Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1945 24. 04. 2017 1Eingegangen: 24. 04. 2017 / Ausgegeben: 20. 06. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche jagdpolitischen Ziele verfolgt sie für die nächsten 15 Jahre? 2. Welche problematischen Arten, die durch eine verstärkte Jagd zu regulieren wären, sind ihr derzeit bekannt? 3. Wie groß sind deren jeweiligen Populationsbestände in Baden-Württemberg? 4. Was unternimmt sie diesbezüglich, um bei nahezu allen bejagungsfähigen Arten genügend Abschusszahlen zu generieren, um einer schädlichen Ausbreitung in der Natur entgegenzuwirken? 5. Wer kontrolliert nach ihrer Ansicht die durchgeführten und bekannten Abschüsse von Rotwild, Schwarzwild und Rehwild in den Landkreisen (bitte nach Landkreisen tabellarisch auflisten)? 6. Sind nach ihrer Auffassung die Abschusszahlen geringer als angegeben oder kann davon ausgegangen werden, dass in ganz Baden-Württemberg bei allen Tierarten eine ausreichende Bejagung stattfindet? 7. Wie schätzt sie die aktuelle Situation des Gämsenbestands im Zollernalbkreis ein? Kleine Anfrage des Abg. Stefan Herre AfD und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Jagdpolitische Ziele für die Zukunft und Gämsen problematik im Zollernalbkreis Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1945 2 8. Welche Schäden sind zu erwarten, sollte nichts unternommen werden? 9. Sollen Biber und Gämsen nach ihrer Ansicht verstärkt bejagt werden oder reicht ein koordiniertes Management aus? 24. 04. 2017 Herre AfD B e g r ü n d u n g In der Regionalpresse des Zollernalbkuriers und des Schwarzwälder Boten vom 9. März 2017 wurde über Verbissschäden an Schösslingen im Zollernalbkreis, verursacht durch eine erhöhte Gämsenpopulation im Bannwald/Untereck in Alb - stadt-Laufen, berichtet. Immer wieder wird in den Medien berichtet, dass die Abschusszahlen zu niedrig sind. Auch wird berichtet, dass nicht nachvollziehbar belegt werden kann, ob gemeldete Abschusszahlen tatsächlich stimmen und wer dies genau prüft. Landwirtschaftsminister Hauk verwies kürzlich darauf, dass der Biber zu einer erhöhten Vermehrung neige und dies zu Problemen führe. Dazu berichtete der Schwarzwälder Bote im Zollernalbkreis. Mit dieser Kleinen An - frage soll diese Problematik näher beleuchtet werden und die Landesregierung um eine Stellungnahme gebeten werden. A n t w o r t Mit Schreiben vom 17. Mai 2017 Nr. Z(55)-0141.5/146F beantwortet das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Welche jagdpolitischen Ziele verfolgt sie für die nächsten 15 Jahre? Zu 1.: Die jagdpolitischen Ziele der Landesregierung leiten sich unter anderem aus den in § 2 des Jagd- und Wildtiermanagementgesetzes (JWMG) formulierten Gesetzeszielen ab. Ziel der Landesregierung ist es, 1. die Jagd als naturnahe und nachhaltige Nutzungsform des Grundeigentums und als Kulturgut unter Berücksichtigung der berührten öffentlichen und privaten Belange, insbesondere der Belange des Tier- und Naturschutzes und der Tiergesundheit , zu erhalten und weiterzuentwickeln, 2. gesunde und stabile heimische Wildtierpopulationen unter Berücksichtigung gesellschaftlicher, ökologischer und ökonomischer Belange so zu erhalten und zu entwickeln, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsund Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts und den landeskulturellen Verhältnissen stehen, 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1945 3. im Bestand bedrohte Wildtierarten zu schützen, ihre Populationen zu stärken und ihre Lebensräume zu erhalten und zu verbessern sowie die biologische Vielfalt zu sichern, 4. geeignete Instrumente des Wildtiermanagements zum Umgang mit Wildtieren und zur Sicherung und Verbesserung ihrer Lebensgrundlagen zu etablieren und zu stärken, 5. Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung durch Wildtiere zu vermeiden, 6. die Belange des Tierschutzes aus der besonderen Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf in allen Bereichen der Jagd und des Wildtiermanagements, insbesondere den nach Tierschutzrecht gebotenen vernünftigen Grund für das Töten von Tieren, zu berücksichtigen, 7. wildtierökologische Kenntnisse zu gewinnen, zu verbessern und ihre Beachtung zu gewährleisten. 2. Welche problematischen Arten, die durch eine verstärkte Jagd zu regulieren wären, sind ihr derzeit bekannt? Zu 2.: Die heimischen Wildtiere stellen grundsätzlich eine Bereicherung der Kulturlandschaften Baden-Württembergs dar. In bestimmten Konstellationen sind Wildtiere Gegenstand von Konflikten. Dabei geht es meist um die von ihnen verursachten Schäden in der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft, um die Abwehr von Gefahren für Leib oder Leben von Menschen oder erhebliche Sachwerte (Wildunfälle, Übertragung von Zoonosen), den Schutz der Wildtiere oder Fragen der Biodiversität und des biologischen Gleichgewichts. In diesem Zusammenhang bedürfen insbesondere die Populationen der Schalenwildarten (Rehwild, Schwarzwild, Gamswild, Rotwild, Damwild), der Fuchs und die Neozoen (Waschbär, Nutria, Marderhund, Nil-, Kanada- und Graugans) einer jagdlichen Regulation. 3. Wie groß sind deren jeweiligen Populationsbestände in Baden-Württemberg? Zu 3.: Wildtierpopulationen können mit vertretbarem Aufwand nicht gezählt werden. Ein Bestandstrend lässt sich lediglich aus der Entwicklung der Jagdstrecken und einem Monitoring ableiten. Diese sind in dem jährlich von der Wildforschungsstelle des Landes veröffentlichten Jagdbericht dargestellt bzw. erst im Aufbau. Abrufbar ist der Jagdbericht auf der Homepage des Landwirtschaftlichen Zentrums Baden-Württemberg, Navigationsfeld Wildforschungsstelle, Register Jagdstatistik . (http://www.landwirtschaft-bw.info/pb/site/lel/get/documents/MLR.LEL/ PB5Documents/lazbw_wfs/Schriften_WFS/WFS_Jagdbericht.pdf?attachment=true) 4. Was unternimmt sie diesbezüglich, um bei nahezu allen bejagungsfähigen Arten genügend Abschusszahlen zu generieren, um einer schädlichen Ausbreitung in der Natur entgegenzuwirken? Zu 4.: Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen müssen die Abschusszahlen der Wildtiere den in § 2 JWMG formulierten Zielen entsprechen. Für Rot-, Gams-, Sika-, Dam- und Muffelwild wird von den unteren Jagdbehörden , sofern diese Arten in einem Jagdbezirk vorkommen, ein entsprechender Abschussplan festgesetzt (§ 35 Absatz 1 JWMG). Der Abschuss des Rehwilds wird im Falle der Jagdpacht in einer Zielvereinbarung zwischen den Vertragsparteien geregelt. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1945 4 Die von den negativen Auswirkungen eines lokal hohen Wildtierbestands unmittelbar betroffenen Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümer oder Mitglieder einer Jagdgenossenschaft haben darüber hinaus die Möglichkeit, durch pachtvertragliche Regelungen oder andere Vereinbarungen mit den Jagdausübungs - berechtigten Einfluss auf eine gegebenenfalls erforderliche stärkere Bejagung einer Wildtierart zu nehmen. 5. Wer kontrolliert nach ihrer Ansicht die durchgeführten und bekannten Abschüsse von Rotwild, Schwarzwild und Rehwild in den Landkreisen (bitte nach Landkreisen tabellarisch auflisten)? Zu 5.: Die Abschusszahlen werden von den unteren Jagdbehörden bei den Kreisverwaltungen überwacht. Dazu müssen die jagdausübungsberechtigten Personen über erlegte und verendete Wildtiere mit Ausnahme der vor Beginn ihrer Jagdzeit ver - endeten Jungtiere eine Streckenliste führen und diese der unteren Jagdbehörde auf Verlangen jederzeit, spätestens jährlich am Ende des Jagdjahres, übermitteln (§ 35 Absatz 6 JWMG). Darüber hinaus kann die untere Jagdbehörde anordnen, dass jeder Abschuss von Schalenwild, das einem Abschussplan unterliegt, unverzüglich zu melden ist und das erlegte Stück oder Teile desselben vorgelegt werden müssen. Das Verfahren ist landesweit festgelegt, kreisweise Unterschiede bestehen nicht. 6. Sind nach ihrer Auffassung die Abschusszahlen geringer als angegeben oder kann davon ausgegangen werden, dass in ganz Baden-Württemberg bei allen Tierarten eine ausreichende Bejagung stattfindet? Zu 6.: Die Landesregierung geht davon aus, dass die gemeldeten Abschüsse valide sind. Die nach § 34 Absatz 1 JWMG erstellten Gutachten über den Einfluss des Wildverbisses auf die waldbaulichen Ziele (Forstlichen Gutachten) weisen in einzelnen Jagdbezirken auf die Notwendigkeit einer verstärkten Rehwildbejagung hin. Ebenso kann aus der Steckenentwicklung des Schwarzwildes und den Wildschäden , die den Behörden bekannt gewordenen sind, geschlossen werden, dass landesweit das Schwarzwild verstärkt bejagt werden muss. 7. Wie schätzt sie die aktuelle Situation des Gämsenbestands im Zollernalbkreis ein? 8. Welche Schäden sind zu erwarten, sollte nichts unternommen werden? Zu 7. und 8.: Die Ergebnisse des Forstlichen Gutachtens 2015 weisen für den Jagdbezirk Tieringen /Nord-Ost und den staatlichen Eigenjagdbezirk im Bereich des Gamswildvorkommens keine Besonderheiten auf. In beiden Jagdbezirken sind die waldbaulichen Verjüngungsziele auch bei den verbißempfindlichen Baumarten (Tanne und Edellaubholz) ohne Probleme erreichbar. Daraus lässt sich ableiten, dass das Risiko eines selektiven Schalenwildverbisses mit negativen Folgen für die Waldentwicklung reduziert ist. An der schützenswerten xerothermen Vegetation der Kalkfelsen und Kalkschutthalden wurden gamsbedingte Schäden festgestellt, die eine verstärkte Bejagung erforderlich machen. Die Regeneration dieser Schäden ist andernfalls nicht zu erwarten . 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1945 Nachdem sich im Jahre 2014 konkrete Hinweise auf eine Erhöhung der Gams - population im Naturschutzgebiet Untereck ergeben haben, wurden die Abschuss - pläne für das Gamswild erhöht. Der Abschussplan im gemeinschaftlichen Jagd - bezirk Tieringen/Nord-Ost wurde von 5 auf 12 Stk. erhöht und im staatlichen Eigenjagdbezirk wurde bei der Aufstellung des Abschussplanes für das Jagdjahr 2017/2018 die ursprüngliche Abschussplanzahl um 150 % (von 2 auf 5 Stk.) angehoben . Anhand der vorgelegten Abschusslisten ist seither ein deutlicher Anstieg der Abschusszahlen zu verzeichnen. Die Entwicklung der Gamspopulation und der Verbisssituation im Bereich des Naturschutzgebiets Untereck werden weiterhin sorgsam beobachtet und falls erforderlich werden die Gamsbestände durch eine Erhöhung des Abschusses entsprechend den waldbaulichen und naturschutzfachlichen Zielsetzungen reguliert. 9. Sollen Biber und Gämsen nach ihrer Ansicht verstärkt bejagt werden oder reicht ein koordiniertes Management aus? Zu 9.: Der Biber unterliegt nicht den Bestimmungen des Jagd- und Wildtiermanagementgesetzes (JWMG). Eine Bejagung ist daher nicht zulässig. Ein koordiniertes Management, im Rahmen dessen auch eine Entnahme einzelner Biber auf der Grundlage einer Ausnahmeentscheidung gemäß § 45 Abs. 7 des Bundesnaturschutzgesetzes erfolgen kann, wird momentan als ausreichend erachtet. Die Landesregierung wird auf Grundlage des Wildtierberichts 2018 bei sich er - folgreich etablierenden Populationen (wie beispielsweise dem Biber) die Aufnahme weiterer Arten in die Artenliste der dem Jagdrecht unterliegenden Arten prüfen . Dabei wäre eine jagdliche Nutzung nicht mit dem geltenden europäischen Artenschutzrecht vereinbar, sodass ein Jagdausübungsberechtigter ausschließlich zu Hegemaßnahmen und Monitoring berechtigt wäre. Eine pauschale und landesweit zutreffende Aussage zur Notwendigkeit, Gämsen verstärkt zu bejagen, ist nicht möglich. Ausgehend von den Gutachten nach § 34 Absatz 1 JWMG über den Einfluss des Wildverbisses auf die waldbaulichen Ziele und ggf. weiteren vorliegenden Experteneinschätzungen zeigte sich, dass der Gams - abschuss in einzelnen Jagdbezirken zu erhöhen ist, um die in § 2 Nummern 2, 3 und 5 JWMG beschriebenen Ziele zu erreichen. Im Umfeld der Kalkfelsen und Kalkschutthalden xerothermer Vegetation ist weiterhin eine verstärkte Bejagung erforderlich, um die gamsbedingten Schäden zu vermeiden und eine Regeneration bereits eingetretener Schäden zu ermöglichen. Hauk Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz