Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Drucksache 16 / 2250 26. 06. 2017 Große Anfrage der Fraktion der AfD und Antwort der Landesregierung Prüfungsaufgaben an Berufsschulen im Fach Gemeinschaftskunde mit Bezug zur Partei AfD vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht 2 BvE 2/14 und frühere Prüfungsaufgaben mit Parteibezug G r o ß e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Bei welchen anderen handwerklichen Ausbildungsberufen – außer in jenem der Maler und Lackierer – wurden im Fach Gemeinschaftskunde an den Berufsschulen die Prüfungsfragen GK 1 bis GK 6 zur Auswahl gestellt? 2. An welchen Berufsschulen und für welche Berufe wurden die Prüfungsfragen aus GK 4 bei der Prüfung tatsächlich gestellt? 3. Welche Unterrichtsmaterialien wurden vom Kultusministerium zur Vorbereitung auf die Prüfung im Themenbereich GK 4 empfohlen bzw. zur Verfügung gestellt? 4. Welches waren Erwartungshorizont und Ziel der Prüfungsaufgabe GK 4 und welche Korrekturhilfen wurden gegeben? 5. Welche Dienststelle war für die Entwicklung der Prüfungsaufgabe GK 4 verantwortlich ? 6. Wie gewährleistet das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport die Nichtbefangenheit der zuständigen Beamten im Hinblick auf politische Parteien? 7. Welche Prüfungsaufgaben mit Bezug zu einer bestimmten Partei wurden mit welchem Ziel und welchem Erwartungshorizont in den vergangenen zehn Jahren gestellt und welche Korrekturhilfen wurden gegeben? 8. Welche der in den letzten zehn Jahren in Prüfungsaufgaben erwähnten Parteien wurden in den genannten Aufgabenstellungen vonseiten der Autoren einer grundsätzlich negativen Bewertung unterzogen, indem beispielsweise eine Unvereinbarkeit mit den Werten unserer westlichen Wertegemeinschaft oder sogar Verfassungsfeindlichkeit angedeutet wurden? Eingegangen: 26. 06. 2017 / Ausgegeben: 26. 09. 2017 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2250 2 9. Inwiefern ist es nach Meinung der Landesregierung mit dem für staatliche Stellen geltenden Neutralitätsgebot vereinbar, wenn in Prüfungsaufgaben für Gemeinschaftskunde die AfD als demokratische Partei in einen direkten Sinnzusammenhang mit grundgesetzlichen Vorschriften zu Parteiverboten und mit Zeitungsartikeln, die eine Verfassungswidrigkeit von Beschlüssen eben dieser Partei nahelegen, zu stellen? 10. Inwieweit ist die Landesregierung der Meinung, dass die vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung 2 BvE 2/14 aufgestellten Grundsätze zum Neutralitätsgebot auch für ihr Handeln bzw. das ihrer Ministerien gelten? 11. Ist ihr bekannt, dass die Meinungen der Juristen, die im Handelsblatt zitiert werden, von anderen Juristen nicht geteilt werden, und dass andere Presseorgane keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Islambeschlüsse der AfD hegen und wenn ja, warum kam dies in den betroffenen Fragen nicht zum Ausdruck? 12. Sieht sie keine verfassungsrechtlichen Bedenken darin, dass Beamte des Kultusministeriums die o. g. Prüfungsfragen erarbeitet oder gutgeheißen haben, obwohl sie nach Artikel 33 Grundgesetz in Verbindung mit § 33 des Beamtenstatusgesetzes „dem ganzen Volk, nicht einer Partei dienen“, und „ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht“ zu erfüllen haben und wenn nein, warum nicht? 13. Sieht sie keine verfassungsrechtlichen Bedenken darin, dass Beamte bzw. Beschäftigte des Landes als Berufsschullehrer aufgefordert sind, eine demokratische , in den vielen Parlamenten vertretene Partei, deren Verfassungsfeindlichkeit vom Bundesverfassungsgericht nicht festgestellt ist, in unmittelbaren Zusammenhang mit verfassungswidrigen Bestrebungen zu stellen, Parteien hingegen, die in Verfassungsschutzberichten vertreten waren oder sind und teilweise als Koalitionspartner in Landesregierungen vertreten sind, nicht und wenn nein, warum nicht? 14. Zählen ihrer Meinung nach Mitglieder und Wähler der AfD zum „ganzen Volk“ im Sinne von Artikel 77 Absatz 2 der Landesverfassung (Wortlaut: „Alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes sind Sachwalter und Diener des ganzen Volkes“), als dessen Sachwalter und Diener alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes – also auch die Beschäftigten des Kultusministeriums – berufen sind, und bejahendenfalls, wie ist dies mit der in Rede stehenden Prüfungsfrage vereinbar , nachdem ein Diener schwerlich seine Herrschaft der Verfassungsfeindlichkeit bezichtigen kann; 15. Gesetzt den Fall, ein Prüfling wäre auf die volle Punktzahl der in Rede stehenden Prüfungsaufgabe GK 4 angewiesen, um die Prüfung zu bestehen: Würde dieser Prüfling durchfallen, wenn er entweder zum Ergebnis gekommen wäre, er könne die Auffassung einer Verfassungswidrigkeit der AfD-Beschlüsse zum Islam entgegen der Meinung des Zeitungsartikels nicht erkennen, und/oder wenn er zum subjektiven Ergebnis gekommen wäre, die Erfolge der AfD beruhten möglicherweise auf massivem Versagen der bisher regierenden Parteien in allen Politikbereichen? 16. Inwiefern würde es die Notengebung negativ beeinflussen, wenn ein Schüler die Meinung dargelegt hätte, dass der Islam mit seinen radikalen Strömungen selbst eine derart starke Gefährdung der Sicherheit Deutschlands und der freiheitlich demokratischen Grundordnung darstelle, dass eine Berufung auf die Religionsfreiheit nicht mehr legitimiert sei oder dass zumindest eine Abwägung der Interessen zwischen Religionsfreiheit einerseits und Sicherheitsinteressen der Bürger erforderlich sei? 17. Ist die Landesregierung der Meinung, dass Berufsschulabsolventen und angehende Handwerker aufgrund des bisherigen Schulunterrichts in der Lage sind zu beurteilen, ob die Behauptung des Staatsrechtlers „Diese (Religions-)Freiheit umfasst nicht nur das Haben einer religiösen Überzeugung, sondern auch deren Betätigung, auch in der Öffentlichkeit“, zutreffend ist oder ob vielmehr die Gefahr besteht, dass Schüler hierin – mit dem Ziel einer guten Bewertung im Abschlusszeugnis – der Erwartungshaltung des Lehrers entgegenkommen? Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2250 3 18. Welche vorbereitenden Unterrichtsinhalte sind im Lehrplan enthalten, um sicherzustellen , dass die Schüler die Frage nach Geltungsbereich und Grenzen der Religionsfreiheit ausreichend sicher beantworten können? 19. Wie ist es nach Meinung der Landesregierung mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu vereinbaren, wenn bestimmte Fragen nach Aussage des in dem Artikel zitierten Juristen nicht gestellt werden sollen? 20. Warum hält sie es für pädagogisch sinnvoll, einen Artikel, der die Meinungspluralität möglicherweise einschränkt, unkommentiert als Prüfungsaufgabe zu verwenden? 21. Welchen Sinn sieht sie darin, einen Artikel zum Thema einer Prüfungsaufgabe zu machen, der dem widerspricht, was Schüler in der Schule an kritischem Umgang mit den Medien gelernt haben sollten, wie z. B. das Nachprüfen von Behauptungen anhand frei zugänglicher Quellentexte? 22. Welchen Sinn sieht sie darin, einen Artikel als Prüfungsaufgabe zu verwenden, bei dem die Gefahr besteht, dass aufgrund der unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Herkunft der Schüler auch die Meinungen zu den im Artikel aufgestellten Behauptungen weit auseinandergehen werden? 23. Was ist nach der Korrekturanweisung die richtige Lösung für die Aussageabsicht der „AfD-Frosch-Karikatur“ bzw. mit welchen Punktabzügen hat der Prüfling zu rechnen, wenn er zu einer anderen Ansicht als der Verfasser der Aufgabe gelangt? 26. 06. 2017 Dr. Meuthen und Fraktion B e g r ü n d u n g Die im Beschlussantrag der Fraktion der AfD, Drucksache 16/2249 erwähnte und in der Begründung dieser Initiative ausführlich beschriebene und kritisierte Prüfungsaufgabe im Fach Gemeinschaftskunde der Berufsschulen (Themenstellungen GK 1 bis GK 6 – hier: GK 4) erfordert nach Ansicht der Fragesteller die Beantwortung zahlreicher Einzelfragen. Die Große Anfrage soll der Aufhellung dienen, wie es zu dieser nach Ansicht der Antragsteller einseitigen und tendenziösen Darstellung der Partei der AfD in einer Prüfungsaufgabe an öffentlichen Schulen kam und wer die Verantwortung dafür trägt. Von Interesse für die Fragesteller ist auch, ob es in früheren Jahren vergleichbare Prüfungsaufgaben gab. Folgende Aspekte erscheinen den Fragestellern wichtig: 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zuletzt Entscheidung 2 BvE 2/14) gewährleistet der durch Artikel 21 Grundgesetz (GG) den Parteien zuerkannte verfassungsrechtliche Status das Recht, gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilzunehmen. Damit unvereinbar ist jede parteiergreifende Einwirkung von Staatsorganen als solchen zugunsten oder zulasten einzelner oder aller am politischen Wettbewerb beteiligten Parteien. Mitglieder der Bundesregierung haben bei Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktionen die Pflicht zu strikter Neutralität, denn (Zitat) „Im Wahlakt muss sich die Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen hin vollziehen, nicht umgekehrt von den Staatsorganen zum Volk hin.“ Weiter heißt es in dieser Entscheidung: Das Recht politischer Parteien, gleichberechtigt am Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes teilzunehmen , wird verletzt, wenn Staatsorgane als solche parteiergreifend zugunsten Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2250 4 oder zulasten einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern in den Wahlkampf einwirken. Eine solche Einwirkung verstößt gegen das Gebot der Neutralität des Staates (…). Staatsorgane haben als solche allen zu dienen und sich im Wahlkampf neutral zu verhalten (…). Diese Neutralitätspflicht staatlicher Organe besteht gegenüber allen Parteien, wenn nicht deren Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt wurde. Nach Ansicht der Antragsteller müsste der Landesregierung eigentlich bekannt sein, dass das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der Alternative für Deutschland nicht festgestellt hat, mit der Folge, dass die o. g. Rechtsprechung sinngemäß und vollständig auf die mittlere Ebene der Staatsverwaltung , also die Bundesländer, anwendbar ist; hierzu darf auf Artikel 2 Absatz 1 der Landesverfassung hingewiesen werden, wonach die „im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland festgelegten Grundrechte (…) Bestandteil dieser Verfassung und unmittelbar geltendes Recht (sind)“. 2. Die AfD-Fraktion sieht die gestellte Aufgabe in Widerspruch zu Artikel 12 Satz 1 der Landesverfassung: „Die Jugend ist in Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christlichen Nächstenliebe, zur Brüderlichkeit aller Menschen und zur Friedensliebe, in der Liebe zu Volk und Heimat, zu sittlicher und politischer Verantwortlichkeit, zu beruflicher und sozialer Bewährung und zu freiheitlicher demokratischer Gesinnung zu erziehen .“ Auch ein Widerspruch zu § 1 Satz 2 des Schulgesetzes für Baden-Württemberg wird seitens der Fragesteller gesehen: „Die Schule hat den in der Landesverfassung verankerten Erziehungs- und Bildungsauftrag zu verwirklichen. Über die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten hinaus ist die Schule insbesondere gehalten, die Schüler in Verantwortung vor Gott, im Geiste christlicher Nächstenliebe, zur Menschlichkeit und Friedensliebe, in der Liebe zu Volk und Heimat, zur Achtung der Würde und der Überzeugung anderer, zu Leistungswillen und Eigenverantwortung sowie zu sozialer Bewährung zu erziehen und in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit und Begabung zu fördern, zur Anerkennung der Wert- und Ordnungsvorstellungen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu erziehen, die im Einzelnen eine Auseinandersetzung mit ihnen nicht ausschließt; wobei jedoch die freiheitlich demokratische Grundordnung, wie in Grundgesetz und Landesverfassung verankert, nicht infrage gestellt werden darf, auf die Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßigen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten vorzubereiten und die dazu notwendige Urteils- und Entscheidungsfähigkeit zu vermitteln, auf die Mannigfaltigkeit der Lebensaufgaben und auf die Anforderungen der Berufsund Arbeitswelt mit ihren unterschiedlichen Aufgaben und Entwicklungen vorzubereiten .“ Die gestellte Aufgabe erzieht nach Ansicht der Fragesteller nicht zu der in der Verfassung geforderten sittlichen und politischen Verantwortlichkeit, sie erzieht auch nicht zu der im Schulgesetz als Erziehungsziel geforderten Eigenverantwortlichkeit und vermittelt nicht die zur Wahrung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten notwendige Urteils- und Entscheidungsfähigkeit. Stattdessen wird nach Meinung der Fragesteller der Schüler durch manipulative Aufgabenstellung und einseitige Information in einer Prüfungssituation dazu verleitet, anstatt eigene ausgewogene Bewertungen auszubilden, eine vorgegebene einseitige politische Meinung zu äußern. Für eine ausgewogene Bewertung werden dem Schüler die notwendigen Informationen nicht zur Verfügung gestellt. Die Möglichkeit einer eigenen Meinungsbildung erscheint somit erschwert. Falls der Schüler aufgrund von Alltagserfahrungen und Medienberichten trotzdem zu einer abweichenden Bewertung des politischen Sachverhaltes kommt, hat er in der Prüfungssituation aufgrund der Einseitigkeit der Anlagen (Artikel des Handelsblattes) nach Auffassung der Fragesteller nicht die Möglichkeit, seine abweichende Schlussfolgerung hinreichend zu belegen. Eine Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2250 5 abweichende Meinung, die in der Prüfungssituation aufgrund von nicht verfügbaren Belegen nicht ausreichend begründet werden kann, lässt den Prüfling zwangsläufig eine schlechtere Bewertung erwarten. Der Artikel im Handelsblatt gibt nach Ansicht der Fragesteller die Grundsätze der AfD nur verkürzt wieder und verhindert somit eine objektive Auseinandersetzung der Schüler mit dem Thema. So wird der Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“ aus dem Parteiprogram verkürzend ohne die erklärende Passage zitiert, ohne die die vorgehende Aussage nicht verständlich ist: „Ein Islam, der unsere Rechtsordnung nicht respektiert oder sogar bekämpft und einen Herrschaftsanspruch als alleingültige Religion erhebt, ist mit unserer Rechtsordnung und Kultur unvereinbar. Viele Muslime leben rechtstreu sowie integriert und sind akzeptierte und geschätzte Mitglieder unserer Gesellschaft.“ Der Artikel weist nach Ansicht der Fragesteller somit alle Merkmale auf, die der Presse in den vergangenen Jahren den Namen „Lückenpresse“ eingebracht haben. 3. Im zu behandelnden Text wird nach Kenntnis der Fragesteller durch einen Juristen die Behauptung aufgestellt: „Die Beschlüsse der AfD sind nicht mit der im Grundgesetz gewährleisteten Religionsfreiheit vereinbar. Diese Freiheit umfasst nicht nur das Haben einer religiösen Überzeugung, sondern auch deren Betätigung , auch in der Öffentlichkeit“. Die Meinung, Religionsfreiheit umfasse nicht nur das Haben einer religiösen Überzeugung, sondern auch deren Betätigung, auch in der Öffentlichkeit, ist in Anbetracht der zahlreichen im Koran enthaltenen Aufrufe zur Tötung „Ungläubiger “ (d. h. Andersgläubiger) und der Terrorakte, Morde und Übergriffe von Islamisten und Menschen muslimischen Glaubens nach Ansicht der Fragesteller schwerlich uneingeschränkt aufrecht zu halten. Stattdessen sehen die Fragesteller auch die Religionsfreiheit als ein Recht an, das im Konfliktfall der Abwägung mit anderen Grundrechten unterliegt und zudem ein Grundrecht ist, das angesichts der Gefahr durch Terror und Islamismus unter dem Vorbehalt der Sicherheit des Staates und unserer Rechtsordnung zu stehen hat. Der Verfassungsrechtler und ehemalige Bundesminister Rupert Scholz hat dies allgemein verständlich u. a. in einem Artikel vom 17. Oktober 2015 im Magazin „Focus“ mit Bezug auf das Asylrecht dargestellt. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat unter dem Aktenzeichen WD 3-3000–006/16 in seiner Ausarbeitung vom 14. Januar 2016 ebenfalls die Einschränkbarkeit des Asylgrundrechts aufgrund verfassungsimmanenter Schranken diskutiert. Ganz grundsätzlich geht unser Verfassungsrecht davon aus, dass selbst ein vordergründig „schrankenloses “ Grundrecht selbstverständlich Schranken unterliegt, sobald es in den Kernbereich eines anderen Grundrechts eingreift. Nach Ansicht der Fragesteller kann eine Abwägung unterschiedlicher Stellungnahmen verschiedener Staatsrechtler indes von einem Schüler der Berufsschule in einer Abschlussprüfung schwerlich verlangt werden. Im Gegenteil ist die Güterabwägung konkurrierender „schrankenloser “ Grundrechte gewöhnlich eher Prüfungsstoff für angehende Juristen im Bereich des Öffentlichen Rechts bei der Ersten Juristischen Staatsprüfung. So war nach Meinung der Fragesteller der Schüler in der Prüfung quasi gezwungen , eine vorgegebene Meinung als richtig anzuerkennen, die mit der Lebenswelt des Schülers und den täglichen Meldungen der Medien nicht korreliert . Der Prüfling befürchtet – so die Vermutung der Fragesteller – , dass eine abweichende Bewertung ohne ausreichende Belege zu einer schlechten Prüfungsnote führt. Eine Erziehung zu Verantwortlichkeit und sozialem Handeln ist somit nicht mehr gegeben. Die Aufgabe steht daher nach Auffassung der Fragesteller im Widerspruch zu der in der Landesverfassung geforderten Erziehung zu sittlicher und politischer Verantwortlichkeit und der im Schulgesetz geforderten Erziehung zur Eigenverantwortung. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2250 6 4. Die Aufgabenstellung widerspricht nach Meinung der Fragesteller zudem den fundamentalen Prinzipien des verantwortungsvollen Studiums, da verkürzte und verfälschende Behauptungen nicht überprüft werden. Der verantwortungsvolle und kritische Umgang mit den Medien und die Überprüfung der in den Medien aufgestellten Behauptungen anhand allgemein zugänglicher Informationen, z. B. über das Internet, ist Unterrichtsstoff der Haupt-, Werkreal-, Real- und Berufsschulen . Die Abschlussprüfung widerspricht nach Auffassung der Fragesteller hierin eklatant allem bisher vom Schüler Gelernten. A n t w o r t * ) Schreiben des Staatsministeriums vom 19. September 2017 Nr. III-6621: In der Anlage übersende ich unter Bezugnahme auf § 63 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg die von der Landesregierung beschlossene Antwort auf die Große Anfrage. Murawski Staatsminister und Chef der Staatskanzlei *) Der Überschreitung der Sechs-Wochen-Frist wurde zugestimmt. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2250 7 Anlage: Schreiben des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Mit Schreiben vom 12. September 2017 Nr. 42-6621.10-00/279/1 beantwortet das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport die Große Anfrage wie folgt: Wir fragen die Landesregierung: 1. Bei welchen anderen handwerklichen Ausbildungsberufen – außer in jenem der Maler und Lackierer – wurden im Fach Gemeinschaftskunde an den Berufsschulen die Prüfungsfragen GK 1 bis GK 6 zur Auswahl gestellt? 2. An welchen Berufsschulen und für welche Berufe wurden die Prüfungsfragen aus GK 4 bei der Prüfung tatsächlich gestellt? Allen gewerblichen Berufsschulen des Landes wurden die sechs Prüfungsaufgaben GK 1 bis GK 6 für die Sommerprüfung 2017 zur Verfügung gestellt. Nach Auswahl von drei der Prüfungsaufgaben durch die zuständige Fachlehrkraft wählen die Schülerinnen und Schüler daraus zwei Prüfungsaufgaben zur Bearbeitung aus. Weitere Daten über die ausgewählten Aufgaben werden nicht erhoben. 3. Welche Unterrichtsmaterialien wurden vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport zur Vorbereitung auf die Prüfung im Themenbereich GK 4 empfohlen bzw. zur Verfügung gestellt? Grundlage für die Sommerprüfung 2017 ist der Bildungsplan für die Berufsschule , Band 1 – Ergänzungsband: Deutsch, Gemeinschaftskunde, Wirtschaftskunde vom 13. Juli 1998, Lehrplanheft 7/1998. Vonseiten des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport werden keine spezifischen Unterrichtsmaterialien zur Verfügung gestellt. 4. Welches waren Erwartungshorizont und Ziel der Prüfungsaufgabe GK 4 und welche Korrekturhilfen wurden gegeben? Die Prüfungsaufgabe bezieht sich auf den Themenbereich „Demokratie in Deutschland “ aus dem Bildungsplan des 2. Schuljahres für die Berufsschule im Fach Gemeinschaftskunde . Den Rahmen für die Arbeit mit diesem Bildungsplan bildet der in der Landesverfassung verankerte und in § 1 Schulgesetz für Baden-Württemberg (SchG) ausformulierte Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schulen. § 1 Absatz 2 SchG formuliert den Auftrag der Schulen, die Schülerinnen und Schüler “auf die Wahrnehmung ihrer verfassungsgemäßen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten vorzubereiten und die dazu notwendige Urteils- und Entscheidungsfähigkeit zu vermitteln.“ Die Prüfungsaufgabe GK 4 nimmt Bezug auf die Lehrplaneinheit 2.3 „Partizipation in einem repräsentativ verfassten demokratischen und sozialen Bundesstaat“. In der Lehrplaneinheit werden Kenntnisse über die Funktionsweise einer parlamentarischen Demokratie vermittelt und die individuellen Möglichkeiten zur Mitwirkung herausgearbeitet. Die Lehrplaneinheit 2.3 stellt u. a. die Themen „repräsentative Demokratie“, „Pluralismus“ und „Konfliktfähigkeit“ in den Fokus, inhaltlich werden hier unter anderem auch politische Institutionen wie Parteien, Verbände und Bürgerinitiativen behandelt. Ziel der Prüfungsaufgabe GK 4 ist es, die Analyse-, Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit in Verbindung mit fachlichen Kenntnissen und der Fähigkeit zur Textanalyse zu überprüfen. Aus diesem Grund gliedert sich die Prüfungsaufgabe GK 4 in fünf, teils materialgestützte Teilaufgaben, die auf verschiedene Lernzielebenen ausgerichtet sind. Aufgabe 4.1 ist eine reproduktive Aufgabenstellung, bei der die Schülerinnen und Schüler drei Aufgaben von Parteien im politischen System Deutschlands benennen müssen. Der Lösungsvorschlag sieht sechs mögliche Antworten vor. Weitere korrekte Antworten, die über den Lösungsvorschlag hinausgehen, müssen als richtig gewertet werden. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2250 8 Aufgabe 4.2 zielt auf das Anforderungsniveau Reorganisation. Den Schülerinnen und Schülern wird in Anlage 1 der Aufgabenstellung ein Auszug aus Artikel 21 Grundgesetz als Arbeitsmaterial zur Verfügung gestellt. Die Schülerinnen und Schüler werden aufgefordert, anhand von selbstgewählten Beispielen zu erläutern, was unter einer „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ zu verstehen ist. Die Schülerinnen und Schüler erhalten hier die Möglichkeit, ihr Fachwissen auf Basis des vorgegebenen Arbeitsmaterials darzulegen. Der Lösungsvorschlag beinhaltet einen offenen Katalog an Antwortbeispielen. Weitere korrekte Antworten, die über den Lösungsvorschlag hinausgehen, müssen als richtig gewertet werden. Aufgabe 4.3 zielt ebenfalls auf das Anforderungsniveau Reorganisation. Den Schülerinnen und Schülern wird ein Zeitungstext als Basis für eine Textanalyseaufgabe vorgelegt. Ziel der Aufgabe ist es, die Aussageabsicht des Textes unter den in der Fragestellung genannten Aspekten herauszuarbeiten und diese in strukturierter Form wiederzugeben. Die Schülerinnen und Schüler sollen zeigen, dass sie Sachinhalte und die persönliche Haltung eines Autors abgrenzen können. Bei dem gewählten Text handelt es sich um einen Artikel aus der Onlineausgabe des Handelsblatts vom 3. Mai 2016 zu den Beschlüssen des AfD-Parteitags. Unter der Überschrift „Anti-Islam-Beschlüsse teilweise verfassungswidrig“ werden in dem Artikel die zum Teil explizit als Zitate gekennzeichnete Ansichten des Direktors der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, Prof. Dr. Joachim Wieland , wiedergegeben. Der zitierte Jurist formuliert dabei die These, dass die Beschlüsse der Partei zum Islam unter dem Aspekt der Religionsfreiheit nicht verfassungskonform seien. Die Aufgabe der Schülerinnen und Schüler bestand darin, aus dem Text herauszuarbeiten, welche Beschlüsse nach Ansicht des zitierten Juristen „verfassungswidrig sein könnten“. Der Lösungsvorschlag beschränkt sich auf die Benennung des nach Ansicht des zitierten Juristen gefährdeten Grundrechts. Grundlage für die Bewertung der Schülerleistung ist die strukturierte, sachbezogene Darstellung der Textaussage. Aufgabe 4.4 zielt auf das Anforderungsniveau Transfer. Die Schülerinnen und Schüler sollen mögliche Gründe für die „großen Gewinne der AfD“ bei allen Landtagswahlen im Jahr 2016 benennen. Die Schülerinnen und Schüler sollen Kenntnisse zum Thema „Demokratie in Deutschland“ nutzen, um gesellschaftliche Entwicklungen einzuordnen. Der Lösungsvorschlag besteht aus einem Katalog möglicher Ursachen. Plausible, über den Lösungshorizont hinausgehende, strukturiert dargestellte Antworten müssen als richtig gewertet werden. Aufgabe 4.5 zielt auf eine Kombination der Anforderungsniveaus Reorganisation und Transfer. Es handelt sich um die Analyse einer Karikatur. Diese Bildanalyseaufgabe erfordert es, strukturiert in den Arbeitsschritten Bildbeschreibung, Benennung des Referenz- bzw. Vergleichsrahmens und Interpretation der Aussage, die mögliche Absicht des Zeichners nachzuvollziehen, und so darzustellen, wie die mögliche „Aussageabsicht“ der Karikatur erzeugt wird. Dabei sind im Rahmen der Bildbeschreibung die aussagerelevanten Bildelemente der Karikatur zu beschreiben , der Referenzrahmen, in diesem Fall das Märchen der Gebrüder Grimm „Der Froschkönig“, zu erkennen und in seiner Handlungsstruktur kurz wiederzugeben. Die Interpretation der Karikatur erfolgt als letzter Schritt auf Basis der Diskrepanz bzw. der abweichenden Elemente der Karikatur zur zitierten Erzählfolie. Der Lösungsvorschlag der Aufgabe ist in den o. g. Schritten strukturiert. Alle text- oder bildbezogenen Aufgaben zielen darauf ab, die im Unterricht erworbene Fähigkeit der Schülerinnen und Schüler zu überprüfen, die Funktionsweise von Texten oder Karikaturen zu erkennen, die bedeutungsgebenden Elemente zu benennen und den Inhalt der Quellen wiederzugeben. Gegenstand des Unterrichts sind die dafür notwendigen Analyseteilschritte. Der Prüfungsaufgabe GK 4, wie auch allen anderen Prüfungsaufgaben, sind Lösungsvorschläge „für die Hand des Prüfers“ beigefügt, die mit folgenden Hinweis versehen sind: „Lösungsvorschläge sind im Wortlaut nicht bindend. Anderslautende , aber zutreffende Antworten sind ebenfalls als richtig zu werten.“ Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2250 9 5. Welche Dienststelle war für die Entwicklung der Prüfungsaufgabe GK 4 verantwortlich ? Die Aufgabenstellung erfolgte im Zuständigkeitsbereich der Koordinierungsstelle für die gemeinsame Abschlussprüfung von Berufsschule und Wirtschaft, die organisatorisch Teil des Kultusministeriums ist. 6. Wie gewährleistet das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport die Nichtbefangenheit der zuständigen Beamten im Hinblick auf politische Parteien? Die fachliche Korrektheit der Prüfungsaufgaben und die Rechtmäßigkeit der Aufgabenerfüllung werden im Rahmen der Fach- und Rechtsaufsicht überprüft, das dienstliche Verhalten ist Gegenstand der Dienstaufsicht. 7. Welche Prüfungsaufgaben mit Bezug zu einer bestimmten Partei wurden mit welchem Ziel und welchem Erwartungshorizont in den vergangenen zehn Jahren gestellt und welche Korrekturhilfen wurden gegeben? In den vergangenen zehn Jahren wurden insgesamt 57 Prüfungsaufgaben mit Bezug zur CDU/CSU, 50 Prüfungsaufgaben mit Bezug zur SPD, 26 Prüfungsaufgaben mit Bezug zur FDP/DVP, 24 Prüfungsaufgaben mit Bezug zu Bündnis 90/Die Grünen, 13 Prüfungsaufgaben mit Bezug zu Die Linke, 12 Prüfungsaufgaben mit Bezug zur NPD, 7 Prüfungsaufgaben mit Bezug zu den Piraten, 6 Prüfungsaufgaben mit Bezug zur AfD und 11 Prüfungsaufgaben mit Bezug zu sonstigen Parteien, wie beispielsweise der ÖDP, Die Republikaner (REP) oder der Tierschutzpartei, gestellt. Die gestellten Prüfungsaufgaben beziehen sich generell auf die Ziele und Inhalte des Lehrplans und sollen den Schülerinnen und Schülern die Gelegenheit geben, ihre Kenntnisse darzulegen sowie ihre Fähigkeit darzustellen, das Fachwissen auf aktuelle Beispiele aus der Lebensrealität anzuwenden. Die Mehrzahl der gestellten Prüfungsaufgaben mit Bezug zu einer bestimmten Partei bezog sich im angegebenen Zeitraum auf das Themenfeld „Demokratie in Deutschland“ mit den Lehrplaneinheiten „Willensbildung und Entscheidung in der parlamentarischen Demokratie“, „Demokratie: Chancen, Entwicklung, Risiken“, „Partizipation in einem repräsentativ verfassten demokratischen und sozialen Bundesstaat“ sowie „Chancen im wiedervereinigten Deutschland“. Bezüglich des Erwartungshorizonts und möglicher Korrekturhilfen wird auf die insoweit übertragbaren Ausführungen zu Ziffer 4 verwiesen. 8. Welche der in den letzten zehn Jahren in Prüfungsaufgaben erwähnten Parteien wurden in den genannten Aufgabenstellungen vonseiten der Autoren einer grundsätzlich negativen Bewertung unterzogen, indem beispielsweise eine Unvereinbarkeit mit den Werten unserer westlichen Wertegemeinschaft oder sogar Verfassungsfeindlichkeit angedeutet wurden? Die Prüfungsaufgabenstellungen haben das Ziel, objektiv nachprüfbare, fachliche Kenntnisse oder Analysefähigkeiten abzufragen. Dabei sind die Aufgaben neutral zu formulieren und so zu gestalten, dass sie das Neutralitätsgebot wahren. § 1 Absatz 2 SchG formuliert als Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schulen den Auftrag, die Schülerinnen und Schüler „(…) auf die Wahrnehmung ihrer verfassungsgemäßen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten vorzubereiten und die dazu notwendige Urteils- und Entscheidungsfähigkeiten zu vermitteln.“ Um diesen Auftrag unter Einsatz aktueller und realitätsbezogener Materialien zu erfüllen, werden als Unterrichtsgegenstand immer wieder Texte zu politischen Inhalten herangezogen , die sich auch kritisch mit den Positionen einzelner Parteien auseinandersetzen. Die Auseinandersetzung mit diesen Beispielen erfolgt auf Basis von fachlichen Kenntnissen und der eingeübten Fertigkeit, Texte zu analysieren. Ziel ist es, das Thema zu benennen, die Textaussage herauszuarbeiten, die Sachaussage von der Meinungsebene zu trennen und die argumentative Struktur zu untersuchen. Das Ergebnis der Textanalyse wird in strukturierter Form wiedergeben. Diese Kenntnisse und Fähigkeiten sind insofern auch Gegenstand der Prüfungen. Einseitige Beurteilungen bzw. Bewertungen von Parteien und deren Positionierungen sind nicht Gegenstand des Unterrichts und somit auch kein Bestandteil von Prüfungen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2250 10 9. Inwiefern ist es nach Meinung der Landesregierung mit dem für staatliche Stellen geltenden Neutralitätsgebot vereinbar, wenn in Prüfungsaufgaben für Gemeinschaftskunde die AfD als demokratische Partei in einen direkten Sinnzusammenhang mit grundgesetzlichen Vorschriften zu Parteiverboten und mit Zeitungsartikeln, die eine Verfassungswidrigkeit von Beschlüssen eben dieser Partei nahelegen, zu stellen? Der Neutralitätsverpflichtung kommt eine besondere Stellung zu, die das Kultusministerium besonders ernst nimmt. Im konkreten Kontext liegt jedoch keine Verletzung des Neutralitätsgebots vor, da es gemäß Art. 12 der Landesverfassung Baden-Württemberg Aufgabe des Staates ist, die Jugend zu einer freiheitlichen demokratischen Gesinnung zu erziehen. Hierbei kommt den Schulen besondere Verantwortung zu, die diese unter anderem durch den Unterricht im ordentlichen Lehrfach „Gemeinschaftskunde“, das durch Art. 21 Abs. 2 der Landesverfassung Baden-Württemberg verbindlich festgelegt ist, wahrnehmen. Zu diesem Unterricht gehören neben gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen, auf die Schülerinnen und Schüler aufmerksam werden, auch Interessenskonflikte sowie Grundrechte als Wesenskern der freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie Prozesse der politischen Willensbildung. Die Erziehung zu freien und verantwortungsfreudigen Bürgerinnen und Bürgern findet ihre Konkretisierung darüber hinaus in der Beschäftigung mit der Frage, wo ggf. verfassungsrechtliche Grenzen überschritten werden. In diesem Zusammenhang ist es unbedenklich, wenn sich die Schülerinnen und Schüler auch damit auseinandersetzen sollen, ob sich parteipolitische Aussagen und Beschlüsse im verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen bewegen oder nicht. 10. Inwieweit ist die Landesregierung der Meinung, dass die vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung 2 BvE 2/14 aufgestellten Grundsätze zum Neutralitätsgebot auch für ihr Handeln bzw. das ihrer Ministerien gelten? Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze zum Neutralitätsgebot gelten für den gesamten Bereich der Exekutive. 11. Ist ihr bekannt, dass die Meinungen der Juristen, die im Handelsblatt zitiert werden, von anderen Juristen nicht geteilt werden, und dass andere Presseorgane keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Islambeschlüsse der AfD hegen und wenn ja, warum kam dies in den betroffenen Fragen nicht zum Ausdruck? Die Aufgabenstellung bestand darin, herauszuarbeiten, welche Beschlüsse nach Ansicht des zitierten Juristen „verfassungswidrig sein könnten“. Der Lösungsvorschlag beschränkt sich auf die Benennung der nach Ansicht des zitierten Juristen gefährdeten Grundrechte. Grundlage für die Bewertung der Schülerleistung ist die sachbezogene Darstellung dieses Artikels, sodass die Meinungen anderer Juristen hier nicht von Bedeutung sind. 12. Sieht sie keine verfassungsrechtlichen Bedenken darin, dass Beamte des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport die o. g. Prüfungsfragen erarbeitet oder gutgeheißen haben, obwohl sie nach Artikel 33 Grundgesetz in Verbindung mit § 33 des Beamtenstatusgesetzes „dem ganzen Volk, nicht einer Partei dienen“, und „ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht“ zu erfüllen haben und wenn nein, warum nicht? Die Landesregierung sieht keine Bedenken, da die Aufgabenstellung, wie in Ziffer 4, 8 und 9 ausgeführt, vom Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule umfasst ist. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2250 11 13. Sieht sie keine verfassungsrechtlichen Bedenken darin, dass Beamte bzw. Beschäftigte des Landes als Berufsschullehrer aufgefordert sind, eine demokratische , in den vielen Parlamenten vertretene Partei, deren Verfassungsfeindlichkeit vom Bundesverfassungsgericht nicht festgestellt ist, in unmittelbaren Zusammenhang mit verfassungswidrigen Bestrebungen zu stellen, Parteien hingegen, die in Verfassungsschutzberichten vertreten waren oder sind und teilweise als Koalitionspartner in Landesregierungen vertreten sind, nicht und wenn nein, warum nicht? Nein. Auf die Antwort zu Ziffer 12 wird verwiesen. 14. Zählen ihrer Meinung nach Mitglieder und Wähler der AfD zum „ganzen Volk“ im Sinne von Artikel 77 Absatz 2 der Landesverfassung (Wortlaut: „Alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes sind Sachwalter und Diener des ganzen Volkes“), als dessen Sachwalter und Diener alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes – also auch die Beschäftigten des Kultusministeriums – berufen sind, und bejahendenfalls, wie ist dies mit der in Rede stehenden Prüfungsfrage vereinbar , nachdem ein Diener schwerlich seine Herrschaft der Verfassungsfeindlichkeit bezichtigen kann; Ja. Anders als unterstellt, wurde die AfD in der Prüfungsaufgabe seitens des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport nicht der Verfassungsfeindlichkeit bezichtigt. 15. Gesetzt den Fall, ein Prüfling wäre auf die volle Punktzahl der in Rede stehenden Prüfungsaufgabe GK 4 angewiesen, um die Prüfung zu bestehen: Würde dieser Prüfling durchfallen, wenn er entweder zum Ergebnis gekommen wäre, er könne die Auffassung einer Verfassungswidrigkeit der AfD-Beschlüsse zum Islam entgegen der Meinung des Zeitungsartikels nicht erkennen, und/oder wenn er zum subjektiven Ergebnis gekommen wäre, die Erfolge der AfD beruhten möglicherweise auf massivem Versagen der bisher regierenden Parteien in allen Politikbereichen? Die politische Auffassung der Prüflinge war nicht Gegenstand der Bewertung. Die maßgeblichen Gesichtspunkte für die Punktvergabe wurden in den Ausführungen zu Ziffer 4 dargestellt. Vor diesem Hintergrund führte eine begründet dargelegte Äußerung, die Beschlüsse verstießen nicht gegen die Verfassung, nicht zu einem Punktabzug. 16. Inwiefern würde es die Notengebung negativ beeinflussen, wenn ein Schüler die Meinung dargelegt hätte, dass der Islam mit seinen radikalen Strömungen selbst eine derart starke Gefährdung der Sicherheit Deutschlands und der freiheitlich demokratischen Grundordnung darstelle, dass eine Berufung auf die Religionsfreiheit nicht mehr legitimiert sei oder dass zumindest eine Abwägung der Interessen zwischen Religionsfreiheit einerseits und Sicherheitsinteressen der Bürger erforderlich sei? Auf die Antwort zu Ziffer 15 wird verwiesen. 17. Ist die Landesregierung der Meinung, dass Berufsschulabsolventen und angehende Handwerker aufgrund des bisherigen Schulunterrichts in der Lage sind zu beurteilen, ob die Behauptung des Staatsrechtlers „Diese (Religions-)Freiheit umfasst nicht nur das Haben einer religiösen Überzeugung, sondern auch deren Betätigung, auch in der Öffentlichkeit“, zutreffend ist oder ob vielmehr die Gefahr besteht, dass Schüler hierin – mit dem Ziel einer guten Bewertung im Abschlusszeugnis – der Erwartungshaltung des Lehrers entgegenkommen? Im Rahmen des Erziehungs- und Bildungsauftrags sollen die Schülerinnen und Schüler in der Berufsschule dazu befähigt werden, sich mit solchen Auffassungen auseinanderzusetzen und diese zu analysieren, um sich eine eigene Meinung bilden zu können. Im Übrigen wird auf die Antworten zu Ziffer 4, 8 und 9 verwiesen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2250 12 18. Welche vorbereitenden Unterrichtsinhalte sind im Lehrplan enthalten, um sicherzustellen , dass die Schüler die Frage nach Geltungsbereich und Grenzen der Religionsfreiheit ausreichend sicher beantworten können? Die entsprechenden Unterrichtsinhalte finden sich im Bildungsplan Gemeinschaftskunde in den Lehrplaneinheit 2.1 „Willensbildung und Entscheidung in der parlamentarischen Demokratie“ und Lehrplaneinheit 2.3 „Partizipation in einem repräsentativ verfassten demokratischen und sozialen Bundesstaat“. In diesen Lehrplaneinheiten sind die Grundrechte und das Grundgesetz im Unterricht zu behandeln , dabei besteht für die jeweils unterrichtende Lehrkraft die Möglichkeit, neben einem Überblick exemplarisch vertiefende Schwerpunkte zu setzen. Die im Rahmen der Prüfung gestellte Aufgabe verlangt für eine vertretbare Lösung kein tiefes und differenziertes Fachwissen. Außerdem wurde Quellenmaterial zu Verfügung gestellt, aus dem eine vertretbare Lösung ohne weiteres herausgearbeitet werden kann. Die komplexen juristischen Fragen nach „Geltungsbereich und Grenzen der Religionsfreiheit“ waren nicht Gegenstand der Prüfungsaufgabe. 19. Wie ist es nach Meinung der Landesregierung mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu vereinbaren, wenn bestimmte Fragen nach Aussage des in dem Artikel zitierten Juristen nicht gestellt werden sollen? Das Grundrecht auf Religionsfreiheit ist Bestandteil der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Der zitierte Verfassungsrechtler führt aus, dass jede Religionsgemeinschaft selbst bestimme, welche Handlungen Ausdruck ihres Glaubens sei. Dies bedeutet nicht, dass solche Handlungen von anderen nicht infrage gestellt werden dürfen oder keinen verfassungsimmanenten Schranken unterliegen. 20. Warum hält sie es für pädagogisch sinnvoll, einen Artikel, der die Meinungspluralität möglicherweise einschränkt, unkommentiert als Prüfungsaufgabe zu verwenden? 21. Welchen Sinn sieht sie darin, einen Artikel zum Thema einer Prüfungsaufgabe zu machen, der dem widerspricht, was Schüler in der Schule an kritischem Umgang mit den Medien gelernt haben sollten, wie z. B. das Nachprüfen von Behauptungen anhand frei zugänglicher Quellentexte? 22. Welchen Sinn sieht sie darin, einen Artikel als Prüfungsaufgabe zu verwenden, bei dem die Gefahr besteht, dass aufgrund der unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Herkunft der Schüler auch die Meinungen zu den im Artikel aufgestellten Behauptungen weit auseinandergehen werden? 23. Was ist nach der Korrekturanweisung die richtige Lösung für die Aussageabsicht der „AfD-Frosch-Karikatur“ bzw. mit welchen Punktabzügen hat der Prüfling zu rechnen, wenn er zu einer anderen Ansicht als der Verfasser der Aufgabe gelangt? Auf die Antwort zu Ziffer 4, 8 und 9, 15 und 16 wird verwiesen. Dr. Eisenmann Ministerin für Kultus, Jugend und Sport