Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1963 26. 04. 2017 1Eingegangen: 26. 04. 2017 / Ausgegeben: 21. 06. 2017 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie hoch sind die Schäden durch den Frost Ende April 2017 in der Landwirtschaft und welche Regionen wurden besonders schwer getroffen? 2. Ist ihr bekannt, welche Schäden in anderen Bundesländern zu verzeichnen sind? 3. Wie hoch sind die Schäden im Vergleich zu den letzten Jahren? 4. Sieht sie durch die Schadenshöhe die Voraussetzungen zur Anwendung der „Grundsätze für eine nationale Rahmenrichtlinie zur Gewährung staatlicher Zuwendungen zur Bewältigung von durch Naturkatastrophen oder widrigen Witterungsverhältnissen verursachte Schäden in der Land- und Forstwirtschaft “ erfüllt? 5. Welche Möglichkeiten sieht sie zur kurz-, mittel- und langfristigen Unterstützung von betroffenen Landwirten und Winzern? 6. Wie viele der betroffenen Landwirte und Winzer (prozentual) haben ihrer Einschätzung nach eine Mehrgefahrenversicherung oder eine spezielle Versicherung gegen Frostschäden abgeschlossen? 7. Wie beurteilt sie die Möglichkeit der Gewährung eines Zuschusses für Mehrgefahrenversicherungen , wie es in anderen EU-Staaten praktiziert wird? 25. 04. 2017 Dr. Rapp, von Eyb CDU Kleine Anfrage der Abg. Dr. Patrick Rapp und Arnulf Freiherr von Eyb CDU und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Frostschäden in der Landwirtschaft Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1963 2 B e g r ü n d u n g In den Nächten vom 20. bis 22. April 2017 traten in einigen Landesteilen Tiefsttemperaturen von bis zu –7 °C auf. Dies führte vielerorts zu erheblichen Frostschäden in der Landwirtschaft. A n t w o r t Mit Schreiben vom 18. Mai 2017 Nr. Z(27)-0141.5/148F beantwortet das Minis - terium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Ministerium für Finanzen die Kleine Anfrage wie folgt: Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie hoch sind die Schäden durch den Frost Ende April 2017 in der Landwirtschaft und welche Regionen wurden besonders schwer getroffen? Zu 1.: In den Nächten vom 19. bis 21. April 2017 traten in einigen Landesteilen Tiefsttemperaturen bis zu –9 °C auf. Diese starken Spätfröste in Verbindung mit der vergleichsweise sehr weit entwickelten Vegetation führten zu einzelbetrieblich und kulturenabhängig unterschiedlich starken Aufwuchs- und Ertragsschäden bis hin zu flächigen Totalausfällen insbesondere im Wein- und Obstbau. Im Einzelnen ergibt sich nach einer ersten vorläufigen Schadenserhebung folgende Schadensbilanz: Landesweit sind rund 7.000 Hektar Reben sehr stark geschädigt. Hinzu kommen mehr als 6.000 Hektar obstbauliche Flächen und Ackerkulturen mit starken Schäden . Rund 7.000 Hektar der insgesamt 28.000 Hektar Weinbauflächen im Land weisen starke Schäden bis hin zu Totalschäden auf. Von den 11.000 Hektar Kernobst (Apfel, Birne) im Land gelten 2.500 Hektar als sehr stark geschädigt. Darüber hinaus weisen nahezu alle Flächen im Land Teilschäden auf. Bei den teilgeschädigten Flächen ist eine Ertragsverlustprognose zurzeit noch nicht möglich. Von den rund 4.000 Hektar Steinobst (Kirsche, Zwetschge) sind rund 3.000 Hektar sehr stark beschädigt. Von den rund 1.700 Hektar Strauchbeeren (Johannisbeeren, Himbeeren, Stachelbeeren, Brombeeren) sind rund 50 Prozent stark geschädigt. Bei den rund 2.700 Hektar Erdbeeren im Land ergibt sich ein sehr heterogenes Bild. Etwa 50 Prozent der Fläche weisen Blütenschäden im Bereich von 20 Prozent bis 80 Prozent auf. Darüber hinaus sind bei empfindlichen Acker- und Gemüsekulturen landesweit Schäden entstanden, die in der Fläche noch nicht beziffert werden können. Auch der Streuobstbau und die Kulturen in den Hausgärten sind in vielen Regionen geschädigt . Detaillierte Informationen liegen zur Zeit noch nicht vor. Das tatsächliche Schadensausmaß wird sich erst zum Erntezeitpunkt der jeweiligen Kultur ermitteln lassen. 2. Ist ihr bekannt, welche Schäden in anderen Bundesländern zu verzeichnen sind? Zu 2.: Nach ersten Informationen sind Frostschäden im Obst- und Weinbau insbeson - dere im ganzen mittel- und süddeutschen Raum (Rheinland-Pfalz, Hessen, Bayern ) zu verzeichnen. Auch aus Nord- und Ostdeutschland wird von Schäden be- 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1963 richtet. Detaillierte Informationen hierzu liegen der Landesregierung bisher nicht vor. Baden-Württemberg ist insgesamt jedoch am stärksten betroffen. Im großen Obstbaugebiet „Altes Land“ an der Niederelbe konnten durch Frostschutzberegnung bei Kernobst stärkere Schäden vermieden werden. Bei Steinobst sind dort ebenfalls erhebliche Schäden zu verzeichnen. 3. Wie hoch sind die Schäden im Vergleich zu den letzten Jahren? Zu 3.: Auf der Grundlage einer vorläufigen Schadensschätzung ist im Land im Vergleich zu 2011, als ebenfalls Spätfröste auftraten, von einem mindestens drei- bis viermal höheren Schaden an landwirtschaftlichen und gärtnerischen Kulturen auszugehen . 4. Sieht sie durch die Schadenshöhe die Voraussetzungen zur Anwendung der „Grundsätze für eine nationale Rahmenrichtlinie zur Gewährung staatlicher Zuwendungen zur Bewältigung von durch Naturkatastrophen oder widrigen Witterungsverhältnissen verursachte Schäden in der Land- und Forstwirtschaft “ erfüllt? Zu 4.: Die Landesregierung hat am 2. Mai 2017 die im Zeitraum von 19. bis 21. April 2017 landesweit aufgetretenen massiven Frostschäden an landwirtschaftlichen und gärtnerischen Kulturen als ein einer Naturkatastrophe gleichgestelltes widriges Witterungsverhältnis eingestuft und damit die Voraussetzung für die Anwendung der Nationalen Rahmenrichtlinie geschaffen. Die Nationale Rahmenricht - linie greift bei widrigen Witterungsverhältnissen wie Frost, Hagel, Eis, Regen und Dürre nur, wenn die einheitliche Mindestschadensschwelle von 30 % der normalen Naturalerzeugung bezogen auf das einzelne Produktionsverfahren des betreffenden landwirtschaftlichen Unternehmens überschritten wurde. 5. Welche Möglichkeiten sieht sie zur kurz-, mittel- und langfristigen Unterstützung von betroffenen Landwirten und Winzern? Zu 5.: Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz prüft gegenwärtig alle Möglichkeiten zur Unterstützung der von den Frostereignissen betroffenen landwirtschaftlichen Unternehmen: • Nach dem Beschluss des Ministerrats vom 2. Mai 2017 ist das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz beauftragt, in Abstimmung mit dem Finanzministerium nach Vorliegen der Ernteergebnisse den konkreten Gesamt - ertragsschaden zu ermitteln und das Ergebnis dieser Prüfung dem Ministerrat vorzulegen, um gegebenenfalls als Soforthilfe im Rahmen des Haushaltsvollzugs 2017 aber in erster Linie im Rahmen der laufenden Aufstellung des Staatshaushaltsplans 2018/2019 über finanzielle Hilfeleistungen an landwirtschaftliche Unternehmen, die sich in einer wirtschaftlichen Notlage befinden, auf Grundlage der „Nationalen Rahmenrichtlinie zur Gewährung staatlicher Zuwendungen zur Bewältigung von Schäden in Land- und Forstwirtschaft verursacht durch Naturkatastrophen oder widrige Witterungsverhältnisse“ zu entscheiden . • Das Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg hat mit Datum vom 5. Mai 2017 einen sog. „Katastrophenerlass“ erlassen. Er ist mit dem Bundesministerium der Finanzen abgestimmt. Mit diesem Erlass werden den betroffenen landwirtschaftlichen Betrieben steuerliche Billigkeitsmaßnahmen nach dem bundeseinheitlich abgestimmten Rahmenkatalog eröffnet. Die Regelung gilt für land- und forstwirtschaftliche Betriebsformen, einschließlich Sonderkulturen und Streuobst. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1963 4 • Die Landesregierung hat sich direkt nach dem Auftreten der Spätfröste mit einem Schreiben an die Landwirtschaftliche Rentenbank gewandt und sich dafür eingesetzt zur mittelfristigen Überbrückung von Liquiditätsengpässen das Förderprogramm „Liquiditätssicherung“ für frostgeschädigte Betriebe zu öffnen. Die Landwirtschaftliche Rentenbank hat daraufhin das Förderprogramm „Liquiditätssicherung “ für Unternehmen der Landwirtschaft, des Garten- und Weinbaus, die aufgrund der Frühjahrsfröste in 2017 Ertragseinbußen und/oder Kostensteigerungen zu verzeichnen haben bis 30. Juni 2018 geöffnet. Im Rahmen des Programms „Liquiditätssicherung“ werden Ratendarlehen mit einer Laufzeit von 4, 6 oder 10 Jahren angeboten. Alle Varianten sind mit einem tilgungsfreien Jahr ausgestattet. Auf Wunsch und soweit dies im Rahmen der Liquiditätsplanung der betroffenen Betriebe sinnvoll erscheint, kann der tilgungsfreie Zeitraum auch auf zwei Jahre verlängert werden. Die Betriebe müssen deutliche Ergebnisrückgänge gegenüber der Hausbank nachweisen, also mindestens 30 % im betroffenen Betriebszweig. Neben der Bewältigung der aktuellen Schäden muss aufgrund der zunehmenden Klimarisiken in der Landwirtschaft aber auch eine längerfristige Strategie entwickelt werden. Alle Möglichkeiten der Schadensbegrenzung und Risikominimierung für die landwirtschaftlichen Betriebe werden daher geprüft. Dies betrifft sowohl die Einführung von Risikomanagementmaßnahmen in der EU-Agrarpolitik ab 2021 als auch nationale steuerliche Regelungen und Vorsorgemaßnahmen des Landes. Im Einzelnen gehören hierzu: • Vermeidungsstrategien, z. B. durch Frostschutzberegnung; • die Schaffung von Fonds, die öffentlich und/oder von der Branche getragen und im Schadensfall herangezogen werden; • Versicherungslösungen und Versicherungsbeihilfen und Anlässlich des aktuellen Schadereignisses ist das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz an das Bundesfinanzministerium herangetreten und hat sich mit Nachdruck erneut für die Einführung eines zusätzlichen Instruments zur betrieblichen Risikovorsorge in Form einer Risikoausgleichsrücklage für landwirtschaftliche Unternehmen eingesetzt. 6. Wie viele der betroffenen Landwirte und Winzer (prozentual) haben ihrer Einschätzung nach eine Mehrgefahrenversicherung oder eine spezielle Versicherung gegen Frostschäden abgeschlossen? Zu 6.: Nach Information der Vereinigten Hagelversicherung (Marktführer) sind in Baden -Württemberg nur rund 400 ha Rebfläche gegen Spätfrost versichert. Dies entspricht einem flächenmäßigen Anteil von etwa 1,5 % an der gesamten Rebfläche des Landes. Eine Frostversicherung für Kern- und Steinobst wird nicht angeboten. D. h. diese Kulturen sind gegen Frost nicht versicherbar. Bei Erdbeeren sind in Baden-Württemberg rund 180 ha gegen Frost versichert, das entspricht rund 0,7 % der Erdbeerfläche. 7. Wie beurteilt sie die Möglichkeit der Gewährung eines Zuschusses für Mehrgefahrenversicherungen , wie es in anderen EU-Staaten praktiziert wird? Zu 7.: Agrarversicherungen mit staatlicher Unterstützung gibt es in unterschiedlichster Ausprägung in verschiedenen Mitgliedstaaten der EU. Insgesamt fördern rund drei Viertel aller EU-Länder den Risikoschutz landwirtschaftlicher Betriebe vor Wetterextremen mit EU- und/oder nationalen Finanzmitteln. Die Förderhöhe beträgt in der Regel zwischen 50 % und 65 % der Versicherungsprämien. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1963 Derzeit liegen in Deutschland noch keine Erfahrungen zu staatlich geförderten Mehrgefahrenversicherungen für Sonderkulturen vor. Im Bereich Obst und Gemüse finden derzeit intensive Diskussionen zur Umsetzung von Mehrgefahrenversicherungen im Rahmen der operationellen Programme statt. Neben dem Hagelrisiko stehen dabei im Obstbau die Risiken Frost und Starkregen sowie im Gemüsebau das Risiko Starkregen im Vordergrund. Auch im Weinbau gibt es noch keine Erfahrungen mit staatlich geförderten Mehrgefahrenversicherungen. Für den Bereich des Risikomanagements wird im Vorfeld der neuen Förderperiode ab 2021 die Notwendigkeit gesehen, die Einführung einer direkten staatlichen Unterstützung für Risikomanagementmaßnahmen neu zu diskutieren. Hauk Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz