Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1914 10. 04. 2017 1Eingegangen: 10. 04. 2017 / Ausgegeben: 13. 06. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Fortschritte konnten ihrer Kenntnis nach gegenüber dem in Landtagsdrucksache 15/1736 beschriebenen Stand (2012) der europäischen Normung der technischen Ausrüstung und insbesondere der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge erreicht werden (bitte konkrete Vereinbarungen und Normen aufführen )? 2. Welche technischen Lösungen oder Verfahren im Zusammenhang mit der E-Mobilität sind bzw. werden nach ihrer Kenntnis überstaatlich vereinheitlicht, die in Deutschland und insbesondere in Baden-Württemberg erarbeitet wurden? 3. Wie viele Arbeitsplätze sind in Baden-Württemberg in den relevanten Indus - triezweigen (z. B. Fahrzeugindustrie, Elektroindustrie, chemische Industrie, Ausrüstungen) in Baden-Württemberg nach ihrer Kenntnis derzeit eindeutig mit der Forschung an und der Herstellung von Elektrofahrzeugen und deren typischen Komponenten (z. B. E-Antriebe, Batterien, Regeltechnik, Leichtbaumaterialien für Karosserien, Forschung zu Sicherheitsthemen) befasst? 4. In welcher Relation sieht sie hierzu die Bedeutung der in Baden-Württemberg heute vorhandenen Arbeitsplätze im klassischen Verbrennungsmotor-Fahrzeugbau samt Zulieferern nach Anzahl und nach Qualifikationsniveau? 5. Welche Perspektiven (z. B. neue Anwendungen) sieht sie für die unter Frage 4 erfragten Arbeitsplätze des klassischen Fahrzeugbaus und seiner Zulieferer, sollte der klassische Verbrennungsmotor-Fahrzeugbau in Baden-Württemberg infolge politischer Vorgaben unwirtschaftlich werden? 6. Wie viele Patente wurden im Bereich des Fahrzeugbaus in Baden-Württemberg seit dem 1. Januar 2012 erfolgreich angemeldet (bitte Patente, die der E-Mobilität zugehörig sind, kennzeichnen)? Kleine Anfrage des Abg. Bernd Gögel AfD und Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Praktische Aspekte der Elektromobilität Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1914 2 7. In welchen Staaten sind nach ihrer Kenntnis derzeit die Kernkompetenzen der Erforschung und Herstellung der wesentlichen Komponenten von Elektrofahrzeugen überwiegend angesiedelt (bitte, soweit bekannt, Forschungseinrichtungen , wichtige Hersteller, deren Spezialisierung und Größenordnung ihrer Geschäftsaktivitäten z. B. nach Umsätzen oder Stückzahlen nennen)? 8. Sind den Behörden in Baden-Württemberg seit dem 1. Januar 2012 Brände von Elektrofahrzeugen oder zu ihnen gehörenden Komponenten bekannt geworden (falls ja, bitte Umstände des jeweiligen Vorfalls und Fahrzeugtyp nennen )? 9. Wie ist nach ihrer Kenntnis die Lagerung und der Umgang von und mit Lithium -Ionen-Akkus bei Kundendiensten, Händlern, Transporteuren aus versicherungsrechtlicher Sicht geregelt? 10. Sieht sie angesichts des bauartbedingten spezifischen Brandverhaltens von Lithium-Ionen-Akkus Grund für gesetzliche Regelungen, welche derzeitigen Elektrofahrzeugen ähnliche Nutzungseinschränkungen (z. B. Tiefgaragen, Tunnels ) auferlegen, wie z. B. erdgasbetriebenen Fahrzeugen? 10. 04. 2017 Gögel AfD B e g r ü n d u n g Gefragt wird nach praktischen Folgen der politisch forcierten Elektromobilität. Deren Auswirkungen auf Arbeitsmarkt und Technologieregion werden öffentlich diskutiert. Von Interesse ist, in welchen Ländern die erwartete Wertschöpfung im erwarteten Massengeschäft mit der Elektromobilität absehbar stattfinden wird bzw. in welche Größenordnungen die in Landtagsdrucksache 16/1363 beschriebenen Förder- und Forschungsaktivitäten im internationalen Maßstab einzuordnen sind. Um die Sicherheit der in Elektrofahrzeugen verwendeten Lithium-Ionen- Akkus ist eine öffentliche Diskussion im Gange – verwiesen sei auf Internet-Veröffentlichungen des Fraunhofer-Instituts für Kurzzeitdynamik und auf einen Artikel in „Positionen. Das Magazin der deutschen Versicherer“ (März 2017). Im Wahlkreis berichtete Personal eines Abschleppunternehmens, ein verunfalltes Elektrofahrzeug habe noch mehrere Tage nach dem Unfall auf dem Abstellplatz spontan zu brennen begonnen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1914 A n t w o r t Mit Schreiben vom 9. Mai 2017 Nr. 33-4224.040/ beantwortet das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau im Einvernehmen mit dem Ministerium für Verkehr und dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Fortschritte konnten ihrer Kenntnis nach gegenüber dem in Landtagsdrucksache 15/1736 beschriebenen Stand (2012) der europäischen Normung der technischen Ausrüstung und insbesondere der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge erreicht werden (bitte konkrete Vereinbarungen und Normen aufführen )? Zu 1.: Für die erfolgreiche Positionierung der deutschen und baden-württembergischen Wirtschaft ist es im Kontext der Elektromobilität wichtig, die positiven Effekte der Normung und Standardisierung in den Entwicklungsprozess miteinzube ziehen und damit voll auszuschöpfen. Internationale Normen und Standards garantieren Nutzerfreundlichkeit und Sicherheit für Investitionen in Fahrzeuge und Ladeinfrastruktur . Sie bilden den Rahmen, in dem Elektromobilität entwickelt wird und sorgen beispielsweise dafür, dass die Nutzer ihre Fahrzeuge an jedem Ladepunkt problemlos laden können – auch im Ausland. Die Normung auf dem Gebiet der Elektromobilität ist durch einige Aspekte charakterisiert , die sie von der bisherigen Normung unterscheidet. Die besondere Herausforderung besteht darin, die vielfältigen Aktivitäten unterschiedlicher Branchen und Industriezweige bedarfsgerecht und zielführend zu koordinieren und zu integrieren. Die Elektromobilität erfordert ein neues, übergreifendes Sys - temdenken. Bislang wurden Normen und Standards domänenspezifisch für die Bereiche der Elektrotechnik/Energietechnik und der Automobiltechnik getrennt betrachtet. Gerade für das Zusammenführen dieser Domänen und die sich daraus ergebenden neuen Berührungspunkte und Schnittstellen fehlten bislang eine übergreifende Sichtweise und eine klare thematische Zuordnung. Für die Sicherheit und den Umweltschutz bei Kraftfahrzeugen und bei Gefahrguttransporten gelten vor allem Vorschriften, die in der Regel auf europäischer oder internationaler Ebene entwickelt werden. Normen sind hier weniger maßgeblich bzw. werden nur in Ergänzung zu den Vorschriften erstellt. Für die Zulassung und Genehmigung von Kraftfahrzeugen in Deutschland sind insbesondere europäische Verordnungen und Richtlinien verbindlich vorgeschrieben. Zukünftig werden darin vermehrt UN-Regelungen oder globale technische Regelungen herangezogen . Diese werden auf internationaler Ebene vom „Weltforum für die Harmonisierung von Fahrzeugregelungen“ bei der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UN/ECE) entwickelt. Fahrzeugklassen, deren Zulassung nicht durch spezifische Verordnungen und Richtlinien geregelt ist, fallen unter die Maschinenrichtlinie (Richtlinie 2006/42/EG). Lithium- und Lithium-Ionen-Batterien unterliegen aus Gründen der Sicherheit und der Vermeidung von Brand- und Explosionsgefahren bei der Beförderung den in völkerrechtlich verbindlichen internationalen und europäischen verkehrsrechtlichen Übereinkommen über die Beförderung gefährlicher Güter festgelegten Anforderungen und Vorschriften. Sofern an einer (AC-, DC- oder induktiven) Ladestation elektrische Energie verkauft wird, müssen die Rahmenbedingungen des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und des Eichrechtes berücksichtigt werden. Für einen direkten Netz - anschluss der Ladestation sind die jeweiligen Technischen Anschlussbedingungen (TAB) zu berücksichtigen. Für das richtige Messen von elektrischer Energie gibt es auf nationaler Ebene rechtliche Vorgaben durch das Energiewirtschaftsgesetz und das Eichgesetz. Normen können hier zur Schaffung einheitlicher Lösungen bei - tragen, die die gesetzlichen Rahmenbedingungen technisch implementieren. Das Energiewirtschaftsrecht macht insbesondere durch die §§ 21 b bis 21 i, 40 EnWG Vorgaben bezüglich der Mindestanforderungen an die Datensicherheit und den Datenschutz sowie der Transparenz und Verständlichkeit der Abrechnung auch im Zusammenhang mit dem Verkauf von Elektrizität für Elektromobilität. Diese Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1914 4 Vorgaben finden unter anderem ihren Niederschlag in einem Schutzprofil sowie technischen Richtlinien des BSI, die Sicherheits- und Interoperabilitätsanforderungen für eine Kommunikationseinrichtung für Messsysteme nach EnWG definieren . Das Eichrecht schafft die Voraussetzungen für das metrologisch richtige Messen und Abrechnen beim Verkauf der Elektrizität für Elektromobilitätszwecke . Fragen der Messdatensicherheit und des Messdatenschutzes werden mit dem neuen Energiewirtschaftsrecht überwiegend in dem dort zugehörigen Regelungsrahmen beantwortet. Sofern ein Verkauf der elektrischen Energie vorge - sehen ist, dürfen in den Ladestationen nur nach dem Eichrecht zugelassene Elektrizitätszähler verwendet werden. Das Elektromobilitätsgesetz (EmoG), das zum 12. Juni 2015 in Kraft getreten ist, sieht vor, rein batterieelektrisch betriebenen Fahrzeugen, Plug-in-Hybriden – sofern sie bestimmte Mindestanforderungen erfüllen – und Brennstoffzellenfahrzeugen im öffentlichen Verkehr Sonderrechte einzuräumen. Im März 2016 trat die Ladesäulenverordnung (LSV) in Kraft, die technische Mindestanforderungen an den Betrieb von öffentlich zugänglichen Ladepunkten für Elektrofahrzeuge enthält. Dabei wird durch die Definition eines einheitlichen Standards für Stecker die Kompatibilität erhöht. Die EU prüft, inwieweit Maßnahmen zur Förderung von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge an und in Gebäuden gesetzlich vorgeschrieben werden können, sowohl im Neubau als auch im Bestand. Gesetzgeberische Maßnahmen im Wohnungseigentumsrecht und Mietrecht mit dem Ziel, den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge auch im privaten Raum zu erleichtern, werden durch eine Bundesratsinitiative der Länder Bayern, Sachsen und Hessen vorgeschlagen (Bundesratsdrucksache 340/16). Die Landesregierung hat diese Initia - tive unterstützt. Der Bundesrat hat den Gesetzentwurf beim Deutschen Bundestag eingebracht. Eine Übersicht der Normen zur Elektromobilität ist in Anlage A zusammengefasst. 2. Welche technischen Lösungen oder Verfahren im Zusammenhang mit der E-Mobilität sind bzw. werden nach ihrer Kenntnis überstaatlich vereinheitlicht, die in Deutschland und insbesondere in Baden-Württemberg erarbeitet wurden? Zu 2.: Ein wesentliches Element zur erfolgreichen Etablierung der Elektromobilität ist eine standardisierte und harmonisierte Ladeinfrastruktur. Aus diesem Grund wird für eine technische Lösung bzw. ein Verfahren im Zusammenhang der Elektromobilität aus Deutschland und maßgeblich aus Baden-Württemberg die Charging Interface Initiative e. V. – kurz CharIN e. V. – genannt. Diese hat es sich zum Ziel gesetzt, das Combined Charging System (CCS) als weltweiten Ladestandard für batteriebetriebene Elektrofahrzeuge aller Art zu etablieren. Dazu wurden Anforderungen für die Entwicklung ladebezogener Standards herausgearbeitet. Außerdem wurde ein Zertifizierungssystem für Hersteller entwickelt, die das CCS in ihren Produkten realisieren. CharIN e. V. ist ein eingetragener Verein, der von Audi, BMW, Daimler, Mennekes , Opel, Phoenix Contact, Porsche, TÜV SÜD und Volkswagen gegründet wurde. Er ist für weitere Partner offen. Mit dem Combined Charging System (CCS) wurde bereits ein einheitliches Ladesystem in Europa und den USA etabliert. Damit können die Nutzer ihre Fahr - zeuge an Normalladepunkten mit bis zu 43 Kilowatt und an Schnellladepunkten mit perspektivisch bis zu 350 Kilowatt mit Energie versorgen. Dafür müssen die Nutzer lediglich Fahrzeug und Ladesäule verbinden. Diese tauschen mithilfe der im CCS standardisierten Kommunikation eigenständig Informationen aus, beispielsweise über den Ladestand. Auch für die zukünftigen Ladesysteme sind frühzeitig internationale Standards zu entwickeln. Das betrifft insbesondere das kabellose induktive Laden, bei dem das Elektrofahrzeug mithilfe eines Magnetfeldes berührungslos mit Strom versorgt wird. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1914 3. Wie viele Arbeitsplätze sind in Baden-Württemberg in den relevanten Indus - triezweigen (z. B. Fahrzeugindustrie, Elektroindustrie, chemische Industrie, Ausrüstungen) nach ihrer Kenntnis derzeit eindeutig mit der Forschung an und der Herstellung von Elektrofahrzeugen und deren typischen Komponenten (z. B. E-Antriebe, Batterien, Regeltechnik, Leichtbaumaterialien für Karosse - rien, Forschung zu Sicherheitsthemen) befasst? Zu 3.: In 2016 waren laut amtlicher Statistik rund 234.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Wirtschaftszweigen „Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen “ sowie „Sonstiger Fahrzeugbau“ in Baden-Württemberg beschäftigt. Viele Zuliefererunternehmen werden laut amtlicher Statistik anderen Wirtschaftszweigen zugeordnet. So sind beispielsweise rund 13 % aller Beschäftigten der Chemischen Industrie, rund 20 % der Mitarbeiter der gummi- und kunststoffverarbeitenden Industrie und rund 32 % aller Beschäftigten der metallver- und bearbeitenden Industrie im weiteren Sinne zum Kreis der Automobilzulieferer zuzurechnen. Bei dieser Betrachtungsweise sind rund 120.000 weitere Beschäftigte im Zulieferergeschäft für die Fahrzeugindustrie tätig. Die baden-württembergische Fahrzeugindustrie treibt die Entwicklung der Elektromobilität mit großem Engagement voran. Auch alle großen und viele kleine und mittlere Zulieferunternehmen in Baden-Württemberg sind auf System- und Komponentenebene im Segment der Elektromobilität engagiert. Zahlreiche Sys - teme und Komponenten der elektrischen Antriebsstränge heutiger Serienfahrzeuge stammen bereits von baden-württembergischen Zulieferunternehmen. Dieses Engagement wird bei einer Zunahme an Fahrzeugmodellen und verkauften Stückzahlen weiter zunehmen. Eine belastbare Zahl aus der amtlichen Statistik, wie viele der oben genannten Arbeitsplätze direkt im Zusammenhang mit der Entwicklung und Herstellung von Fahrzeugen und Komponenten der Elektromobilität stehen, liegt der Landesregierung nicht vor. 4. In welcher Relation sieht sie hierzu die Bedeutung der in Baden-Württemberg heute vorhandenen Arbeitsplätze im klassischen Verbrennungsmotor-Fahrzeugbau samt Zulieferern nach Anzahl und nach Qualifikationsniveau? 5. Welche Perspektiven (z. B. neue Anwendungen) sieht sie für die unter Frage 4 erfragten Arbeitsplätze des klassischen Fahrzeugbaus und seiner Zulieferer, sollte der klassische Verbrennungsmotor-Fahrzeugbau in Baden-Württemberg infolge politischer Vorgaben unwirtschaftlich werden? Zu 4. und 5.: Die Ziffern 4 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die automobile Wertschöpfung im Land ist heute noch eng geknüpft an den Verbrennungsmotor . Aufgrund der führenden Position, die die baden-württember - gische Automobilindustrie bei der Verbrennungsmotorentechnik weltweit hat, hängt aktuell ein maßgeblicher Anteil der Arbeitsplätze in der Automobilindustrie direkt und indirekt am Verbrennungsmotor. Das betrifft die Hersteller, aber vor allem auch die Automobilzulieferer. Weiter ist ein Großteil der baden-württembergischen Werkzeugmaschinenhersteller im Bereich der metallischen Hochpräzisionsbearbeitung tätig und hat Fahrzeughersteller und Zulieferer im Bereich der Produktion von Verbrennungsmotoren als Kundenkreis. Branchenexperten sind sich darin einig, dass der Technologie- und Strukturwandel in der Mobilität erfolgen wird. Die Branche hat aber frühzeitig reagiert und stellt sich ohne Hektik und zielorientiert für die Zukunft auf. Es gilt nun, ruhig und strategisch die traditionellen Geschäftsmodelle zu überprüfen und ggf. anzupassen , Technologiekompetenzen gezielt auszubauen und bei diesem Prozess die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zu vergessen, sondern ent - sprechend mitzunehmen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1914 6 Für die kommenden Jahre gehen die meisten Experten sogar von einem Wachstum der Branche im Bereich der konventionellen Technologien aus, zu dem die Beschäftigungspotenziale in den neuen Technologien und Geschäftsfeldern hinzukommen . Laut der im Auftrag der Landesagentur für Elektromobilität und Brennstoffzellentechnologie – e-mobil BW – durch das Fraunhofer IAO erstellten Strukturstudie zur Elektromobilität in Baden-Württemberg resultiert aufgrund des globalen Marktwachstums bis 2025 im Bereich der „konventionellen“ Komponenten (Verbrennungsmotor, Abgassystem sowie Getriebe) für das Land ein zusätzliches Beschäftigungspotenzial von ca. 5.600 Beschäftigten. Weitere Beschäftigungspotenziale für das Land bieten die Effizienztechnologien und die Neben - aggregate bzw. deren Elektrifizierung (+6.900 Beschäftigte). Für das Jahr 2025 ergibt sich durch die Komponenten des elektrifizierten Antriebsstrangs ein ausschöpfbares Beschäftigungspotenzial von 5.600 Beschäftigten. Die Studie errechnet weiter ein theoretisches Potenzial für ca. 5.800 weitere Beschäftigte im Bereich der Produktion von Batteriezellen und der Übernahme eines größeren Wertschöpfungsumfangs bei der Herstellung der elektrischen Antriebsstrangkomponenten . Diese Beschäftigungspotenziale beinhalten sowohl gewerblich-technische , als auch akademische Beschäftigte und Fachkräfte. Durch die Zunahme an Antriebsvarianten und die zunehmende Fahrzeugvernetzung sowie die Automation von Fahrfunktionen nimmt die Komplexität in der Herstellung von Großserienfahrzeugen zukünftig weiter zu. Diese Komplexität zu beherrschen, ist eine der großen Stärken des Automobilstandortes Baden-Württemberg und somit eine große Chance für die Unternehmen im Land. Die Landesregierung beobachtet die Entwicklung mit Blick auf mögliche Auswirkungen auf Unternehmen und Beschäftigte im Land mit großer Sorgfalt und begleitet zu erwartende Veränderungsprozesse in enger Abstimmung mit der Wirtschaft und mit den Gewerkschaften. 6. Wie viele Patente wurden im Bereich des Fahrzeugbaus in Baden-Württemberg seit dem 1. Januar 2012 erfolgreich angemeldet (bitte Patente, die der E-Mobilität zugehörig sind, kennzeichnen)? Zu 6.: Die Frage lässt sich aufgrund der patentrechtlichen Rahmenbedingungen nicht exakt bzw. nicht beantworten. Dem soeben veröffentlichten Jahresbericht des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) kann man entnehmen, dass beim DPMA im Jahr 2016 insgesamt 67.898 Patentanmeldungen eingingen, aber nur 15.652 Patente nach einem aufwendigen Prüfungsverfahren erteilt wurden. Daraus kann eine durchschnittliche Patenterteilungsquote von 23 Prozent hergeleitet werden, die sich allerdings nicht auf die gleiche Ausgangsbasis bezieht. Den erteilten Patenten liegen nämlich überwiegend Patentanmeldungen zugrunde, die bereits vor dem Jahr 2016 eingereicht wurden. Ob aus einer Patentanmeldung ein erteiltes Patent wird, hängt nicht nur vom Ergebnis des Prüfungsverfahrens ab, welches üblicherweise zwei bis drei Jahre dauert, sondern auch davon, ob überhaupt ein Prüfungsantrag gestellt wurde. Da der Prüfungsantrag innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nach der Anmeldung gestellt werden kann, kann es im Einzelfall mehr als zehn Jahre dauern, bis es zu einer Patenterteilung kommt. Deshalb sind patentstatistische Aussagen in diesem Bereich kaum möglich. Jede Patentanmeldung wird vom DPMA einer sogenannten Patentklasse zugeordnet , die angibt, auf welchem Gebiet der Technik die Erfindung gemacht wurde. Dabei kommt eine international einheitliche Klassifikation zum Einsatz. Diese Einteilung korrespondiert nicht mit den im üblichen Sprachgebrauch verwendeten Technologiebezeichnungen. Deshalb greift das DPMA für seine Veröffentlichungen auf eine international anerkannte Konkordanz zurück, die verschiedene Patentklassen zu insgesamt 35 Technologiefeldern zusammenfasst. So kann dem Jahresbericht 2016 entnommen werden, dass in Baden-Württemberg im Tech - nologiefeld „Transport“ am meisten Patente (2423) angemeldet wurden, gefolgt vom Technologiefeld „Maschinenelemente“ (1566 Patentanmeldungen). Dies deckt sich mit der Erfahrung, dass die baden-württembergische Industrie durch den Fahrzeug- und Maschinenbau geprägt wird. 7 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1914 Da es für den Bereich E-Mobilität bisher noch kein von der Konkordanz erfasstes Technologiefeld gibt, können derzeit keine patentstatistischen Aussagen dazu getroffen werden. So könnten beispielsweise für die E-Mobilität relevante Erfindungen sowohl im Technologiefeld „Transport“ als auch im Technologiefeld „Elektrische Maschinen und Geräte, elektrische Energie“ zu finden sein. Betrachtet man die eingereichten nationalen Patentanmeldungen sind nach dem neusten DPMA-Bericht in Deutschland die Unternehmen Robert Bosch GmbH (Platz 1) und Daimler AG (Platz 3) bundesweit unter den ersten drei Plätzen zu finden (Platz 2: Schaeffler Technologies AG & Co. KG). In Summe ist Baden- Württemberg nach wie vor die innovativste Region in Europa (bezogen auf die Patentanmeldungen pro Einwohner). In Summe wurden in Baden-Württemberg in den Jahren 2012 bis 2016 57.404 nationale Patentanmeldungen eingereicht (2012: 14.243; 2013: 14.566; 2014: 14.534; 2015: 14.221; 2016: 14.374). 7. In welchen Staaten sind nach ihrer Kenntnis derzeit die Kernkompetenzen der Erforschung und Herstellung der wesentlichen Komponenten von Elektrofahrzeugen überwiegend angesiedelt (bitte, soweit bekannt, Forschungseinrichtungen , wichtige Hersteller, deren Spezialisierung und Größenordnung ihrer Geschäftsaktivitäten z. B. nach Umsätzen oder Stückzahlen nennen)? Zu 7.: Die automobile Wirtschaft steht vor großen technologischen wie auch strukturellen Umbrüchen. In den etablierten Märkten der Triade (Europäische Union, Nord - amerika und Japan) ist mit einer Stagnation des Automobilabsatzes zu rechnen. Vor dem Hintergrund einer aufholenden Motorisierung stellen in erster Linie die BRIC-Staaten, insbesondere China und Indien, die wichtigen Wachstumsmärkte dar. Mit der Verschiebung der Absatzmärkte geht eine veränderte globale Allokation der Produktions- und vermehrt auch der Forschungs- und Entwicklungs-Kapazitäten (FuE) einher. In einer durch das Fraunhofer ISI erarbeiteten Studie wird die aktuelle Situation der Elektromobilität im weltweiten Vergleich gegenübergestellt und bewertet. Die Untersuchung kommt zum Ergebnis, dass Baden-Württemberg heute im Bereich der nachhaltigen Mobilität, insbesondere der Elektromobilität, keine weltweit führende Angebots- oder Anwenderregionen darstellt, sondern sich im internationalen Maßstab im Mittelfeld bewegt. In den transregionalen Vergleichen wurde deutlich, dass alle betrachteten Regionen ihre die Elektromobilität betreffenden Entwicklungen auf der Basis sehr unterschiedlicher Stärken und Schwächen vollziehen. Die näher analysierten Strukturen und Potenziale lassen in ihrem Zusammenspiel keine Region als den eindeutigen Favoriten für Forschung, Entwicklung, Diffusion und Innovation auf dem Gebiet der Elektromobilität erscheinen. Dennoch lassen sich einige Schwerpunkte herausdestillieren. Auf der Angebotsseite sind dies vor allem die Regionen Aichi, Tokio und Seoul. In Japan hat mit Toyota der weltweit führende Hersteller für Elektro- und Hybridfahrzeuge seinen Hauptsitz. Die beiden Regionen in Japan setzen in allen für die Elektromobilität relevanten Technologiefeldern Maßstäbe. Auch zeigt sich in Japan eine deutlich breitere Verankerung von Elektromobilität in Zuliefernetzwerken, wobei diese fast ausschließlich auf Toyota fokussiert sind. Die Region Seoul ist im Hinblick auf die Entwicklung und Herstellung von Energiespeichern sehr gut aufgestellt. Treibende Akteure sind mit Samsung und LG Elektronikhersteller, die den Markt für Elektromobilität für sich erschließen. Die Region Kalifornien sticht vor allem auf der Anwendungsseite heraus. Vergleichsweise hohe Anteile von Elektro- und Hybridfahrzeugen an den Zulassungszahlen und ein auf die Anwendung ausgerichtetes Fördersystem sind die Stärken der Region . Aber auch die Angebotsseite ist nicht zu vernachlässigen. Mit Tesla ist in Kalifornien einer der zentralen Akteure im Bereich Elektromobilität ebenso beheimatet wie innovative IT-Unternehmen, die sich intensiv dem Themenfeld des Vernetzten Fahrens widmen. Erstaunlicherweise zeigen die untersuchten Regionen in China keine besonderen Stärken. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1914 8 8. Sind den Behörden in Baden-Württemberg seit dem 1. Januar 2012 Brände von Elektrofahrzeugen oder zu ihnen gehörenden Komponenten bekannt geworden (falls ja, bitte Umstände des jeweiligen Vorfalls und Fahrzeugtyp nennen)? Zu 8.: Der Landesregierung liegen hierzu keine Informationen vor. 9. Wie ist nach ihrer Kenntnis die Lagerung und der Umgang von und mit Lithium -Ionen-Akkus bei Kundendiensten, Händlern, Transporteuren aus versicherungsrechtlicher Sicht geregelt? Zu 9.: Lithium-Ionen-Batterien sind im internationalen Transportrecht als „Gefahrgut“ eingestuft. Damit sind für sie die vielfältigen Vorschriften für Gefahrgut-Beförderung relevant. Die sichere Beförderung gefährlicher Güter liegt im Interesse der verladenden Wirtschaft, der beauftragten Transportunternehmen sowie aller weiteren Beteiligten innerhalb der Transportkette von Lithium-Ionen-Batterien. Die Vorgaben müssen vom Versender bei jedem gewerblichen Versand von Lithium- Ionen-Batterien in eigener Verantwortung eingehalten werden. Insbesondere der Energiegehalt ist neben weiteren Kriterien entscheidend für die Entscheidung darüber , welche Gefahrgutregelungen für den Transport von Lithium-Ionen-Batte - rien berücksichtigt werden müssen. Für Batterien mit einer Energie bis zu 100 Wh gelten aufgrund einer Ausnahmeregelung des Gefahrgutrechts vereinfachte Anforderungen . Lithium-Ionen-Batterien mit einer Energie von mehr als 100 Wh sind dagegen immer als Gefahrgut der Klasse 9 zu behandeln. Für die Lagerung von Lithiumbatterien gibt es derzeit keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Es obliegt jedem Unternehmen damit selbst, geeignete Maßnahmen festzulegen und umzusetzen. Neben allgemeinen Herstellerinformationen, die sich aber im Regelfall nur auf die Lagertemperaturen beziehen, gibt es ein umfangreiches Merkblatt des Verbandes der Schadenversicherer. Eine Projektgruppe aus Vertretern der Versicherungswirtschaft, der Elektroindustrie, der Automobil - industrie, des Logistik- und Recyclinggewerbes sowie der Löschanlagentechnik hat hierzu als Hilfestellung ein frei verfügbares Merkblatt zur Schadensverhütung erarbeitet. 10. Sieht sie angesichts des bauartbedingten spezifischen Brandverhaltens von Lithium-Ionen-Akkus Grund für gesetzliche Regelungen, welche derzeitigen Elektrofahrzeugen ähnliche Nutzungseinschränkungen (z. B. Tiefgaragen, Tunnels ) auferlegen, wie z. B. erdgasbetriebenen Fahrzeugen? Zu 10.: Die Landesregierung sieht aktuell keine weiterführenden gesetzlichen Regelungen bzgl. Nutzungseinschränkungen von Elektrofahrzeugen in Tiefgaragen oder Tunnelanlagen als notwendig an. Dr. Hoffmeister-Kraut Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau 9 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1914 $QODJH $ hEHUVLFKW GHU 1RUPHQ ]XU (OHNWURPRELOLWlW Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1914 10 11 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1914 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1914 12 13 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1914 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1914 14 15 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1914 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1914 16 17 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1914 >4XHOOH 'HXWVFKH 1RUPXQJV 5RDGPDS (OHNWURPRELOLWlW GHU 1DWLRQDOHQ 3ODWWIRUP (OHNWURPRELOLWlW 13( @