Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 202 27. 06. 2016 1Eingegangen: 27. 06. 2016 / Ausgegeben: 03. 08. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele angestellte Lehrkräfte der öffentlichen Schulen im ersten Anstellungsjahr werden in den Sommerferien 2016 arbeitslos? 2. Wie viele der vorgenannten Betroffenen müssen mangels Anspruch auf Arbeitslosengeld I Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nehmen? 3. Mit welchen Kosten rechnet sie für die Sozialkassen im Rahmen der Leistungen nach dem SGB II, aufgeschlüsselt nach Bund und kommunalen Trägern? 4. Wie gedenkt sie künftig das Abrutschen von angestellten Lehrern im ersten Schuljahr während der Sommerferien zu vermeiden? 5. Hält sie es nicht für sinnvoller, die angehenden Lehrkräfte auch in den Sommerferien zu beschäftigen und beispielsweise für Nachhilfe einzusetzen? 6. Welche Kosten würden für das Land Baden-Württemberg durch die Nichtentlassung der o. g. Lehrkräfte in den Sommerferien entstehen? 24. 06. 2016 Berg AfD Kleine Anfrage des Abg. Lars Patrick Berg AfD und Antwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Angestellte Lehrkräfte der öffentlichen Schulen in Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 202 2 B e g r ü n d u n g „In Baden-Württemberg beginnen heute für etwa 1,6 Millionen Schüler/-innen die Ferien und für gut 10.000 Lehrer/-innen die Arbeitslosigkeit. Etwa 7.000 Referendar /-innen und 3.000 befristet angestellte und für Krankheitsvertretungen eingesetzte Lehrkräfte werden zum Ferienbeginn von der Landesregierung entlassen, obwohl die meisten von ihnen im neuen Schuljahr wieder unterrichten werden.“, so eine Pressemitteilung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden- Württemberg (GEW) vom 29. Juli 2015. Durch diesen Umstand werden angehende Lehrer in die Arbeitslosigkeit und zumindest im ersten Jahr in Hartz IV getrieben , weil noch kein Jahr in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt wurde. Der Standort Baden-Württemberg wird damit für Lehrkräfte unattraktiver. A n t w o r t Mit Schreiben vom 19. Juli 2016 Nr. 14-0381.1-39/56 beantwortet das Ministe - rium für Kultus, Jugend und Sport im Einvernehmen mit dem Ministerium für Finanzen und dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele angestellte Lehrkräfte der öffentlichen Schulen im ersten Anstellungsjahr werden in den Sommerferien 2016 arbeitslos? Im noch laufenden Schuljahr sind 1.013 Lehrerinnen und Lehrer als Vertretungslehrkräfte eingestellt worden, die zuvor noch nicht im Schuldienst beschäftigt waren. Die Verträge für Vertretungslehrkräfte enden mit Unterrichtsende des laufenden Schuljahres. Wie viele sich aus diesem Personenkreis arbeitslos melden, ist hier nicht bekannt. Zu weiteren Zahlen wird auf Ziffer 2 verwiesen. 2. Wie viele der vorgenannten Betroffenen müssen mangels Anspruch auf Arbeitslosengeld I Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nehmen? Unter Berücksichtigung der Entwicklung der Arbeitssuchendenzahlen der letzten Monate kann mit einer ähnlichen Anzahl an zusätzlichen arbeitslosen Lehrkräften öffentlicher Schulen im Rechtskreis des SGB II in den Monaten Juli, August und September wie in den Vorjahren gerechnet werden. Die Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit hat mitgeteilt , dass sich im Vorfeld eines Leistungsbezugs in der Sommerferienzeit im Juni 2015 insgesamt 2.245 Lehrkräfte in den Agenturen für Arbeit und den Jobcentern arbeitssuchend gemeldet hatten. Dies führte dann im August 2015 zu 2.576 arbeitslosen Lehrkräften. Das waren rund 2.000 arbeitslose Lehrkräfte mehr als in den Frühjahrsmonaten 2015. Davon entfielen 77,1 Prozent auf den Rechtskreis SGB III und 22,9 Prozent auf den Rechtskreis SGB II. Auch in den Jahren 2014 und 2013 war das Verhältnis vergleichbar. Im Juni 2016 haben sich bisher 2.392 Lehrkräfte in den Agenturen für Arbeit und den Jobcentern arbeitssuchend gemeldet. Es ist unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte der Vorjahre davon auszugehen, dass die Zahl der arbeitslosen Lehrkräfte im August wieder ein ähnliches Niveau wie 2015 erreichen wird. Vorausgesetzt , dass sich auch die Zugehörigkeiten zu den Rechtskreisen nicht nennenswert verschieben wird, kann damit gerechnet werden, dass auch 2016 wieder ca. 75 Prozent der arbeitslosen Lehrkräfte im Rechtskreis SGB III und ca. 25 Prozent im Rechtskreis SGB II betreut werden. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 202 Grundsätzlich gilt Folgendes: Einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer arbeitslos ist, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hat (vgl. § 137 SGB III). Gemäß § 142 Abs. 1 SGB III erfüllt die Anwartschaftszeit, wer in der Rahmenfrist von zwei Jahren (§ 143) mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis (vgl. § 24 SGB III) stand. In einem Versicherungspflichtverhältnis stehen Personen, die als Beschäftigte (§ 25 SGB III) oder aus sonstigen Gründen (§ 26 SGB III) versicherungspflichtig sind. Leistungsberechtigt nach dem SGB II ist, wer das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7 a SGB II noch nicht erreicht hat, erwerbsfähig und hilfe - bedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II), es sei denn, es greift ausnahmsweise ein Ausschlussgrund (vgl. etwa § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4, Abs. 4 a Satz 1, Abs. 5 SGB II) ein. Leistungen können darüber hinaus auch Personen erhalten, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben (§ 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Erwerbsfähig ist gemäß § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Bei unverheirateten Kindern , die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II, davon ausgenommen gemäß § 9 Abs. 3 SGB II sind Kinder, die schwanger sind oder die ihr Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreuen). Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 SGB II außer Betracht (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II). In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 SGB II ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 4 SGB II). Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 4 SGB II auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde. Liegen nach Maßgabe dessen Hilfebedürftigkeit und die übrigen Anspruchsvoraussetzungen vor, werden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe der Bedarfe nach § 19 Abs. 1 und 2 SGB II erbracht, soweit diese nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gedeckt sind (vgl. § 19 Abs. 3 Satz 1 SGB II). 3. Mit welchen Kosten rechnet sie für die Sozialkassen im Rahmen der Leistungen nach dem SGB II, aufgeschlüsselt nach Bund und kommunalen Trägern? Wie unter Ziffer 2 dargestellt spielen bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II vielfältige Faktoren eine Rolle. Darüber hinaus werden bei der Berechnung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung im jeweiligen Einzelfall die tatsächlichen Wohnungskosten berücksichtigt. Mangels Kenntnis über Einkommen , Vermögen und Wohnsituation der betroffenen Personengruppe bzw. der mit ihnen ggf. in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ist keine valide Prognose hinsichtlich der zu erwartenden Leistungsberechtigten möglich und kann somit derzeit auch keine Aussage zu den zu erwartenden Kosten getroffen werden. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 202 4 4. Wie gedenkt sie künftig das Abrutschen von angestellten Lehrern im ersten Schuljahr während der Sommerferien zu vermeiden? Vertretungslehrkräfte werden befristet im Angestelltenverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) beschäftigt. Kennzeichnend für derartige Verträge ist stets, dass nur ein vorübergehender Bedarf besteht bzw. ausgefallene Stammlehrkräfte während des laufenden Schul - jahres vertreten werden müssen (Krankheit, Mutterschutz oder Elternzeit), aber keine gesicherte Bedarfsprognose für das folgende Schuljahr abgegeben werden kann. Vor diesem Hintergrund endet ein rechtlicher Befristungsgrund am letzten Tag vor den Sommerferien. Für eine Beschäftigung in den Sommerferien besteht somit kein Rechtsgrund; eine Beschäftigung ohne einen solchen Rechtsgrund würde zu unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen führen, wodurch das Prinzip der Bestenauslese bei der Lehrereinstellung durchbrochen wäre. (Im Weiteren siehe auch Antwort zu Ziffer 5.) 5. Hält sie es nicht für sinnvoller, die angehenden Lehrkräfte auch in den Sommerferien zu beschäftigen und beispielsweise für Nachhilfe einzusetzen? Der Vorbereitungsdienst für Lehramtsanwärterinnen und -anwärter endet grund - sätzlich nach dem Bestehen der Zweiten Staatsprüfung mit Schuljahresende zum 31. Juli eines Jahres. Zugleich endet das Beamtenverhältnis auf Widerruf und damit verbunden alle Rechtsbeziehungen zum Land. Die Neueinstellungen erfolgen zu dem Zeitpunkt, zu dem der tatsächliche Bedarf entsteht – bei Lehrkräften also mit Beginn des Unterrichts im neuen Schuljahr. Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass Nachhilfe keine schulische Pflichtaufgabe ist, sondern dem privaten Bereich zuzuordnen ist. Das Ministerium hat keinen Einfluss darauf, wer mit der Erteilung von Nachhilfe beauftragt wird. 6. Welche Kosten würden für das Land Baden-Württemberg durch die Nichtentlassung der o. g. Lehrkräfte in den Sommerferien entstehen? Die nachfolgenden Ausführungen zu den Kosten stehen unter dem Vorbehalt der unter Ziffer 4 skizzierten formalrechtlichen Hürden: Die Bezahlung der Sommerferien für den o. g. (Ziffer 1) Personenkreis würde sich auf rund 6,9 Mio. Euro belaufen. Dr. Eisenmann Ministerin für Kultus, Jugend und Sport