Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 2322 07. 07. 2017 1Eingegangen: 07. 07. 2017 / Ausgegeben: 11. 08. 2017 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Nach welchen formalen Kriterien erstellt sie die Vermögensbilanz? 2. Berücksichtigt sie dabei verschiedene Richtlinien bzw. Standards (unter An - gabe, welche)? 3. Nach welchen Kriterien bzw. Richtwerten bewertet sie den Wert des Landes - eigentums und dessen etwaigen Sanierungsbedarf? 4. Nach welchen Kriterien bzw. mit welchen Werten lässt sie landeseigene Betriebe bzw. Betriebe mit Landesbeteiligung in die Bilanz einfließen? 5. Wie fließen Bürgschaften und Garantien des Landes in die Bilanz ein? 6. Wie werden zukünftige Pensions- und Beihilfelasten berechnet und einbezogen? 7. Inwieweit fließen die Vorarbeiten in die Aufstellung des Entwurfs des Doppelhaushalts 2018/2019 ein? 8. Plant sie, diese Vermögensbilanz jährlich fortzuschreiben bzw. welchen Turnus sieht sie dafür vor? 9. Inwiefern plant sie, auf Basis dieser Vermögensbilanz die Doppik in der Landesverwaltung einzuführen? Kleine Anfrage der Abg. Dr. Gerhard Aden und Andreas Glück FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Finanzen Geplante Vermögensbilanz des Landes Baden-Württemberg Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2322 2 10. Inwiefern kann bzw. soll die Erstellung dieser Vermögensbilanz als Test für eine etwaig anstehende Bewertung von Grundstücken im Rahmen einer Reform der Grundsteuer dienen? 06. 07. 2017 Dr. Aden, Glück FDP/DVP B e g r ü n d u n g Die Finanzministerin hat in den Beratungen des Haushalts 2017 angekündigt, bis zum 1. Januar 2018 eine Vermögensbilanz des Landes Baden-Württemberg vor - legen zu wollen. Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten, eine solche Bilanz zu erstellen und zu verwenden, soll mit dieser Kleinen Anfrage Klarheit geschaffen werden. A n t w o r t Mit Schreiben vom 28. Juli 2017 Nr. 2-0444.2-01/23 beantwortet das Ministerium für Finanzen die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Nach welchen formalen Kriterien erstellt sie die Vermögensbilanz? Zu 1.: Die formalen Kriterien für die Vermögenrechnung des Landes Baden-Württemberg sind durch die Verwaltungsvorschrift Vermögensrechnung (VwV VR) in der aktuellen Fassung vom 8. Juni 2017 verbindlich vorgegeben. Darüber hinaus gibt es Buchungs- und Anwendungshinweise zur VwV VR, damit diese von den dezentral buchenden Dienststellen der Landesverwaltung möglichst einheitlich umgesetzt wird. Formal stellt die Vermögensrechnung die Aktiva und Passiva des Landes mit den jeweiligen Positionen dar, die grds. auch für eine Handelsbilanz vorgesehen sind. Darüber hinaus wird der Vermögensrechnung ein Anhang beigefügt, der neben allgemeinen Angaben zu Inhalt und Gliederung der Vermögensrechnung auch die Erläuterung der einzelnen Bilanzpositionen enthält. Die Eröffnungsbilanz (zum 1. Januar 2017) wird noch nicht alle Bilanzpositionen vollständig und umfassend abbilden. Wichtige Positionen, wie das langfristige Anlagevermögen des Landes (Gebäude, Infrastruktur, Wald, Beteiligungen), die Pensionsrückstellungen sowie die Forderungen, Verbindlichkeiten und Rückstellungen , die sich aus der Steuererhebung, den Finanzausgleichsbeziehungen und der Steuerverteilung ergeben, werden jedoch vollständig ausgewiesen. Soweit bei der Erhebung und Darstellung von einzelnen Positionen noch Lücken bestehen, werden diese ebenfalls im Anhang beschrieben. Es ist geplant, auf den Stichtag 31. Dezember 2017 eine vollständige Vermögensrechnung vorzulegen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2322 2. Berücksichtigt sie dabei verschiedene Richtlinien bzw. Standards (unter An - gabe, welche)? Zu 2.: Die Vermögensrechnung orientiert sich an den von Bund und Ländern gemeinsam entwickelten Standards für die staatliche Doppik (SsD). Die SsD konkretisieren wiederum die Vorschriften des Ersten und des Zweiten Abschnitts, Erster und Zweiter Unterabschnitt, des Dritten Buches Handelsgesetzbuch (HGB), um den Besonderheiten öffentlicher Haushalte gerecht zu werden. 3. Nach welchen Kriterien bzw. Richtwerten bewertet sie den Wert des Landes - eigentums und dessen etwaigen Sanierungsbedarf? Zu 3.: Vermögensgegenstände, Rückstellungen und Verbindlichkeiten sind in der Vermögensrechnung vollständig zu erfassen. Die Vermögensrechnung umfasst alle Vermögensgegenstände, die im wirtschaftlichen Eigentum der Kernverwaltung des Landes stehen. Vermögensgegenstände und Schulden sind zum Abschlussstichtag grundsätzlich einzeln zu bewerten und mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um planmäßige und vorzunehmende außerplanmäßige Abschreibungen, anzusetzen . Grundlage für den Wertansatz in der Eröffnungsvermögensrechnung sind die bis zum Stichtag 1. Januar 2017 fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungs - kosten, ggf. können auch die vorsichtig geschätzten Zeitwerte herangezogen werden . Die angesetzten Werte gelten als Anschaffungs- oder Herstellungskosten für die nachfolgenden Vermögensrechnungen. Zu zentralen Positionen (z. B. Gebäude , Straßen, Naturgüter) gibt es fachbereichsspezifisch angepasste Konzeptionen, die in die Verantwortung der jeweiligen Fachverwaltungen fallen. Ein etwaiger bereits vor Erstellung der ersten Vermögensrechnung bestehender Sanierungsbedarf im Bereich des Anlagevermögens wird in der Vermögensrechnung nicht abgebildet. Das vorhandene Anlagevermögen wird mit dem aktuellen Wert zum Bilanzstichtag der Eröffnungsbilanz (1. Januar 2017) aus der Anlagenbuchhaltung in die Vermögensrechnung übernommen. Ausgehend von der Eröffnungsbilanz werden dann aber künftige Wertänderungen des Anlagevermögens durch einen Vergleich der Vermögenswerte sichtbar. 4. Nach welchen Kriterien bzw. mit welchen Werten lässt sie landeseigene Betriebe bzw. Betriebe mit Landesbeteiligung in die Bilanz einfließen? Zu 4.: Verbundene Unternehmen bzw. Einrichtungen sowie Beteiligungen werden als Finanzanlagen im Anlagevermögen ausgewiesen. Verbundene Unternehmen und Einrichtungen sind Organisationsformen, auf die ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann, an denen das Land also eine unmittelbare oder mittelbare Mehrheit (quotaler Anteil von mehr als 50 %) hält. Dazu gehören auch Landesbetriebe gemäß § 26 Absatz 1 LHO, Einrichtungen, die wie Landesbetriebe geführt werden, sowie rechtsfähige Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, auf die jeweils ein beherrschender Einfluss besteht . Als Beteiligung gelten in der Regel Anteile an Unternehmen und Einrichtungen von mehr als 20 %. Die Anteile sind grundsätzlich mit den Anschaffungskosten zu bewerten. Sind Anschaffungskosten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu ermitteln , gilt vereinfachend der quotale positive Anteil am Eigenkapital als Anschaffungskosten . Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2322 4 Bei einem negativen Eigenkapital werden die Anteile mit 1 Euro in der Anlagenbuchhaltung erfasst. In Höhe des anteiligen negativen Eigenkapitals ist eine Rückstellung für Gewährleistungen aufgrund rechtlicher Verpflichtung zu bilden. 5. Wie fließen Bürgschaften und Garantien des Landes in die Bilanz ein? Zu 5.: Für Bürgschaften, Garantien und Gewährleistungen aufgrund rechtlicher Verpflichtungen sind Rückstellungen in Höhe der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung voraussichtlichen Inanspruchnahme anzusetzen, wenn eine Inanspruchnahme des Landes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintritt und dafür Zahlungen geleistet werden müssen. Die Aufgriffsgrenze liegt bei einer voraussichtlichen Inanspruchnahme von mindestens 50.000 Euro. Grundsätzlich sind Bürgschaften einzeln zu bewerten. Für eine größere Anzahl von Bürgschaften, Garantien und Gewährleistungen ist eine Pauschalrückstellung zu bilden, wenn objektiv die Gefahr der Inanspruchnahme aus dem Gesamtbestand droht und aufgrund der Erfahrungen der Vergangenheit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit einer Inanspruchnahme gerechnet werden muss. Erfasst werden grundsätzlich auch Rückbürgschaften und Rückgarantien sowie Haftungsrisiken aufgrund gesetzlicher Pflichten. Haftungsverhältnisse, die nicht als Verbindlichkeit oder Rückstellung passiviert sind, werden im Anhang zur Vermögensrechnung ausgewiesen. 6. Wie werden zukünftige Pensions- und Beihilfelasten berechnet und einbezogen? Zu 6.: Die künftigen Versorgungsausgaben (Pensionen und Beihilfen für Versorgungsempfängerinnen und -empfänger) werden als Rückstellungen in die Vermögensrechnung einbezogen. Die Berechnung erfolgt nach den Vorgaben der SsD. Mit einer speziellen Software werden für alle aktiven Beamtinnen und Beamten und Versorgungsempfängerinnen und -empfänger des Landes nach versicherungs - mathematischen Grundsätzen unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse und Einbeziehung von Wahrscheinlichkeiten (z. B. zur Lebenserwartung, Wahrscheinlichkeit der Dienstunfähigkeit, Ehewahrscheinlichkeit für die Hinter - bliebenenversorgung) die benötigten Pensions- und Beihilfeausgaben einschließlich der Hinterbliebenenversorgung ermittelt. Der errechnete Betrag wird mit dem Diskontierungszins abgezinst, um den aktuellen Wert der künftigen Zahlungen zu ermitteln. Für aktive Beamtinnen und Beamte wird der erforderliche Betrag nicht sofort in voller Höhe berücksichtigt, sondern die Rückstellung wird in gleichmäßigen Beträgen über die Dienstzeit aufgebaut (Teilwertverfahren). 7. Inwieweit fließen die Vorarbeiten in die Aufstellung des Entwurfs des Doppelhaushalts 2018/2019 ein? Zu 7.: Die Erstellung der ersten Vermögensrechnung hat keinen Einfluss auf die Aufstellung des Doppelhaushalts 2018/2019. Ab dem Haushaltsjahr 2020 soll die Vermögensrechnung dem Haushaltsplan als Übersicht über das Vermögen und die Schulden gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 4 LHO beigefügt werden. Außerdem wird sie als Vermögensnachweis gemäß § 114 Abs. 1 S. 1 LHO dem Landtag zur Entlastung der Landesregierung vorgelegt. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2322 8. Plant sie, diese Vermögensbilanz jährlich fortzuschreiben bzw. welchen Turnus sieht sie dafür vor? Zu 8.: Nach der Eröffnungsvermögensrechnung auf den Stichtag 1. Januar 2017 wird die Vermögensrechnung künftig jährlich auf den Stichtag 31. Dezember aufgestellt. 9. Inwiefern plant sie, auf Basis dieser Vermögensbilanz die Doppik in der Landesverwaltung einzuführen? Zu 9.: Entsprechend dem Koalitionsvertrag der Landesregierung wird auf Basis der Vermögensrechnung gegebenenfalls die Einführung weiterer doppische Elemente geprüft . Die Einführung eines vollständigen und umfassenden doppischen Haushalts- und Rechnungswesens (insb. einschließlich einer doppischen Haushaltsplanung) ist derzeit nicht geplant. 10. Inwiefern kann bzw. soll die Erstellung dieser Vermögensbilanz als Test für eine etwaig anstehende Bewertung von Grundstücken im Rahmen einer Reform der Grundsteuer dienen? Zu 10.: Der vom Bundesrat in den Bundestag eingebrachte Gesetzesentwurf zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 21. Dezember 2016 (Drucksache 18/10753) anlässlich der geplanten Reform der Grundsteuer steht in keinem Bezug zur Anlagenbuchhaltung der Staatlichen Vermögen- und Hochbauverwaltung auf Basis der VwV Vermögensrechnung. In Vertretung Dr. Splett Staatssekretärin