Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 222 28. 06. 2016 1Eingegangen: 28. 06. 2016 / Ausgegeben: 29. 07. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wann und aus welchen Gründen wurde die Schutzzone des BFO in Schiltach von zehn Kilometer auf drei Kilometer reduziert? 2. Inwieweit gab es hierfür wissenschaftliche Untersuchungen, die diese Maß - nahme rechtfertigen? 3. Wie könnten Befürchtungen der Wissenschaftler des BFO, wonach ihre seismischen Messungen durch Windenergieanlagen verfälscht werden könnten, wissenschaftlich entkräftet werden? 4. Ist ihr bekannt, dass vergleichbare Messstationen bereits Probleme mit Windenergieanlagen in Entfernungen von bis zu zehn Kilometern hatten? 5. Inwieweit ist sie derartigen Erfahrungswerten bisher nachgegangen? 6. Wie bewertet sie vor diesem Hintergrund die Bedeutung der in den vergangenen Jahren im Durchschnitt stark gestiegenen Gesamthöhe von Windenergieanlagen ? 7. Wie ist der aktuelle Stand der Forderung des BFO, die Schutzzone von drei Kilometer auf zehn Kilometer zu erweitern? 8. Wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen? 27. 06. 2016 Dr. Timm Kern FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Auswirkungen von möglichen Windrädern auf die Arbeit des Black Forest Observatory (BFO) in Schiltach Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 222 2 B e g r ü n d u n g Das BFO, ein geowissenschaftliches Gemeinschaftsobservatorium des Karlsruher Instituts für Technologie und der Universität Stuttgart, ist eine wichtige seismographische Messstation. Durch einen möglichen Bau von Windrädern in der Umgebung des BFO könnten die Messungen erhebliche Beeinträchtigungen erleiden. Aus diesem Grund sollen diese Fragen die kritischen Punkte um den Bau von Windrädern in der Umgebung des BFO beleuchten. A n t w o r t Mit Schreiben vom 19. Juli 2016 Nr. 4-4583 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst und dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wann und aus welchen Gründen wurde die Schutzzone des BFO in Schiltach von zehn Kilometer auf drei Kilometer reduziert? Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die Universität Stuttgart betreiben das Black Forest Observatory (BFO) als geowissenschaftliches Gemeinschaftsobservatorium . Das BFO verfügt aufgrund seiner Lage über exzellente Bedingungen , die im nationalen und globalen Bereich unerreichte seismische Messungen ermöglichen. Das BFO gilt als Referenzstation für Geodaten in der bun des - übergreifenden Seismologie und liefert Daten zur Erdbebenforschung. Darüber hinaus ist es eingebunden in das Netzwerk zur Überwachung der Einhaltung des Kernwaffenteststoppabkommens. Die Bestimmung des Schutzabstandes auf einen von Windkraftanlagen frei zu haltenden Radius von drei Kilometern erfolgte mit gemeinsamem Erlass des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur und des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft vom 12. Dezember 2012 mit Einvernehmen des Minis - teriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Mit dem Gesetz zur Änderung des Landesplanungsgesetzes vom 22. Mai 2012 waren die in den Regionalplänen festgelegten Vorrang- und Ausschlussgebiete für Windkraftanlagen mit Wirkung zum 1. Januar 2013 gesetzlich aufgehoben worden. Nach dem neuen Landesplanungsgesetz legen die Regionalverbände nur noch Vorranggebiete für Windkraftanlagen, jedoch keine Ausschlussgebiete mehr fest. Damit erhielten die Kommunen des Landes die Möglichkeit, selbst Windkraftstandorte planerisch zu steuern. Dabei galt es, das von der Landesregierung verfolgte Ziel des deutlichen Ausbaus der Windkraft im Zuge der Energiewende und des Ausstiegs aus der Kernenergie mit den wissenschaftlichen Belangen und dem Schutzbedürfnis des BFO in Einklang zu bringen. Um den Planungsträgern und den Betreibern des BFO weiterhin Planungssicherheit zu gewährleisten, muss - te die Ausgestaltung des erforderlichen Schutzabstandes neu bestimmt werden. 2. Inwieweit gab es hierfür wissenschaftliche Untersuchungen, die diese Maß - nahme rechtfertigen? Grundlage war ein von Wissenschaftlern der Universität Stuttgart und dem KIT erstelltes Gutachten vom 13. September 2012. Das Gutachten war zum Schluss gekommen, dass ein Mindestabstand von drei Kilometern sicherstellen würde, dass die langperiodische Datenqualität nicht durch Windkraftanlagen beeinträchtigt wird und Beeinträchtigungen bei der Qualität der kurzperiodischen Datenaufzeichnungen durch Windkraftanlagen in einem Abstandsbereich zwischen drei und zehn Kilometern zumindest teilweise durch technische Maßnahmen kompensiert werden könnten. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 222 3. Wie könnten Befürchtungen der Wissenschaftler des BFO, wonach ihre seismischen Messungen durch Windenergieanlagen verfälscht werden könnten, wissenschaftlich entkräftet werden? Das BFO hat diese Befürchtungen seit Ende des Jahres 2015 gegenüber Planungsträgern und Genehmigungsbehörden geäußert. Das BFO wies dazu auf neuere, nun erstmals vorliegende Messungen hin, wonach sich, nach Aussage des BFO, nun konkretere Anhaltspunkte ergeben, dass es durch den Betrieb von Windkraftanlagen im weiteren Umfeld zu Störungen der Messungen kommen könnte. Hierzu wurde auf eine noch unveröffentlichte Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) verwiesen, die im September 2015 auf einer Fachtagung vorgestellt wurde. Hinzu kam außerdem, dass die ursprünglich vorgesehenen technischen Maßnahmen zur Kompensation der Störungen im kurzperiodischen Frequenzbereich (siehe Ziffer 2) sich nicht als tragfähig erwiesen. Das BFO sah zukünftig seine wissenschaftlichen Arbeiten und seine internationale Spitzenstellung, die vor allem auf der Tatsache beruht, dass das BFO eine der weltweit ruhigsten Stationen ist, gefährdet. 4. Ist ihr bekannt, dass vergleichbare Messstationen bereits Probleme mit Windenergieanlagen in Entfernungen von bis zu zehn Kilometern hatten? In der vom BFO eingebrachten Studie des BGR wird von gemessenen Störungen der seismischen Stationen Gräfenberg (Bayern) durch Windenergieanlagen berichtet . Diese Störungen sind stark abhängig von der Entfernung, in der sich die Windenergieanlagen befinden. Störungen im 10 Kilometer-Bereich waren dort in weiten Bereichen nicht mehr detektierbar. Da weder die Art der Messstationen noch der vorhandene Untergrund, der die Störsignale transportiert, hundertprozentig vergleichbar sind, ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf das BFO auch mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Die dem BFO nächstgelegenen Windkraftanlagen befinden sich derzeit in einer Entfernung von etwas über acht Kilometern . Das BFO empfängt von diesen Anlagen keine Störsignale. Demgegen - über nehmen die Messsensoren des BFO Störsignale wahr, die vermutlich von Sägewerken im näheren Umkreis zum BFO hervorgerufen werden. 5. Inwieweit ist sie derartigen Erfahrungswerten bisher nachgegangen? Die vom BFO eingebrachte Studie des BGR liegt dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft seit Februar 2016 vor. Sie wurde mit Vertretern des BFO, des KIT, der Universität Stuttgart, der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) und des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst und des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau intensiv erörtert (siehe auch Ziff. 7). 6. Wie bewertet sie vor diesem Hintergrund die Bedeutung der in den vergangenen Jahren im Durchschnitt stark gestiegenen Gesamthöhe von Windenergieanlagen ? Größere Anlagen führen tendenziell zu stärkeren Störsignalen. 7. Wie ist der aktuelle Stand der Forderung des BFO, die Schutzzone von drei Kilometer auf zehn Kilometer zu erweitern? 8. Wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen? Mit gemeinsamem Erlass des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft und des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau vom 24. Juni 2016 wurde im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst der bestehende Schutzabstand von drei auf fünf Kilometer erhöht. Gründe hierfür waren die Studie des BGR (siehe Ziffern 3 und 4) und der Umstand, dass sich die ursprünglich vorgesehenen technischen Maßnahmen zur Kompensation der Störungen im kurzperiodischen Frequenzbereich als nicht trag- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 222 4 fähig erwiesen haben (siehe Ziffer 3). Die Schutzzone besteht nunmehr aus zwei Kreisen mit einem Radius von jeweils fünf Kilometern um zwei Standorte von besonders sensiblen Messgeräten im Stollen des BFO herum. Das BFO ist mit der gefundenen Lösung einverstanden; weder das KIT noch die Universität Stuttgart als Träger des BFO haben aktuelle Forderungen nach einer Schutzzone von 10 Kilometern erhoben. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft