Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1902 07. 04. 2017 1Eingegangen: 07. 04. 2017 / Ausgegeben: 13. 06. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Verurteilte haben seit dem 1. Januar 2008 an dem Projekt „Schwitzen statt Sitzen“ pro Jahr teilgenommen und wie verteilt sich das Ergebnis auf die Landgerichtsbezirke? 2. Wie viele Hafttage und wie viele Unkosten wurden dadurch in dem genannten Zeitraum jährlich eingespart und wie verteilt sich das Ergebnis auf die Landgerichtsbezirke ? 3. Wie beziffert sich das Verhältnis von Ausgaben pro Person zu Einnahmen pro Person in dem Projekt? 4. Wie hoch schätzt sie den Anteil der Personen ein, die einen Antrag auf Teil - nahme an dem Projekt stellen, im Verhältnis zu allen Personen, die an dem Projekt teilnehmen könnten? 5. Wie ist die Alters- und Geschlechtsstruktur der Teilnehmer? 6. Gibt es Erkenntnisse über die Rückfallquote der Teilnehmer im Vergleich zu der Rückfallquote von Personen, die an dem Projekt nicht teilnehmen? 7. Wie sind die Erfahrungen bezüglich der Vereinbarkeit des Ableistens der ge - meinnützigen Arbeit mit der schulischen/Ausbildungs-/beruflichen Tätigkeit der Betroffenen? 8. Gibt es Erkenntnisse, inwieweit die Arbeit die Rückkehr in ein geregeltes Arbeitsleben erleichtert und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöht? 07. 04. 2017 Filius GRÜNE Kleine Anfrage des Abg. Jürgen Filius GRÜNE und Antwort des Ministeriums der Justiz und für Europa Schwitzen statt Sitzen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1902 2 B e g r ü n d u n g Das Projekt „Schwitzen statt Sitzen“ ist seit dem Jahr 1987 flächendeckend in allen Landgerichtsbezirken in Baden-Württemberg möglich. Dadurch sollen auf der einen Seite Haftkosten erspart werden und auf der anderen Seite Verurteilte mittels eines konstruktiven Ansatzes an das Arbeitsleben herangeführt werden. In der vergangenen Legislaturperiode wurden die Mittel für das Projekt erhöht. A n t w o r t Mit Schreiben vom 3. Mai 2017 beantwortet das Ministerium der Justiz und für Europa die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Verurteilte haben seit dem 1. Januar 2008 an dem Projekt „Schwitzen statt Sitzen“ pro Jahr teilgenommen und wie verteilt sich das Ergebnis auf die Landgerichtsbezirke? Aus der nachfolgenden Tabelle ist die Anzahl der Personen ersichtlich, bei denen die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe vollständig oder teilweise durch die Ableistung gemeinnütziger Arbeit im Rahmen von „Schwitzen statt Sitzen“ abgewendet wurde. Die Zahlen basieren auf statistischen Erhebungen des Netzwerks Straffälligenhilfe in Baden-Württemberg GbR, das seit Januar 2008 landesweit für die Vermittlung gemeinnütziger Arbeit im Rahmen von „Schwitzen statt Sitzen “ verantwortlich ist: 2. Wie viele Hafttage und wie viele Unkosten wurden dadurch in dem genannten Zeitraum jährlich eingespart und wie verteilt sich das Ergebnis auf die Landgerichtsbezirke ? Die nachfolgende Tabelle zeigt, wie viele Hafttage jährlich durch das Ableisten von gemeinnützigen Arbeitsstunden bzw. durch (Teil-)Zahlungen im Rahmen des Projektes „Schwitzen statt Sitzen“ eingespart wurden. Auch diese Zahlen basieren auf statistischen Erhebungen des Netzwerks Straffälligenhilfe in Baden-Württemberg GbR: /* %H]LUNH -DKUH %DGHQ %DGHQ (OOZDQJHQ )UHLEXUJ +HFKLQJHQ +HLGHOEHUJ +HLOEURQQ .DUOVUXKH .RQVWDQ] 0DQQKHLP 0RVEDFK 2IIHQEXUJ 5DYHQVEXUJ 5RWWZHLO 6WXWWJDUW 7ELQJHQ 8OP :DOGVKXW 7LHQJHQ 6XPPHQ 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1902 Die durchschnittlichen Kosten eines Ersatzfreiheitsstrafengefangenen pro Hafttag lassen sich aus den Haushaltsdaten nicht genau ermitteln. Einen Anhaltspunkt bilden die im Folgenden dargestellten durchschnittlichen Tageshaftkosten pro (regulärem ) Gefangenen: Da es sich hierbei um eine Vollkostenberechnung handelt, bei der zu einem weit überwiegenden Anteil auch Personalausgaben eingerechnet sind, die unabhängig vom Ersatzstrafenvollzug anfallen, dürfte die tatsächliche Ersparnis je Projektteilnehmer darunter liegen. 3. Wie beziffert sich das Verhältnis von Ausgaben pro Person zu Einnahmen pro Person in dem Projekt? Im relevanten Zeitraum betrug der Zuschuss des Landes an das Netzwerk Straffälligenhilfe im Rahmen des Projektes „Schwitzen statt Sitzen“ für einen zur Vermeidung von einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe abgeleisteten Arbeitstag (vier Arbeitsstunden ) zwischen 7,00 Euro und 7,50 Euro. Mit dem Zuschuss sind etwa 75 bis 80 Prozent der beim Netzwerk Straffälligenhilfe für das Projekt anfallenden Kosten abgedeckt. Einnahmen werden durch das Projekt „Schwitzen statt Sitzen “ nicht erzielt. 4. Wie hoch schätzt sie den Anteil der Personen ein, die einen Antrag auf Teil - nahme an dem Projekt stellen, im Verhältnis zu allen Personen, die an dem Projekt teilnehmen könnten? Aus der Anzahl der Personen, die jährlich am Projekt teilgenommen haben und der Anzahl der Gefangenen, die pro Jahr zur Verbüßung einer Ersatzfreiheits - strafe in Justizvollzugsanstalten inhaftiert waren, ergibt sich, dass ca. zwischen 40 und 60 Prozent der theoretisch in Frage kommenden Personen am Projekt „Schwitzen statt Sitzen“ teilnehmen. /* %H]LUNH -DKUH %DGHQ %DGHQ (OOZDQJHQ )UHLEXUJ +HFKLQJHQ +HLGHOEHUJ +HLOEURQQ .DUOVUXKH .RQVWDQ] 0DQQKHLP 0RVEDFK 2IIHQEXUJ 5DYHQVEXUJ 5RWWZHLO 6WXWWJDUW 7ELQJHQ 8OP :DOGVKXW 7LHQJHQ 6XPPHQ +DIWNRVWHQ RKQH %DXNRVWHQ %DXNRVWHQVDW] +DIWNRVWHQ PLW %DXNRVWHQ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1902 4 5. Wie ist die Alters- und Geschlechtsstruktur der Teilnehmer? Die Altersstruktur wird statistisch nicht gesondert erhoben. Der Anteil der Frauen bei den Klienten von „Schwitzen statt Sitzen“ betrug in den letzten Jahren nach Auskunft des Netzwerks Straffälligenhilfe konstant zwischen 20 und 22 Prozent. 6. Gibt es Erkenntnisse über die Rückfallquote der Teilnehmer im Vergleich zu der Rückfallquote von Personen, die an dem Projekt nicht teilnehmen? Dazu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. 7. Wie sind die Erfahrungen bezüglich der Vereinbarkeit des Ableistens der gemeinnützigen Arbeit mit der schulischen/Ausbildungs-/beruflichen Tätigkeit der Betroffenen? Das Netzwerk Straffälligenhilfe hat berichtet, dass die Ableistung gemeinnütziger Arbeit neben einer (Schul-)Ausbildung oder beruflichen Tätigkeit nicht ganz einfach zu organisieren sei. Durch die fortlaufenden Koordinierungstätigkeiten und die Pflege von Einsatzstellen durch die im Netzwerk organisierten Vermittlungsstellen hätten viele Einsatzmöglichkeiten erschlossen werden können, an denen die Ableistung der gemeinnützigen Stunden auch an Wochenenden oder in den Abendstunden möglich sei. In diesen Fällen verlängere sich jedoch die endgültige Ableistung der Arbeitszeit oft erheblich, was wiederum zu Konflikten mit der zuweisenden Staatsanwaltschaft führen könne. Problematisch seien insbesondere Klienten, die in sogenannten „prekären Beschäftigungsverhältnissen“ wie z. B. Leih- oder Zeitarbeit bzw. Minijobs oder geförderten Arbeitsgelegenheiten arbeiteten . Deren Arbeitszeiten seien geprägt von Unregelmäßigkeit und Unplanbarkeit . Hierdurch erschwere sich der Einsatz in Beschäftigungsstellen für ge - meinnützige Arbeit erheblich. Andererseits verdienten diese Klienten so wenig, dass ihnen die Begleichung einer Geldstrafe auch in kleinen Raten nicht möglich sei. 8. Gibt es Erkenntnisse, inwieweit die Arbeit die Rückkehr in ein geregeltes Arbeitsleben erleichtert und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöht? Nach Auskunft des Netzwerks Straffälligenhilfe werden die Maßnahmen, die nach der Beendigung der gemeinnützigen Arbeit erfolgen, statistisch nicht erhoben . Die Ableistung gemeinnütziger Arbeit könne den Klienten ein neues Selbstwertgefühl vermitteln, sie würden „gebraucht“, hätten wieder eine regelmäßige Tagesstruktur und könnten auf dem Arbeitsmarkt gefragte Fähigkeiten einüben. Deshalb stelle das Ableisten von gemeinnütziger Arbeit auch einen wesentlichen Beitrag zur Integration auf dem Arbeitsmarkt dar. Von einigen Vermittlungsstellen sei eine enge Zusammenarbeit mit den Jobcentern bzw. Arbeitsagenturen vor Ort bekannt. Hier würden arbeitslose Klienten, die sich im Bereich der Ableistung von Arbeitsstunden bewährt hätten, durch nachfolgende Fördermaßnahmen gezielt weiter auf den Ersten Arbeitsmarkt vorbereitet. Auch werde von den Einsatzstellen immer wieder berichtet, dass Personen, die bei ihnen gemeinnützige Arbeit ableisteten, anschließend eine Festanstellung in der Einrichtung erhalten hätten. Wolf Minister der Justiz und für Europa