Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 203 27. 06. 2016 1Eingegangen: 27. 06. 2016 / Ausgegeben: 29. 07. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie hoch sind die Ersparnisse für das Land Baden-Württemberg durch die Streichung des Landeserziehungsgeldes seit dem 1. Oktober 2012 bis 30. Juni 2016? 2. Wie viele Betroffene kamen durch die Streichung während des o. g. Zeitraums in finanzielle Engpässe wie Stromschulden, Mietschulden – das Landeser - ziehungsgeld war auf Sozialleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II anrechnungsfrei (privilegiertes Einkommen im Sinne des § 11 SGB II) – und mussten dafür beim Jobcenter oder dem Sozialamt eine darlehensweise Übernahme beantragen? 3. Ist ihr bekannt, wie viele Betroffene wegen der Streichung des Landeser - ziehungsgeldes andere Sozialleistungen in Anspruch nehmen mussten? 4. Ist ihr bekannt, wie viele Paare sich nach der Streichung des Landeserziehungsgeldes aus finanziellen Gründen gegen ein (weiteres) Kind entschieden haben? 5. Erwägt sie weitere Kürzungen bei Familien- und Kinderleistungen? 6. Erwägt sie die Wiedereinführung des Landeserziehungsgeldes und ggf. zu welchem Zeitpunkt? 24. 06. 2016 Berg AfD Kleine Anfrage des Abg. Lars Patrick Berg AfD und Antwort des Ministeriums für Soziales und Integration Auswirkungen auf die Betroffenen durch die Streichung des Landeserziehungsgeldes Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 203 2 B e g r ü n d u n g In Baden-Württemberg konnten Eltern, deren Kinder bis zum 30. September 2012 geboren oder adoptiert wurden, im Anschluss an das Bundeselterngeld ein einkommensabhängiges Landeserziehungsgeld erhalten. Das Land Baden-Württemberg hat diese Leistung eingestellt. Für Kinder, die ab dem 1. Oktober 2012 geboren oder adoptiert wurden, können keine Anträge mehr gestellt werden. Das Landeserziehungsgeld war besonders wichtig für auf (ergänzende) Sozialleistungen wie Leistungen nach dem SGB II angewiesene Familien. Das Betreuungsgeld (mittlerweile auch weggefallen) war geringer und wirkte auf andere Sozialleistungen anspruchsmindernd. Durch die Kürzung muss davon ausgegangen werden, dass viele Betroffene in finanzielle Schwierigkeiten abrutschen. A n t w o r t Mit Schreiben vom 19. Juli 2016 Nr. 2-0141.5/91 beantwortet das Ministerium für Soziales und Integration die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie hoch sind die Ersparnisse für das Land Baden-Württemberg durch die Streichung des Landeserziehungsgeldes seit dem 1. Oktober 2012 bis 30. Juni 2016? Die Höhe der Ersparnisse für das Land sind nicht zu beziffern, da die Haushaltsmittel , die im erfragten Zeitraum für das Landeserziehungsgeld verausgabt worden wären, sich nicht ermitteln lassen, da zum einen die Zahl der potentiellen Familien , deren Einkommen unter der Berechtigungsgrenze lag, nicht bekannt ist und zum anderen ohnehin eine Änderung der Förderung im Falle der Fortführung des Landeserziehungsgeldes vorgesehen war. Belastbare Aussagen darüber, wie viele der potentiellen Bezugsberechtigten faktisch einen Antrag gestellt hätten, können daher nicht getroffen werden. Eine Streichung des Landeserziehungsgeldes allein aus Einspargründen stand nie zur Diskussion und hätte auch nicht die Zustimmung der Landesregierung gefunden . Die Abschaffung des Landeserziehungsgeldes erfolgte vor dem Hintergrund, dass der Bund das Landeserziehungsgeld in seiner neuen Ausformung tatsächlich auf das Arbeitslosengeld II (ALG II) bzw. auf die Sozialhilfe anrechnen wollte. 2. Wie viele Betroffene kamen durch die Streichung während des o. g. Zeitraums in finanzielle Engpässe wie Stromschulden, Mietschulden – das Landes er - ziehungsgeld war auf Sozialleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II anrechnungsfrei (privilegiertes Einkommen im Sinne des § 11 SGB II) – und muss ten dafür beim Jobcenter oder dem Sozialamt eine darlehensweise Übernahme beantragen? 3. Ist ihr bekannt, wie viele Betroffene wegen der Streichung des Landeser - ziehungsgeldes andere Sozialleistungen in Anspruch nehmen mussten? Die Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit hat mitgeteilt , dass es auf statistischem Weg nicht geklärt werden kann, ob der Wegfall des Landeserziehungsgeldes für Kinder, die nach dem 30. September 2012 geboren wurden, zu einer erhöhten Zahl an Bedarfsgemeinschaften in Baden-Württemberg geführt hat. Aufgrund der Tatsache, dass das Landeserziehungsgeld nicht als Einkommen bei der Bedarfsberechnung berücksichtigt wurde, ist sein Wegfall auch nicht statistisch erfasst. Auch der Vergleich der Zahl der Bedarfsgemeinschaften in den letzten Jahren kann nicht kausal mit dem Wegfall des Landeser - ziehungsgeldes in Beziehung gesetzt werden, da hier noch weitere Faktoren Einfluss haben. Grundsätzlich gilt: Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II bzw. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind als grundsicherungsrechtlicher Bedarf für Kosten der Unterkunft und Hei- 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 203 zung die tatsächlichen Aufwendungen des Hilfebedürftigen vom Grundsicherungsträger zu übernehmen, soweit diese angemessen sind. Bei den Kosten für Haushaltsenergie ohne die auf Heizung entfallenden Anteile handelt es um einen Bedarf, der von der Regelleistung umfasst ist. Darüber hinaus sieht das SGB II bzw. SGB XII weitere Leistungen für Familien vor: Nach § 21 Abs. 2 SGB II bzw. § 30 Abs. 2 SGB XII erhalten werdende Mütter ab dem ersten Tag der 13. Schwangerschaftswoche („nach der 12. Schwangerschaftswoche “) bis zum tatsächlichen Entbindungstermin einen Mehrbedarf i. H. v. 17 v. H. des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs bzw. der maßgebenden Regelbedarfsstufe. Gemäß § 21 Abs. 3 SGB II bzw. § 30 Abs. 3 SGB XII ist zudem ein Mehrbedarf dann zu gewähren, wenn der leistungsberechtigte Hilfe - bedürftige mit einem oder mehreren Kindern zusammenlebt und allein für deren Pflege und Erziehung sorgt. Des Weiteren sieht § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB II bzw. § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII die Gewährung von Bedarfen für die Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt vor. Dies beinhaltet neben der Ausstattung mit der notwendigen Schwangerschaftskleidung auch eine komplette Babyausstattung. § 28 SGB II bzw. § 34 SGB XII sieht zudem besondere Bedarfe für Bildung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen vor. Diese umfassen eintägige Ausflüge und mehrtägige Fahrten (mit auswärtiger Übernachtung) der Schulen und Kindertagesstätten , Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf, Schülerbeförderungskos - ten, Lernförderung, Mehraufwendungen bei gemeinschaftlicher Mittagsverpflegung und die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. 4. Ist ihr bekannt, wie viele Paare sich nach der Streichung des Landeserziehungsgeldes aus finanziellen Gründen gegen ein (weiteres) Kind entschieden haben? Die Motive, derentwegen Eltern sich für oder gegen ein Kind entscheiden, hängen von einer Reihe unterschiedlicher Faktoren ab. Neben den gesellschaftlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen spielen individuelle Einstellungen eine Rolle. Durch die Komplexität der verschiedenen Einflussfaktoren lassen sich ein fache Zusammenhänge zwischen einzelnen staatlichen Transferleistungen und der Realisierung eines Kinderwunsches nicht herstellen. Zur Wirkung des Landeserziehungsgeldes auf die Zahl der Geburten liegen demnach keine belastbaren Daten vor. Frage 4 impliziert die These, dass die Einstellung des Landeserziehungsgeldes zu einer Absenkung der Geburtenrate geführt habe. Die vorliegenden Daten des Statistischen Landesamtes (PM 187/2016) stützen diese These nicht. Im fraglichen Zeitraum zwischen 2011 und 2015 (für 2016 liegen noch keine Zahlen vor) stieg die Zahl der in Baden-Württemberg lebendgeborenen Kinder von 88.823 auf 100.269 Kinder an. Gleichzeitig stieg nach Mitteilung des Statistischen Landesamtes (PM 279/2015) die Geburtenrate zwischen 2011 und 2014 von 1,36 auf 1,46 Kinder je Frau an. 5. Erwägt sie weitere Kürzungen bei Familien- und Kinderleistungen? Der Landesregierung sind gute Rahmenbedingungen für Familien ein wichtiges Anliegen . Zugleich ist eine nachhaltige und generationengerechte Haushalspolitik Leitlinie der Landesregierung. Im Koalitionsvertrag ist deshalb festgelegt, dass die Koalition sich verpflichtet, strukturelle Einsparungen in Höhe von rund 1,8 Milliarden Euro in der Endstufe bis 2020 zu realisieren. Diese werden im Zuge der Haushaltsaufstellungen sowie der damit einhergehenden Mittelfristigen Finanzplanungen quantifiziert und mit verbindlich einzuhaltenden Maßnahmen unterlegt. Vor diesem Hintergrund werden alle Bereiche des Landeshaushaltes auf dem Prüfstand stehen. 6. Erwägt sie die Wiedereinführung des Landeserziehungsgeldes und ggf. zu welchem Zeitpunkt? Die Landesregierung erwägt nicht, das Landeserziehungsgeld wieder einzuführen. Lucha Minister für Soziales und Integration