Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 205 27. 06. 2016 1Eingegangen: 27. 06. 2016 / Ausgegeben: 29. 07. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie hoch stuft sie den bürokratischen Zeitaufwand für die betroffenen Unternehmen ein? 2. Mit welchen Kosten rechnet sie für die betroffenen Unternehmen? 3. Wie viele Unternehmen sind in Baden-Württemberg von der o. g. Richtlinie betroffen ? 4. Wie gliedern sich diese Unternehmen in kleine, mittlere und große Unternehmen ? 5. Wie viele Ausbildungs- und Arbeitsplätze in der freien Wirtschaft sieht sie durch die o. g. Richtlinie in Gefahr? 6. Wie hoch stuft sie den Nutzen der Richtlinie für Patienten ein? 7. Wie viele fehlerhafte Medizinprodukte können ihrer Ansicht nach mit der o. g. Richtlinie aus dem Verkehr gezogen werden? 24. 06. 2016 Berg AfD Kleine Anfrage des Abg. Lars Patrick Berg AfD und Antwort des Ministeriums für Soziales und Integration EU-Medizinprodukterichtlinie Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 205 2 B e g r ü n d u n g Die Verbesserung des Patientenschutzes ist völlig richtig. Doch muss dabei auch auf den in Baden-Württemberg tief verankerten Mittelstand Rücksicht genommen werden. Es gilt Maß und Mitte zu halten und die berechtigten Interessen aller Beteiligten zu würdigen. Diese Kleine Anfrage soll die Auswirkung auf die verschiedenen Akteure beleuchten. A n t w o r t Mit Schreiben vom 19. Juli 2016 Nr. 53-01415./40 beantwortet das Ministerium für Soziales und Integration in Abstimmung mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie hoch stuft sie den bürokratischen Zeitaufwand für die betroffenen Unternehmen ein? Für den Zugang von Medizinprodukten auf den europäischen Markt werden zukünftig veränderte Vorgaben gelten. Die durch die neue Medizinprodukte-Verordnung (MP-VO) sowie die neue In-vitro-Diagnostika-Verordnung (IVD-VO) geplanten neuen Anforderungen führen zweifelsfrei zu einem finanziellen und personellen Mehraufwand bei Medizintechnikherstellern, benannten Stellen und den Überwachungsbehörden. Die vorliegenden Texte lassen jedoch den Schluss zu, dass es gelungen ist, einen Kompromiss zu finden, der sowohl der Forderung von Patienten, Verbraucherschützern und Krankenkassen nach einem hohen Schutzniveau bei Medizinprodukten als auch den Forderungen der Unternehmen nach innovationsfreundlichen Rahmenbedingungen gerecht wird. Die beiden Verordnungen stärken gegenüber der bisher gültigen Medizinprodukte-Richtlinie (93/42/EG) bzw. der In-vitro-Diagnostika Richtlinie (98/79/EG) maßgeblich die Qualität und Sicherheit von Medizinprodukten und tragen damit wesentlich zur Patientensicherheit bei. Die neuen Vorgaben sollen auch dazu beitragen, die Wettbewerbsbedingungen für deutsche Unternehmen durch eine stärkere Vereinheitlichung der Anforderungen an die behördliche Überwachung und an die für die Ausstellung von Konformitätsbescheinigungen zuständigen benannten Stellen zu verbessern. Im Gegensatz zu den genannten Richtlinien werden die neuen Verordnungen nicht mehr in nationales Recht umzusetzen sein, sondern erlangen direkt Gültigkeit in allen Ländern der Europäischen Union mit Übergangsfristen. Damit sind auch die Möglichkeiten einer adaptiven Umsetzung und der Einfügung in nationale Gesetze bzw. Verordnungen nicht mehr gegeben. Eine Betrachtung der bisherigen Diskussionen und Bestrebungen zur Veränderung der EU-Medizinprodukte-Regularien und der Umsetzung dieser Maßgaben in den Dokumenten-Versionen (Versionen v. 27. Juni 2016, engl.) zeigt, dass Bewährtes bewahrt und die Patientensicherheit nachhaltig gestärkt wurde. Befürchtungen bzgl. einer maßgeblichen Erhöhung des bürokratischen Aufwandes ohne Nutzen im Hinblick auf die Produktsicherheit können entkräftet werden. Viele Vorschläge und Hinweise der Hersteller zur angemessenen Klassifizierung und Konformitätsbewertung von Medizinprodukten wurden berücksichtigt. Im Folgenden soll dies stichpunktartig an Beispielen belegt werden. – MPVO Anhang VII Regel 6: Eine Veränderung der Klassifizierung von wiederverwendbaren chirurgisch-invasiven Instrumenten ist nicht erfolgt; sie verbleiben in Klasse I. Damit können die Hersteller weiterhin ihre Produkte ohne Mitwirkung einer benannten Stelle konformitätsbewerten. – MPVO Anhang VII Regeln 6 und 7: die Höherstufung in Klasse III gegenüber Klasse IIa ist nur für ‚spezifisch für bestimmte Zwecke‘ vorgesehene Medizinprodukte erfolgt, alle weiteren sind weiter Klasse II a. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 205 – MPVO Anhang VII Regel 8: Komponenten für Implantate zum Ersatz der Bandscheibe wie Schrauben, Keile, Platten und Instrumente sind von der Höherstufung nach Klasse III ausgenommen. – MPVO Artikel 42 (Konformitätsbewertungsverfahren): Für Nahtmaterial, Klammern, Zahnimplantate, Schrauben, Platten sind Ausnahmen bzgl. Anhang VIII Kapitel II Abschnitt 5 enthalten. – Scrutiny-Verfahren können nur bei begründeten Bedenken im Einzelfall bei Hochrisikoprodukten (bestimmte aktive Klasse II b bzw. implantierbare Klasse III) ini - tiiert werden. Eine Einbeziehung weiterer Klassen im Wege von Durchfüh - rungsrechtsakten ist nicht mehr vorgesehen; eine Anwendung im Rahmen von Re-Zertifizierungen oder Modifikationen ist in der Verordnung nicht enthalten. Verschiedene Modifikationen der Vorgaben der Medizinprodukte-Verordnung gegenüber der Medizinprodukte-Richtlinie erfordern indes im Hinblick auf die Verbesserung der Patientensicherheit bei den Herstellern, Bevollmächtigten und Händlern ggf. Maßnahmen in Bezug auf die Überarbeitung der vorhandenen Dokumentation . Auch die Etablierung neuer Daten zu qualitäts- bzw. sicherheitsrelevanten Fragestellungen kann notwendig werden oder es ist angezeigt, modifizierte Prozesse bei Herstellung oder im Bereich der Vigilanz zu etablieren. Einige Beispiele seien im Folgenden genannt. – Zukünftig müssen im Hinblick auf die Produktsicherheit alle Hersteller über ein Qualitäts- sowie ein Risikomanagementsystem und ein System zur aktiven Marktbeobachtung verfügen. – Die neuen Vorgaben zur Etablierung von Daten hinsichtlich der klinischen Prüfung bzw. klinischen Bewertung von Medizinprodukten sind detaillierter geregelt , dies wird bei verschiedenen Unternehmen ggf. für bestimmte Medizinprodukte zu einer Überarbeitung der Dossiers führen. – Einige Implantate, welche bisher in Klasse II b eingestuft waren, müssen nun die Anforderungen von Klasse-III-Produkten erfüllen. – Alle Etiketten von Medizinprodukten müssen zukünftig die eindeutige Produktkennzeichnung (Unique Device Identification – UDI) tragen. – Neu fallen auch Produkte, welche in Annex XV gelistet sind unter bestimmte Vorgaben der MP-Verordnung. Darunter fallen Produkte, welche ähnlich eingesetzt werden wie Medizinprodukte und damit ein vergleichbares Risiko bei der Anwendung darstellen, jedoch ohne eine medizinische Zweckbestimmung zu besitzen. – Die IVD-Verordnung erfordert bei Herstellern von In-vitro-Diagnostika die Revidierung der IVD-Klassifikationen; sie enthält höhere Anforderungen zur Konformitätsbewertung der Testsysteme; die IVD-Verordnung sieht aufgrund dieser Maßgaben eine Übergangsfrist von 5 Jahren für die Umsetzung vor. 2. Mit welchen Kosten rechnet sie für die betroffenen Unternehmen? In Abhängigkeit vom Vorhandensein eines Qualitätsmanagement-Systems, dem Umfang der bereits vorliegenden Technischen Dokumentation bzw. der Klinischen Bewertung werden bei den Unternehmen Kosten zur Überarbeitung der Dokumentation – ggf. in Kooperation mit ihrer benannten Stelle – anfallen. Diese werden bei den Medizinprodukte- bzw. In-vitro-Diagnostika-Herstellern individuell sehr unterschiedlich ausfallen und sind derzeit nicht zu quantifizieren. EU-Bevollmächtigte werden zukünftig – wie Hersteller oder Importeure – für defekte Medizinprodukte haftbar gemacht werden können, weshalb ggf. eine genaue Prüfung der Drittland-Hersteller angezeigt sein wird, bevor eine solche Funktion übernommen wird. Die beiden Verordnungen sehen für die notwendigen Maß - nahmen Übergangsfristen von 3 Jahren (MP-VO) bzw. 5 Jahre (IVD-VO) nach Veröffentlichung der Verordnungen vor. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 205 4 3. Wie viele Unternehmen sind in Baden-Württemberg von der o. g. Richtlinie betroffen ? Die Landesgesellschaft BIOPRO Baden-Württemberg GmbH zählt aktuell insgesamt 1.129 Unternehmen in Baden-Württemberg zur Medizintechnik-Branche. Insgesamt 818 Unternehmen betreiben Forschung und Entwicklung an neuen innovativen Medizinprodukten und/oder produzieren diese. All diese Unternehmen müssen ihre Produkte nach der neuen EU-Medizinprodukteverordnung zertifizieren . Weiterhin sind 188 Zulieferer der Branche und 154 Vertriebsunternehmen (Mehrfachnennungen möglich) von den Neuregelungen betroffen. Auch die Hersteller von In-vitro-Diagnostika (bereits in der oben genannten Gesamtzahl der Unternehmen enthalten) sind von den Neuregelungen betroffen, da zeitgleich zur neuen Medizinprodukte-Verordnung die geltenden Regelungen auch für In-vitro-Diagnostika durch eine eigene neue EU-Verordnung ersetzt werden . Diese stellt neue und teilweise weitergehende Anforderungen an die Zulassung und Marktüberwachung von In-vitro-Diagnostika. 4. Wie gliedern sich diese Unternehmen in kleine, mittlere und große Unternehmen ? Von 783 der 818 Unternehmen konnten die Kennzahlen (SV-Beschäftigte und steuerbarer Umsatz) durch das Statistische Landesamt Baden-Württemberg im Auftrag der BIOPRO für das Jahr 2013 ermittelt werden: – Die Unternehmen erwirtschafteten mit 46.373 Mitarbeitern einen steuerbaren Umsatz von 11,7 Mrd. Euro. – Die Hälfte der Unternehmen (50,15 %) beschäftigen weniger als 10 Mitarbeiter ; diese generieren 2,3 % vom steuerbaren Umsatz (Kleinstunternehmen). – Ein Drittel (32,57 %) der Unternehmen beschäftigen zwischen 10 und 49 Mitarbeiter (Kleinunternehmen). – Etwa 14 % der Unternehmen beschäftigen zwischen 50 und 249 Mitarbeiter und tragen ca. 20 % zum steuerbaren Umsatz bei (Mittelständische Unternehmen ). – 29 Unternehmen (knapp 4 %) haben 250 und mehr Mitarbeiter; diese erwirtschaften 8,12 Mrd. Euro, das sind 69 % vom steuerbaren Umsatz (Großunternehmen ); Quelle: BIOPRO Baden-Württemberg GmbH, Publikation Gesundheitsindustrie 2015 – Zahlen und Fakten für Baden-Württemberg. 5. Wie viele Ausbildungs- und Arbeitsplätze in der freien Wirtschaft sieht sie durch die o. g. Richtlinie in Gefahr? Die neuen Verordnungen stellen die Hersteller und Inverkehrbringer von Me - dizinprodukten und In-vitro-Diagnostika vor Herausforderungen. Es entstehen Mehrkosten für die Unternehmen beispielsweise durch zusätzliche Schulungen der Mitarbeiter, Einstellung neuer Mitarbeiter mit entsprechenden Kompetenzen, Entwicklung und Einführung neuer technischer Lösungen und Systeme für die Dokumentation und das Qualitätsmanagement oder die Durchführung klinischer Studien. Insbesondere Start-up Unternehmen, Kleinst- und Kleinunternehmen aber auch mittelständische Unternehmen werden ggf. aus Kostengründen von der Entwicklung neuer Produkte – insbesondere Nischenprodukten mit geringer Stückzahl – absehen. Ob und in welchem Umfang dadurch Arbeits- und Ausbildungsplätze gefährdet sind, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abgeschätzt werden. 6. Wie hoch stuft sie den Nutzen der Richtlinie für Patienten ein? Die Neu-Konzeption von Qualitäts- und Sicherheits-Vorgaben im Bereich von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika wurde als dringlich wahrgenommen, nachdem der europäische Markt in den vergangenen Jahren von mehreren schweren Skandalen bei Brustimplantaten, Hüftprothesen und Stents erschüttert wurde. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 205 Ziel der Neuerungen war es, einen robusten und effizienten Rechtsrahmen zu schaffen, der einerseits die Innovation und den schnellen Zugang der Patienten zu innovativen Produkten fördert und andererseits die Sicherheit der Produkte und deren Nutzen für die Patienten gewährleistet. Der rechtliche Rahmen für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika sollte auf Grundlage der bisherigen Erfahrungen weiterentwickelt und verbessert werden. Die beiden neuen Verordnungen enthalten viele Elemente, welche maßgeblich zur Verbesserung der Patientensicherheit beitragen. So sind nun neue Voraussetzungen geschaffen, um die Qualifizierung der benannten Stellen zu regeln, die Konformitätsbewertungs -Grundlagen für Medizinprodukte und IVD zu ergänzen sowie die Überwachung von Herstellern und Produkten zu verbessern. Im Folgenden werden exemplarisch einige Elemente der Verordnung, welche auf die Verbesserung der Patientensicherheit abzielen, skizziert: – Die neue Medizinprodukte-Verordnung sieht strengere Kriterien für Benennung und Überwachung von benannten Stellen vor und erfordert eine EU-weite Vereinheitlichung der Tätigkeit und der Prüfbescheinigung der benannten Stellen ; damit wird die Qualifizierung der benannten Stellen im Hinblick auf ihre Aufgaben verbessert. – Die neue Medizinprodukte-Verordnung enthält für benannte Stellen eine Pflicht zum Unterhalt einer Haftpflichtversicherung bzw. Bildung von Rücklagen für Schadensfälle. Auch für Hersteller wird eine der Risikoklasse angemessene finanzielle Schadensdeckung vorgegeben. – Es wird vorgegeben, dass die benannten Stellen alle 3 Jahre auch unangekündigte Audits und Probenahmen bei Herstellern durchführen, bei Hochrisikoprodukten auch häufiger. Vorkommnisse wie im Falle der Firma PIP sollen damit vermieden werden. – Für Hochrisikoprodukte ist neu als Voraussetzung für einen Marktzugang ein Scrutiny-Verfahren vorgesehen. Die benannten Stellen melden neue Anträge auf Konformitätsbewertung für diese Produkte an eine Expertenkommission und reichen ihren Bericht der Begutachtung gemeinsam mit der Dokumenta - tion zur klinischen Bewertung des Herstellers ein. Ein Expertengremium beurteilt daraufhin die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Stellungnahme. Diese Stellungnahme ist durch die benannten Stellen im Rahmen der Ausstellung eines Zertifikates zu berücksichtigen. Damit ist eine Möglichkeit gegeben , Hochrisiko-Produkte bestmöglich bzgl. potenziellen Risiken sowie Nutzen zu evaluieren und ggf. auch Zertifikate mit Einschränkungen oder Auflagen zu erteilen. – Zu einer Verbesserung der Sicherheit von Medizinprodukten trägt wesentlich auch die Einführung eines verpflichtenden Implantate-Passes bei, der den Pa - tienten zu Art und Hersteller des implantierten Medizinproduktes in Kenntnis setzt und die Rückverfolgbarkeit im Falle aufgetretener Vorkommnisse sicherstellt . – Die zukünftig verpflichtende Kennzeichnung aller Medizinprodukte mit einer individuellen Produktnummer (UDI-unique Device Identification) trägt zur eindeutigen Produkt-Identifikation und Herstellerzuordnung bei und verbessert damit die Transparenz und Rückverfolgung. – Zukünftig wird es bei jedem Hersteller bzw. Bevollmächtigten eine Verantwortliche Person geben; die zugeschriebenen Verantwortlichkeiten sind mit denen des Sicherheitsbeauftragten nach § 30 Medizinproduktegesetz (MPG) vergleichbar . – auch EU-Bevollmächtigte haften zukünftig – wie Hersteller oder Einführer – für Produktschäden. – Die Wiederaufbereitung von Einmalprodukten wird zukünftig in einem EU- Land nur dann möglich sein, wenn nationale Regelungen dies erlauben; damit kann dieses aus Kostengründen vom Medizinproduktebetreiber entgegen der Zweckbestimmung des Herstellers praktizierte Vorgehen – ausgeschlossen werden. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 205 6 – Detailliertere Vorgaben zur Klinischen Prüfung und Bewertung von Medizinprodukten führen zu einer verbesserten Datenlage durch den Hersteller und ermöglichen eine fundierte Re-Evaluierung des Nutzen-Risiko-Profils im Rahmen der Re-Zertifizierung. – Medizinprodukte mit Gefahrstoffen, insbesondere krebserzeugende, erbgutverändernde und fortpflanzungsgefährdende Stoffe unterliegen zukünftig höheren Anforderungen bei der Konformitätsbewertung. – Das risikobasierte System der Produktklassifizierung im IVD-Bereich wurde nun an den Stand von Wissenschaft und Technik angepasst. Es wurden angemessene Anforderungen definiert bzgl. der Konformitätsbewertung und Markt - überwachung von Tests mit unterschiedlichen Risikoprofilen. IVD-Tests zur Eigenanwendung fallen nun – mit wenigen Ausnahmen – zukünftig unter die zweithöchste Risikoklasse C, auch um eine größtmögliche Sicherheit der Anwendung zu gewährleisten. 7. Wie viele fehlerhafte Medizinprodukte können ihrer Ansicht nach mit der o. g. Richtlinie aus dem Verkehr gezogen werden? Die beiden neuen EU-Verordnungen zielen auf die Verbesserung der Sicherheit von Medizinprodukten und damit auf den größtmöglichen Schutz der Patientengesundheit ab. Medizinprodukte, welche nicht die einschlägigen Anforderungen erfüllen, sollen nicht auf den Markt gelangen. Medizinprodukte im Markt, welche in einer Re-Evaluierung Defizite hinsichtlich technischer oder klinischer Parameter aufweisen, müssen zum Schutz der Patienten vom Markt genommen werden. Die bereits oben skizzierten veränderten Vorgaben werden maßgeblich dazu beitragen , dass das Nutzen-Risiko-Profil der Medizinprodukte gemäß dem Stand von Wissenschaft und Technik angemessen beurteilt und kontinuierlich hinterfragt werden kann. Eine entscheidende Rolle kommt bei allen Produkten der höheren Risikoklassen den benannten Stellen zu. Die Anforderungen, welche zukünftig an benannte Stellen gestellt werden, haben sich daher wesentlich verändert. Annex VI der Medizinprodukte- bzw. In-Vitro-Diagnostika-Verordnung benennt die Anforderungen , welche zukünftig benannte Stellen erfüllen müssen. Seit dem Beginn der Initiative zur Verbesserung der Sicherheit im Bereich Medizinprodukte 2012 findet bereits eine Marktbereinigung bei den benannten Stellen statt; nicht aus - reichend qualifizierte Einrichtungen verschwinden vom Markt. Die entsprechenden Medizinprodukte werden von anderen benannten Stellen zertifiziert und es ist zu erwarten, dass diese nach den neuen Vorgaben qualifizierten benannten Stellen im Rahmen des nächsten Audits oder spätestens im Rahmen der Re-Zertifizierung des jeweiligen Medizinproduktes eine Re-Evaluierung der Grundlegenden Anforderungen , der Technischen Dokumentation und der Klinischen Bewertung durchführen . Hersteller von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika, welche die entsprechenden Anforderungen nicht erfüllen, werden nachbessern oder die Produkte vom Markt nehmen müssen. Die Verordnungen haben darüber hinaus auch eine Harmonisierung der Markt - überwachung in den europäischen Staaten zum Ziel. Durch die qualifizierte Routineüberwachung von Medizinprodukte-Herstellern, -Betreibern und -Händlern in allen Mitgliedsstaaten durch zuständige staatliche Behörden werden die Akteure flächendeckend in Bezug auf die Einhaltung der jeweils einschlägigen EU-Vorgaben für Medizinprodukte geprüft. Hierzu bedarf es in allen Mitgliedsstaaten der angemessenen Ausstattung der zuständigen Behörden mit fachkundigem Personal und Sachmitteln zur routinemäßigen bzw. anlassbezogenen Beprobung der Produkte . Lucha Minister für Soziales und Integration