Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 231 29. 06. 2016 1Eingegangen: 29. 06. 2016 / Ausgegeben: 04. 08. 2016 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat sie über die jüngst aufgekommenen Beschwerden aus Leinfelden-Echterdingen über einen bisher nicht näher identifizierten tieffrequenten Schall? 2. Wie viele Anwohner sind nach eigenen Angaben von diesem Phänomen be - troffen? 3. Wann wurden die ersten einschlägigen Meldungen registriert? 4. Welche Untersuchungen und Messungen wurden bisher durchgeführt? 5. Wer war jeweils Auftraggeber dieser Messungen? 6. Welche Messungen wären zur Aufklärung des Phänomens weiterhin erforderlich ? 7. Wie teuer wären diese Messungen kalkulatorisch? 8. Welche Möglichkeiten hat das Land, die Stadt Leinfelden-Echterdingen diesbezüglich finanziell oder organisatorisch zu unterstützen? 29. 06. 2016 Reich-Gutjahr, Glück FDP/DVP Kleine Anfrage der Abg. Gabriele Reich-Gutjahr und Andreas Glück FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Verkehr Klagen über tieffrequenten Schall in Leinfelden-Echterdingen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 231 2 A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 22. Juli 2016 Nr. 4-0141.5/197 beantwortet das Ministerium für Verkehr im Einvernehmen mit dem Umweltministerium die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Erkenntnisse hat sie über die jüngst aufgekommenen Beschwerden aus Leinfelden-Echterdingen über einen bisher nicht näher identifizierten tieffrequenten Schall? 2. Wie viele Anwohner sind nach eigenen Angaben von diesem Phänomen be - troffen? 3. Wann wurden die ersten einschlägigen Meldungen registriert? Die Fragen 1 bis 3 werden gemeinsam beantwortet. Der Landesregierung Baden-Württemberg sind Beschwerden über tieffrequente Geräusche („Brummton“-Phänomen) seit 1999 bekannt. Die erste Beschwerde über einen belästigenden „Brummton“ beim Landratsamt Esslingen ging am 5. Mai 2014 ein. Die betroffene Familie teilte mit, dass sie das Geräusch seit ca. Februar 2014 wahrnehme. Sie klagte über in der Wohnung ständig wahrnehmbare tieffrequente Geräusche („Brummton“), wodurch sie sich erheblich gestört fühlte. Das Landratsamt Esslingen führte daraufhin als zuständige Behörde Ermittlungen und Messungen in der Wohnung der Beschwerde führenden Familie durch. Bei der Messung konnte keine erhebliche tieffrequente Ge - räuscheinwirkung festgestellt werden. Die für tieffrequenten Geräusche maßgeblichen Anhaltswerte der DIN 45680 wurden deutlich unterschritten. Auch konnte in der Umgebung keine Schallquelle für den von den Betroffenen wahrgenommenen „Brummton“ ermittelt werden. Für die Beschwerdeführer war das Ergebnis der Messung und die Beurteilung durch die Behörde unbefriedigend. Presse, Rundfunk und Fernsehen griffen das Phänomen auf. Es meldeten sich weitere Betroffene , die sich zwischenzeitlich in einem Netzwerk organisiert haben. Die Stadtverwaltung Leinfelden-Echterdingen verzeichnet derzeit insgesamt 26 Per - sonen, die sich nach eigenen Angaben durch tieffrequente Geräusche belästigt fühlen. 4. Welche Untersuchungen und Messungen wurden bisher durchgeführt? 5. Wer war jeweils Auftraggeber dieser Messungen? Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) führte erstmals im Jahr 2001 in den Wohnungen von 13 Betroffenen Schall-, Erschütterungs - und Magnetfeldmessungen durch. Parallel dazu untersuchte die HNO-Klinik Tübingen das individuelle Hörvermögen der Betroffenen. Wesentliches Ergebnis der Untersuchungen war, dass sich weder durch akustische Messungen noch durch Abgleich mit den medizinischen Befunden eine Ursache oder Erklärung für das „Brummton“-Phänomen finden ließ. Die Geräuscheinwirkungen lagen damals deutlich unter der Hörschwelle und das Hörvermögen der Betroffenen war nicht außergewöhnlich empfindsam. In Leinfelden-Echterdingen führte das zuständige Landratsamt Esslingen erstmals am 7. Mai 2014 Ermittlungen und Messungen durch. Eine weitere Überprüfung erfolgte wiederum durch die Gewerbeaufsicht beim Landratsamt Esslingen am 13. Februar 2015 in Zusammenarbeit und fachlicher Unterstützung durch die LUBW. Bei beiden Untersuchungen wurden in der Wohnung der Betroffenen Geräuschmessungen durchgeführt. Während der Messphasen konnten die Betrof- *) Nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist eingegangen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 231 fenen den „Brummton“ in der typischen Lautstärke und Charakteristik wahrnehmen , wohingegen die anwesenden Bediensteten der Gewerbeaufsicht und der LUBW keinen „Brummton“ oder auffällige tieffrequente Geräusche wahrnehmen konnten. Messtechnisch konnten keine erheblichen Belästigungen durch tieffrequente Geräusche nachgewiesen werden. Sowohl mit eingeschalteter Stromversorgung, wie auch mit abgeschalteter Stromversorgung lagen die ermittelten tieffrequenten Beurteilungspegel unterhalb der Hörschwelle. Die gemessenen Beurteilungspegel im mittelfrequenten Bereich überschritten z. T. geringfügig die Hörschwelle, jedoch lag auch hier der ermittelte Mittelungspegel deutlich im Rahmen des rechtlich zulässigen Innenpegels. Entsprechend war auch eine erhebliche Belästigung im mittelfrequenten Bereich nicht gegeben. Für weitere immissionsschutzrechtliche Maßnahmen bestand vor diesem Hintergrund für die zuständige Behörde keine Grundlage. Mit Blick auf die ebenfalls vorgebrachte Beschwerde über Erschütterungen, wurden am 13. Februar 2015 von der LUBW Erschütterungsmessungen durchgeführt. Auch mit Blick auf die Erschütterungen lag bei dem untersuchten Fall keine schädliche Umwelteinwirkung bzw. erhebliche Belästigung im Sinne des BImSchG i. V. m. der DIN 4150-2 vor. 6. Welche Messungen wären zur Aufklärung des Phänomens weiterhin erforderlich ? 7. Wie teuer wären diese Messungen kalkulatorisch? Zu Frage 6. und 7.: Bei der „Brummton“-Beschwerde in Leinfelden-Echterdingen wurde festgestellt, dass die tieffrequenten Geräuscheinwirkungen deutlich unter der Hörschwelle lagen und keine erhebliche Belästigung im Sinne des BImSchG i. V. m. der TA Lärm und der DIN 45680 vorlag. Bedauerlicherweise bleibt ein Teil der Beschwerden über tieffrequente Geräusche ungelöst, d. h. technische Ursachen oder Erklärungen können nicht gefunden werden . Weitere Messungen dürften aus fachlicher Sicht im vorliegenden Fall in Leinfelden-Echterdingen zu keinem weiteren Erkenntnisgewinn führen. Nach Auffassung der LUBW wären weitere Messungen vonseiten des Landes lediglich im Rahmen eines wissenschaftlichen Gesamtkonzepts denkbar, das alle Aspekte derartiger Beschwerdefälle in den Blick nimmt. Schallpegelmessungen allein dürften keinen weiteren Erkenntnisgewinn erwarten lassen. Dies zeigen die langjährigen Erfahrungen und auch die Erhebungen im vorliegenden Fall in Leinfelden -Echterdingen. Bzgl. der Kosten eines Gesamtkonzepts hat die LUBW mitgeteilt , dass die Kosten für Schallpegelmessungen, insbesondere von der Zahl der Messpunkte, der jeweiligen Dauer der Messung und dem Aufwand für die Auswertung abhängen. Bei der Auswertung ist der Ausschluss bzw. die Korrektur der stets vorhandenen Fremdgeräusche ganz wesentlich. Je nach Ausgestaltung, Dauer und Komplexität können die Kosten allein für die Messungen und Analysen der momentan vorherrschenden tieffrequenten Geräuscheinwirkungen im Bereich zwischen rund 10.000 € und 50.000 € liegen. Vonseiten der Interessensgemeinschaft sollen gleichwohl mit finanzieller Unterstützung der Stadt Leinfelden-Echterdingen weitere Messungen durch ein Hochschulinstitut durchgeführt werden. Im Interesse eines möglichen weiteren Erkenntnisgewinns wird die LUBW dem Hochschulinstitut vorschlagen, die neuer - lichen Messungen fachlich zu begleiten. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 231 4 8. Welche Möglichkeiten hat das Land, die Stadt Leinfelden-Echterdingen diesbezüglich finanziell oder organisatorisch zu unterstützen? Wie dargestellt besteht kein weiterer Bedarf für zusätzliche Messungen. Vor dem Hintergrund hat das Land keine Möglichkeit über die bereits erfolgte Unterstützung durch Messungen des Landratsamts Esslingen und der LUBW hinaus, die Stadt Leinfelden-Echterdingen finanziell oder organisatorisch zu unterstützen. Hermann Minister für Verkehr