen steuerbaren Rechtsträgerwechsel und der indirekte Immobilienerwerb wird besteuert. Die entsprechenden Regelungen hierzu finden sich in § 1 Abs. 2 a, 3 und 3 a des Grunderwerbsteuergesetzes. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1890 2. Wie hoch schätzt sie die Ausfälle in der Grunderwerbsteuer (auch in prozentualem Verhältnis zur Steuerpflicht bei Asset Deals), die dem Land Baden- Württemberg durch die Praxis der Reduzierung der Grunderwerbsteuerpflicht bisher entstanden sind, insbesondere durch den Übertrag von Immobilien und Grund mithilfe von Teilübertragungen der Anteile an einzelnen Objektgesellschaften durch Share Deals anstelle eines Kaufs von Immobilien und Grundstücken ? Zu 2.: Die Zurückbehaltung von Anteilen ist nach der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung nicht als Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zu werten. Es existiert auch keine Anzeigepflicht solcher Geschäfte. Daher liegen der Finanzverwaltung keine Daten vor, in welchem Umfang Veräußerungen von Geschäftsanteilen an Gesellschaften mit Immobilienbesitz unterhalb der 95 %- Grenze zur Umgehung einer Grunderwerbsteuerbelastung erfolgen. Gestaltungen an der 95 %-Grenze, z. B. über Treuhandgeschäfte, sind immer wieder Gegenstand von verbindlichen Auskünften bei den Finanzämtern. Miss - glückte Gestaltungen werden von den Finanzämtern aufgegriffen und sind auch Gegenstand von Rechtsbehelfen. Mangels Verfügbarkeit belastbarer Daten lässt sich jedoch keine Aussage dazu treffen, in welcher Höhe durch entsprechende Gestaltungen, die Entstehung von Grunderwerbsteuer vermieden wurde. 3. Wie bewertet sie die Nutzung von Instrumenten wie Share Deals, bei denen meist 94 Prozent einer Objektgesellschaft, in deren Besitz sich Immobilien und Grund befinden, erstanden werden, anstatt die Immobilie oder das Grundstück direkt zu kaufen, um die Grunderwerbsteuerpflicht zu reduzieren? Zu 3.: Der Landesregierung ist bekannt, dass aktiv von Gestaltungsmodellen Gebrauch gemacht wird, um bei großen Immobilientransaktionen die Grunderwerbsteuer zu vermeiden. Daher beteiligt sich Baden-Württemberg an der von der Finanz - ministerkonferenz eingerichteten Arbeitsgruppe, die nach Lösungsmöglichkeiten sucht, um durch gesetzliche Maßnahmen in diesen Fällen eine entsprechende Belastung mit Grunderwerbsteuer sicherzustellen. 4. Was hat sie bislang dagegen getan, die Ausfälle bei der Grunderwerbsteuer durch die Anwendung von Rechtsgeschäften, die durch die Bildung von Objektgesellschaften , deren Zweck es ist, bei einem Eigentümerwechsel einer oder mehrerer Immobilien die Grunderwerbsteuer zu reduzieren zu vermindern? Zu 4.: Siehe Antwort zu Frage 3. 5. Wie steht sie zu den Zwischenergebnissen der Beratungen der Länder-Arbeitsgruppe zu diesem Thema (inklusive eines Berichts über den Zwischenstand dieser Beratungen)? Zu 5.: Derzeit werden von der Arbeitsgruppe zwei Modelle sowie weitere Einzelmaßnahmen diskutiert. Die Modelle sehen zum einen eine Absenkung der 95 %-Grenze bei gleichzeitiger Verlängerung der bestehenden Fristen (z. B. Verlängerung der Behaltefrist beim Erwerb von Beteiligungen an Personengesellschaften) vor. Zum anderen handelt es sich um ein Modell einer quotalen Besteuerung. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe sollen anschließend einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen werden, da nicht auszuschließen ist, dass z. B. bei einer stärkeren Absenkung der Grenze von 95 % die Grunderwerbsteuer den Charakter einer Kapitalverkehrsteuer annehmen könnte, deren Aufkommen nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 4 GG dem Bund zustehen würde. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1890 4 Die Landesregierung wird erst nach Abschluss dieser Prüfung die Ergebnisse der Arbeitsgruppe bewerten. 6. Inwieweit werden Rechtskonstrukte wie beispielsweise Share Deals, die den Zweck der Vermeidung von Grunderwerbsteuer erfüllen, von Privatpersonen genutzt, die Immobilien zum Zwecke der Eigennutzung als Wohnraum erwerben möchten? Zu 6.: Wie in der Antwort zu Frage 2 dargestellt, liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor, in welchem Umfang Privatpersonen entsprechende Gestaltungen nutzen. 7. Welche Schlüsse zieht sie aus den Ergebnissen der Fragestellung, wer Grund - erwerbsteuervermeidung durch Geschäfte mit Share Deals betreibt, hinsichtlich der damaligen Begründung der Grunderwerbsteuererhöhung im Land Baden-Württemberg im Jahr 2011? Zu 7.: Die Zielsetzung des Gesetzentwurfs vom 13. September 2011 der damaligen Landesregierung zur Grunderwerbsteuersatzerhöhung lautete: „Um die Nettoneuverschuldung bei der Finanzierung des Landeshaushalts zu begrenzen und gleichwohl den Pakt mit den Kommunen für Familien mit Kindern haushaltsverträglich verwirklichen zu können, ist es erforderlich, neben konsequenten Sparanstrengungen die Einnahmequellen des Landes nachhaltig zu stärken.“ Die vorgenannten Ziele wurden erreicht. 8. Inwieweit liegen ihr Erkenntnisse vor, wo bei Share Deals der Erwerber der Objektgesellschaft und der Eigentümer der Minderheitsanteile sich auf den gleichen Eigentümer zurückführen lassen, also z. B. Hauptgesellschaft und Tochtergesellschaft? 9. Inwieweit wurde diese Konstruktion von Städten und Gemeinden genutzt, also z. B. Stadt und Eigenbetrieb? 10. Haben baden-württembergische Städte und Gemeinden solche Vertragskonstruktionen angewandt, um bei Rechtsgeschäften mit Immobilien die Grund - erwerbsteuerpflicht zu reduzieren? Zu 8. bis 10.: Wie in der Antwort zu Frage 2 dargestellt, liegen der Landesregierung hierzu keine Erkenntnisse vor. Dr. Splett Staatssekretärin