Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 244 01. 07. 2016 1Eingegangen: 01. 07. 2016 / Ausgegeben: 11. 08. 2016 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Trifft es zu, dass der Landesanteil an den Kosten für den Bahnhalt Merklingen aus Regionalisierungsmitteln finanziert werden soll und wenn ja, in welcher Höhe? 2. Trifft es zu, dass bereits im jetzigen Stadium der Planung erhebliche Mehr - kosten absehbar sind und wenn ja, wie hoch sind diese zu erwarten? 3. Gibt es sachlich zwingende Gründe dafür, dass der erst vor kurzer Zeit für solche Maßnahmen normierte Weg in Form des Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (LGVFG), der Fördersätze sowie Risikoverteilung klar und abschließend regelt, bei der Finanzierung nicht beschritten wird? 4. Führen die Mehrkosten zu Verschiebungen bei der Nutzen-Kosten-Analyse des Bahnhalts und wenn ja, gefährdet dieser Umstand die grundsätzliche Förderfähigkeit des Projekts? 5. Welche Erkenntnisse gibt es zu den Auswirkungen dieses zusätzlichen Bahnhalts auf die Südbahn, insbesondere auf die Fahrpläne und die Anschlussverbindungen ? 6. Trifft es zu, dass die bereits bestehenden Zugverbindungen im Regionalverkehr zwischen Stuttgart und Ulm ebenfalls aus Regionalisierungsmitteln finanziert werden? Kleine Anfrage der Abg. Sascha Binder und Peter Hofelich SPD und Antwort des Ministeriums für Verkehr Sachstand zur Planung des Regionalbahnhofs Merklingen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 244 2 7. Wie hoch ist die jährliche finanzielle Einsparung, die die Streichung der RE- Züge zum Fahrplanwechsel 2016/2017 auf der Stammstrecke Stuttgart–Ulm mit sich bringt? 30. 06. 2016 Binder, Hofelich SPD B e g r ü n d u n g Pressemeldungen ist zu entnehmen, dass es neue Erkenntnisse zum Bahnhalt Merklingen gibt. Da diese Erkenntnisse bislang vom Verkehrsministerium unkommentiert geblieben sind, ist in dieser Sache Aufklärung notwendig. A n t w o r t Mit Schreiben vom 1. August 2016 Nr. 3-3824.1-0-01/331 beantwortet das Minis - terium für Verkehr im Einvernehmen mit dem Ministerium für Finanzen die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Trifft es zu, dass der Landesanteil an den Kosten für den Bahnhalt Merklingen aus Regionalisierungsmitteln finanziert werden soll und wenn ja, in welcher Höhe? Der Landesanteil des Bahnhofs Merklingen soll mit bis zu 30 Mio. Euro aus Regionalisierungsmitteln finanziert werden. Mit dem Dritten Nachtrag zum Haushalt 2016 hat der Landtag die entsprechenden Verpflichtungsermächtigungen ausgebracht . Zur genauen Kosten- und Finanzierungsstruktur vgl. Ziff. 2 und 3. 2. Trifft es zu, dass bereits im jetzigen Stadium der Planung erhebliche Mehr - kosten absehbar sind und wenn ja, wie hoch sind diese zu erwarten? Für den Bahnhof Merklingen wurde im Auftrag des Alb-Donau-Kreises und der Kommunen der Laichinger Alb im Juli 2015 eine Machbarkeitsstudie vorgelegt. Diese wies Gesamtkosten für den Bahnhof an sich und die Umfeldmaßnahme (Straßenerschließung, Park & Ride) von 21 Mio. Euro aus. Im Juli 2016 wurde seitens der Deutschen Bahn eine Kostenberechnung nach Abschluss der Entwurfsplanung vorgelegt. Zusammen mit den aktuellen, aus der Vorentwurfsplanung der kommunalen Seite für die Umfeldmaßnahme resultierenden Kosten beträgt der zum obigen Wert in Relation zu setzende Kostenstand 32 Mio. Euro. Die Kostensteigerungen von rund 11 Mio. Euro sind zu einem gro - ßen Teil auf die Anpassung der Planungskosten zurückzuführen, welche in der Machbarkeitsstudie für die Nutzen-Kosten-Untersuchung verfahrenskonform mit einer niedrigen Pauschale von 10 % angesetzt wurden. Außerdem hat die Deutsche Bahn Risiken, die aus der engen Verknüpfung zu der bereits im Bau befindlichen Neubaustrecke (NBS) resultieren, in der Kostenberechnung berücksichtigt. Vorsorglich umfasst dieser Kostenstand darüber hinaus auch noch einen Kostenpuffer für evtl. zukünftige Kostensteigerungen. So ist mit dem nun vorgelegten Kostenstand der Entwurfsplanung sowie der bereits erfolgten Karsterkundung eine deutlich größere Planungstiefe und Kostensicherheit im Vergleich zur Machbarkeitsstudie aus dem Vorjahr erreicht. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 244 Die DB Netz AG fordert zudem für die 28 Jahre nach Inbetriebnahme eine Ab - lösung der Betriebskosten für die Infrastruktur (Schienen und Weichen), die sich auf rund 9 Mio. Euro belaufen. Zusammen mit der Anpassung der Signalisierung u. a. auf der Südbahn ergibt sich eine Gesamtsumme von 44 Mio. Euro. 3. Gibt es sachlich zwingende Gründe dafür, dass der erst vor kurzer Zeit für solche Maßnahmen normierte Weg in Form des Landesgemeindeverkehrsfinan - zierungsgesetzes (LGVFG), der Fördersätze sowie Risikoverteilung klar und abschließend regelt, bei der Finanzierung nicht beschritten wird? Bei dem geplanten Bahnhof Merklingen handelt es sich um ein Sonderprojekt sowohl in Bezug auf die Rahmenbedingungen für eine mögliche Projektrealisierung als auch die Finanzierung. Der Bahnhof ergänzt die Neubaustrecke Wendlingen– Ulm (NBS) um einen Halt des Regionalverkehrs, der sich mit den Entfernungen nach Stuttgart (Hbf. und Flughafen) sowie Ulm durch überdurchschnittlich lange Reiseweiten im Nah- und Regionalverkehr auszeichnet. Gleichzeitig handelt es sich bei der NBS um ein Bedarfsplanvorhaben des Bundes, welches in erheblichem Maße durch das Land mit Haushaltsmitteln bezuschusst wird. Aus der Verbindung mit dem bereits im Bau befindlichen Bedarfsplanvorhaben erwächst einerseits die einmalige Chance, in diesem Zeitfenster auch den Bahnhof in Merk - lingen noch mit zu realisieren. Andererseits sind damit wie unter Ziff. 2 bereits erwähnt auch Kostenrisiken verbunden. Durch die Lage des Bahnhalts an einer Hochgeschwindigkeits-Neubaustrecke der DB entstehen ein hoher baulicher Aufwand (gesonderte Gleise für haltende Züge etc.) und damit auch hohe Baukosten. Es handelt sich nicht um ein typisches Nahverkehrsvorhaben , auf welche das LGVFG zugeschnitten ist. Die kommunale Seite hat sich im Juli 2015 bereit erklärt, mit einem Fixbetrag von 13 Mio. Euro zur Finanzierung dieses Projektes beizutragen. Angesichts der Größe der betroffenen acht Kommunen in der Region handelt es sich um einen substantiellen und beachtlichen Finanzierungsbeitrag. Ein ganz wesentliches Merk - mal der Fördergrundsätze nach dem LGVFG ist die Festbetragsförderung seitens des Landes mit einer Verlagerung aller Risiken nach Bewilligung auf die Antragsteller . Dies war in dieser Sondersituation einer Maßnahme an einer DB-Hoch - geschwindigkeitsstrecke nicht umsetzbar. Da auch weitere Finanzierungsgeber (DB oder Bund) bei diesem Projekt nicht in Frage kamen, hat sich das Ministe - rium für Verkehr entschieden, für die Finanzierung des Projekts Regionalisierungsmittel einzusetzen. Diese werden dem Land durch den Bund für den Regionalverkehr zur Verfügung gestellt und belasten somit den Landeshaushalt nicht. Für einen Teil der Regionalisierungsmittel ist eine Verwendung für Investitionen zur Verbesserung des Regionalverkehrs vorgesehen. Die erheblich verbesserte Erschließung des ländlichen Raums durch den Bahnhof Merklingen entspricht der Zielsetzung der Verbesserung des Regionalverkehrs auch abseits der Ballungs - räume. Die auch von früheren Landesregierungen vertretene Förderung des ländlichen Raums erhält mit dem Bahnhalt Merklingen ein Vorzeigeprojekt. Für Teile des Projekts wie die straßenseitige Erschließung sowie den geplanten multimodalen Knoten (Park & Ride, Fahrradabstellplätze, Bushaltestelle, Taxistände etc.) ist die Möglichkeit einer Förderung nach den Grundsätzen des LGVFG gegeben. Es ist vorgesehen, dass die kommunalen Träger der Umfeldmaßnahmen einen entsprechenden Antrag stellen. 4. Führen die Mehrkosten zu Verschiebungen bei der Nutzen-Kosten-Analyse des Bahnhalts und wenn ja, gefährdet dieser Umstand die grundsätzliche Förderfähigkeit des Projekts? Das Ministerium für Verkehr geht nach den vorliegenden Ergebnissen davon aus, dass der volkswirtschaftliche Gesamtnutzen die mit dem Projekt verbundenen Kosten deutlich übersteigt und ein Nutzen-Kosten-Indikator von 1,5 erreicht wird. Die Förderfähigkeit des Projektes ist dadurch gegeben. Die erheblich verbesserte Erreichbarkeit der Region führt zu deutlichen regionalwirtschaftlichen Effekten, die auch im Landesinteresse stehen. Dies ist in der volkswirtschaftlichen Rechnung berücksichtigt. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 244 4 5. Welche Erkenntnisse gibt es zu den Auswirkungen dieses zusätzlichen Bahnhalts auf die Südbahn, insbesondere auf die Fahrpläne und die Anschlussverbindungen ? Der Landesregierung ist es ein besonderes Anliegen, einen attraktiven Schienenpersonennah - und -regionalverkehr im ganzen Land und auch in der Verknüpfung zu den angrenzenden Regionen zu gestalten. Deshalb hat das Ministerium für Verkehr bei allen Überlegungen zu dem von der Region gewünschten Bahnhof in Merklingen ein besonderes Augenmerk auf die Prüfung der betrieblichen Auswirkungen auf die angrenzenden Strecken und Bahnknoten gelegt. Dazu gehörten insb. die Auswirkungen auf den Betrieb der Aus- und Neubaumaßnahmen bei der Neubaustrecke Stuttgart–Ulm und auf die Elektrifizierung der Südbahn. Das Ministerium für Verkehr hat deshalb die betrieblichen Wirkungen durch die DB Netz AG untersuchen lassen. Diese kommen zu folgenden Ergebnissen: Der Fahrzeitverlust durch den Bahnhof Merklingen beträgt rund 2,4 Minuten. Die Fahrbarkeit des Fahrplankonzepts auf der Gesamtstrecke zwischen Stuttgart und Lindau wurde bestätigt. Der Bahnhalt kann unter den folgenden Bedingungen bei gleicher Qualität des Betriebskonzepts umgesetzt werden: – Bau von zwei zusätzlichen Blocksignalen je Richtung auf der Südbahn zwischen Aulendorf und Mochenwangen (insg. 4 Signale) zur Verringerung der Zugfolgeabstände. – Bau von zwei weiteren zusätzlichen Blocksignalen je Richtung auf der Südbahn südlich von Ulm, die notwendig werden, soweit von der Region gewünschte RB-Verdichter im Rahmen des Projekts „Donau-Iller-S-Bahn“ bestellt werden. – Anschlussverluste in Aulendorf in/aus Richtung Kißlegg (vom IRE zweistündlich ) sind aufgrund der Fahrplanlage auf der Südbahn nicht zu kompensieren. Es besteht nur die Möglichkeit, Richtung Kißlegg nach Lösungen zu suchen. Das Verkehrsministerium hat hierzu die Arbeiten aufgenommen. Die durch den Auftrag zum Bahnhof Merklingen vorgenommene nähere Betrachtung des Betriebskonzepts für die Südbahn hat ergeben, dass eine Durchbindung des IRE in Friedrichshafen aus Sicht von DB Netz aus Qualitätsgründen nicht zu empfehlen ist. Aufgrund des sehr langen Laufweges der in den bisherigen Über - legungen vorgesehenen IRE-Linie von Würzburg über Heilbronn, Stuttgart, Ulm, Friedrichshafen nach Bludenz (Vorarlberg) empfiehlt die DB eine Aufteilung in zwei Linien mit Umstieg in Friedrichshafen, um die Betriebsqualität zu verbessern . Wegen des bahnsteiggleichen Übergangs hat ein Zugwechsel in Friedrichshafen keine Auswirkung auf die Reisezeiten. Das Ministerium für Verkehr möchte die Frage der Durchbindung dieser Linie jedoch zunächst offenhalten und die weitere Prüfung sowie die Entwicklung der Randbedingungen (Ausschreibungskonzeption , Linienführungen, Fahrzeitenlagen, Knoten Lindau, s. u.) abwarten. Eine optimale Lösung wäre es, wenn bei der Ausschreibung schnelle Schienenfahrzeuge zu günstigen Konditionen angeboten werden. Es ist noch offen, ob sich diese Lösung im Wettbewerb durchsetzen wird. 6. Trifft es zu, dass die bereits bestehenden Zugverbindungen im Regionalverkehr zwischen Stuttgart und Ulm ebenfalls aus Regionalisierungsmitteln finanziert werden? Ja. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 244 7. Wie hoch ist die jährliche finanzielle Einsparung, die die Streichung der RE- Züge zum Fahrplanwechsel 2016/2017 auf der Stammstrecke Stuttgart–Ulm mit sich bringt? Die RE-Züge werden nicht gestrichen. Das Angebot wird vielmehr umstrukturiert . Die bisherigen Leistungen des RE wurden umgeschichtet auf den Interregioexpress (IRE) Stuttgart–Ulm–Friedrichshafen–Lindau, der zwischen Stuttgart und Ulm künftig stündlich statt zweistündlich verkehrt, und auf die Metropolexpress - züge, die soweit möglich nicht mehr in Plochingen beginnen und enden, sondern ab bzw. bis Stuttgart-Hauptbahnhof verkehren. Zusätzlich wird das Angebot weiter ausgeweitet, so dass ab Dezember 2016 auf der Kursbuchstrecke 750 Stuttgart –Ulm rund 0,6 Mio. Zugkm pro Jahr mehr angeboten werden als heute. Ab Dezember 2019 kommen im Zuge der Verlängerung des Halbstundentaktes von Süßen bis Geislingen und der Ausweitung des Halbstundentaktes in den Abendstunden und am Wochenende weitere rund 0,6 Mio. Zugkm pro Jahr hinzu. Hermann Minister für Verkehr