Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 2045 09. 05. 2017 1Eingegangen: 09. 05. 2017 / Ausgegeben: 29. 06. 2017 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Ist ihr bekannt, ob Finanzämter einen geldwerten Vorteil sehen, wenn Mitarbeiter auf einem Wochenmarkt, beispielsweise an einem Obst- und Gemüsestand , am Ende des Arbeitstags überschüssige Lebensmittel erhalten? 2. Wertet sie die Annahme von am nächsten Tage nicht mehr verkäuflichen Lebensmitteln durch Wochenmarktmitarbeiter als geldwerten Vorteil? 3. In welchem Umfang wird von Wochenmarktstandbetreibern eine Dokumenta - tion für das Finanzamt über überschüssige bzw. unverkäufliche Lebensmittel und deren Weitergabe an Mitarbeiter verlangt? 4. Welche Kenntnisse hat sie darüber, in welchem Umfang und mit welcher Entschlossenheit das Finanzamt bei dieser Fragestellung konkret bei Fällen auf dem Wochenmarkt in Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) verfährt? 5. Welche Möglichkeiten sieht sie, die Bürokratie für Wochenmarktstandbetreiber zu senken? 6. Welchen Spielraum für Steuersenkungen sieht sie im Bereich Wochenmarkt für die dortigen Akteure? 7. Welche Möglichkeiten sieht sie, zu vermeiden, dass Lebensmittel nach dem Wochenmarkt weggeworfen werden? 8. Wird sie sich dafür einsetzen, dass Mitarbeiter auf dem Wochenmarkt Lebensmittel mitnehmen dürfen – bevor diese weggeworfen werden – und dies nicht als geldwerter Vorteil vom Finanzamt eingestuft wird? Kleine Anfrage der Abg. Lars Patrick Berg und Dr. Jörg Meuthen AfD und Antwort des Ministeriums für Finanzen Geldwerter Vorteil für Mitarbeiter auf dem Wochenmarkt durch überschüssige Lebensmittel Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2045 2 9. Wie will sie den Erhalt von Wochenmärkten in Baden-Württemberg fördern? 10. Sieht sie eine Änderung des Konsumentenverhaltens weg von den Wochenmärkten hin zu Lebensmitteldiscountern? 09. 05. 2017 Berg, Dr. Meuthen AfD B e g r ü n d u n g Wochenmärkte sind ein wichtiger Bestandteil des traditionellen, kulturellen und gesellschaftlichen Lebens und dienen den Bürgern für die Grundversorgung. Möglicherweise könnten Auflagen von Finanzämtern den Fortbestand des Wochen - markts durch eine zu starke Belastung der Marktteilnehmer einschränken. Diese Kleine Anfrage soll den Sachverhalt beleuchten. A n t w o r t Mit Schreiben vom 1. Juni 2017 Nr. 3-S233.4/224 beantwortet das Ministerium für Finanzen im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau und dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Ist ihr bekannt, ob Finanzämter einen geldwerten Vorteil sehen, wenn Mitarbeiter auf einem Wochenmarkt, beispielsweise an einem Obst- und Gemüsestand , am Ende des Arbeitstags überschüssige Lebensmittel erhalten? Zu 1.: Arbeitslohn sind alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Es ist unerheblich, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form die Einnahmen gewährt werden (§ 2 Absatz 1 der Lohnsteuerdurchführungsverordnung – LStDV –). Demnach gehören auch Lebensmittel, die Mitarbeiter/-innen auf einem Wochenmarkt am Ende des Arbeitstages verbilligt oder unentgeltlich erhalten, dem Grunde nach zu deren Arbeitslohn. Der Höhe nach sind die Lebensmittel als Einnahmen, die nicht in Geld bestehen, mit den um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen (§ 8 Absatz 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG –). Dies kann auch der günstigste Preis am Markt sein. Erhält eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses Waren oder Dienstleistungen, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer/-innen hergestellt, vertrieben oder erbracht werden und deren Bezug nicht nach § 40 EStG pauschal versteuert wird, so gelten als deren Werte alternativ die um 4 Prozent geminderten Endpreise, zu denen der Arbeitgeber oder der dem Abgabeort nächstansässige Abnehmer die Waren oder Dienstleistungen fremden Letztverbraucher/-innen im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet (sog. Angebotspreis; § 8 Absatz 3 EStG). Die sich nach Abzug der vom Arbeitnehmer gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile für diese Angebotspreise sind steuerfrei, soweit sie aus dem Dienstverhältnis insgesamt 1.080 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigen (sog. Rabattfreibetrag). 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2045 Da es sich bei den Lebensmitteln regelmäßig um Waren handeln wird, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer/-innen hergestellt oder vertrieben werden, wird regelmäßig eine Bewertung nach § 8 Absatz 3 EStG in Betracht kommen und im Hinblick auf den Rabattfreibetrag steuerlich günstiger sein. Danach bleibt die Abgabe solcher Lebensmittel bis zu einem geldwerten Vorteil in Höhe von 1.080 Euro im Kalenderjahr je Arbeitnehmer steuerfrei . 2. Wertet sie die Annahme von am nächsten Tage nicht mehr verkäuflichen Lebensmitteln durch Wochenmarktmitarbeiter als geldwerten Vorteil? Zu 2.: Lebensmittel, die am nächsten Tag nicht mehr verkäuflich sind, führen nach den unter Ziff. 1 genannten Grundsätzen zu einem geldwerten Vorteil, der mit 0 Euro zu bewerten ist. Im Ergebnis ist insoweit kein zusätzlicher Arbeitslohn zu ver - steuern. 3. In welchem Umfang wird von Wochenmarktstandbetreibern eine Dokumenta - tion für das Finanzamt über überschüssige bzw. unverkäufliche Lebensmittel und deren Weitergabe an Mitarbeiter verlangt? Zu 3.: Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, im Lohnkonto (u. a.) die Art und Höhe des gezahlten Arbeitslohns einschließlich der steuerfreien Bezüge einzutragen (§ 41 Absatz 1 Satz 3 EStG). Der Arbeitslohn ist getrennt nach Barlohn und Sachbezügen aufzuzeichnen. Dabei sind die Sachbezüge einzeln zu bezeichnen und – unter Angabe des Abgabetags oder bei laufenden Sachbezügen des Abgabezeitraums , des Abgabeorts und des Entgelts – mit dem nach § 8 Absatz 2 oder 3 EStG maßgebenden und um das Entgelt geminderten Wert zu erfassen. Sachbezüge im Sinne des § 8 Absatz 3 EStG sind als solche kenntlich zu machen und ohne Kürzung um Freibeträge nach § 8 Absatz 3 oder § 19 Absatz 2 EStG einzutragen (§ 4 Absatz 2 Nummer 3 Satz 1 bis 3 LStDV). Nach diesen Vorschriften sind auch die Betreiberinnen und Betreiber von Wochen - marktständen grundsätzlich zur Aufzeichnung überschüssiger bzw. unverkäuflicher Lebensmittel verpflichtet, die sie verbilligt oder unentgeltlich an ihre Mitarbeiter abgeben. Allerdings kann das Betriebsstättenfinanzamt bei Arbeitgebern, die für die Lohnabrechnung ein maschinelles Verfahren anwenden, Ausnahmen von diesen Vorschriften zulassen, wenn die Möglichkeit der Nachprüfung in anderer Weise sichergestellt ist. Das Betriebsstättenfinanzamt soll zulassen, dass Sachbezüge im Sinne des § 8 Absatz 3 EStG für solche Arbeitnehmer/-innen nicht aufzuzeichnen sind, für die durch betriebliche Regelungen und entsprechende Überwachungsmaßnahmen gewährleistet ist, dass der Rabattfreibetrag von 1.080 Euro je Arbeitnehmer /-in im Kalenderjahr in § 8 Absatz 3 EStG nicht überschritten wird (§ 4 Absatz 3 LStDV). 4. Welche Kenntnisse hat sie darüber, in welchem Umfang und mit welcher Entschlossenheit das Finanzamt bei dieser Fragestellung konkret bei Fällen auf dem Wochenmarkt in Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) verfährt? Zu 4.: Im Hinblick auf das Steuergeheimnis (§ 30 der Abgabenordnung) kann zu Einzelfällen nicht Stellung genommen werden. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2045 4 5. Welche Möglichkeiten sieht sie, die Bürokratie für Wochenmarktstandbetreiber zu senken? Zu 5.: Die Vorschriften über die lohnsteuerlichen Aufzeichnungspflichten sehen in § 4 Absatz 3 LStDV bereits mögliche Erleichterungen vor (s. Ziff. 3). Die Voraussetzungen hat der einzelne Wochenmarktstandbetreiber im Rahmen eines entsprechenden Antrags nachzuweisen. 6. Welchen Spielraum für Steuersenkungen sieht sie im Bereich Wochenmarkt für die dortigen Akteure? Zu 6.: Die Besteuerung der Wochenmarktstandbetreiber/-innen sowie die Besteuerung der Mitarbeiter/-innen folgt allgemeinen Grundsätzen, insbesondere gilt der Grund - satz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung aller Bürgerinnen und Bürger. 7. Welche Möglichkeiten sieht sie, zu vermeiden, dass Lebensmittel nach dem Wochenmarkt weggeworfen werden? Zu 7.: Grundsätzlich gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen auf Wochenmärkten. So können die Händlerinnen und Händler kurz vor Marktende Rabatte auf die Produkte geben, die am nächsten Tag nicht mehr verkäuflich sind. Auch die Abgabe an caritative Einrichtungen wie z. B. die Tafeln oder private Initiativen wie z. B. Foodsharing ist möglich. Die Abgabe übrig gebliebener Lebensmittel an Markt-Mitarbeiter/-innen ist ebenfalls eine praktikable Möglichkeit, um Lebensmittelabfälle zu reduzieren. 8. Wird sie sich dafür einsetzen, dass Mitarbeiter auf dem Wochenmarkt Lebensmittel mitnehmen dürfen – bevor diese weggeworfen werden – und dies nicht als geldwerter Vorteil vom Finanzamt eingestuft wird? Zu 8.: Wie unter Ziff. 2 ausgeführt, kommt bei der Abgabe von Lebensmitteln, die am nächsten Tag nicht mehr verkäuflich sind, bereits nach der aktuellen Rechtslage kein geldwerter Vorteil zum Ansatz. Insoweit besteht kein Handlungsbedarf. 9. Wie will sie den Erhalt von Wochenmärkten in Baden-Württemberg fördern? Zu 9.: Wochenmärkte sind ein wichtiger Absatzweg für Lebensmittel aus regionaler Erzeugung . Das Land macht sich auf vielfältige Weise für den Absatz und die Verwendung von regionalen Lebensmitteln stark. Eine anstehende Regionalkam - pagne soll die Nachfrage nach heimischen Erzeugnissen weiter festigen. Damit fördert das Land indirekt auch den Erhalt von Wochenmärkten in Baden-Württemberg . Letztlich liegt es jedoch in der Entscheidung der Verbraucherinnen und Verbraucher, wo sie ihre Lebensmittel einkaufen. Mit dem Qualitätszeichen Baden -Württemberg und dem Biozeichen Baden-Württemberg hat das Land frühzeitig zwei Qualitätsprogramme entwickelt und der baden-württembergischen Landund Ernährungswirtschaft deren Nutzung ermöglicht. Die beiden Qualitätszeichen sind hervorragend geeignete Instrumente zur Vermarktung von Lebensmitteln mit nachvollziehbar gesicherter Qualität und Herkunft aus Baden-Württemberg gerade auch auf Wochenmärkten. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2045 10. Sieht sie eine Änderung des Konsumentenverhaltens weg von den Wochenmärkten hin zu Lebensmitteldiscountern? Zu 10.: Während die Absätze bei Brot/Backwaren, Fleisch und Käse in den letzten fünf Jahren relativ konstant blieben oder sogar geringfügig anstiegen, verlieren Wochen - märkte insbesondere in den umsatzbedeutenden Produktbereichen Eier, Gemüse und Obst deutlich an Absatzmengen. In der gleichen Zeit stiegen die abgesetzten Mengen in diesen Produktbereichen bei den Lebensmitteldiscountern jeweils leicht an. Das Konsumentenverhalten im Bereich Lebensmittel unterliegt zahlreichen Einflussfaktoren . Die Mehrheit der deutschen Haushalte deckt ihren Bedarf an Nahrungsmitteln über verschiedene Vertriebswege. Es lässt sich daher kein eindimensionaler Zusammenhang zwischen den Absatzrückgängen von Wochenmärkten hin zu Lebensmitteldiscountern herstellen. Insbesondere die Food-Vollsortimenter haben den Trend zur Regionalität erkannt und treten damit verstärkt in Konkurrenz zu Erzeugern und Wochenmärkten. In Vertretung Dr. Splett Staatssekretärin