Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Drucksache 16 / 2153 31. 05. 2017 Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP und Antwort der Landesregierung Hilfe zur Selbsthilfe – Rahmenbedingungen für ein selbstbestimmtes und zukunftssicherndes Risikomanagement in der Land- und Forstwirtschaft G r o ß e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: I . M ö g l i c h e M o d e r n i s i e r u n g e n i m S t e u e r r e c h t 1. In welchem Maße und Umfang erwartet sie ein Profitieren der baden-württembergischen Betriebe der Land- und Forstwirtschaft von der dreijährigen steuerlichen Gewinnglättung nach § 32 c des Einkommensteuergesetzes im gesetzlich festgesetzten ersten Betrachtungszeitraum 2014 bis 2016? 2. Wie gestalten sich nach dem Beschluss des Bundesrats vom 17. Juni 2017 (siehe Bundesratsdrucksache 314/16) aktuell die Verhandlungen und Bemühungen hinsichtlich der Ermöglichung einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft? 3. Welche Auffassung vertritt ihrer Kenntnis nach diesbezüglich aktuell der Bundesfinanzminister? 4. Inwieweit teilt sie die Auffassung, dass eine entsprechende steuerliche Risikoausgleichsrücklage sowohl unmittelbar bei Eintritt eines Risikofalls als auch bei Schadensbeseitigungen und vorbeugenden beziehungsweise risikomindernden Investitionen (zum Beispiel Hagelschutznetze, Beregnungstechnik usw.) genutzt werden können sollte? 5. Wie bewertet sie die Kritik des Bundesrechnungshofs an der Sonderstellung für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft beim steuermindernden Investitionsabzugsbetrag nach § 7 g Absatz 1 Ziffer 1 b des Einkommensteuergesetzes ? 6. Welche Möglichkeiten sieht sie, die Regelung im Sinne eines betrieblichen Risikomanagements weiterzuentwickeln und gleichzeitig dem vom Bundesrechnungshof geltend gemachten Gebot einer einheitlichen Besteuerung Rechnung zu tragen? Eingegangen: 31. 05. 2017 / Ausgegeben: 21. 09. 2017 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2153 2 7. Wie bewertet sie vor dem Hintergrund aktueller Liquiditätsengpässe in den landwirtschaftlichen Betrieben die Möglichkeit der abermaligen befristeten Einführung eines Freibetrags zum Zwecke der Schuldentilgung, etwa nach Vorbild der früheren Regelung in § 14 a Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes (gegebenenfalls unter Nennung der aus ihrer Sicht vorstellbaren Höhe eines solchen Freibetrags)? 8. Inwieweit ist sie bereit, sich im Wege einer Bundesratsinitiative für eine derartige Regelung zu verwenden? 9. Inwieweit teilt sie die Auffassung, dass die 2012 von der schwarz-gelben Bundesregierung erfolgreich auf den Weg gebrachte Absenkung des Versicherungssteuersatzes für Mehrgefahrenversicherungen auf 0,3 Promille der Versicherungssumme nach § 6 Absatz 2 Ziffer 4 um zusätzliche Kumulrisiken wie zum Beispiel Dürre beziehungsweise Trockenheit erweitert werden sollte? 10. Inwieweit teilt sie die Auffassung, dass die 2012 von der schwarz-gelben Bundesregierung erfolgreich auf den Weg gebrachte Absenkung des Versicherungssteuersatzes auch auf Tierversicherungen ausgedehnt werden sollte ? I I . P r a k t i k a b l e Ve r s i c h e r u n g s l ö s u n g e n 1. Wie bewertet sie es mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft im europäischen Binnenmarkt, dass 21 von derzeit noch 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union anders als Deutschland den Betrieben der Landwirtschaft bei Ernteversicherungen eine Prämienunterstützung gewähren? 2. Wie bewertet sie im unmittelbaren Vergleich jeweils die Vor- und Nachteile einer Prämienunterstützung mit Mitteln aus der zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union und einer Prämienunterstützung mit nationalen Mitteln (zum Beispiel wie in Österreich Bezuschussung durch Bund und Länder) im Rahmen eines Public-Private-Partnership-Modells? 3. Inwiefern sieht sie im Zusammenhang mit öffentlichen Prämienunterstützungen auch mögliche Risiken (zum Beispiel Mitnahmeeffekte der Versicherungswirtschaft oder Moral-Hazard-Anreize für landwirtschaftliche Betriebe hinsichtlich einer Vernachlässigung einer risikovorsorgenden Betriebsführung oder von Investitionen in Schutzmaßnahmen)? 4. Welche Möglichkeiten beziehungsweise Modelle sieht sie, um derartige Risiken zu minimieren? 5. Teilt sie den Vorschlag des Bundesumweltamts, eine begrenzte, temporär degressiv gestaltete Prämienunterstützung für Ernteversicherungen zu prüfen (siehe: Umweltbundesamt, Climate Change 16/2014)? 6. Welche landwirtschaftlichen Mehrgefahrenversicherungspakete zur Absicherung gegen Hagel-, Sturm- und Starkregenschäden beziehungsweise zur Absicherung gegen Hagel-, Sturm-, Starkregen- und Frostschäden sind ihrer Kenntnis nach derzeit von welchen Anbietern in Baden-Württemberg verfügbar ? 7. In welchem ungefähren Kostenrahmen pro Jahr und Hektar liegen ihrer Kenntnis nach exemplarisch in den Regionen Bodensee, Kaiserstuhl, Kraichgau , Stromberg und Rems-Murr-Kreis die Prämien für die Absicherung von Rebflächen gegen Hagel und Frost? 8. Wie genau definieren die einschlägigen Anbieter die oben genannten Kumulrisiken ? Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2153 3 9. In welchem ungefähren Kostenrahmen pro Jahr und Hektar liegen ihrer Kenntnis nach exemplarisch in den Regionen Bodensee, Ortenau, Hohenlohe /Schwäbisch Hall, Kreis Reutlingen und Rems-Murr-Kreis die Prämien für die Absicherung von Stein- und Kernobstkulturen gegen Hagel , Sturm und Starkregen? 10. In welchem ungefähren Kostenrahmen pro Jahr und Hektar liegen ihrer Kenntnis nach exemplarisch in den Regionen Breisgau, Ortenau, Zabergäu , Rhein-Neckar-Kreis und Hohenlohe/Schwäbisch Hall die Prämien für die Absicherung von Strauchbeerenkulturen gegen Hagel, Sturm und Starkregen? 11. Wie erklärt sie das lückenhafte Versicherungsangebot mit Blick auf das Kumulrisiko Frost bei der Absicherung von Kernobst, Steinobst oder Strauchbeeren? 12. In welchem ungefähren Kostenrahmen pro Jahr und Hektar liegen ihrer Kenntnis nach in der Region Tettnang die Prämien für die Absicherung von Hopfenkulturen gegen Hagelschlag? 13. Wie viele der in Deutschland verfügbaren Versicherungspakete, die eine Absicherung gegen Starkregenschäden bieten, beinhalten zugleich auch eine Absicherung gegen stehendes Wasser infolge von Starkregenereignissen ? 14. Welche Erkenntnisse hat sie zur Möglichkeit von versicherungstechnischen Absicherungen gegen Überschwemmungen in ausgewiesenen Hochwasserrisikogebieten? 15. Welche Erkenntnisse hat sie über die Ausgestaltung und die Marktdurchdringung der zum Beispiel in Ober- und Niederösterreich verfügbaren Dürreindexversicherungen? 16. In welchen weiteren Bereichen beziehungsweise hinsichtlich welcher Risiken sieht sie in Deutschland bisher noch ein fehlendes beziehungsweise unzureichendes Angebot von Ernteversicherungsprodukten? 17. Inwiefern bewertet sie die Komplexität des Produktdesigns der bisher auf dem deutschen Versicherungsmarkt verfügbaren Pakete beziehungsweise ein fehlendes Know-how der landwirtschaftlichen Betriebsleiter diesbezüglich als Hemmnis für eine höhere Versichertenquote? I I I . Ma r k t b a s i e r t e R i s i k oman a g emen t i n s t r umen t e f ü r P r e i s - v o l a t i l i t ä t e n 1. Wie bewertet sie die Zugangsbarrieren zu börslichen Warentermin- und Futureskontrakten für landwirtschaftliche Erzeugnisse aus Sicht eines durchschnittlichen baden-württembergischen Betriebs (zum Beispiel hinsichtlich Börsengebühren, Brokergebühren, Initial Margin und der zweifelsohne erforderlichen vertieften Marktkenntnisse)? 2. Welche Erkenntnisse hat sie über die Bedeutung von Forward-Kontrakten und anderen außerbörslichen Over-The-Counter-Geschäften für die landwirtschaftlichen Betriebe, Genossenschaften und Erzeugerorganisationen in Baden-Württemberg? 3. Welche künftigen Hilfestellungen plant sie bezüglich der Nutzung von Warentermingeschäften in der Landwirtschaft, etwa über einschlägige Beratungs - und Informationsangebote? 30. 05. 2017 Dr. Rülke, Dr. Bullinger und Fraktion Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2153 4 Beg r ü n d u n g Nach den Hagelschäden im Jahr 2014, den folgenreichen Trockenschäden im Jahr 2015 und den nicht minder verheerenden Frostschäden vom April 2017 sowie mit Blick auf die anhaltenden Preisvolatilitäten etwa bei Milch oder Schweinefleisch müssen die Rahmenbedingungen für ein wirksames und eigenverantwortliches Risikomanagement in den Betrieben der Land- und Forstwirtschaft dauerhaft verbessert werden. Dabei sollte das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe stets im Zentrum der Bemühungen stehen. Denn die wiederkehrende Gewährung öffentlicher adhoc -Zahlungen und Liquiditätshilfen nach Feststellung des Falls der Naturkatastrophe ist für Bund und Länder nicht nur teuer und verwaltungsintensiv, sondern der Allgemeinheit der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ebenso wenig als dauerhafte Lösung vermittelbar wie dem unternehmerischen Berufsstand der Land- und Forstwirtschaft selbst. An two r t * ) Schreiben des Staatsministeriums vom 12. September 2017 Nr. III-8400.: In der Anlage übersende ich unter Bezugnahme auf § 63 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg die von der Landesregierung beschlossene Antwort auf die Große Anfrage. Murawski Staatsminister und Chef der Staatskanzlei * ) Der Überschreitung der Sechs-Wochen-Frist wurde zugestimmt. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2153 5 Anlage: Schreiben des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Mit Schreiben vom 7. September 2017 Nr. Z(27)-0141.5/165F beantwortet das Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Namen der Landesregierung die Große Anfrage wie folgt: I . M ö g l i c h e M o d e r n i s i e r u n g e n i m S t e u e r r e c h t 1. In welchem Maße und Umfang erwartet sie ein Profitieren der baden-württembergischen Betriebe der Land- und Forstwirtschaft von der dreijährigen steuerlichen Gewinnglättung nach § 32 c des Einkommensteuergesetzes im gesetzlich festgesetzten ersten Betrachtungszeitraum 2014 bis 2016? Zu 1.: Durch die Ermittlung der durchschnittlichen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft wird die Summe der tatsächlichen Gewinne oder Verluste der Veranlagungszeiträume eines Betrachtungszeitraums gleichmäßig auf die Veranlagungszeiträume des Betrachtungszeitraums verteilt und hierdurch eine Tarifglättung erzielt. Die Vorschrift entfaltet ihre Wirkung damit umso stärker, je größer die Gewinnschwankungen im maßgeblichen Dreijahreszeitraum sind. Die durch die Durchschnittsbildung eintretende Glättungswirkung wirkt zusätzlich zum Gewinnglättungseffekt, der durch die Aufteilung nach § 4 a Abs. 2 Nr. 1 EStG ausgelöst wird. Die Vorschrift des § 32 c EStG unterliegt einem Inkrafttretensvorbehalt bis zum Abschluss der beihilferech tlichen Prüfung durch die Europäische Kommission. Die Auswirkung der Steuerentlastung, die § 32 c EStG bewirkt, tritt mit der Veranlagung ein. Wird die Steuererklärung für das Jahr 2016, für das die Neuregelung erstmals anwendbar sein soll, Anfang 2018 abgegeben, kommt es – wie dies auch bei einer Risikoausgleichsrücklage der Fall wäre – mit der Veranlagung zur Anwendung der Begünstigungsregelung. Mit anderen Worten: Entspricht die Ertragslage den Erwartungen, tritt die Steuerbegünstigung mit der Veranlagung ein. Liegen hingegen Ertragsminderungen vor, ist eine sofortige Herabsetzung der Vorauszahlungen möglich, sodass die Steuerersparnis insoweit vorgezogen wird. 2. Wie gestalten sich nach dem Beschluss des Bundesrats vom 17. Juni 2016 (siehe Bundesratsdrucksache 314/16) aktuell die Verhandlungen und Bemühungen hinsichtlich der Ermöglichung einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft? Zu 2.: Auf die Entschließung des Bundesrates vom 17. Juni 2016 erfolgte vor dem Hintergrund der in den Jahren 2015 und 2016 schwierigen Lage der landwirtschaftlichen Betriebe und insbesondere der Milchviehhalter eine Unterrichtung des Bundesrates durch die Bundesregierung, vertreten durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), am 7. Oktober 2016. Dieses hat zu der Forderung nach einer Risikoausgleichsrücklage festgestellt: „Die Besonderheit einer Rücklage ist, dass sie die Fähigkeit der Betriebe zur Bildung liquider Mittel voraussetzt. Hieran aber fehlt es häufig bei den betroffenen Betrieben, sodass die Rücklage steuerlich ins Leere gehen würde.“ Aus Sicht des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz ist diese Feststellung des BMEL im Kontext der Milchkrise 2015/2016 zu sehen. Die Milchviehbetriebe waren aufgrund mehrerer aufeinanderfolgender Jahre mit schlechten Betriebsergebnissen nicht in der Lage, in dieser Zeit Rücklagen zu bilden. Richtig ist, dass je nach Einkommenssituation und Produktionsstruktur die Betriebe in unterschiedlichem Ausmaß von einer Risikoausgleichsrücklage profitieren. Um Nutzen aus der Risikoausgleichsrücklage ziehen zu können, müssen landwirtschaftliche Betriebe aus ökonomischer Sicht nach Abzug von Steuern, Tilgung und Lebenshaltungskosten noch einen positiven Cashflow aufweisen, um zeitweilig auf Liquidität verzichten und entsprechende Finanzmittel der Rücklage zuführen zu können. Statt der Risikoausgleichsrücklage wurde zwischenzeitlich die Tarifglättungsvorschrift nach § 32 c in das Einkommensteuergesetz aufgenommen (siehe Nummer 1.). Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2153 6 Diese erfasst sämtliche land- und forstwirtschaftlichen Betriebe, während hingegen eine Risikoausgleichsrücklage nur von bilanzierenden Betrieben, und damit von einem nicht unerheblichen Anteil, in Anspruch genommen werden kann. 3. Welche Auffassung vertritt ihrer Kenntnis nach diesbezüglich aktuell der Bundesfinanzminister ? Zu 3.: Die in der Antwort zu 2. angeführte Unterrichtung des Bundesrates im Oktober 2016 erfolgte durch die Bundesregierung und schließt damit das Bundesfinanzministerium ein. Anlässlich des aktuellen Frostereignisses ist das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz an das Bundesfinanzministerium herangetreten und hat sich erneut mit Nachdruck für die Einführung eines zusätzlichen Instruments zur betrieblichen Risikovorsorge in Form einer Risikoausgleichsrücklage für landwirtschaftliche Unternehmen eingesetzt. Das Bundesfinanzministerium stellt in seiner Antwort vom 8. Juni 2017 hierzu fest: „Vor dem Hintergrund der … derzeit massiven Frostausfälle im Bereich des Wein- und Obstbaus in Baden-Württemberg zeigt sich, dass die konkrete Ausgestaltung der Rücklage von entscheidender Bedeutung ist.“ Da die Risikoausgleichsrücklage nur von bilanzierenden Betrieben gebildet werden kann und in der Praxis entsprechende Abgrenzungsregelungen erfordert, schlägt das Bundesfinanzministerium die „Weiter- bzw. Neuentwicklung von Versicherungslösungen als eine zielführende Alternative zur Risikoausgleichsrücklage vor.“ 4. Inwieweit teilt sie die Auffassung, dass eine entsprechende steuerliche Risikoausgleichsrücklage sowohl unmittelbar bei Eintritt eines Risikofalls als auch bei Schadensbeseitigungen und vorbeugenden beziehungsweise risikomindernden Investitionen (zum Beispiel Hagelschutznetze, Beregnungstechnik usw.) genutzt werden können sollte? Zu 4.: Die Risikoausgleichsrücklage könnte bei bilanzierenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, welche über ausreichend Liquidität verfügen, dazu beitragen, zukünftige betriebliche Einkommens- und Liquiditätsrisiken zu verringern und den Aufbau einer Liquiditätsrücklage im Rahmen der betrieblichen Eigenvorsorge der landwirtschaftlichen Unternehmen zu stärken. Vor diesem Hintergrund sollte die Risikoausgleichsrücklage in erster Linie für akute Krisensituationen zur Verfügung stehen und genutzt werden. Allerdings führt das Instrument einer Risikoausgleichsrücklage dazu, dass nach der Verschonung der Gewinnspitzen eines guten Ertragsjahres die Versteuerung in Jahren geringerer Gewinne und damit schlechterer Ertragslage (und damit auch geringerer Liquidität) nachzuholen wäre. Für Investitionen in bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens können Gewerbebetriebe, Betriebe der Land- und Forstwirtschaft (ohne durchschnittssatzbesteuerte Betriebe nach § 13 a EStG) sowie Selbstständige bis zu 200.000 Euro als steuermindernde Investitionsabzugsbeträge nach § 7 g Abs. 1 EStG abziehen. Im Jahr der Investition können für diese Wirtschaftsgüter zudem Sonderabschreibungen von insgesamt 20 % nach § 7 g Abs. 5 EStG in Anspruch genommen werden . Voraussetzung ist, dass das Betriebsgrößenmerkmal der Vorschrift nicht überschritten ist. Diese steuerliche Investitionshilfe gilt selbstverständlich auch für die angesprochenen vorbeugenden und risikominimierenden Investitionen. 5. Wie bewertet sie die Kritik des Bundesrechnungshofs an der Sonderstellung für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft beim steuermindernden Investitionsabzugsbetrag nach § 7 g Absatz 1 Ziffer 1 b des Einkommensteuergesetzes? Zu 5.: Die genannte Vorschrift stellt bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft auf den Wirtschaftswert ab. Der Begriff des Wirtschaftswerts stammt aus dem Bewertungs- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2153 7 gesetz. Er trägt den Besonderheiten der Land- und Forstwirtschaft Rechnung. Darüber hinaus hat der Begriff des Wirtschaftswerts über den originären Bereich der Einheitsbewertung hinaus auch noch Bedeutung für weitere Sachverhalte. So stellen beispielsweise die Höfeordnung, das Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte und das Gesetz zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit auf diesen Begriff ab. In Hinblick auf § 7 g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG darf jedoch trotz der berücksichtigungswerten Besonderheiten im Bereich der Land- und Forstwirtschaft aus Sicht der Finanzverwaltung das Gebot der einheitlichen Besteuerung nicht aus den Augen verloren werden. 6. Welche Möglichkeiten sieht sie, die Regelung im Sinne eines betrieblichen Risikomanagements weiterzuentwickeln und gleichzeitig dem vom Bundesrechnungshof geltend gemachten Gebot einer einheitlichen Besteuerung Rechnung zu tragen? Zu 6.: Die Vorschrift des § 7 g EStG soll die Wettbewerbssituation kleiner und mittlerer Betriebe verbessern, indem die Liquidität und Eigenkapitalbildung unterstützt und die Investitions- und Innovationskraft gestärkt wird. Dies erreicht sie, indem Abschreibungspotenzial durch den Investitionsabzugsbetrag zeitlich vorgezogen werden kann. Dieser Subventionszweck bezieht sich sowohl auf die „Ansparphase“ (Stadium der Investitionsplanung) als auch auf die „Nutzungsphase“, in welcher Sonderabschreibungen in Anspruch genommen werden können. Land- und forstwirtschaftliche Betriebe (ohne durchschnittssatzbesteuerte Betriebe nach § 13 a EStG) können von der Vorschrift Gebrauch machen, sofern deren Wirtschaftswert 125.000 Euro nicht übersteigt. Der Bundesrechnungshof hält es für geboten, die Voraussetzung für die Steuervergünstigung einheitlich und transparent zu gestalten und dazu in vergleichbaren Fällen an vergleichbare Betriebsgrößenmerkmale anzuknüpfen. 7. Wie bewertet sie vor dem Hintergrund aktueller Liquiditätsengpässe in den landwirtschaftlichen Betrieben die Möglichkeit der abermaligen befristeten Einführung eines Freibetrags zum Zwecke der Schuldentilgung, etwa nach Vorbild der früheren Regelung in § 14 a Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes (gegebenenfalls unter Nennung der aus ihrer Sicht vorstellbaren Höhe eines solchen Freibetrags)? 8. Inwieweit ist sie bereit, sich im Wege einer Bundesratsinitiative für eine derartige Regelung zu verwenden? Zu 7. und 8.: Der in der Mitteilung des BMEL zum Milchgipfel angekündigte Freibetrag für die Verwendung von Gewinnen aus der Veräußerung von landwirtschaftlich genutzten Flächen zur Tilgung von betrieblichen Schulden in Höhe von 150.000 Euro wurde bisher gesetzgeberisch nicht umgesetzt. Bei der Veräußerung von wertvollen Teilen des Betriebsvermögens, beispielsweise von Grund und Boden, werden regelmäßig hohe stille Reserven aufgedeckt und steuerwirksame Unternehmensgewinne generiert. Unabhängig von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens führt dies regelmäßig zu einer zusätzlichen Einkommensteuerbelastung. Auch solche außerordentlichen Gewinne unterliegen der Tarifglättungsvorschrift nach § 32 c EStG, sodass die entstehende Gewinnspitze im Wege der Durchschnittsbildung über den dreijährigen Betrachtungszeitraum in die Tarifglättung eingeht. Unabhängig davon sieht § 6 b EStG bei bilanzierenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieben die Möglichkeit der Bildung einer entsprechenden , den Gewinn mindernden Rücklage vor, welche die Übertragung der stillen Reserven auf andere neu erworbene land- und forstwirtschaftlichen Flächen ermöglicht. § 6 c EStG macht die Vorschrift des § 6 b EStG auch für Betriebe mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG (Einnahmen-Überschuss-Rechnung) und nach § 13 a EStG (Besteuerung nach Durchschnittssätzen) anwendbar. Für Entschädigungen und Veräußerungsgewinne, die anfallen, weil ein Wirtschaftsgut infolge höherer Gewalt oder zur Vermeidung von behördlichen Eingriffen aus dem Betriebsvermögen ausscheidet, kann zudem nach Abschnitt 6.6 der Einkommen- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2153 8 steuerrichtlinien eine Übertragung von stillen Reserven bei Ersatzbeschaffung in Betracht kommen. Die Tarifglättungsvorschrift nach § 32 c EStG wird aufgrund des Inkrafttretenvorbehalts der EU-Kommission derzeit noch nicht angewendet. Vor Implementierung weiterer begünstigender Vorschriften sollte daher abgewartet werden, wie diese Vorschrift in der praktischen Anwendung Wirkung entfaltet. 9. Inwieweit teilt sie die Auffassung, dass die 2012 von der schwarz-gelben Bundesregierung erfolgreich auf den Weg gebrachte Absenkung des Versicherungssteuersatzes für Mehrgefahrenversicherungen auf 0,3 Promille der Versicherungssumme nach § 6 Absatz 2 Ziffer 4 um zusätzliche Kumulrisiken wie zum Beispiel Dürre beziehungsweise Trockenheit erweitert werden sollte? Zu 9.: Dem Bund kommt für die Versicherungssteuer die Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenz zu. Minderungen des Versicherungssteueraufkommens trägt daher der Bund. Die Einbeziehung der Elementargefahren Sturm, Starkfrost, Starkregen sowie Überschwemmungen in den ermäßigten Steuersatz nach § 6 Absatz 2 Ziffer 4 Versicherungssteuergesetz geht auf die Änderung des Versicherungssteuergesetzes durch das Verkehrssteueränderungsgesetz (VerkehrStÄndG) vom 5. Dezember 2012, anzuwenden ab 1. Januar 2013, zurück. Begründet wurde die Absenkung mit dem Klimawandel und Wettbewerbsnachteilen gegenüber europäischen Wettbewerbern . Die Bundesregierung argumentierte mit einer verbesserten privaten Risikovorsorge, damit verbundenen Entlastungen der öffentlichen Hand im Schadensfall und ebenfalls mit Wettbewerbsnachteilen gegenüber europäischen Wettbewerbern . Einer Ausweitung des ermäßigten Steuersatzes auf die Risiken Dürre/Trockenheit stehen aus agrar- und finanzpolitischer Landessicht keine tiefgreifenden Bedenken entgegen. Mit der Ausweitung einer bestehenden Ermäßigung werden allerdings Forderungen in anderen Versicherungssteuerbereichen genährt. 10. Inwieweit teilt sie die Auffassung, dass die 2012 von der schwarz-gelben Bundesregierung erfolgreich auf den Weg gebrachte Absenkung des Versicherungssteuersatzes auch auf Tierversicherungen ausgedehnt werden sollte? Zu 10.: Aus agrar- und finanzpolitischer Sicht wird im Ergebnis auf die Antwort zu Nummer 9. verwiesen. I I . P r a k t i k a b l e Ve r s i c h e r u n g s l ö s u n g e n 1. Wie bewertet sie es mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft im europäischen Binnenmarkt, dass 21 von derzeit noch 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union anders als Deutschland den Betrieben der Landwirtschaft bei Ernteversicherungen eine Prämienunterstützung gewähren? Zu 1.: In Deutschland erhalten die landwirtschaftlichen Betriebe im Gegensatz zu den meisten anderen EU-Mitgliedstaaten bisher keine Prämienunterstützung beim Abschluss von Ernteversicherungen, weder aus EU-Mitteln (zweite Säule der GAP) noch über nationale Public-Private-Partnerships (PPP). Hinzu kommt eine im europäischen Vergleich, insbesondere für die Kumulrisiken Dürre (Trockenheit) und Hochwasser (Ausuferung von Gewässern) hohe Versicherungssteuer von 19 % auf den Versicherungsbeitrag. Ob es durch höhere Subventionen für Versicherungsprämien und niedrigere Versicherungssteuern in anderen Ländern zu Wettbewerbsnachteilen für die deutsche Landwirtschaft kommt, lässt sich jedoch nicht pauschal ableiten. Insbesondere erscheinen die isolierte Betrachtung und der Vergleich nur der Prämienunterstützung allein, ohne die Berücksichtigung der sonstigen Sub- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2153 9 ventionen der einzelnen Länder, nur sehr eingeschränkt aussagekräftig. Zudem dürften klimatische und strukturelle Faktoren eher größere Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe entfalten als die Einzelsubvention Prämienunterstützung . Eine aktuelle Studie des Thünen-Instituts kommt zu dem Ergebnis, dass eine konkrete Wettbewerbsverzerrung durch höhere Subventionen für Versicherungsprämien in anderen EU-Ländern aufgrund der Ausgestaltung und des im Vergleich zu anderen Agrarsubventionen insgesamt geringen Mittelvolumens derzeit als weniger bedeutsam einzuschätzen ist, insbesondere da diese Subventionen nicht losgelöst von staatlichen Ad-hoc Zahlungen beurteilt werden können. Anzumerken ist jedoch, dass bei Berücksichtigung des häufig (implizit) mit diesen Subventionspolitiken verbundenen Einkommenstransfers größere Verzerrungen eintreten können. Die Auswirkungen auf die Wettbewerbsposition der deutschen Landwirtschaft hängen unter anderem davon ab, ob durch die Prämiensubventionen in anderen EU-Mitgliedstaaten gleichzeitig Produktionseffekte ausgelöst werden und diese innerhalb des EU-Binnenmarktes unterschiedlich ausfallen. Dies hätte nicht nur Allokations- und Marktanteilsverluste durch die Fehllenkung von Produktionsfaktoren zur Folge, sondern würde auch zu zusätzlichen Verlusten für die Länder ohne Prämiensubventionen führen. Denn diese bezahlen über das gemeinsame EU-Finanzsystem sowohl die Kofinanzierungsanteile für die anderen Länder mit als auch gegebenenfalls die anteiligen Marktordnungskosten der Mehrproduktion. Deutschland könnte bei Fortsetzung der bisherigen Politik in eine solche Lage geraten . Eine quantitative Abschätzung hierfür liegt jedoch nicht vor. 2. Wie bewertet sie im unmittelbaren Vergleich jeweils die Vor- und Nachteile einer Prämienunterstützung mit Mitteln aus der zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union und einer Prämienunterstützung mit nationalen Mitteln (zum Beispiel wie in Österreich Bezuschussung durch Bund und Länder) im Rahmen eines Public-Private-Partnership-Modells? Zu 2.: Eine Prämienunterstützung von Risikomanagementinstrumenten mit Mitteln aus der zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik wäre insoweit von Vorteil, als sie im Vergleich zu einer Förderung mit nationalen Mitteln die zusätzliche finanzielle Belastung des Landeshaushaltes in Höhe des EU-Anteils reduzieren würde bzw. eine zusätzliche finanzielle Belastung des Landeshaushalts würde entfallen. Bei einer rein nationalen Förderung müssten die entsprechenden Mittel durch Priorisierung und Umschichtung innerhalb des Budgets des MLR erbracht werden. Somit dürften die zur Verfügung stehenden Mittel geringer ausfallen als bei einer Prämienunterstützung mit Mitteln aus der zweiten Säule. Gleichzeitig sind mit der EU-Kofinanzierung jedoch die Einhaltung umfangreicher Berichts- und Kontrollpflichten und ein höherer Verwaltungsaufwand sowie Anlastungsrisiken verbunden . Die Einbeziehung von Risikomanagementinstrumenten in die ELER-Programme führt, in Abhängigkeit von den finanziellen Möglichkeiten, sowohl zwischen den Mitgliedstaaten als auch innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten in den Ländern und Regionen zu einer unterschiedlichen Umsetzung und zu sehr unterschiedlichen Förderbedingungen. Darüber hinaus ist vor dem Hintergrund des begrenzten Finanzbudgets der zweiten Säule der GAP davon auszugehen, dass die Aufnahme und Finanzierung neuer Risikomanagementinstrumente, wie zum Beispiel eine Prämienunterstützung für Ernteversicherungen, eine Reduzierung des für die anderen ELER-Maßnahmen zur Verfügung stehenden Finanzvolumens (EU-Mittel und Kofinanzierungsmittel) zur Folge hätte. Insbesondere aufgrund des bürokratischen Aufwands und restriktiver EU-Regelungen , die vorgeben, dass mindestens 30 Prozent der zugewiesenen EU-Fördermittel in der zweiten Säule für Extensivierungsmaßnahmen, den ökologischen Landbau oder für die Förderung naturbedingt benachteiligter Gebiete eingesetzt werden müssen, haben sich einige EU-Mitgliedstaaten entschieden, im Rahmen von Public-Private-Partnerships (PPP) nationale Finanzmittel für die Risikovorsorge zur Verfügung zu stellen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2153 10 Im Gesamtkontext der Versicherungsdiskussion sind in jedem Fall auch gängige und erprobte, präventive Schutzmaßnahmen, wie z. B. gegenüber Hagelschäden Hagelschutznetze im Obstbau, einzubeziehen. 3. Inwiefern sieht sie im Zusammenhang mit öffentlichen Prämienunterstützungen auch mögliche Risiken (zum Beispiel Mitnahmeeffekte der Versicherungswirtschaft oder Moral-Hazard-Anreize für landwirtschaftliche Betriebe hinsichtlich einer Vernachlässigung einer risikovorsorgenden Betriebsführung oder von Investitionen in Schutzmaßnahmen)? 4. Welche Möglichkeiten beziehungsweise Modelle sieht sie, um derartige Risiken zu minimieren? Zu 3. und 4.: Für die meisten Wetterrisiken lassen sich die in Versicherungsmärkten auftretenden Probleme von betrügerischem Verhalten (Moral-Hazard) der Versicherungsnehmer bei den in Deutschland praktizierten Ertragsschadensversicherungen durch entsprechende Vertragsgestaltung beherrschen. Moral-Hazard bezeichnet betrügerisches Verhalten der Versicherten gegenüber der Versicherung, wenn Schäden vorgetäuscht, durch mangelnde Sorgfalt bewusst oder unbewusst herbeigeführt oder ihr Ausmaß übertrieben werden. Dazu gehören auch falsche Angaben der Versicherten vor Vertragsabschluss, um eine günstigere Risikobewertung zu erhalten . Betrügerisches Verhalten vor und nach Vertragsabschluss kann beispielsweise durch entsprechende Selbstbehalte, Integralfranchise in den Policen und professionelle Schadensermittlung weitgehend zurückgedrängt werden. Die deutschen Versicherer besitzen in diesen Zusammenhang langjährige Erfahrung in der Vertragsgestaltung und Schadensabwicklung, die sich auch in der Entwicklung und zunehmenden Verbreitung von Mehrgefahrenversicherungen zeigt. Zu berücksichtigen ist zudem, dass eine Beitragssubvention eine implizite, mittelbare Subsubvention der Gewinnmarge der Versicherungswirtschaft beinhaltet. Es ist festzustellen, dass in Deutschland knapp 70 % der versicherten Fläche bzw. der Versicherungssumme von Ernteversicherungen im Geschäftsfeld von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit (VVaG) angesiedelt sind, Landwirte also gleichzeitig als Kunden und Mitglieder auftreten. Bei Überschäden besteht in diesen Fällen eine Nachschusspflicht der Mitglieder, und jenseits der Rücklagenbildung müssen „Gewinne“ an die Mitglieder ausgeschüttet werden. Dies begründet insgesamt eine große Interessenübereinstimmung zwischen Versicherern und Versicherten. Das Risiko von Mitnahmeeffekten der Versicherungswirtschaft im Zusammenhang mit öffentlichen Prämienunterstützungen kann in diesen Fällen als vergleichsweise gering eingestuft werden. Darüber hinaus tragen ein funktionierender Wettbewerb und Markttransparenz an den Versicherungsmärkten zur Minimierung von Mitnahmeeffekten bei. 5. Teilt sie den Vorschlag des Bundesumweltamts, eine begrenzte, temporär degressiv gestaltete Prämienunterstützung für Ernteversicherungen zu prüfen (siehe: Umweltbundesamt, Climate Change 16/2014)? Zu 5.: Um risikogerechte und damit kostenadäquate Prämiensätze für Ernteversicherungen auf dem Markt anbieten zu können, muss eine ausreichende Marktdurchdringung sowie ein Ausschluss von negativer Selektion gewährleistet sein. Wie in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch, kann nach den bisherigen Erfahrungen eine erhöhte Nachfrage nach Ernteversicherungen durch staatliche Förderungen der Versicherungsbeiträge erreicht werden. Vor diesem Hintergrund steht das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Gesprächen mit dem Bund und der Versicherungswirtschaft, um für die Zukunft die Möglichkeiten einer staatlichen Unterstützung von Versicherungsprämien zu prüfen. Dabei werden insbesondere auch temporäre Modelle mit degressiver Ausgestaltung einbezogen . Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2153 11 6. Welche landwirtschaftlichen Mehrgefahrenversicherungspakete zur Absicherung gegen Hagel-, Sturm- und Starkregenschäden beziehungsweise zur Absicherung gegen Hagel-, Sturm-, Starkregen- und Frostschäden sind ihrer Kenntnis nach derzeit von welchen Anbietern in Baden-Württemberg verfügbar? Zu 6.: Der Marktführer unter den Pflanzenversicherern, die Vereinigte Hagelversicherung , bietet seit rund zehn Jahren das Versicherungspaket Secufarm 4 ® an, das eine Absicherung gegen Hagel, Sturm, Starkregen und Starkfrost (Früh- und Spätfrost inklusive Schadbild Auswinterung) beinhaltet. Dieses Paket findet in den klassischen landwirtschaftlichen Kulturen wie Getreide, Mais, Raps und Rüben Anwendung. Die weiteren am Markt agierenden Versicherer, wie z. B. Versicherungskammer Bayern, und Münchner-Magdeburger Agrar (MMAgrar), bieten ähnliche Versicherungspakete an. 7. In welchem ungefähren Kostenrahmen pro Jahr und Hektar liegen ihrer Kenntnis nach exemplarisch in den Regionen Bodensee, Kaiserstuhl, Kraichgau, Stromberg und Rems-Murr-Kreis die Prämien für die Absicherung von Rebflächen gegen Hagel und Frost? Zu 7.: Die Versicherungssumme für Reben beläuft sich in Baden-Württemberg im Durchschnitt auf rund 12.000 Euro pro Hektar. Die Versicherungswerte sind abhängig von den Auszahlungspreisen der einzelnen Winzergenossenschaften und bewegen sich in einem Bereich zwischen 7.000 bis 20.000 Euro pro Hektar. Selbstvermarktende Spitzenbetriebe wählen Versicherungswerte bis über 40.000 Euro pro Hektar. Die folgenden Angaben für Versicherungsprämien gegen Hagel- und Frostrisiken beziehen sich auf einen Versicherungswert von 12.000 Euro pro Hektar: Region Bodensee: rund 960 Euro/ha (entspricht 8 % der Versicherungssumme) Region Kaiserstuhl: rund 600 Euro/ha (entspricht 5 % der Versicherungssumme) Region Kraichgau: rund 600 Euro/ha (entspricht 5 % der Versicherungssumme) Region Stromberg: rund 600 Euro/ha (entspricht 5 % der Versicherungssumme) Region Rems-Murr: rund 960 Euro/ha (entspricht 8 % der Versicherungssumme) 8. Wie genau definieren die einschlägigen Anbieter die oben genannten Kumulrisiken ? Zu 8.: Bei den einschlägigen Versicherungsunternehmen liegen für die Kumulrisiken folgende Definitionen zugrunde: Hagel: Fester Niederschlag in Form von körnigen Eisbrocken mit einem Durchmesser von mindestens 5 mm (kleinere Eisbrocken werden als Graupel bezeichnet). Starkregen: Heftige Niederschlagsmengen innerhalb eines bestimmten Zeitraums (z. B. 50 Liter/m2 innerhalb 24 Stunden). Schäden durch auf dem Acker stehenbleibendes Niederschlagswasser sind ebenfalls mitversichert . Sturm: Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 nach der Beaufort- Skala. Starkfrost: Wetterbedingte Abkühlung auf merklich unter 0°C. Aufgrund des in Deutschland nicht flächendeckend verfügbaren Netzes an Wetterstationen wird ein Schaden auch dann angenommen, wenn die Pflanzen Merkmale aufweisen, die typischerweise von der jeweiligen Wettergefahr verursacht werden. Dies bedeutet, dass nicht in jedem Fall kontrolliert werden kann, ob der definierte Wert erreicht wurde. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2153 12 9. In welchem ungefähren Kostenrahmen pro Jahr und Hektar liegen ihrer Kenntnis nach exemplarisch in den Regionen Bodensee, Ortenau, Hohenlohe/Schwäbisch Hall, Kreis Reutlingen und Rems-Murr-Kreis die Prämien für die Absicherung von Stein- und Kernobstkulturen gegen Hagel, Sturm und Starkregen? Zu 9.: Kern- und Steinobstkulturen werden in der Regel ausschließlich gegen Hagel versichert . Im Durchschnitt beträgt die Versicherungssumme in Baden-Württemberg für Kern- und Steinobst rund 10.000 Euro pro Hektar. Die entsprechenden Versicherungsprämien für Hagelrisiken betragen: Region Bodensee: rund 1.900 Euro/ha (entspricht 19 % der Versicherungssumme) Region Ortenau: rund 1.500 Euro/ha (entspricht 15 % der Versicherungssumme) Region Hohenlohe: rund 1.500 Euro/ha (entspricht 15 % der Versicherungssumme) Kreis Reutlingen: rund 1.600 Euro/ha (entspricht 16 % der Versicherungssumme) Rems-Murr-Kreis: rund 1.600 Euro/ha (entspricht 16 % der Versicherungssumme) Der Prämienzuschlag bei Risikoerweiterung um Sturm und Starkregen in Kern- und Steinobstkulturen mit Ausnahme von Kirschen beträgt in den genannten Regionen nach Auskunft der Vereinigten Hagelversicherung im Durchschnitt 4 Prozentpunkte. Kirschen sind gegen Starkregen nicht versicherbar, da diese sehr schnell aufplatzen. 10. In welchem ungefähren Kostenrahmen pro Jahr und Hektar liegen ihrer Kenntnis nach exemplarisch in den Regionen Breisgau, Ortenau, Zabergäu, Rhein- Neckar-Kreis und Hohenlohe/Schwäbisch Hall die Prämien für die Absicherung von Strauchbeerenkulturen gegen Hagel, Sturm und Starkregen? Zu 10.: Strauchbeeren werden in Baden-Württemberg im Durchschnitt mit rund 15.000 Euro pro Hektar versichert. Die entsprechenden Versicherungsprämien gegen Hagelrisiken betragen: Region Breisgau: rund 900 Euro/ha (entspricht 6 % der Versicherungssumme) Region Ortenau: rund 1.050 Euro/ha (entspricht 7 % der Versicherungssumme) Region Zabergäu: rund 750 Euro/ha (entspricht 5 % der Versicherungssumme) Rhein-Neckar- Kreis: rund 750 Euro/ha (entspricht 5 % der Versicherungssumme) Region Hohenlohe: rund 900 Euro/ha (entspricht 6 % der Versicherungssumme) Der Prämienzuschlag bei Risikoerweiterung um Sturm und Starkregen in Strauchbeerenkulturen beträgt in den genannten Regionen nach Auskunft der Vereinigten Hagelversicherung im Durchschnitt 3 Prozentpunkte. 11. Wie erklärt sie das lückenhafte Versicherungsangebot mit Blick auf das Kumulrisiko Frost bei der Absicherung von Kernobst, Steinobst oder Strauchbeeren? Zu 11.: Bislang wurde für das Kumulrisiko Frost eine Absicherung bei den Kulturen Kernobst , Steinobst und Strauchbeeren überhaupt nicht angeboten. Diese Angebotslücke ist darin begründet, dass ohne eine erhebliche Förderung, vergleichbar zu den meisten anderen EU-Mitgliedstaaten, die Versicherungsprämien für die landwirtschaftlichen Unternehmen zu teuer und wirtschaftlich nicht tragbar sind. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2153 13 12. In welchem ungefähren Kostenrahmen pro Jahr und Hektar liegen ihrer Kenntnis nach in der Region Tettnang die Prämien für die Absicherung von Hopfenkulturen gegen Hagelschlag? Zu 12.: Im Durchschnitt wird in Baden-Württemberg das Hektar Hopfen mit rund 13.000 Euro versichert. Die Versicherungsprämie für eine Absicherung gegen Hagelschlag beläuft sich auf rund 720 Euro/ha bzw. rund 5,5 % der Versicherungssumme. 13. Wie viele der in Deutschland verfügbaren Versicherungspakete, die eine Absicherung gegen Starkregenschäden bieten, beinhalten zugleich auch eine Absicherung gegen stehendes Wasser infolge von Starkregenereignissen? Zu 13.: Nach den der Landesregierung vorliegenden Informationen ist die Vereinigte Hagel derzeit der einzige Anbieter am deutschen Markt, welcher auch die Absicherung von Schäden durch stehendes Wasser infolge von Starkregenereignissen abdeckt. 14. Welche Erkenntnisse hat sie zur Möglichkeit von versicherungstechnischen Absicherungen gegen Überschwemmungen in ausgewiesenen Hochwasserrisikogebieten ? Zu 14.: Grundsätzlich ist im Bereich der Land- und Forstwirtschaft immer nur Wassereintritt von oben versichert. Ein seitlicher Wassereintrag, wie er beim Übertreten von Flüssen und Bächen bzw. Überschwemmungen auftritt, ist nicht versicherbar. Risiken durch Druckwasser (Wasser von unten) wie z. B. auf den Rheinhalbinseln sind ebenfalls nicht versicherbar. 15. Welche Erkenntnisse hat sie über die Ausgestaltung und die Marktdurchdringung der zum Beispiel in Ober- und Niederösterreich verfügbaren Dürreindexversicherungen ? Zu 15.: Aktuell werden von der Österreichischen Hagelversicherung in allen Bundesländern Österreichs Dürreindex-Versicherungen für Grünland, Mais, Winterweizen und Zuckerrüben angeboten. Basis für eine Entschädigung liefern dabei die meteorologischen Daten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Es erfolgt keine Schadenserhebung der betroffenen Kulturen vor Ort. Bei der Dürreindex-Versicherung wird der zehnjährige Niederschlagsdurchschnitt mit dem Niederschlag im aktuellen Jahr unter Berücksichtigung der Verteilung und von Hitzetagen verglichen. Zur Schadensauszahlung kommt es, wenn das Niederschlagsdefizit in vordefinierten Zeitabschnitten unter Berücksichtigung von Hitzetagen mindestens 70 % beträgt. Je Hitzetag wird ein Prozent zur Niederschlagsabweichung hinzugezählt. Für jede Gemeinde ist dafür ein Messpunkt festgelegt. Eine Entschädigung wird dann für die gesamte betroffene Kultur des Betriebes ausbezahlt. Diese Form der Absicherung gegen Dürreschäden ist für die Betriebe interessant, weil die Schadensauszahlung unabhängig von Ertragsgrenzen stattfindet und dadurch auch Betriebe mit einem hohen Ertragsniveau im Dürrefall bei Eintreten der meteorologischen Parameter eine Entschädigung erhalten. Eine Anpassung der Versicherungssumme ist individuell möglich, 50 % der Versicherungsprämie wird von der öffentlichen Hand bezahlt. Die Marktdurchdringung der Dürreindexversicherungen, gemessen als Anteil der versicherten Fläche an der gesamten Anbaufläche, liegt nach Angaben der Österreichischen Hagelversicherung gegenwärtig je nach Kultur zwischen 6 % und 25 %. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2153 14 16. In welchen weiteren Bereichen beziehungsweise hinsichtlich welcher Risiken sieht sie in Deutschland bisher noch ein fehlendes beziehungsweise unzureichendes Angebot von Ernteversicherungsprodukten? Zu 16.: Die Hagelversicherung gehört inzwischen zur Standardabsicherung im betrieblichen Risikomanagement der landwirtschaftlichen Unternehmen in Deutschland. Seit der Absenkung der Versicherungssteuer auch für Mehrgefahrenversicherungen ist die Nachfrage nach diesen Versicherungsprodukten stark gestiegen. Die Versicherungsdichte ist aber bei weitem nicht so hoch wie in den EU-Mitgliedstaaten mit staatlicher Prämienunterstützung. Das Angebot seitens der Versicherungsunternehmen besteht und könnte im Rahmen einer Public-Private-Partnership (Prämienunterstützung) noch eine höhere Verbreitung finden. 17. Inwiefern bewertet sie die Komplexität des Produktdesigns der bisher auf dem deutschen Versicherungsmarkt verfügbaren Pakete beziehungsweise ein fehlendes Know-how der landwirtschaftlichen Betriebsleiter diesbezüglich als Hemmnis für eine höhere Versichertenquote? Zu 17.: Die Ausbildung und die Qualifikation der landwirtschaftlichen Betriebsleiter/ -innen haben sich in den letzten Jahrzehnten erheblich gewandelt. Viele, insbesondere jüngere Landwirte verfügen heute über Hochschul-, Fachhochschul- oder Meisterabschluss. In allen diesen Ausbildungen spielt das Thema Risikomanagement mittlerweile eine bedeutende Rolle. Fehlendes Know-how ist aus Sicht der Landesregierung daher nicht als Hemmnis maßgebend. Diese Einschätzung beruht auch auf dem Umstand, dass die Versicherungsprodukte in der Regel auf dem gleichen Prinzip beruhen: Der/die Versicherungsnehmer/ -in legt je nach den individuellen Ertragserwartungen einen Hektarwert (Versicherungssumme ) fest und entscheidet, welche Risiken abgesichert werden sollen. Auf dieser Grundlage berechnet sich die Versicherungsprämie. Im Schadensfall wird die Schadenshöhe im Beisein des/der Versicherungsnehmers/-in auf dem Schadensgrundstück festgestellt und erläutert. Die Komplexität des Produktdesigns dürfte daher in der Regel kein Hemmnis für den Abschluss einer Versicherung darstellen. I I I . Ma r k t b a s i e r t e R i s i k oman a g emen t i n s t r umen t e f ü r P r e i s - v o l a t i l i t ä t e n 1. Wie bewertet sie die Zugangsbarrieren zu börslichen Warentermin- und Futureskontrakten für landwirtschaftliche Erzeugnisse aus Sicht eines durchschnittlichen baden-württembergischen Betriebs (zum Beispiel hinsichtlich Börsengebühren , Brokergebühren, Initial Margin und der zweifelsohne erforderlichen vertieften Marktkenntnisse)? Zu 1.: Angesichts volatiler Preise rückt für die landwirtschaftlichen Unternehmen das Management von Markt- und Preisrisiken immer stärker in den Mittelpunkt. Der Abschluss von längerfristigen Kontrakten und das Vorhalten eines ausreichenden Liquiditätspuffers sind Teil eines Maßnahmenpakets zur Steuerung von Markt- und Preisrisiken, das von den landwirtschaftlichen Unternehmen bevorzugt genutzt wird. Darüber hinaus gewinnt auch die Nutzung von Warenterminbörsen als Preisabsicherungsinstrument zunehmend an Bedeutung. Auch wenn bisher bei der Mehrzahl der Landwirtinnen und Landwirte noch keine direkten Erfahrungen im Terminhandel vorliegen, so dienen Warenterminbörsen verbreitet als wichtige und aufschlussreiche Preisinformationsquelle, die für die eigene Vermarktungsstrategie herangezogen wird. Zusätzlich kommen Marktberichte und Dienstleister als Informationslieferanten zum Einsatz, um Entscheidungen über Vermarktungsstrategien vorzubereiten. In Baden-Württemberg nutzen insbesondere große Ackerbaubetrie- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2153 15 be die modernen, börsenbasierten Instrumente zur Absicherung von Preisvolatilitäten . Den Durchschnittsbetrieben fehlt demgegenüber häufig noch Erfahrung im Umgang mit volatilen Märkten und der Nutzung dieser börsenbasierten Risikomanagementinstrumente . Manche Marktteilnehmer sind jedoch nicht am Agrarhandel interessiert, sondern lediglich am Spekulationsgewinn. Dies kann dazu führen, dass die Eigengesetzlichkeiten solcher Märkte auf die Agrarpreise durchschlagen und von der Landwirtschaft losgelöste Faktoren auf die Landwirtschaft durchschlagen könnten. Die Landesregierung sieht für die baden-württembergischen Betriebe insbesondere folgende Zugangsbarrieren und Hemmnisse, die einer stärkeren Nutzung von Warentermin - und Futureskontrakten zur Preisabsicherung entgegenstehen: – Die Warenterminmärkte stehen nicht für alle Rohstoffe zur Verfügung, wobei sich die Zahl der gehandelten Produkte an den für Europa relevanten Warenterminbörsen (Euronext Paris [ehemals Matif], EEX Leipzig) in den letzten Jahren erhöht hat. Im pflanzlichen Bereich werden gegenwärtig die wichtigsten Ackerfrüchte wie Weizen, Mais, Raps und Kartoffeln sowie die Nachprodukte Rapsöl und -schrot gehandelt. Im tierischen Bereich werden Kontrakte für Magermilchpulver , Molkenpulver, Butter, Ferkel und Schlachtschweine angeboten. Produkte wie Obst, Wein, Gemüse oder Flüssigmilch etc. lassen sich an den Warenterminbörsen nicht absichern. – Die in den Börsenkontrakten festgelegten Handelsvolumina sind insbesondere für kleinere Produzenten zu groß, um an der Euronext Paris (ehemals Matif) oder der EEX Leipzig sinnvoll aktiv werden zu können. An der Euronext Paris beträgt die Kontraktgröße bei Weizen, Mais und Raps jeweils 50 Tonnen. Da im Rahmen des betrieblichen Risikomanagements eine Splittung der Vermarktungszeitpunkte anzuraten ist, sollten Betriebe, die an der Euronext Paris absichern möchten, über ein Produktionsvolumen von rund 200 bis 300 Tonnen des jeweiligen Produkts verfügen. Für eine Vielzahl der kleineren und mittleren Landwirtschaftsbetriebe in Baden-Württemberg dürfte die Kontraktgröße für Getreide und Raps damit ein Zugangshemmnis für den aktiven Börsenhandel darstellen. Die Kontraktgrößen für Butter und Magermilchpulver liegen an der EEX Leipzig bei jeweils 5 Tonnen. Auf der Grundlage einer äquivalenten Absicherung über Magermilchpulver (2 Kontrakte) und Butter (1 Kontrakt) können die landwirtschaftlichen Betriebe eine minimale Menge von etwa 100.000 kg Milch absichern. Für die meisten Milcherzeuger in Baden-Württemberg ist die Kontraktgröße damit zu groß, da bei einer durchschnittlichen Milchleistung von 8.000 kg pro Kuh und einer empfohlenen Absicherung von jeweils einem Drittel der monatlichen Milchmenge rund 450 Kühe notwendig sind, um die Milchmenge von 100.000 kg generieren zu können. – Werden Kontrakte gehandelt und entsprechend Futurespositionen eröffnet, sind von Käufer und Verkäufer Entgelte zu entrichten sowie Sicherheiten zu hinterlegen. Mit dem Entgelt werden die am Handel beteiligten Institutionen/ Unternehmen (Broker, Börse, Abrechnungsstelle der Börse, genutztes Finanzdienstleistungsinstitut ) für ihre Dienstleistungen abgegolten. Die Höhe der Sicherheitsleistung (Initial Margin) hängt vom gehandelten Kontrakt, dem aktuellen Preisniveau und den aktuellen und/oder historischen Preisschwankungen ab und ist in Form von Bargeldeinlagen oder Bankbürgschaften zu hinterlegen. Sie beträgt in der Regel rund 10 % des Kontraktwertes und dient als Grundsicherheit . Die Initial Margins sind ein wesentlicher Bestandteil eines Sicherheitssystems , das an Börsen die Erfüllung der Geschäfte garantiert. An der Börse sind hohe Basisschwankungen möglich, die gegebenenfalls eine Nachschusspflicht (Variation Margin) auslösen. Hinzu kommt, dass in der Regel eine zeitliche Differenz zwischen dem Anfallen der Variation Margin und dem Anstieg der Produktpreise besteht, sodass ein Börsen-Engagement landwirtschaftlicher Betriebe eine ausreichende Liquiditätsausstattung voraussetzt. – Die Kosten des direkten Handelns von Futures an den Warenterminbörsen dürften nach Einschätzung der Landesregierung keine direkte Zugangsbarriere für die baden-württembergischen Betriebe darstellen. Vielmehr lässt sich mithilfe von Futures das Preisrisiko relativ kostengünstig absichern. Die Preisabsiche- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2153 16 rung an der EURONEXT Paris verursacht z. B. für eine Tonne Weizen Kosten (Makler, Börse, Clearing House) je Roundturn in Höhe von rund 2 bis 4 €/t (0,20 bis 0,40 €/dt) bzw. für Milch von rund 0,3 Cent/kg. Bei Nutzung von EDVgestützten Handelssystemen liegen die Kosten meist etwas niedriger. – Die Kosten des indirekten Handelns an den Warenterminbörsen durch Nutzung von Angeboten, welche der Erfassungshandel für die Landwirte zur Verfügung stellt (z. B. ZG Raiffeisen: PAP, Algela; BayWa: Landea-Produkte), stellen hingegen von Fall zu Fall und je nach Instrument eine gewisse Zugangsbarriere dar, da je nach Instrument Kosten in Höhe von 2 bis 25 €/t anfallen können. Allerdings lassen sich mit den teureren Instrumenten in der Regel auch sogenannte Mindestpreise absichern (z. B. PAP, einige Landea-Modelle). Um einen Mindestpreis garantieren zu können, müssen die Handelshäuser ihrerseits zu komplementären Absicherungsmaßnahmen wie Optionshandel, Forwards oder OTC-Geschäften (OTC = Over The Counter) greifen. Da das Handeln von Optionen an der Warenterminbörse deutlich höhere Kosten verursacht (rund 8 bis 15 €/t) als der Handel mit Futures, liegen die Kosten solcher Absicherungsinstrumente entsprechend höher. – Das größte Hemmnis dürfte nach Einschätzung der Landesregierung vielfach die noch unzureichende Kenntnis der Futuresmärkte und deren Funktionsweise bei vielen Landwirtinnen und Landwirten darstellen. Hier sind weitere Schulungen und Fortbildungen notwendig, die Chancen und Risiken angemessen beleuchten (siehe Nummer 3). 2. Welche Erkenntnisse hat sie über die Bedeutung von Forward-Kontrakten und anderen außerbörslichen Over-The-Counter-Geschäften für die landwirtschaftlichen Betriebe, Genossenschaften und Erzeugerorganisationen in Baden-Württemberg ? Zu 2.: Die landwirtschaftlichen Erzeuger greifen bei der Vermarktung primär auf klassische Kontraktformen zurück, während die aufnehmende Hand gezielt Futureskontrakte und OTC-Geschäfte zur Preisabsicherung verwendet. Der Erfassungshandel und die verarbeitende Industrie bilden somit das Bindeglied zwischen Futures- und Kassamärkten. Der Terminhandel ist essenzieller Bestandteil der Risikoabsicherung der Agrarhandelsunternehmen, und zwar sowohl durch die Teilnahme am Handel als auch durch die Verwendung als Informationsquelle. Bei der Vermarktung von Getreide und Raps nutzen immer mehr Landwirte Vorkontrakte zur Preisabsicherung. Nach Ergebnissen des Konjunkturbarometers Agrar gab vor der Ernte 2016 im Juni mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Getreideanbauer an, Lieferverträge über ihre anstehende Ernte oder Teile davon abgeschlossen zu haben oder zu planen. Im Jahr zuvor waren es 56 Prozent. Die entsprechenden Werte für die Raps anbauenden Betriebe liegen bei 73 Prozent (2016) bzw. 72 Prozent (2015). Diejenigen Betriebsleiter/-innen, die Vorverträge bei Weizen nutzen, verkaufen hierüber durchschnittlich ein Drittel ihrer erwarteten Erntemenge an Verkaufsweizen, bei Raps wird sogar knapp die Hälfte der erwarteten Erntemenge über Vorverträge gebunden. Der Agrarhandel und die Erzeugergenossenschaften sind als Erfasser landwirtschaftlicher Produkte, Vorlieferant für die verarbeitende Industrie und Exporteur ständig gefordert, sich gegen Marktpreisschwankungen über Warenterminbörsen abzusichern. Alltäglich sind zudem Forward-Lieferkontrakte zwischen den Geschäftspartnern . Der Erfassungshandel, aber auch große Mühlen, nutzen schon seit Langem die Möglichkeiten von Forward- und OTC-Geschäften. Oberste Priorität bei den Akteuren der Wertschöpfungskette ist es, alle getätigten Geschäfte möglichst sofort gegenzusichern, um keine offenen Positionen einzugehen. Ob dazu börsenbasierte Instrumente (Futures, Optionen) oder außerbörsliche Instrumente (Forwards, OTC) genutzt werden, hängt von der jeweilige Handelssituation ab (Termine, Produkte, Kurse, Lieferort, Transportmittel, etc.). Die Landesregierung unterstützt in diesem Zusammenhang Bemühungen, den außerbörslichen Handel (OTC-Geschäfte) zu regulieren und zu standardisieren. Da es außerhalb der Börsen keine ausreichende Übersicht über Handelsdaten gibt, ist die Einführung der Clearing- und Meldepflicht für OTC-Derivate durch die Europäische Union zu begrüßen . Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2153 17 3. Welche künftigen Hilfestellungen plant sie bezüglich der Nutzung von Warentermingeschäften in der Landwirtschaft, etwa über einschlägige Beratungs- und Informationsangebote? Zu 3.: Die Landesregierung ist überzeugt, dass zur Unterstützung der Risikovorsorge in den landwirtschaftlichen Betrieben einem ausgeweiteten Ausbildungs- und Fortbildungsangebot hinsichtlich der Instrumente des Risikomanagements in der Landwirtschaft zukünftig eine große Bedeutung zukommt. Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz bietet in diesem Zusammenhang über die Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der Ländlichen Räume (LEL) bereits eine Vielzahl von Beratungs- und Informationsangeboten zum Thema Warentermingeschäfte an. Zu nennen sind hier insbesondere folgende Angebote : • Marktinformationen: a) Basisinformation zu den Agrarmärkten: Kompendium Agrarmärkte (jährlich) b) Aktuelle Marktinformation: Schriftenreihe „Agrarmärkte aktuell“ (alle 2 Monate ) c) Infodienst Landwirtschaft: Preisreihen, Grafiken, Kommentare (https://www. landwirtschaft-bw.info/pb/MLR.LW,Lde/Startseite/Betrieb+und+Umwelt/ Marktinformationen) d) Notierungen: Ferkelnotierung, Kernobstnotierung, (Marktberichte wöchentlich ) • Beratung und Bildung: a) Tagesseminare zum Thema „Warenterminbörsen“: – In den zurückliegenden Jahren wurden rund 20 Seminare (ca. 150 Teilnehmer/-innen) durchgeführt. – Bei Winterveranstaltungen wurde die Thematik im Rahmen von 40 bis 50 Vorträgen mit rund 2.000 Teilnehmern/-innen vorgestellt und erörtert. b) Berufliche und schulische Bildung: – Jährlich werden Unterrichtseinheiten zum Thema „Warenterminbörse“ an Fachschulen für Landwirtschaft von Mitarbeitern/-innen der LEL durchgeführt. – Für Fachschulen, die das Thema mit eigenen Lehrkräften vermitteln, werden Unterlagen/Folien und Fachinformationen zum Thema zur Verfügung gestellt. c) Studentische Ausbildung: In Kooperation mit der Hochschule Nürtingen werden jährlich 8 Vorlesungseinheiten zum Thema „Warenterminbörse und Agrarmärkte“ im Rahmen der studentischen Ausbildung durchgeführt. d) Aus- und Fortbildung von Beratungskräften: – In der Ausbildung der Referendare/-innen und Inspektoren/-innen wird das Thema im Rahmen der Marktwoche bearbeitet. – Bei den regelmäßigen Fortbildungsveranstaltungen (jährlich) wird die Thematik aufgearbeitet und vertieft. e) Öffentlichkeitsarbeit/Artikel in der Fachpresse: Das Thema Agrarmärkte/Risikomanagement in Verbindung mit den modernen börsenbasierten Instrumenten wurde in den zurückliegenden Jahren in mehreren Artikeln in der bundesweiten und in der regionalen landwirtschaftlichen Fachpresse sowie im „Landinfo“ behandelt. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2153 18 Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz wird das Thema „Marktbasierte Risikomanagementinstrumente für Preisvolatilitäten“ weiter bearbeiten . Die vorgenannten Aktivitäten sollen auch in Zukunft angeboten und durchgeführt werden. Hauk Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz