Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 2208 14. 06. 2017 1Eingegangen: 14. 06. 2017 / Ausgegeben: 28. 07. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat sie über die Beobachtungen der Staatlichen Vogelschutzwarte des Landes Brandenburg, wonach Auerhühner bereits mit Wind - energieanlagen kollidiert und infolgedessen getötet worden sind? 2. Aus welchen Gründen sieht sie das Windenergievorhaben auf dem Rohrhardsberg angesichts des Fundes einer Auerwildlosung, die möglicherweise eine Brutlosung ist (siehe dazu Drucksache 16/1622, Frage 7), als vereinbar mit dem Vorsorgeprinzip des „Aktionsplans Auerhuhn“ an, das vorsieht, auf einschlägigen Flächen planbare Störungen zu vermeiden? 3. Wie bewertet sie es mit Blick auf die auf dem Gschasikopf geplanten Windener - gieanlagen, dass die im Auftrag des Vorhabenträgers erstellte Umweltverträglichkeitsstudie bei der Wirktiefe der Windenergieanlagen von nur 500 Metern ausgeht, obwohl sowohl Auerwild-Fachleute als auch die Länderarbeitsgemein - schaft der Staatlichen Vogelschutzwarten diesbezüglich empfehlen, 1.000 Meter anzusetzen? 4. Ist eine Prüfung vorgesehen, inwieweit sich das Gebiet auf dem Gschasikopf für eine Wiederansiedlung des Haselhuhns eignet? 5. Welche wesentlichen Schlüsse zieht sie hinsichtlich des örtlichen Schutzes des Wespenbussards aus der Stellungnahme der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz vom 21. November 2016? 01. 06. 2017 Glück FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Andreas Glück FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Vogelschutz auf Rohrhardsberg und Gschasikopf Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2208 2 A n t w o r t Mit Schreiben vom 10. Juli 2017 Nr. 4-4516/2208 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Erkenntnisse hat sie über die Beobachtungen der Staatlichen Vogelschutzwarte des Landes Brandenburg, wonach Auerhühner bereits mit Wind - energieanlagen kollidiert und infolgedessen getötet worden sind? Dieser Sachverhalt ist bekannt und in Skandinavien und in den Pyrenäen schon in Einzelfällen nachgewiesen. Dabei fliegen Auerhühner nicht in die Rotoren, sondern gegen die Masten. Allerdings wird das Risiko aktuell als sehr gering eingeschätzt , da Auerhühner gewohnt sind, sich in Wäldern zu bewegen und Bäumen entsprechend „geschickt“ auszuweichen. 2. Aus welchen Gründen sieht sie das Windenenergievorhaben auf dem Rohrhardsberg angesichts des Fundes einer Auerwildlosung, die möglicherweise eine Brutlosung ist (siehe dazu Drucksache 16/1622, Frage 7), als vereinbar mit dem Vorsorgeprinzip des „Aktionsplans Auerhuhn“ an, das vorsieht, auf einschlägigen Flächen planbare Störungen zu vermeiden? Der Fund der Auerhuhnlosung im Bereich des Rohrhardsberges wurde mit dem Auerhuhn-Experten Dr. Schroth nochmals eingehend überprüft und das Ergebnis war eindeutig, dass es sich nicht um eine Brutlosung handelt. Auch die anderen, nach den Standards der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden- Württemberg (FVA) durchgeführten Untersuchungen, haben weder Balz-, noch Brutaktivität nachgewiesen. Daher wird dieses Gebiet nicht als Reproduktions - gebiet eingeschätzt. 3. Wie bewertet sie es mit Blick auf die auf dem Gschasikopf geplanten Windenergieanlagen , dass die im Auftrag des Vorhabenträgers erstellte Umweltverträglichkeitsstudie bei der Wirktiefe der Windenergieanlagen von nur 500 Metern ausgeht, obwohl Auerwild-Fachleute als auch die Länderarbeitsgemeinschaft der Staatlichen Vogelschutzwarten diesbezüglich empfehlen, 1.000 Meter anzusetzen ? Für die Abgrenzung der Reproduktionsbereiche hat die FVA ebenfalls einen Radius von 1.000 Meter vorgesehen, in dem der Bau von Windrädern als nicht genehmigungsfähig eingeschätzt wird. Dieser Radius ergibt sich aus zahlreichen Untersuchungen, die zum Raum-Zeit-Verhalten von Auerhühnern vorliegen und die auch zu den Empfehlungen des „Helgoländer Papiers“ geführt haben. Davon zu unterscheiden ist die Herleitung des Bedarfs an ggf. notwendigen Ausgleichsmaßnahmen . Hierfür wird ein Wirkradius von 500 Meter um den Standort jeder Anlage angenommen. Diese Kriterien werden von der FVA seit 2012 bei jeder fachlichen Einschätzung angewandt und sind keinesfalls am Gschasikopf als Besonderheit anzusehen. 4. Ist eine Prüfung vorgesehen, inwieweit sich das Gebiet auf dem Gschasikopf für eine Wiederansiedlung des Haselhuhns eignet? Eine Überprüfung der Eignung des genannten Bereiches zur Wiederansiedlung von Haselhühnern ist aktuell nicht durchgeführt worden und derzeit auch nicht vorgesehen. In den in der Nähe liegenden Gebieten (Oberprechtal/Schwiegrube), in denen vor 20 Jahren auch Haselhühner näher untersucht wurden, sind seit 10 Jahren keine sicheren Haselhuhn-Nachweise mehr erbracht worden. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2208 5. Welche wesentlichen Schlüsse zieht sie hinsichtlich des örtlichen Schutzes des Wespenbussards aus der Stellungnahme der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz vom 21. November 2016? Die angesprochene Stellungnahme der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) geht auf eine Anfrage des Regierungspräsidiums Freiburg zu den naturschutzfachlichen Anforderungen für das Repowering der Windenergieanlage „Yach“, Rohrhardsberg, zurück. In ca. 300 m Entfernung vom Standort der geplanten Windenergieanlage befindet sich ein Revierzentrum des windenergieempfindlichen Wespenbussards. Der Standort liegt außerdem im Europäischen Vogelschutzgebiet „Mittlerer Schwarzwald“. Nachdem die Planunterlagen davon ausgehen, dass artenschutzrechtlich von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko für das betroffene Revierpaar und von einer erheblichen Beeinträchtigung der Erhaltungsziele des Vogelschutzgebiets im Hinblick auf den Wespenbussard auszugehen ist, wurde auf der Grundlage der damals vorliegenden Unterlagen beurteilt, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen für eine artenschutzrechtliche Ausnahme und für eine Ausnahme von den Schutzvorschriften des Vogelschutzgebiets ausreichend sind. Dabei handelt es sich um Maßnahmen, die zugleich als sog. FCS (Favourable Conservation Status)-Maßnahmen (für die artenschutzrechtliche Aus - nahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG) und als Kohärenzsicherungsmaßnahmen (§ 34 Abs. 5 Bundesnaturschutzgesetz als Voraussetzung für die Ausnahme vom Verschlechterungsverbot in Vogelschutzgebieten) eingesetzt werden sollen. Hierzu ist festzustellen, dass bei der Konzeption der Maßnahmen im damaligen Gutachten zwar auf die Hinweise der LUBW zur Bewertung und Vermeidung von Beeinträchtigungen von Vogelarten bei Bauleitplanung und Genehmigung für Windenergieanlagen zurückgegriffen wurde. Die Maßnahmen wurden jedoch im Wesentlichen aus den folgenden Gründen nicht als hinreichend wirksam be - wertet: • Im Hinblick auf den Nutzungsverzicht von Einzelbäumen und die Erhöhung des Erntezeitalters in Altholzbeständen zur Schaffung von Nistgelegenheiten waren insbesondere der Umfang der Maßnahmen und die räumliche Verortung zu konkretisieren. • Der Erhalt von Greifvogelhorsten konnte nicht als FCS- und Kohärenzmaßnahme anerkannt werden, da hierfür bereits eine gesetzliche Verpflichtung besteht. • Im Hinblick auf die Schaffung lichter Waldbereiche, Waldlichtungen oder Schneisen sowie reichstrukturierter Waldränder war die fachliche Eignung der vorgeschlagenen Fläche als Nahrungshabitat nicht ausreichend dargestellt. Insgesamt erschien die geplante Schaffung von zusätzlichen Brut- und Nahrungshabitaten in einem Landschaftsraum, der bereits vor der Durchführung der Maßnahmen eine gute Eignung für den Wespenbussard aufweist, nicht ausreichend, um die für FCS- und Kohärenzsicherungsmaßnahmen erforderliche Erhöhung der Lebensraumkapazität zu schaffen. Hierfür wären Maßnahmen in bisher weniger geeigneten und unbesiedelten Bereichen erforderlich. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft