Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 243 01. 07. 2016 1Eingegangen: 01. 07. 2016 / Ausgegeben: 10. 08. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche maximale Güterzuglänge bei welchem maximalen Güterzuggewicht ist derzeit bei welchen Verkehrsgeschwindigkeiten in der Bundesrepublik Deutsch - land und im Besonderen auf Strecken in Baden-Württemberg rechtlich vorgesehen und im Betrieb erprobt? 2. Welche Faktoren der baulichen Infrastruktur (Steigungen, Ausweichlängen etc.), der technischen Infrastruktur (Verladeeinrichtungen etc.), der Steuerungstechnik , der Zugfahrzeuge und des rollenden Materials begrenzen als die ernstesten Hemmnisse derzeit den Ausbau des Schienengüterverkehrs im Land? 3. Welche maximale Güterzuglänge bzw. welches Güterzuggewicht ist bei welcher Betriebsgeschwindigkeit auf der Bahn-Neubaustrecke Wendlingen–Ulm vorgesehen? 4. Welche Trassensteigungen auf der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm sind steiler als die durchschnittliche Steigung der bestehenden und im Güterverkehr genutzten Altbaustrecke „Geislinger Steige“? 5. In welchem Umfang (Gütertonnen pro Jahr) kann die Neubaustrecke Wendlingen –Ulm die Altbaustrecke „Geislinger Steige“ im Bahngüterverkehr entlasten? 6. Welchen Anteil an den derzeit veranschlagten Gesamtkosten der Neubau - strecke Wendlingen–Ulm von über 3 Mrd. Euro trägt das Land Baden-Württemberg ? 7. Welchen Umfang muss der Bahngüterverkehr auf dieser Neubaustrecke haben, um sich positiv auf deren Gesamtwirtschaftlichkeit auszuwirken? Kleine Anfrage des Abg. Bernd Gögel AfD und Antwort des Ministeriums für Verkehr Perspektiven des Schienengüterverkehrs auf der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 243 2 8. Hat die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm auch ohne eine grundsätzliche (bauliche , signaltechnische etc.) Ertüchtigung der Altbaustrecke „Geislinger Steige“ angesichts des politischen Bekenntnisses aller parlamentarischen Parteien zur Stärkung des Schienengüterverkehrs die nötigen Reserven an Beförderungs - kapazität für das erwartete Güterverkehrsaufkommen der kommenden 30 Jahre entlang einer Schienenmagistrale Paris–Budapest? 9. Welche Faktoren erhöhen möglicherweise die Kosten der Güterbeförderung auf der Neubaustrecke „Wendlingen–Ulm“ in Relation zu den Beförderungs - kosten (je Tonne) auf der „Geislinger Steige“? 23. 06. 2016 Gögel AfD B e g r ü n d u n g Nicht zuletzt in der auf der Homepage des Landes veröffentlichten Stellungnahme des Ministers für Verkehr Winfried Hermann vom 13. Mai 2016 zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030 bekennt sich die Landesregierung nachdrücklich zur Stärkung verkehrlicher Hauptachsen und – auch mit Hinblick auf den Klimaschutz – „zur Aufrechterhaltung bzw. dem Ausbau des Güterverkehrs auf der Schiene“. Es soll mit dieser Kleinen Anfrage eine Klärung erlangt werden, welchen Beitrag eine der derzeit bedeutendsten Schienen-Infrastrukturmaßnahmen im Land, die bedeutende Landesmittel in Höhe von vermutlich 950 Mio. Euro bindet, unter diesen Zielsetzungen leisten kann und wie dieser Beitrag unter (transport)wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu werten ist. A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 28. Juli 2016 Nr. 3-3822.3-00/341 beantwortet das Ministe - rium für Verkehr die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche maximale Güterzuglänge bei welchem maximalen Güterzuggewicht ist derzeit bei welchen Verkehrsgeschwindigkeiten in der Bundesrepublik Deutsch - land und im Besonderen auf Strecken in Baden-Württemberg rechtlich vorgesehen und im Betrieb erprobt? 2. Welche Faktoren der baulichen Infrastruktur (Steigungen, Ausweichlängen etc.), der technischen Infrastruktur (Verladeeinrichtungen etc.), der Steuerungs - technik, der Zugfahrzeuge und des rollenden Materials begrenzen als die ernstesten Hemmnisse derzeit den Ausbau des Schienengüterverkehrs im Land? Die Fragen 1 und 2 werden zusammen beantwortet: Der Landesregierung liegen keine detaillierten Informationen zu dem Fragenkomplex vor. Allgemein kann gesagt werden, dass für eine stärkere Verlagerung von Güterverkehr von der Straße auf die Schiene durch Infrastrukturausbau mehr Kapazität für den Schienengüterverkehr geschaffen werden muss. *) Nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist eingegangen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 243 3. Welche maximale Güterzuglänge bzw. welches Güterzuggewicht ist bei welcher Betriebsgeschwindigkeit auf der Bahn-Neubaustrecke Wendlingen–Ulm vorgesehen? Die DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH (DB PSU) als Projektgesellschaft der Deutschen Bahn für das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm teilt zu dieser Frage mit: „Im Planfeststellungsbeschluss zum PFA 2.1 a/b wird zum Güterverkehr angemerkt : ‚Im Bereich von Wendlingen wird eine eingleisige Verbindungskurve benötigt, die einen Güterzugverkehr mit leichten und schnellen Zügen zwischen Stuttgart–Ulm auf der Neubaustrecke (NBS) ermöglicht. Langsame und schwere Güterzüge verkehren weiterhin auf der Filstaltrasse.‘ Als Anhängelast gehen wir aufgrund der Steigung bis zur Albhochfläche mit abschnittsweise > 25 Promille von maximal 1.000 t Anhängelast aus. Die Länge der Züge wird durch die Signalstandorte auf der Güterzuganbindung auf ca. 480 m begrenzt. Die maximale Geschwindigkeit auf der Güterzuganbindung beträgt aufgrund der dortigen Trassierung 80 km/h. Ab der Abzweigstelle Rübholz im westlichen Bereich des Albvorlandtunnels ist auf der Neubaustrecke zu unterscheiden, ob in Richtung Ulm oder in Richtung Wendlingen gefahren wird. In Richtung Ulm wird die Neubaustrecke bis zur Abzweigstelle Nabern auf der Ostseite des Albvor - landtunnels sodann auf dem Gegengleis befahren. Die dort eingeplante Weichenverbindung lässt die Überleitung in das Streckengleis nach Ulm mit 100 km/h zu. Güterzüge verkehren bei der DB Netz AG in der Regel mit maximal 120 km/h, sofern es die Zugkraft der Lokomotive und die Bremsverhältnisse des Zuges zulassen . Für leichte, schnelle Güterzüge ist auf der Neubaustrecke eine Geschwindigkeit bis 160 km/h vorgesehen.“ Zur näheren Verdeutlichung der Ausführungen der DB PSU wird auf die Karte in der Anlage 1 verwiesen. In den Ergebnissen der Überprüfung der Bedarfspläne für die Bundesschienen - wege und die Bundesfernstraßen vom 11. November 2010 teilt das damalige Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ferner mit: „Angesichts der starken Längsneigung der ABS/NBS Stuttgart–Ulm–Augsburg (Albaufstieg) werden auf dieser Strecke keine schweren Güterzüge (z. B. Erzzüge) fahren können. Dies gilt bereits für die bestehende Strecke an der Geislinger Steige . Vielfach wird fälschlich davon ausgegangen, dass nur ganz spezielle leichte Güterzüge (Stichwort Güter-ICEs) fahren könnten und dass zur Verbesserung des Nutzen-Kosten-Verhältnisses eine unrealistisch hohe Anzahl dieser leichten Güterzüge angenommen würde. Tatsächlich können – bis auf die schweren Güter - züge – ein Großteil der üblichen Güterzüge, z. B. die prognostisch zunehmenden Containerzüge, die Stre cke befahren.“ 4. Welche Trassensteigungen auf der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm sind steiler als die durchschnittliche Steigung der bestehenden und im Güterverkehr genutzten Altbaustrecke „Geislinger Steige“? Die DB PSU teilt zu dieser Frage mit: „Die Geislinger Steige weist eine Längsneigung von 22,5 Promille auf. Nicht die Längsneigung, sondern die engen Radien definieren die dort zulässige Streckenhöchstgeschwindigkeit von 80 km/h. Der neue Albaufstieg weist auf einer Länge von 16 km Längsneigungen von rund 25 Promille auf, mit einem 1,5 km langen Abschnitt mit 31 Promille an dessen Fuße.“ Zur Illustration verweist die DB PSU auf die in Anlage 2 beigefügte Grafik. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 243 4 5. In welchem Umfang (Gütertonnen pro Jahr) kann die Neubaustrecke Wend - lingen–Ulm die Altbaustrecke „Geislinger Steige“ im Bahngüterverkehr ent - lasten?) Der aktuellste Planfeststellungsbeschluss für einen Abschnitt der NBS Wendlingen –Ulm (PFA 2.1 a/b) aus dem Jahr 2015 geht in der zugrunde gelegten Verkehrsprognose von 16 nachts verkehrenden Güterzügen aus. Dies ist der bereits im Rahmen der Überprüfung der Bedarfspläne für die Bundesschienenwege und die Bundesfernstraßen im Jahr 2010 genannte Wert. 6. Welchen Anteil an den derzeit veranschlagten Gesamtkosten der Neubau - strecke Wendlingen–Ulm von über 3 Mrd. Euro trägt das Land Baden-Württemberg ? Das Land Baden-Württemberg leistet einen festen Zuschuss (nicht rückzahlbaren Baukostenzuschuss) für den Bund in Höhe von 950 Mio. Euro. 7. Welchen Umfang muss der Bahngüterverkehr auf dieser Neubaustrecke haben, um sich positiv auf deren Gesamtwirtschaftlichkeit auszuwirken? Bei der NBS Wendlingen–Ulm handelt es sich um ein Bedarfsplanvorhaben des Bundes, und dieses ist Teil des Gesamtprojekts ABS/NBS Stuttgart–Ulm–Augsburg des Bundesverkehrswegeplan 2003. Dieses Gesamtprojekt wurde nach Kennt - nis der Landesregierung zuletzt 2010 gesamthaft bewertet. Dabei ist der positive Nutzen des Güterverkehrs eingeflossen, aber nicht gesondert ausgewiesen. Nach Kenntnis der Landesregierung wurden Teilstrecken (wie die NBS Wendlingen–Ulm) innerhalb des Gesamtvorhabens nicht bewertet. Zum Einfluss des Güterverkehrs auf die Bewertung bei diesem Bundesprojekt wird auf die Antwort der Bundesregierung vom 31. Juli 2014 auf Frage 28 der Kleinen Anfrage der Abg. Matthias Gastel u. a., BT-Drs. 18/22391, verwiesen. 8. Hat die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm auch ohne eine grundsätzliche (bauliche , signaltechnische etc.) Ertüchtigung der Altbaustrecke „Geislinger Steige“ angesichts des politischen Bekenntnisses aller parlamentarischen Parteien zur Stärkung des Schienengüterverkehrs die nötigen Reserven an Beförderungs - kapazität für das erwartete Güterverkehrsaufkommen der kommenden 30 Jahre entlang einer Schienenmagistrale Paris–Budapest? 9. Welche Faktoren erhöhen möglicherweise die Kosten der Güterbeförderung auf der Neubaustrecke „Wendlingen–Ulm“ in Relation zu den Beförderungskosten (je Tonne) auf der „Geislinger Steige“? Die Fragen 8 und 9 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet : Die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene (aber auch die Wasserstraßen ) ist der Landesregierung ein wichtiges verkehrs- und umweltpolitisches Anliegen. Dies zeigt sich beispielsweise in dem klaren Bekenntnis und dem besonderen Engagement für den menschen- und umweltgerechten Ausbau der Rheintalbahn, einem zentralen Abschnitt des Rhein-Alpen-Korridors des Euro - päischen Verkehrsnetzes. Auch der Ausbau des kombinierten Verkehrs ist ein wichtiges Ziel. Auch entlang des europäischen Rhein-Donau-Korridors, der auf dem Gebiet von Baden-Württemberg u. a. auch die Neubaustrecke Stuttgart–Ulm sowie die Bestandsstrecke über das Neckar- und Filstal umfasst, ist eine stärkere Verlagerung auf die Schiene notwendig, um die insgesamt im Entwurf zum Bundesverkehrswegeplan 2030 erwarteten deutlichen Steuerungen des Transportaufkommens im Güterverkehr zu bewältigen. Mit der zukünftigen Führung des schnellen Perso- _____________________________________ 1 vgl. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/022/1802239.pdf 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 243 nenverkehrs über die NBS Stuttgart–Ulm geht zum einen eine effiziente Ent - mischung von langsamem und schnellem Verkehr einher. Zum anderen ist tendenziell davon auszugehen, dass zusätzliche Kapazitäten für den Regional- und Güterverkehr im Filstal entstehen. Insgesamt ist zusammen mit den in der Antwort auf Frage 5 genannten Zugzahlen für die NBS Wendlingen–Ulm mit einer Erhöhung der Transportkapazität im Bahnkorridor zwischen Stuttgart und Ulm zu rechnen. Inwiefern auf der NBS Wendlingen–Ulm Kapazitäten für zukünftige Steigerungen im Güterverkehr bestehen, kann nur durch den Infrastrukturbetreiber, die DB Netz AG, beurteilt werden. Ausweislich des Planfeststellungsbeschluss zum PFA 2.1 a/b vom 23. März 20152 gingen frühere Prognosen von 40 anstatt 16 nächtlichen Güterzügen auf der NBS Wendlingen–Ulm aus. Insofern stehen noch erhebliche Kapazitäten zur Verfügung. Neben den in der Antwort auf Frage 3 genannten Faktoren sind bei zukünftigen Prognosen zum Güterverkehr prinzipiell auch die Transportkosten sowie Trassenpreise auf der NBS und auf Alternativstrecken zu betrachten. Zum Einfluss der Trassenpreise bei der NBS stellt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Abg. Matthias Gastel u. a. (BT-Drs. 18/2239) unter Punkt 13 fest: „Der Schienengüterverkehr ist deutlich trassenpreissensibler als der (schnelle) Schienenpersonenverkehr , u. a. deshalb, weil ein hoher Trassenpreis im Wesentlichen mit der möglichen Höchstgeschwindigkeit einer Trasse zu tun hat, die nur dem schnellen Schienenpersonenverkehr nützt. Ausweichverkehre könnten dann entstehen, wenn die Umwegkosten den niedrigeren Trassenpreis nicht überkompensieren und eine Umwegtrasse über freie Kapazitäten verfügt. Über den Umfang dieses Ausweichens auf trassenpreisgünstige Strecken hat die Bundesregierung keine Kenntnis.“ Der Landesregierung liegen dazu keine darüber hinausgehenden Erkenntnisse vor. Hermann Minister für Verkehr _____________________________________ 2 Planfeststellungsbeschluss gemäß §§ 18 AEG, 78 VwVfG für die Vorhaben „PFA 2.1 a/b, NBS Wendlingen–Ulm, Albvorland“, Bahn-km 25,200 bis 36,260 der Strecke Wendlingen–Ulm und„Verlegung der Landesstraße L 1250 zwischen Wendlingen und Oberboihingen“, Az.: 591ppw/029-2300#010 vom 23. März 2015, S. 87. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 243 6 A nl ag e 1: K ar te N B S W en dl in - ge n- U lm Qu el le : B ah np ro je kt St ut tg ar t-U lm G m bH A us sc hn itt S tr eck en ka rt e N B S, St an d M ai 2 01 2 7 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 243 A nl ag e 2 zu D rs . 1 6/ 24 3 Qu el le : V on S to ef fle r - E ig en es W er k, C C B Y- S A 3 .0 , h ttp s: //c om m on s. w ik im ed ia .o rg /w /in de x. ph p? cu rid =1 54 14 74 5, Z ug rif f a m 2 0. 07 .2 01 6