Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 2258 22. 06. 2017 1Eingegangen: 22. 06. 2017 / Ausgegeben: 08. 08. 2017 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Welcher Schutzstatus kommt Wildtierkorridoren bei der Planung von Straßenbauprojekten zu? 2. Mit welchen Konsequenzen rechnet sie für die beiden Wildtierkorridore, die zwischen Gottenheim und Ihringen-Wasenweiler verlaufen? 3. Wie soll der Schutz der Wildtiere – besonders der Wildkatzen − entlang der geplanten Bundesstraße gewährleistet werden? 4. Welche ökologische und kulturgeschichtliche Bedeutung misst sie dem Wasenweiler Ried als letztem Niedermoor in der Oberrheinebene bei? 5. Welche Maßnahmen können während und nach Abschluss der Baumaßnahmen gegen die Entwässerung des Moorgebiets ergriffen werden, um die Zerstörung zu verhindern? 6. Ist ihr bekannt, dass es bei anderen Großprojekten mit ähnlicher Problematik gelungen ist, ein Moorgebiet zu erhalten? 7. Wie stellen sich die naturschutzrechtlichen Belange im Europäischen Kontext dar? Kleine Anfrage der Abg. Reinhold Pix, Martin Grath, Hermann Katzenstein, Bettina Lisbach und Alexander Schoch GRÜNE und Antwort des Ministeriums für Verkehr Generalwildwegeplan und Naturschutzbelange Bundesstraße (B) 31 West Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2258 2 8. Liegen ihr Erkenntnisse vor, in welcher Größenordnung sich der Verlust von landwirtschaftlich relevanten Ackerflächen bewegen wird? 20. 06. 2017 Pix, Grath, Katzenstein, Lisbach, Schoch GRÜNE B e g r ü n d u n g Die Bundesstraße wird in einem sensiblen und ökologisch hochwertigen Gebiet geplant. Schon im Vorfeld muss deshalb dafür Sorge getragen werden, dass der Eingriff in den Naturhaushalt (Flora und Fauna gleichermaßen) so wenig belas - tend wie möglich geschieht und auch die Risiken klar herausgestellt werden. A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 25. Juli 2017 Nr. 2-39.-B31AUMK-BRE/71* beantwortet das Ministerium für Verkehr im Einvernehmen mit dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welcher Schutzstatus kommt Wildtierkorridoren bei der Planung von Straßenbauprojekten zu? Nach § 22 des Gesetzes des Landes Baden-Württemberg zum Schutz der Natur und zur Pflege der Landschaft (NatSchG) ist der Fachplan Landesweiter Biotopverbund einschließlich des Generalwildwegeplanes bei Planungen und Maßnahmen öffentlicher Planungsträger zu berücksichtigen. Auch gemäß § 46 Abs. 3 Jagd- und Wildtiermanagementgesetz ist der Generalwildwegeplan mit seinen Wildtierkorridoren von öffentlichen Stellen als Informations-, Planungs- und Abwägungsgrundlage unter anderem bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen im Rahmen der fachgesetzlichen Abwägungssystematik und somit bei jedweder Infrastrukturplanung zu berücksichtigen. Dies gilt auch für das Projekt „Neu - bau der B 31 West, 2. Bauabschnitt von Breisach nach Gottenheim“. 2. Mit welchen Konsequenzen rechnet sie für die beiden Wildtierkorridore, die zwischen Gottenheim und Ihringen-Wasenweiler verlaufen? 3. Wie soll der Schutz der Wildtiere – besonders der Wildkatzen − entlang der geplanten Bundesstraße gewährleistet werden? Die Fragen 2 und 3 werden im Sachzusammenhang gemeinsam beantwortet: Zwischen Breisach und Gottenheim verlaufen zwei Verbundachsen des Generalwildwegeplans von internationaler Bedeutung von den rheinbegleitenden Wäldern zum Kaiserstuhl bzw. Tuniberg. Daher wird die künftige B 31 West – egal welche Variante zur Umsetzung kommen wird – beide Korridore durchschneiden und insgesamt erhebliche Beeinträchtigungen im Hinblick auf die Vernetzung der Lebensräume sowie die faunistischen Vorkommen beidseits der Straße bewirken. So kann die Europäische Wildkatze beispielsweise im gesamten Planungsraum *) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2258 angetroffen werden. Zum aktuellen Zeitpunkt ist noch nicht absehbar, ob und für welche Tierarten ggfs. artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigungen beantragt werden müssen. Die Untersuchungen und die Überarbeitungen der erforderlichen Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren laufen. Die Ergebnisse liegen voraussichtlich bis Ende 2017/Anfang 2018 vor. Vermeidungs-, Minimierungs- und Kompensationsmaßnahmen werden im Streckenverlauf der B 31 sowohl aufgrund der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung und aus artenschutzrechtlichen Grün - den als auch für sonstige Wildtiere u. a. im Zuge der Wildtierkorridore vonnöten sein. Ob dies und in welchem Umfang in Form von Grünbrücken, Durchlässen, Amphibienschutzanlagen, Schutzzäunen, Pflanzenleitstrukturen, etc. erforderlich ist, muss die weitere Projektbearbeitung zeigen. Zum derzeitigen Zeitpunkt sind hierzu noch keine substantiierten Aussagen möglich. 4. Welche ökologische und kulturgeschichtliche Bedeutung misst sie dem Wasenweiler Ried als letztem Niedermoor in der Oberrheinebene bei? Das Wasenweiler Ried besitzt einen hohen naturschutzfachlichen und sehr hohen landschafts- und kulturgeschichtlichen Wert, was umfangreiche Kompensationsmaßnahmen nach sich ziehen wird, um das Straßenbauprojekt verwirklichen zu können. Im Rahmen der Landschaftspflegerischen Begleitplanung (LBP) wird daher ein Maßnahmenkonzept entwickelt, das für das Wasenweiler Ried besondere Maßnahmen vorsehen wird. Der LBP wird derzeit aufgrund aktueller faunistischer Erhebungen überarbeitet. 5. Welche Maßnahmen können während und nach Abschluss der Baumaßnahmen gegen die Entwässerung des Moorgebiets ergriffen werden, um die Zerstörung zu verhindern? Ob es durch den Neubau der B 31 West durch das Wasenweiler Ried zu einer Veränderung des Grundwasserspiegels und der Bodenverhältnisse kommen kann, muss im weiteren Verfahren geprüft werden. Großflächige Entwässerungen des Wasenweiler Rieds (Absenkung um 60 bis 70 cm) haben bereits in den 1920er- Jahren stattgefunden. Zudem verläuft die Bahnlinie Breisach–Freiburg seit über 100 Jahren durch das Moorgebiet und randlich im Moorgebiet die Kreisstraße 4995 von Wasenweiler nach Gottenheim. Im Jahr 2016 erfolgten im Bereich des Wasenweiler Rieds umfangreiche und sehr detaillierte Vegetationskartierungen. Hierdurch wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass das Wasenweiler Ried bei der Variantenbetrachtung und bei der Festlegung von möglichen Minimierungs- und Vermeidungsmaßnahmen sehr genau beurteilt werden kann. Durch Festlegung entsprechender Maßnahmen können ggf. bau- und anlagebedingte Beeinträchtigungen im Trassenverlauf sowie im Umfeld minimiert bzw. vermieden werden. Kompensationsmaßnahmen auf den Moorflächen außerhalb der Trassenbereiche könnten ggf. den Gebietszustand aus hydrologischer Sicht verbessern und dadurch die Torf-Mineralisierung aufhalten bzw. vermindern. Genaue Maßnahmenfestlegungen sind jedoch erst nach Vorliegen der derzeit laufenden Untersuchungen möglich. Alle der zurzeit in den Untersuchungen befindlichen Trassenvarianten müssen Bereiche des Wasenweiler Rieds durchschneiden. Eine Nordumfahrung des Wasenweiler Rieds ist aufgrund der Lage der Riedflächen zwischen L 114 und Bahnlinie nicht möglich. 6. Ist ihr bekannt, dass es bei anderen Großprojekten mit ähnlicher Problematik gelungen ist, ein Moorgebiet zu erhalten? Weitere Großbauprojekte mit ähnlicher Problematik sind nicht bekannt. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2258 4 7. Wie stellen sich die naturschutzrechtlichen Belange im Europäischen Kontext dar? Die europäischen Richtlinien zu Natura 2000 (FFH-, Vogelschutz-Richtlinie), die in die deutsche Naturschutzgesetzgebung Eingang gefunden haben, müssen bei jedem Infrastrukturprojekt, also auch bei dem vorliegenden, beachtet werden. Hierzu erfolgen zurzeit umfangreiche Untersuchungen der Fauna und Flora. Keine der in der Untersuchung befindlichen Trassenvarianten verläuft innerhalb von FFH- oder Vogelschutzgebieten. Allerdings liegen Streckenabschnitte in unmittelbarer Nähe zu Teilflächen der FFH-Gebiete „Mooswälder bei Freiburg“ und „Markgräfler Rheinebene von Neuenburg bis Breisach“. Deshalb sind für die Beurteilung möglicher Beeinträchtigungen der Bestandteile und Erhaltungsziele der Natura 2000-Gebiete entsprechende FFH-Verträglichkeitsuntersuchungen vorgesehen . Da die faunistischen Erhebungen zur Aktualisierung der Datengrundlage noch laufen, liegen zurzeit noch keine Erkenntnisse zur Vereinbarkeit der geplanten Baumaßnahme mit den Erhaltungszielen der Natura 2000-Gebiete vor. Die Bewertungen im Rahmen der Verträglichkeitsuntersuchungen erfolgen auf der Grundlage der aktuellen Beurteilungsverfahren und Fachkonventionen. 8. Liegen ihr Erkenntnisse vor, in welcher Größenordnung sich der Verlust von landwirtschaftlich relevanten Ackerflächen bewegen wird? Da die Untersuchungen und Überarbeitungen der Unterlagen noch andauern, sind keine abschließenden Aussagen zum (landwirtschaftlichen) Flächenbedarf möglich . Bei dem Planungsstand, wie er im Jahr 2010 offengelegt wurde, betrug der Flächenverbrauch für die Straße knapp 50 ha. Kompensationsmaßnahmen waren im Umfang von ebenfalls ca. 50 ha. vorgesehen. Die Flächeninanspruchnahme ging dabei vor allem zu Lasten landwirtschaftlicher Flächen. Abschließend wird darauf hingewiesen, dass die B 31 West, 2. Bauabschnitt von Breisach nach Gottenheim im Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) im vordringlichen Bedarf enthalten ist. Die Hochwertigkeit des Naturraumes im Umfeld der B 31 West ist bekannt. Es ist eines der Projekte des BVWP, die einer „hohen umwelt- und naturschutzfachlichen Beurteilung“ unterliegen. Hermann Minister für Verkehr