Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 218 28. 06. 2016 1Eingegangen: 28. 06. 2016 / Ausgegeben: 04. 08. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet sie aus Gesichtspunkten der Luftreinhaltung und der Energieeffizienz den Sachverhalt, dass für Holzpellet- und Hackschnitzelheizungen gemäß der Energieeinsparverordnung (EnEV) Anhang Nummer 2.1.1 Satz 2 mit Verweis auf die Norm DIN V 18599 Teil 1 ein Primärenergiefaktor von 0,2 zugrunde gelegt wird, während für Gas- und Ölheizungen ein Primärenergiefaktor von 1,1 gefordert wird, obwohl optimierten Öl- und Gasbrennwertheizungen von Fachleuten eine weitaus niedrigere Verursachung von Umweltschadstoffbelastungen sowie eine höhere Energieeffizienz beigemessen wird? 2. Wie viele Anträge auf Zulassung im Einzelfall haben die Behörden des Landes mit Blick auf diese Problematik bisher erhalten und wie wurden sie gegebenenfalls beschieden? 3. Wie bewertet sie Forderungen, den Primärenergiefaktor für Holzpellet- und Hackschnitzelheizungen mit 1,0 anzusetzen? 4. Ist sie bereit, sich diesbezüglich beim Bund für eine Änderung der Energieein - sparverordnung einzusetzen? 5. Welche besonderen kommunalen Regelungen zur Luftreinhaltung hinsichtlich von technischen Anforderungen an Holzpellets-Heizanlagen sind ihr bekannt (z. B. in Stuttgart)? Kleine Anfrage des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Rechtliche Rahmenbedingungen für Holzpellet-Heizungen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 218 2 6. Wie begründet sie, dass die Definition „erneuerbare Energie“ nach dem Er - neuerbare-Wärme-Gesetz Baden-Württemberg zwar die Nutzung der Umweltwärme einschließlich der Abwärme durch Wärmepumpen beinhaltet, nicht aber die energieeffiziente Wärmerückgewinnung aus Gas- und Ölheizungen oder die Abwärme aus industriellen Prozessen? 7. Ist sie bereit, diesbezüglich eine Änderung auf den Weg zu bringen? 28. 06. 2016 Dr. Rülke FDP/DVP A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 21. Juli 2016 Nr. 6-4502.-2/108/1 beantwortet das Ministe - rium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Verkehrsministerium die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet sie aus Gesichtspunkten der Luftreinhaltung und der Energieeffizienz den Sachverhalt, dass für Holzpellet- und Hackschnitzelheizungen gemäß der Energieeinsparverordnung (EnEV) Anhang Nummer 2.1.1 Satz 2 mit Verweis auf die Norm DIN V 18599 Teil 1 ein Primärenergiefaktor von 0,2 zugrunde gelegt wird, während für Gas- und Ölheizungen ein Primärenergiefaktor von 1,1 gefordert wird, obwohl optimierten Öl- und Gasbrennwertheizungen von Fachleuten eine weitaus niedrigere Verursachung von Umweltschadstoffbelastungen sowie eine höhere Energieeffizienz beigemessen wird? Die energiepolitischen Ziele des Bundes und der EU zur Minderung der Treib - hausgasemissionen werden unter anderem anhand der Einsparung von End- und Primärenergie bewertet. Zur Umrechnung von End- in Primärenergie werden für alle Energieträger Primärenergiefaktoren verwendet. Der dimensionslose Primärenergiefaktor wurde mit der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2002 eingeführt und dient dazu, den Jahresprimärenergiebedarf von Gebäuden zu bestimmen. Bei der primärenergetischen Bewertung von Gebäuden nach EnEV werden lediglich die Werte der nicht erneuerbaren Anteile verwendet. Nur mit diesen ist auch eine CO2-Komponente verknüpft. Für den nicht erneuerbaren Anteil bei Holz in der Prozesskette (z. B. Transport) liegt der nach der EnEV anzusetzende Wert für den Primärenergiefaktor bei fp = 0,2. Für Gas, bei dem in der gesamten Prozesskette so gut wie keine erneuerbaren Energie eingesetzt wird, liegt der Wert mit fp = 1,1 daher auch deutlich höher. Die im Rahmen der EnEV verwendeten Primärenergiefaktoren entfalten damit auch eine gewollte Steuerungswirkung zugunsten des Klimaschutzes. Dass fossile Brennstoffe hier anders zu bewerten sind als erneuerbare , ist insoweit nachvollziehbar. Eine entsprechende Steuerung ist auch für das Ziel der Bundesregierung erforderlich, bis 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen. Davon zu unterscheiden sind allerdings die Vorgaben der Luftreinhaltung, die in den immissionsschutzrechtlichen Vorschriften geregelt sind. So muss u. a. jede Anlage die an sie gestellten Anforderungen einhalten, andernfalls dürfte sie nicht betrieben werden (siehe auch die Antwort zu Frage Nr. 5). Die durch den jeweiligen Primärenergieträger verursachten Luftschadstoffemissionen gehen jedoch nicht in die Festlegung der Primärenergiefaktoren nach der EnEV ein. *) Nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist eingegangen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 218 2. Wie viele Anträge auf Zulassung im Einzelfall haben die Behörden des Landes mit Blick auf diese Problematik bisher erhalten und wie wurden sie gegebenenfalls beschieden? Grundsätzlich sind für die Einhaltung der Vorschriften der EnEV der Bauherr als Verpflichteter sowie im Rahmen ihres jeweiligen Wirkungskreises auch die Personen verantwortlich, die im Auftrag des Bauherrn bei der Errichtung oder Änderung von Gebäuden oder der Anlagentechnik in Gebäuden tätig werden. § 25 EnEV sieht auf Antrag eine Befreiung vor, soweit die Anforderungen im Einzelfall wegen besonderer Umstände durch einen unangemessenen Aufwand oder in sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führen. Nach § 24 Abs. 2 EnEV lassen die zuständigen Behörden auf Antrag im Einzelfall Ausnahmen zu, soweit die Ziele der EnEV durch andere als in der EnEV vorgesehene Maßnahmen im gleichen Umfang erreicht werden. Für beides ist nach § 6 EnEV-Durchführungsverordnung (EnEV-DVO) das Umweltministerium die zuständige Behörde. Hinsichtlich einer Abweichung von den in der EnEV vorgegebenen Primärenergiefaktoren ist bislang ein Antrag eingegangen. Der Antrag wurde noch nicht beschieden . 3. Wie bewertet sie Forderungen, den Primärenergiefaktor für Holzpellet- und Hackschnitzelheizungen mit 1,0 anzusetzen? Die Primärenergiefaktoren setzen sich in der Regel (z. B. in der EnEV) aus zwei Anteilen zusammen: dem erneuerbaren und dem nicht erneuerbaren Anteil. Der zusammengesetzte Primärenergiefaktor von Holz hat den Wert 1,2. Der nicht erneuerbare Anteil (Vorketten für Fällen, Verarbeitung, Transport) wird dabei mit 20 Prozent bewertet. In die primärenergetische Bewertung von Gebäuden nach EnEV sind lediglich die Werte der nicht erneuerbaren Anteile zu verwenden. Der Primärenergiefaktor für Holz und damit auch für Holzpellets und Holzhackschnitzel beträgt deshalb in der EnEV 0,2. Diese Berechnung ist prinzipiell stimmig. Nicht berücksichtigt im Primärenergiefaktor ist allerdings die begrenzte Verfügbarkeit von Holz. Biomasse ist zwar eine erneuerbare Energiequelle, die aber bei nachhaltiger Nutzung nicht unbegrenzt zur Verfügung steht. 4. Ist sie bereit, sich diesbezüglich beim Bund für eine Änderung der Energieein - sparverordnung einzusetzen? Bei der geplanten Zusammenführung von Energieeinspargesetz (EnEG), Erneuerbare -Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) und EnEV werden auch Änderungen an der Bewertungssystematik diskutiert. Die Landesregierung wird sich im Rahmen des Novellierungsprozesses für ambitionierte Standards, den Einsatz von erneuerbaren Energien und eine CO2-Komponente bei der Bewertung von Gebäuden sowie eine Vereinfachung des Regelwerks einsetzen. 5. Welche besonderen kommunalen Regelungen zur Luftreinhaltung hinsichtlich von technischen Anforderungen an Holzpellets-Heizanlagen sind ihr bekannt (z. B. in Stuttgart)? Die Erste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen – 1. BImSchV) legt Anforderungen auch an den Betrieb von Holzpellet-Heizungen fest. Darüber hinaus sind der Landesregierung keine kommunalen Regelungen hinsichtlich technischer Anforderungen zu Festbrennstofffeuerungen bzw. Holzpellet-Heizungen bekannt. Im dem Konzept „Luftreinhaltung für die Landeshauptstadt Stuttgart“ vom 27. Juli 2015, welches das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur, das Regierungspräsidium Stuttgart sowie die Stadt Stuttgart erarbeitet haben, sind Regelun- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 218 4 gen für zusätzliche Einzelraumfeuerungen für Festbrennstoffe vorgesehen. In Phase 1 des Feinstaub-Alarms wurde an die Bürgerinnen und Bürger von Stuttgart appelliert, sogenannte Komfortkamine, also Öfen, die zusätzlich zu einer in der Regel zentralen Heizungsanlage genutzt werden, bei Feinstaub-Alarm nicht zu betreiben. Das Verkehrsministerium erarbeitet derzeit verbindliche Regelungen zur Beschränkung des Betriebs von Komfortöfen an Tagen mit Feinstaub- Alarm. 6. Wie begründet sie, dass die Definition „erneuerbare Energie“ nach dem Erneuerbare -Wärme-Gesetz Baden-Württemberg zwar die Nutzung der Umweltwärme einschließlich der Abwärme durch Wärmepumpen beinhaltet, nicht aber die energieeffiziente Wärmerückgewinnung aus Gas- und Ölheizungen oder die Abwärme aus industriellen Prozessen? Nach § 5 Abs. 1 Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG) werden als erneuerbare Energien solare Strahlungsenergie, Geothermie, Umweltwärme, feste, flüssige und gasförmige Biomasse, welche ohne vorangegangene Umwandlung in elektrische Energie für Zwecke der Wärmenutzung verwendet werden, anerkannt. Neben den Anforderungen für Wärmepumpen in § 5 Abs. 2 EWärmeG ist im Nichtwohngebäudebereich in § 17 Abs. 3 EWärmeG auch die Nutzung von bisher nicht genutzter Abwärme aus anderen Prozessen als dem Heizprozess selbst anrechenbar . Die Abwärme aus industriellen Prozessen kann bei Einhaltung der gesetzlich festgelegten Rahmenbedingungen zur Erfüllung der Nutzungspflicht berücksichtigt werden. Die energieeffiziente Wärmerückgewinnung aus Gas- und Ölheizungen wird im EWärmeG nicht gesondert als weitere (teilweise) Erfüllungsoption vorgesehen, da sie den Stand der Technik darstellt und Mindestvoraussetzung für die Teilerfüllung über die Optionen „Biomethan“ und „Bioöl“ ist. 7. Ist sie bereit, diesbezüglich eine Änderung auf den Weg zu bringen? Im EWärmeG ist vorgesehen, dass Ende 2018 dem Landtag ein Erfahrungsbericht vorzulegen ist. Dabei wird u. a. die technische und wirtschaftliche Entwicklung beim Einsatz erneuerbarer Energien untersucht und geprüft, ob die Regelungen im EWärmeG ohne weitere Anpassungen geeignet sind, die Klimaschutzziele zu erreichen. Vor Abschluss der Evaluation sind derzeit keine gesetzlichen Änderungen geplant. In Vertretung Meinel Ministerialdirektor