Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 2189 06. 06. 2017 1Eingegangen: 06. 06. 2017 / Ausgegeben: 20. 07. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Inwieweit unterstützt sie Kommunen mit besonders hohen Geburtenraten in gesondertem Maße, beispielsweise durch zusätzliche finanzielle Unterstützung beim Ausbau der Kinderbetreuung? 2. Inwiefern plant sie, ihre Unterstützung dahingehend auszuweiten, dass den spezifischen Anforderungen der Kommunen mit hohen Geburtenraten besser Rechnung getragen werden kann? 3. Inwieweit unterstützt sie Kommunen mit besonders hoher Arbeitslosigkeit in besonderem Maße, beispielsweise durch gesondert finanzierte Maßnahmen im Bildungsbereich oder in der Integration Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt? 4. Inwieweit unterstützt sie Kommunen, die einen besonders hohen Netto-Zuzug aufweisen in besonderem Maße, beispielsweise durch gesondert finanzierte Projekte zur Schaffung von Wohnraum? 5. Welche konkreten, zusätzlichen Maßnahmen plant sie für den Stadtkreis Pforzheim , um hinsichtlich der überproportionalen Geburtenrate, der überproportionalen Arbeitslosigkeit sowie des überproportionalen Netto-Zuzugs die Perspektiven der Stadt zu verbessern? 6. Falls sie keine konkreten, zusätzlichen Maßnahmen plant oder nennen kann, wie erklärt sie die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Ministerpräsidenten „Das ist ja ein überproportionaler Aufwuchs den Sie hier haben. Da können wir uns schon vorstellen, dass sich das Land engagiert“ sowie „Und glauben Sie mir, wir nehmen auf, was Sie hier sagen“ (Pforzheimer Kurier vom 31. Mai 2017, Seite 17) hinsichtlich des Fehlens zusätzlicher Maßnahmen, im Wissen um und trotz der spezifischen Problemlagen des Stadtkreises Pforzheim? 02. 06. 2017 Dr. Rülke FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Gesonderte Unterstützung von Kommunen mit hohen Geburtenraten, hohem Zuzug und hoher Arbeitslosigkeit Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2189 2 B e g r ü n d u n g Im Zuge der Veranstaltungsreihe „Nachbarschaftsgespräche: Zusammenleben – aber wie?“ war Ministerpräsident Winfried Kretschmann MdL in Pforzheim zu Gast und wird im Pforzheimer Kurier (31. Mai 2017, Seite17) hinsichtlich der Geburtenrate und der Kinderanzahl in Pforzheim mit den Worten zitiert: „Da können wir uns schon vorstellen, dass sich das Land engagiert.“ Weiterhin wird er zitiert: „Pforzheim ist das Sorgenkind des Landes schon seit ich denken kann.“ In einem dritten Zitat sagt er wörtlich: „Und glauben Sie mir, wir nehmen auf was Sie hier sagen.“ Pforzheim hat große finanzielle Probleme, die durch die kommunale Pflichtauf - gabe, trotz großer Kinderzahl und einer hohen Geburtenrate ausreichend Kinderbetreuungsangebote zur Verfügung stellen zu müssen, die landesweit höchste Arbeitslosenquote sowie einen sehr hohen Netto-Zuzug innerhalb der letzten Jahre weiter verschärft werden. Mit der Veranstaltungsreihe „Nachbarschaftsgespräche: Zusammenleben – aber wie?“ hat die Landesregierung das Signal gesetzt und die Bereitschaft kommuniziert, Kommunen mit besonderen Herausforderungen besondere Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen und auf die Probleme vor Ort mit weiterer Unterstützung vonseiten der Landespolitik zu reagieren. Angesichts der Aussagen des Ministerpräsidenten und der ausführlichen Schilderung und Adressierung der oben genannten Problemlagen durch örtliche Entscheidungsträger an Herrn Ministerpräsidenten Kretschmann sowie Frau Staatsrätin Erler soll diese Kleine Anfrage der Bestimmung konkreter Maßnahmen durch die Landesregierung dienen, um die Probleme der betreffenden Kommunen und insbeson - dere des Stadtkreises Pforzheim zu entschärfen. A n t w o r t Mit Schreiben vom 29. Juni 2017 Nr. 2-2221.0/13 beantwortet das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration im Einvernehmen mit dem Ministe - rium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport und dem Ministerium für Finanzen die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Inwieweit unterstützt sie Kommunen mit besonders hohen Geburtenraten in gesondertem Maße, beispielsweise durch zusätzliche finanzielle Unterstützung beim Ausbau der Kinderbetreuung? 2. Inwiefern plant sie, ihre Unterstützung dahingehend auszuweiten, dass den spezifischen Anforderungen der Kommunen mit hohen Geburtenraten besser Rechnung getragen werden kann? Zu 1. und 2.: Das Land beteiligt sich unter Einbeziehung der Bundesmittel zur Betriebskostenförderung nach dem Kinderförderungsgesetz seit 2014 mit 68 Prozent an den Betriebsausgaben der Kleinkindbetreuung in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege . 2017 werden dafür voraussichtlich rd. 824 Mio. Euro aufgewendet. Im Jahr 2016 lag der Betrag bei 724 Mio. Euro. Die Verteilung der Mittel erfolgt nach der Zahl der auf dem Gemeindegebiet in Kindertageseinrichtungen bzw. im Stadt- oder Landkreis in Kindertagespflege betreuten unter dreijährigen Kindern. Hierbei wird nach der Betreuungszeit differenziert . Dies bedeutet, dass Kommunen mit besonders hoher Geburtenrate bzw. einer verhältnismäßig hohen Zahl an in Kindertageseinrichtungen oder Kinder - tagespflege betreuten Kindern im Vergleich zu Kommunen mit geringerer Zahl an Kindern entsprechend höhere Zuweisungen nach § 29 c FAG erhalten. Derselben Systematik folgt § 29 b FAG (Kindergartenförderung) mit dem Unterschied , dass hier der Gesamtbetrag der jährlichen Zuweisungen mit 529 Mio. Euro fixiert ist. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2189 Das „Gesetz zum weiteren quantitativen und qualitativen Ausbau der Kinder - tagesbetreuung“ soll noch im Juni 2017 im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Mit dem in diesem Gesetz festgelegten (vierten) Investitionsprogramm des Bundes „Kinderbetreuungsfinanzierung“ 2017 bis 2020 sollen bundesweit 100.000 zusätzliche Betreuungsplätze für Kinder von der Geburt bis zum Schuleintritt, auch für Kinder mit Fluchthintergrund, geschaffen und qualitative Verbesserungen gefördert werden. Das Kultusministerium wird zur Umsetzung des Bundes - investitionsprogramms eine Verwaltungsvorschrift erlassen. Im schulischen Bereich erfolgt die Zuweisung der Ressourcen für den Unterricht auf Basis der im Frühjahr bei der Bedarfsprognose für das darauffolgende Schuljahr gemeldeten Schüler- bzw. Klassenzahlen. Damit werden die Entwicklungen sowohl im Bereich der Regelklassen als auch im Bereich der Vorbereitungsklassen entsprechend berücksichtigt. 3. Inwieweit unterstützt sie Kommunen mit besonders hoher Arbeitslosigkeit in besonderem Maße, beispielsweise durch gesondert finanzierte Maßnahmen im Bildungsbereich oder in der Integration Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt? Zu 3.: Kommunen mit besonders hoher Arbeitslosigkeit profitieren von dem Landesprogramm „Neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt“. Das Landesprogramm soll Menschen , die wenige Chancen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt haben, eine menschenwürdige soziale Teilhabe und neue Perspektiven ermöglichen. Darüber hinaus sollen als langfristiges Ziel Fachkräftepotenziale gerade auch von Langzeitarbeitslosen , Geringqualifizierten, Personen mit Migrationshintergrund, atypisch Beschäftigten und Flüchtlingen sowie deren Familien aufgebaut und erschlossen werden. Das Landesprogramm „Neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt“ beinhaltet vor allem Bausteine, die aus Haushaltsmitteln des Wirtschaftsministeriums (WM) finanziert werden. Es wird um weitere Programme ergänzt, die aus dem Europä - ischen Sozialfonds (ESF) sowie aus Haushaltsmitteln des Ministeriums für Soziales und Integration (SM) finanziert werden. • Der Passiv-Aktiv-Tausch PLUS (PAT PLUS) startet am 1. Juli 2017. Ziel des Förderprogrammes ist es, langzeitarbeitslose Menschen mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen langfristig und nachhaltig in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu integrieren. Das Land finanziert pro Monat und Teilnehmendem eine Zuschusspauschale von 300 Euro an die Stadtund Landkreise. Für benötigte Qualifizierungskomponenten übernimmt das Land max. 1.000 Euro, sowie eine Erfolgsprämie von max. zweimal 100 Euro für den Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin bei Abschluss einer Qualifizierung. Insgesamt werden für 500 PAT PLUS-Plätze mit Qualifizierungselementen 2,1 Mio. Euro pro Jahr veranschlagt. • Ein fester Baustein des Landesprogramms „Neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt “ ist die Förderung der Arbeitslosen(beratungs)zentren (ALOZ). Dies sind kostenlose und unabhängige Beratungsstellen für arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen. Sie informieren über Qualifizierungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten , beraten zu wirtschaftlichen und psychosozialen Situationen und gewähren rechtskreisübergreifende Unterstützung bei recht lichen Fragen . Darüber hinaus eröffnen sie mit ihrem niedrigschwelligen Ansatz Begegnungsmöglichkeiten und soziale Kontakte für erwerbslose Menschen. Die bisher bestehenden zwölf ALOZ werden bis zum 30. Juni 2017 weitergefördert . Für den Förderzeitraum 1. Juli 2017 bis 31. Dezember 2019 wurde das Projekt anhand der bisherigen Erfahrungen überarbeitet und neu ausgeschrieben. Für einen Förderzeitraum von zwölf Monaten erhalten die zwölf ALOZ 50.000 Euro pro Standort. Damit stehen für die ALOZ insgesamt Landesmittel in Höhe von 600.000 Euro jährlich zur Verfügung. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2189 4 • Das 2016 gestartete Förderprogramm „Nachhaltige Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen mit Suchterkrankungen“ (NaWiSu) ist ein innovativer Ansatz zur nachhaltigen Wiedereingliederung suchtkranker Langzeitarbeitsloser. Das Förderprogramm wird mit zwei Modellprojekten umgesetzt. Für den Durchführungszeitraum (2016 bis 2017) wurden 700.000 Euro und für 2018 150.000 Euro vom Wirtschaftsministerium bewilligt. • Als neuer Baustein des Landesprogramms „Neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt “ wurde das Modellprojekt „Beschäftigungsförderung und Jugendhilfe gemeinsam anpacken“ entwickelt. Ziel des Modellprojektes ist es, durch die bessere Verknüpfung von Berufsintegration und Jugendhilfe bei Familien im SGB-II-Leistungsbezug eine bessere Arbeitsmarktintegration zu erreichen und gleichzeitig die Förderung der Kinder zu stärken. An maximal sechs Standorten sollen pro Standort sieben bis zehn Bedarfsgemeinschaften mit mindestens einem minderjährigen Kind ganzheitlich betreut werden. Es startet zum 1. Juli 2017 mit einer Laufzeit bis zunächst Ende 2019. Pro Standort stehen maximal 50.000 Euro pro Förderjahr, also insgesamt 300.000 Euro jährlich zur Verfügung. 4. Inwieweit unterstützt sie Kommunen, die einen besonders hohen Netto-Zuzug aufweisen in besonderem Maße, beispielsweise durch gesondert finanzierte Projekte zur Schaffung von Wohnraum? Zu 4.: Das Land hat mit seinem Wohnraumförderprogramm Wohnungsbau BW 2017 auf sich verändernde Problemlagen in Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg reagiert. Dabei wurden auch Parameter berücksichtigt, wie der sich abzeichnende vermehrte Zuzug in Gemeinden, die nicht unmittelbar an Ballungszentren grenzen, an diese jedoch durch Infrastrukturmaßnahmen insbesondere verkehrlich angebunden sind. Hierauf wurde mit einer Ausweitung der Gebietsund Förderkulisse der allgemeinen sozialen Mietwohnraumförderung reagiert, sodass nun insoweit ein landesweites Angebot vorliegt. Das gilt gleichermaßen für die Förderung zur Bildung von Wohneigentum. Um weitere Anreize für eine rasche Schaffung des vermehrt benötigten Wohnraums zu implizieren, wurden mit dem neuen Förderkonzept auch inhaltliche Weiterentwicklungen auf den Weg gebracht. So ist für die Antragsteller zur allgemeinen Sozialmietwohnraumförderung erstmals ein sog. Vollzuschuss vorge - sehen, sodass der Subventionswert des klassischen zinslosen Förderdarlehens wahlweise auch vollständig mit einem solchen Zuschuss ausgereicht werden kann. Dieses Angebot kann gerade auch für kleinere Unternehmen interessant sein. Schließlich wurden sowohl in der Mietwohnraumförderung als auch im Rahmen der Unterstützung der Bildung von Wohneigentum die Einkommensgrenzen für Förderempfänger angehoben. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass es zwischenzeitlich auch für Haushalte mit nicht nur relativ geringem Einkommen stellenweise schwierig ist, sich am Wohnungsmarkt angemessen mit Wohnraum zu versorgen. Für den Zuzug, der sich für die Kommunen durch die Aufnahme von Flüchtlingen in die Anschlussunterbringung ergibt, erhalten die Kommunen einen Pauschalbetrag nach § 18 Absatz 4 des Gesetzes über die Aufnahme von Flüchtlingen (Flüchtlingsaufnahmegesetz – FlüAG) für den ihnen entstehenden Verwaltungsaufwand . 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2189 5. Welche konkreten, zusätzlichen Maßnahmen plant sie für den Stadtkreis Pforzheim , um hinsichtlich der überproportionalen Geburtenrate, der überproportionalen Arbeitslosigkeit sowie des überproportionalen Netto-Zuzugs die Perspektiven der Stadt zu verbessern? Zu 5.: Pforzheim profitiert in besonderer Weise vom Landesprogramm „Neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt“. Die Stadt Pforzheim hat für den Passiv-Aktiv-Tausch PLUS (PAT PLUS) zwölf Plätze beantragt und bewilligt bekommen. Das Arbeitslosen(beratungs)zentrum des Diakonischen Werks der evangelischen Kirche in Pforzheim wird weiterhin mit 50.000 Euro jährlich aus Mitteln des Wirtschaftsministeriums gefördert. Das Projekt NaWiSu – Nachhaltige Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen mit Suchterkrankung – wird in Pforzheim von der Werkstatt Parität unter dem Namen Su+Ber durchgeführt und u. a. vom Wirtschaftsministerium finanziell gefördert . Für den Zuzug, der sich für den Stadtkreis Pforzheim durch die Aufnahme von Flüchtlingen in die vorläufige Unterbringung ergibt, erstattet das Land gemäß § 15 FlüAG für im Rahmen der vorläufigen Unterbringung entstehende Ausgaben für jede aufgenommene und untergebrachte Person einmalig eine Pauschale von aktuell 14.181 Euro. Gegenstand der Pauschalen sind die notwendigen Ausgaben für den personellen und sächlichen Verwaltungsaufwand zur Durchführung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes, für die Flüchtlingssozialarbeit, für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und dem Sozialgesetzbuch (SGB), für liegenschaftsbezogene Ausgaben sowie für Aufwendungen der Kommunen im Rahmen der Anschlussunterbringung. Die Entwicklung des Bedarfs und der Schülerzahlen der Region Pforzheim findet dadurch Berücksichtigung, dass der jährliche Organisationserlass des Kultusmi - nis teriums die Zuweisung auf Basis der Schülerzahl der einzelnen Schule regelt. 6. Falls sie keine konkreten, zusätzlichen Maßnahmen plant oder nennen kann, wie erklärt sie die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Ministerpräsidenten „Das ist ja ein überproportionaler Aufwuchs den Sie hier haben. Da können wir uns schon vorstellen, dass sich das Land engagiert“ sowie „Und glauben Sie mir, wir nehmen auf, was Sie hier sagen“ (Pforzheimer Kurier vom 31. Mai 2017, Seite 17) hinsichtlich des Fehlens zusätzlicher Maßnahmen, im Wissen um und trotz der spezifischen Problemlagen des Stadtkreises Pforzheim? Zu 6.: Siehe Antwort zu Frage 5. Strobl Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration