Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 2133 26. 05. 2017 1Eingegangen: 26. 05. 2017 / Ausgegeben: 01. 08. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Kilometer wurden bei Dienstreisen in den Jahren 2010 bis 2015 per Bahn, Inlandsflug, Kontinentalflug und Interkontinentalflug zurückgelegt und welchen Anteil daran haben Dienstreisen nach Berlin und Brüssel? 2. Welche Entfernung wurde durchschnittlich bei Dienstreisen mit dem Flugzeug im Inland in den Jahren 2010 bis 2015 zurückgelegt? 3. Warum sind die mit Interkontinentalflügen zurückgelegten Strecken bei Dienst - reisen von 55 Mio. Kilometer im Jahr 2013 auf 72 Mio. Kilometer im Jahr 2015 angestiegen? 4. Wie bewertet sie die These, dass Regelungen des Landesreisekostengesetzes, die die Wahl des wirtschaftlichsten Verkehrsmittels – ohne Berücksichtigung der CO2-Emissionen – vorschreiben, zu einer Verlagerung von (teureren) Bahnzu (günstigeren) Flugreisen führen? 5. Welche finanziellen Mittel wurden jeweils in den Jahren 2008 bis 2016 als Klimaabgabe zum Ausgleich der durch dienstliche Flugreisen verursachten Emissionen aufgewendet und mit welchen Kosten rechnet sie in den Jahren bis 2021 angesichts der zunehmenden Zahl dienstlicher Flugreisen einerseits und der Erhöhung der Klimaabgabe andererseits? 6. Mit welchen Maßnahmen will sie den durch dienstliche Flugreisen verursachten CO2-Ausstoß reduzieren und welche Zielmarken hat sie sich dafür bis zum Jahr 2021 gesteckt? Kleine Anfrage des Abg. Paul Nemeth CDU und Antwort des Ministeriums für Finanzen Anstieg der durch Flugreisen von Landesbediensteten verursachten CO2-Emissionen um mehr als 50 Prozent Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2133 2 7. Welche Anstrengungen unternimmt sie, um Dienstreisen durch Telefon- oder Videokonferenzen zu ersetzen? 24. 05. 2017 Nemeth CDU B e g r ü n d u n g Mit dem Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes in Baden-Württemberg hat sich die Landesregierung 2013 das Ziel gesetzt, die Verwaltung des Landes bis 2040 weitgehend klimaneutral zu organisieren. Die Treibhausgasemissionen, die der Arbeit der Landesverwaltung zuzurechnen sind, sollen also stark reduziert oder an anderer Stelle kompensiert werden. Als Zwischenbilanz hat das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft am 16. Mai 2017 einen Bericht zur klimaneutralen Landesverwaltung im Kabinett vorgelegt. Dieser Bericht zeichnet ein durchwachsenes Bild: Die auffallend hohe Zahl der Dienstreisen, die von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesverwaltung zwischen 2010 und 2015 mit dem Flugzeug unternommen wurden und der entsprechende Anstieg der Emissionen in diesem Bereich um 52 Prozent laufen dem Ziel einer klimaneutralen Landesverwaltung deutlich zuwider . Insbesondere sind die mit Interkontinentalflügen zurückgelegten Strecken stark angestiegen. A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 14. Juli 2017 Nr. 1-0371.0/57/1 beantwortet das Ministerium für Finanzen im Einvernehmen mit dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen: Die Landesregierung hat sich nach dem Klimaschutzgesetz Baden-Württemberg zum Ziel gesetzt, ihrer besonderen Vorbildfunktion auch dadurch gerecht zu werden , indem bis 2040 die weitgehende Klimaneutralität der Landesverwaltung angestrebt wird (§ 7 Absatz 2 Klimaschutzgesetz). Um die Zielerreichung zu verfolgen und etwaige notwendig werdende Korrekturen zielgerichtet einzuleiten, wird in dreijährigem Rhythmus eine Bilanz über die wesentlichen Treibhausgasemissionen der Landesverwaltung gezogen. Den Ausgangspunkt bildet eine im Jahr 2014 vorgelegte Startbilanz auf Grund - lage der Emissionsdaten aus dem Jahr 2010 ff. Die erste Fortschreibung ist im Früh - jahr 2017 erfolgt; dabei wurden Daten der Jahre 2013 bis 2015 zugrunde gelegt. Die aktuell vorgelegte CO2-Bilanz zeigt, dass sich das Instrument der regelmäßigen Überwachung relevanter Emissionsdaten bewährt. Während sich die Landesverwaltung mit Blick auf die bis 2040 angestrebte weitgehende Klimaneutralität insgesamt zwar auf Kurs befindet, ist der Anteil des durch Dienstreisen verursachten CO2-Ausstoßes von elf auf 17 Prozent gestiegen. *) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2133 1. Wie viele Kilometer wurden bei Dienstreisen in den Jahren 2010 bis 2015 per Bahn, Inlandsflug, Kontinentalflug und Interkontinentalflug zurückgelegt und welchen Anteil daran haben Dienstreisen nach Berlin und Brüssel? Zu 1.: Für die Jahre 2010 bis 2012 gibt es keine verlässlichen Kilometerangaben. Bei der Erstellung der CO2-Startbilanz wurden im Wesentlichen Emissionsdaten aus dem Bezugsjahr 2010 verwendet, die von einem auf dem Gebiet der CO2-Bilanzierung erfahrenen Unternehmen aufbereitet oder teilweise über qualifizierte Schätzungen hochgerechnet wurden. Die seinerzeitigen Daten sind im Einzelnen nicht mehr vollständig verfügbar. Die Fortschreibung der CO2-Bilanz erfolgte mit Daten der Jahre 2013 bis 2015. Die Entwicklung stellt sich dabei wie folgt dar: Die durch Flugreisen verursachten Emissionen lagen 2010 bei rund 27.000 Tonnen CO2; sie stiegen bis 2015 auf rund 41.000 Tonnen CO2. Zum Anteil von Dienstreisen nach Berlin oder Brüssel liegen keine genauen Angaben vor. Nach vorsichtigen Schätzungen in Abstimmung mit dem Koopera - tionsreisebüro des Landes wird davon ausgegangen, dass 85 % aller Inlandsflüge nach Berlin gehen. Der Anteil von Flügen nach Brüssel macht bezogen auf die Kontinentalflüge 10 % aus. Der Anteil von Dienstreisen per Bahn nach Brüssel kann mit vertretbarem Aufwand nicht ermittelt werden. Nach Angaben der Deutschen Bahn liegt der Anteil von Dienstreisen an Bahnfahrten nach Berlin bei 3,5 %. 2. Welche Entfernung wurde durchschnittlich bei Dienstreisen mit dem Flugzeug im Inland in den Jahren 2010 bis 2015 zurückgelegt? Zu 2.: Zu den Jahren 2010 bis 2012 wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Bei den vorliegenden Ticketzahlen kann nicht differenziert werden, ob es sich um Hinund Rückflüge oder einzelne Hin- oder Rückreisen handelt. Es wird daher davon ausgegangen, dass 85 % der Tickets Hin- und Rückflüge betrifft und 15 % ein - fache Flugtickets sind (z. B. bei Buchung des Hin- und Rückflugs bei unterschiedlichen Fluggesellschaften). Auf Basis der bevorstehenden Annahmen stellen sich die durchschnittlichen Entfernungen bei Dienstreisen mit dem Flugzeug im Inland wie folgt dar: 3. Warum sind die mit Interkontinentalflügen zurückgelegten Strecken bei Dienst - reisen von 55 Mio. Kilometer im Jahr 2013 auf 72 Mio. Kilometer im Jahr 2015 angestiegen? Zu 3.: Die Landesverwaltung wie auch die Universitäten und Hochschulen sind von der in den vergangenen Jahren festzustellenden und in der Zukunft weiter prognostizierten zunehmenden Internationalisierung nicht ausgenommen. Dem Austausch der Universitäten und Hochschulen in den Bereichen Forschung und Lehre kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Dies gilt sowohl für die Lehrenden und Stu- -DKU %DKQUHLVHQ ,QODQGVIOJH .RQWLQHQWDOIOJH ,QWHUNRQWLQHQWDOIOJH NP NP NP NP NP NP NP NP NP NP NP NP NP NP NP Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2133 4 dierenden als auch im internationalen Wettbewerb der Universitäten und Hochschulen . Die von den Ressorts seit 2008 erhobene Klimaabgabe für nicht vermeidbare Flugreisen und die bei der Novellierung des Landesreisekostenrechts vorgesehene Ausweitung gewinnt damit weiter an Bedeutung. 4. Wie bewertet sie die These, dass Regelungen des Landesreisekostengesetzes, die die Wahl des wirtschaftlichsten Verkehrsmittels – ohne Berücksichtigung der CO2-Emissionen – vorschreiben, zu einer Verlagerung von (teureren) Bahnzu (günstigeren) Flugreisen führen? Zu 4.: Auch nach dem derzeitigen Landesreisekostengesetz kann trotz eines im Einzelfall günstigeren Fluges auch das klimaneutralere Verkehrsmittel Bahn genutzt werden. Die Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten wird durch die geplante Novelle des Landesreisekostenrechts weiter verstärkt. Dort soll ausdrücklich vorgesehen werden, dass die Erfordernisse des Klimaschutzes bei der Wahl des Beförderungsmittels neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten berücksichtigt werden müssen. 5. Welche finanziellen Mittel wurden jeweils in den Jahren 2008 bis 2016 als Klimaabgabe zum Ausgleich der durch dienstliche Flugreisen verursachten Emissionen aufgewendet und mit welchen Kosten rechnet sie in den Jahren bis 2021 angesichts der zunehmenden Zahl dienstlicher Flugreisen einerseits und der Erhöhung der Klimaabgabe andererseits? 6. Mit welchen Maßnahmen will sie den durch dienstliche Flugreisen verursachten CO2-Ausstoß reduzieren und welche Zielmarken hat sie sich dafür bis zum Jahr 2021 gesteckt? Zu 5. und 6.: Die Fragen 5 und 6 werden zusammen beantwortet. Die Ressorts führen nach einem Kabinettsbeschluss vom 6. November 2007 auf dienstlich veranlasste Flugreisen eine Klimaabgabe ab. Die Berechnung der Klima - abgabe erfolgt eigenständig von den Ressorts analog dem Rechenmodell der Klimaschutzorganisation atmosfair (www.atmosfair.de). Die eingehenden Mittel werden vom Umweltministerium verwaltet. Für Flugreisen der Jahre 2007 bis 2016 gingen zu: -DKU %HWUDJ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ 6XPPH ¼ 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2133 Die dienstlichen Flugreisen der Ministerien und damit auch die Höhe der Klimaabgabe könnten in den kommenden Jahren insbesondere bei einer weiteren Intensivierung internationaler Kontakte weiter steigen. Im Zuge der derzeit erfolgenden Novellierung des Landesreisekostenrechts sieht das Ministerium für Finanzen vor, den Klimaschutz stärker zu würdigen. Insbesondere für den Bereich der durch Flugreisen verursachten CO2-Emissionen plant das Ministerium für Finanzen im Rahmen der Novellierung des Landesreisekostengesetzes, den Anwendungsbereich der Klimaabgabe für Dienstreisen per Flugzeug auszuweiten. Die Klimaabgabe wurde schon bisher für Dienstreisen per Flugzeug von Regierungsmitgliedern und Bediensteten der Ministerien verbindlich entrichtet. Sie soll mit der Novelle des Landesreisekostengesetzes auf die Dienstreisen der den Ministerien nachgeordneten Behörden mit dem Flugzeug ausgeweitet werden. Den Universitäten und Hochschulen des Landes soll künftig empfohlen werden, sich der Vorbildfunktion anzuschließen und die Abgabe ebenfalls zu entrichten. Mit den Einnahmen aus der Klimaabgabe werden derzeit von der Stiftung Entwicklungszusammenarbeit SEZ vorgeschlagene Projekte in Entwicklungsländern mit dem Ziel des Klimaschutzes und/oder der Energiewende unterstützt. Die Landesregierung hat für Baden-Württemberg als bundesweit erstes Land im November 2014 eine Arbeitseinheit zum behördlichen Mobilitätsmanagement eingerichtet. Die bereits ergriffenen und umgesetzten Maßnahmen wurden im Bericht der Landesregierung nach § 7 Absatz 3 Klimaschutzgesetz zur Förderung des Klimaschutzes in Baden-Württemberg (Drs. 16/2089, S. 43) ausgeführt. 7. Welche Anstrengungen unternimmt sie, um Dienstreisen durch Telefon- oder Videokonferenzen zu ersetzen? Zu 7.: Kommunikation und Zusammenarbeit mittels elektronischer Medien ist unverzichtbarer Teil der Arbeit geworden. Telefon- und Videokonferenzen prägen aufgrund der stetig wachsenden Termindichte den beruflichen Alltag immer stärker und stellen daher nicht nur aus Umweltgesichtspunkten eine gute Besprechungsalternative dar. Durch den Wegfall von An- und Abreisezeiten sowie eventuellen Übernachtungskosten entsteht ein maßgeblicher wirtschaftlicher Vorteil, eine wesentliche Zeit- und dadurch auch finanzielle Kostenersparnis. Durch die Förderung des Breitbandausbaus profitiert auch die Landesverwaltung selbst in den Bereichen Voice over IP-Telefonie und Videotelefonie. Es erschließt sich dadurch ein Spektrum an neuen Möglichkeiten mit Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern in Bild und Ton zu kommunizieren, ohne direkt vor Ort sein zu müssen. Die Telefonkonferenz ist eine Basisanforderung der Telekommunikationsversorgung der Landesverwaltung. In der Regel bieten die in der Landesverwaltung eingesetzten Telefonanlagen bereits eine grundlegende Telefonkonferenz-Funktionalität . Sofern darüber hinausgehende Konferenzfunktionen benötigt werden, wird in der Regel auf virtuelle Telefonkonferenzräume der Festnetzanbieter zurückgegriffen . Die Videokonferenz ist ein Standard des E-Government-Konzepts Baden-Württemberg . Videokonferenzsysteme sind jedoch noch nicht flächendeckend in allen Landesbehörden vorhanden. Sie sollen bedarfsgerecht eingerichtet werden. Einige Landesministerien verfügen bereits über entsprechende Konferenzräume, die insbesondere für länderübergreifende Besprechungen, zur gemeinsamen Bearbeitung von Dokumenten (Content-Sharing) und zur Durchführung von Präsentationen eingesetzt werden. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2133 6 Außerdem bietet die IT Baden-Württemberg (BITBW) in ihrem Servicekatalog eine Videokonferenz-Lösung an. Organisatorische Vorgaben zur Nutzung von Videokonferenzen flankieren das Angebot. So sollen beispielsweise im Bereich der Steuerverwaltung Besprechungen der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder soweit möglich durch Videokonferenztechnik (zum Beispiel durch Zuschaltung von einzelnen Vortragenden) unterstützt werden. In Vertretung Dr. Splett Staatssekretärin