Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 2063 19. 05. 2017 1Eingegangen: 19. 05. 2017 / Ausgegeben: 06. 07. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wann genau hat sich erstmalig eine Firma an den Landesbetrieb ForstBW gewandt und Interesse an Kiesabbau in einem Waldstück in dem Gebiet „Dellenhau “ bekundet? 2. Welche Behörde, Dienststelle oder welcher Landesbetrieb hat mit der interessierten Firma Verhandlungen geführt? 3. Welche Verträge oder Vereinbarungen zwischen ForstBW (bzw. dem Land Baden -Württemberg) und der am Abbau interessierten Firma gibt es dazu unter Angabe, wann genau diese geschlossen wurden? 4. Wenn es bislang nur einen Vorvertrag mit der betreffenden Firma gibt, welche Behörde oder Dienststelle (oder gegebenenfalls der Landesbetrieb ForstBW) hat diesen Vorvertrag rechtlich vorbereitet? 5. Sofern es bereits einen rechtsgültigen Pachtvertrag zwischen der betreffenden Firma und dem Land Baden-Württemberg (ForstBW) geben sollte, von welcher Behörde oder Dienststelle (oder gegebenenfalls Landesbetrieb ForstBW) wurde dieser in welchem Zeitraum vorbereitet? 6. In welchen Fällen ist es notwendig, dass für den Abschluss eines Vorvertrags zur Verpachtung von Landeseigentum (in diesem Fall Waldflächen) zur Nutzung von oberflächennahen Rohstoffen eine Ministererlaubnis eingeholt werden muss? Kleine Anfrage der Abg. Gabi Rolland SPD und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Kiesabbaugebiet Dellenhau (Hegau) Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2063 2 7. Wenn, wie in der Presse berichtet, in dem in Rede stehenden Fall eine schrift - liche Ministererlaubnis gegeben wurde, welche Sachverhalte waren der genaue Gegenstand und wann und von welchem Minister wurde diese Erlaubnis erteilt ? 8. Inwieweit wurde von ForstBW rechtlich geprüft, ob es zulässig ist, Landeseigen - tum (oberflächennahe Rohstoffe) in einem Wert von deutlich mehr als einer Millionen Euro ohne (europaweite) Ausschreibung zu veräußern bzw. einen Verkauf nur einem Interessenten in Aussicht zu stellen? 9. Inwieweit wurde über die beabsichtigte Verpachtung oder den Verkauf öffentlich informiert oder zumindest eine Mitteilung im Landesanzeiger veröffentlicht , um allen Interessenten die Möglichkeit der Bewerbung zu geben? 12. 05. 2017 Rolland SPD B e g r ü n d u n g In der Stadt Singen und in den Gemeinden Rielasingen-Worblingen und Gottmadingen gibt es starke Einwände gegen das Vorhaben, im Dellenhau Kies abzu - bauen. Es werden Verstöße gegen die Ziele des Teilregionalplans befürchtet, da - rü ber hinaus gibt es Befürchtungen wegen eines möglichen Anstiegs des Lärm - pegels durch zusätzlichen Schwerlastverkehr und ökologische Beeinträchtigungen des Gebiets. A n t w o r t Mit Schreiben vom 13. Juni 2017 Nr. Z(54)-0141.5/160F beantwortet das Minis - terium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Wann genau hat sich erstmalig eine Firma an den Landesbetrieb ForstBW gewandt und Interesse an Kiesabbau in einem Waldstück in dem Gebiet „Dellenhau “ bekundet? Zu 1.: Zur kontinuierlichen Sicherung der Deckung des regionalen Rohstoffbedarfs werden von den Regionalverbänden mittelfristig Vorrang- und Sicherungsflächen für den oberflächennahen Rohstoffabbau ausgewiesen. Mit der Eingabe von Vorschlägen zur Regionalplanung Hochrhein-Bodensee wurde im Jahr 2000 von der Rohstoffbranche allgemein erstmalig ein Interesse an bestimmten Abbaugebieten bekundet. Nach Prüfung und Abwägung aller öffentlich-rechtlichen Belange (auch unter Beteiligung der Landesforstverwaltung) ist das Gebiet „Dellenhau“ mit der Veröffentlichung des Teilregionalplans „Oberflächennahe Rohstoffe“ am 14. März 2005 verbindlich zum Sicherungsgebiet erklärt worden. Damit ist eine verbindliche Grundlage für weiteres Verwaltungshandeln gegeben. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2063 Nach der Beschränkung der bisherigen Abbaumöglichkeit am bisherigen Standort in Überlingen am Ried hat sich die am Abbau interessierte Firma auf der Suche nach Alternativflächen zur Betriebssicherung im August 2007 an die Landesforstverwaltung gewandt. 2. Welche Behörde, Dienststelle oder welcher Landesbetrieb hat mit der interessierten Firma Verhandlungen geführt? Zu 2.: Die ersten Gespräche wurden 2007 zwischen dem Regierungspräsidium Freiburg, Abt. Forstdirektion in Abstimmung mit der Unteren Forstbehörde im Landratsamt Konstanz und der betreffenden Firma geführt. Ab Anfang 2014 fanden dann konkrete Gespräche über eine mögliche Verpachtung einer potenziellen Abbaufläche im Dellenhau zwischen dem Landesbetrieb ForstBW, Fachbereich 81 Forstrecht, Nebennutzungen und Jagd beim Regierungspräsidium Tübingen und der betreffenden Firma statt. 3. Welche Verträge oder Vereinbarungen zwischen ForstBW (bzw. dem Land Baden -Württemberg) und der am Abbau interessierten Firma gibt es dazu unter Angabe, wann genau diese geschlossen wurden? Zu 3.: Mit Vertrag vom 6. August 2013 gestattete der Landesbetrieb ForstBW, vertreten durch den Betriebsteil Landkreis Konstanz bei der Unteren Forstbehörde im Landratsamt Konstanz, der betreffenden Firma die Durchführung von Erkundungsbohrungen im Dellenhau. Ein Anspruch auf einen nachfolgenden Pachtvertrag war dabei ausdrücklich ausgeschlossen. Für eine vorzeitige Inanspruchnahme von Sicherungsflächen bedarf es einer Änderung der Regionalplanung durch ein Raumordnungsverfahren in der Form eines Zielabweichungsverfahrens. Um hierfür die notwendigen Verfahrensschritte in die Wege leiten zu können, bedarf der Antragsteller zunächst der Zustimmung des Grundstückseigentümers. Infolge dessen wurde am 22. Oktober 2014 ein Pachtvertrag über die Verpachtung einer Staatswaldfläche im Dellenhau zum Abbau von Kies und Sand mit der betreffenden Firma abgeschlossen. Dieser Vertrag steht ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass sämtliche für den Abbau erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen bis zum 31. Dezember 2021 erteilt sind. 4. Wenn es bislang nur einen Vorvertrag mit der betreffenden Firma gibt, welche Behörde oder Dienststelle (oder gegebenenfalls der Landesbetrieb ForstBW) hat diesen Vorvertrag rechtlich vorbereitet? Zu 4.: Es besteht kein Vorvertrag, sondern ein Pachtvertrag (vgl. Ziff. 3). 5. Sofern es bereits einen rechtsgültigen Pachtvertrag zwischen der betreffenden Firma und dem Land Baden-Württemberg (ForstBW) geben sollte, von welcher Behörde oder Dienststelle (oder gegebenenfalls Landesbetrieb ForstBW) wurde dieser in welchem Zeitraum vorbereitet? Zu 5.: Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 der Verordnung der Landesregierung über Vor-Ort-Zuständigkeiten im Bereich Forst und Jagdabgabe vom 29. Juni 2010 (GBl. S. 502) in der Fassung der Verordnung der Landesregierung und des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz zur Änderung der Vor-Ort-Zuständigkeitsverordnung Landwirtschaft und der Vor-Ort-Zuständigkeitsverordnung Forst Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2063 4 und Jagdabgabe vom 23. Februar 2016 (GBl. S. 177) ist das Regierungspräsidium Tübingen zuständig für die Bewirtschaftung von Nebennutzungen und Gestattungen auf Staatswaldflächen. Die Erstellung und der Abschluss von Nutzungsverträgen über Rohstoffabbau ist Aufgabe des Referats 81-Fachbereich Forstrecht, Nebennutzungen, Jagd beim Regierungspräsidium Tübingen. 6. In welchen Fällen ist es notwendig, dass für den Abschluss eines Vorvertrags zur Verpachtung von Landeseigentum (in diesem Fall Waldflächen) zur Nutzung von oberflächennahen Rohstoffen eine Ministererlaubnis eingeholt werden muss? Zu 6.: Nach § 7 der Satzung des Landesbetriebes Forst Baden-Württemberg (Betriebssatzung ForstBW) vom 30. Juli 2010 – Az.: 5-0144.5 – unterliegt der Landesbetrieb ForstBW der Fachaufsicht des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz . Durch die sich bereits im Vorfeld abzeichnenden kontroversen Positionen hat die Betriebsleitung von ForstBW vor Vertragsabschluss das Einvernehmen mit dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz hergestellt. Für die Einholung einer Ministererlaubnis für den Abschluss von Vorverträgen bzw. Verträgen zur Verpachtung von Staatswaldflächen zur Nutzung von oberflächennahen Rohstoffen gibt es keine rechtlichen Vorgaben. 7. Wenn, wie in der Presse berichtet, in dem in Rede stehenden Fall eine schrift - liche Ministererlaubnis gegeben wurde, welche Sachverhalte waren der genaue Gegenstand und wann und von welchem Minister wurde diese Erlaubnis erteilt? Zu 7.: Nach eingehender Prüfung und Abwägung des Sachverhaltes durch das Ministe - rium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Abt. 5 – Waldwirtschaft, Landesbetrieb ForstBW wurde von Herrn Minister Bonde am 30. Juli 2014 die Zustimmung zur Verpachtung erteilt. Durch den Abschluss des privatrechtlichen Pachtvertrags am 22. Oktober 2014 wurde der Vertragspartner erst in die Lage versetzt, die für einen Abbau erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahren zu beantragen. Der Pachtvertrag steht unter dem Vorbehalt der öffentlich-rechtlichen Genehmigung und nimmt diese auch nicht vorweg. 8. Inwieweit wurde von ForstBW rechtlich geprüft, ob es zulässig ist, Landes - eigentum (oberflächennahe Rohstoffe) in einem Wert von deutlich mehr als einer Million Euro ohne (europaweite) Ausschreibung zu veräußern bzw. einen Verkauf nur einem Interessenten in Aussicht zu stellen? Zu 8.: Eine rechtliche Prüfung durch ForstBW hat ergeben, dass nach aktuellem Recht bei der schlichten Verpachtung eines Grundstücks das Vergaberecht nicht anzuwenden ist. Begründung: Die schlichte Verpachtung eines Grundstücks oder Nutzungsrechts durch die öffentliche Hand ist kein ausschreibungspflichtiger öffentlicher Auftrag und unterliegt daher nicht dem Vergaberecht. Da ForstBW bei der Verpachtung der Abbaufläche nicht als Anbieter einer eigenen Leistung am Markt auftritt und die Einnahme einer Gegenleistung in Geld kein vergaberechtlicher Beschaffungsvorgang ist, greift die vergaberechtliche Ausnahmeregelung des § 107 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Die Verpachtung des Grundstücks unterliegt damit nicht dem Vergaberecht. Ebenso fällt die schlichte Verpachtung auch nicht unter die Sektorentätigkeit, da ForstBW in Pachtverträ- 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2063 gen konsequent § 95 des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Anwendung bringt und den Eigentumserwerb von errichteten Anlagen auf dem Pachtgrundstück generell ausschließt. 9. Inwieweit wurde über die beabsichtigte Verpachtung oder den Verkauf öffentlich informiert oder zumindest eine Mitteilung im Landesanzeiger veröffentlicht , um allen Interessenten die Möglichkeit der Bewerbung zu geben? Zu 9.: Die potenziellen Abbauflächen sind in den Regionalplänen für jedermann einsehbar . Interessenten kennen die Situation und kommen auf den jeweiligen Grund - eigentümer zu. Eine Verpachtung von Abbaurechten auf Landesflächen erfolgt nur, wenn ein aktueller Bedarf besteht und ein zeitnaher Abbaubeginn gegeben ist. Ein Anbieten von Abbauflächen durch den Grundeigentümer ohne einen tatsächlich aktuellen Bedarf würde zu unerwünschter Vorratshaltung durch Abbauunternehmen führen und ließe keinen Spielraum für Wertentwicklungen am Markt zu. In Vertretung Puchan Ministerialdirektorin