Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 2468 01. 08. 2017 1Eingegangen: 01. 08. 2017 / Ausgegeben: 18. 09. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Für welche Art Problemstellungen, die nicht von Personal des Justizministeriums oder anderem landesinternen Personal bewältigt werden können, werden in Kapitel 0330 Titel 526 76, Seite 356 des Staatshaushaltsplans, 70.000 Euro für Sachverständige benötigt? 2. Warum ist im Unterschied zu normalen Haftanstalten für die Abschiebehaftanstalt offenbar die Absicherung durch private Sicherheitsdienste notwendig, nachdem man annehmen sollte, eine Haftanstalt sei ohne Autorisierung oder Kontrolle weder zu betreten noch zu verlassen, Kapitel 0330 Titel 534 76, Seite 356, 383.000 Euro? 3. Warum kann die Absicherung nicht durch bauliche Maßnahmen oder durch die Polizei erfolgen? 4. Haben Abschiebehäftlinge keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) durch das zuständige Sozialamt während der Abschiebehaft, und wenn doch, warum sind dann 125.000 Euro für ärztliche Behandlung usw. unter Kapitel 0330 Titel 534 76, Seite 356 des Staatshaushaltsplans , veranschlagt? 5. Reinigen die Abschiebehäftlinge in Anbetracht von Kapitel 0330 Titel 534 76, Seite 356, Ansatz 120.000 Euro, ihre Einzel- und Gemeinschaftsräume nicht selbst? 6. Nachdem die Abschiebehaftanstalt nach § 10 a Asylbewerberleistungsgesetz offenbar nicht zuständige Leistungsbehörde für Abschiebehäftlinge zu sein scheint, warum sind unter Kapitel 0330 Titel 681 76, Seite 357 des Staatshaushaltsplans , 65.000 Euro für Taschengelder nach AsylbLG eingestellt? Kleine Anfrage des Abg. Klaus Dürr AfD und Antwort des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Leistungen für Abschiebehäftlinge im Einzelplan 03 des Landeshaushalts 2017 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2468 2 7. Erhalten alle Abschiebehäftlinge denselben Betrag an „Taschengeld“? 8. Nach welchem Rechtsgrund werden − vor dem Hintergrund der Annahme, dass Abschiebehäftlinge nur überschaubare Zeit in der Abschiebehaftanstalt verweilen und dort mit allem Lebensnotwendigen versorgt werden − mittellose Inhaftierte unter Kapitel 0330 Titel 681 76, Seite 357, mit insgesamt 96.000 Euro versorgt? 9. Wie kann es mittellose Untergebrachte geben, nachdem ganz offenbar alle Untergebrachten Anspruch auf Leistungen nach AsylbLG haben? 18. 07. 2017 Dürr AfD B e g r ü n d u n g Die o. g. Positionen in Einzelplan 03 des Haushaltsplans betreffend Abschiebehäftlinge bedürfen der näheren Beleuchtung. A n t w o r t Mit Schreiben vom 31. August 2017 Nr. 4-1362/146/1403 beantwortet das Minis - terium für Inneres, Digitalisierung und Migration die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Für welche Art Problemstellungen, die nicht von Personal des Justizministeriums oder anderem landesinternen Personal bewältigt werden können, werden in Kapitel 0330 Titel 526 76, Seite 356 des Staatshaushaltsplans, 70.000 Euro für Sachverständige benötigt? Zu 1.: Die Abschiebungshafteinrichtung Pforzheim ist eine Einrichtung der Innenverwaltung , nicht der Justizverwaltung. Einer Hinzuziehung von Sachverständigen bedarf es zum einen bei spezifischen Beurteilungen, z. B. des Strahlenschutzes (Röntgenanlage) oder der Hygiene (z. B. Legionellen-Überwachung der Wasserversorgungsanlage und Legionellen-Prophylaxe, Hygieneprüfungen und -beurteilungen im Küchenbereich usw.), aber auch bei der Konzeptionierung von spezifischen Sicherheitseinrichtungen. Bei komplexen medizinischen Fragestellungen, etwa einer weiter bestehenden Haftfähigkeit, muss im Einzelfall auch ein Sachverständiger hinzugezogen werden können. 2. Warum ist im Unterschied zu normalen Haftanstalten für die Abschiebehaftanstalt offenbar die Absicherung durch private Sicherheitsdienste notwendig, nachdem man annehmen sollte, eine Haftanstalt sei ohne Autorisierung oder Kontrolle weder zu betreten noch zu verlassen, Kapitel 0330 Titel 534 76, Seite 356, 383.000 Euro? Zu 2.: Auch in einer Abschiebungshafteinrichtung ist die Sicherheit und Ordnung zu überwachen. Angesichts der größeren Bewegungsfreiheit und dem Zusammenleben von Untergebrachten aus unterschiedlichsten Kulturkreisen ist eine Aufsicht 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2468 unerlässlich, die mangels notwendigem hoheitlichen Handeln in bestimmten Bereichen (z. B. Freizeiträume, Sporträume usw.) auch durch private Sicherheitsdienste erledigt werden kann. 3. Warum kann die Absicherung nicht durch bauliche Maßnahmen oder durch die Polizei erfolgen? Zu 3.: Es ist nicht die Aufgabe der Polizei, den Tagesablauf in einer Abschiebungshaft - einrichtung zu überwachen. Bauliche Maßnahmen allein reichen nicht aus, um einen sicheren und ordnungsgemäßen Tagesablauf bei großer interner Bewegungsfreiheit der Untergebrachten sicherzustellen; hierzu bedarf es auch eines Personaleinsatzes durch Mitarbeiter des Abschiebungshaftvollzugsdienstes und ergänzend durch Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste zur internen Aufsicht. 4. Haben Abschiebehäftlinge keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) durch das zuständige Sozialamt während der Abschiebehaft, und wenn doch, warum sind dann 125.000 Euro für ärztliche Behandlung usw. unter Kapitel 0330 Titel 534 76, Seite 356 des Staatshaushaltsplans , veranschlagt? Zu 4.: Das Regierungspräsidium Karlsruhe ist nach § 2 Abs. 3 Nr. 5 Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) zuständig für die Durchführung des Asylbewerberleistungs - gesetzes (AsylbLG) während des Abschiebungshaftvollzuges. Ein Anspruch auf Leis tungen nach dem AsylbLG besteht daher gegenüber dem Regierungspräsidium Karlsruhe und nicht gegenüber einem Sozialamt. 5. Reinigen die Abschiebehäftlinge in Anbetracht von Kapitel 0330 Titel 534 76, Seite 356, Ansatz 120.000 Euro, ihre Einzel- und Gemeinschaftsräume nicht selbst? Zu 5.: Die Untergebrachten sind gehalten, ihr Zimmer selbst in Ordnung zu halten, sie sind zur Arbeit jedoch nicht verpflichtet (§ 5 Abs. 1 Abschiebungshaftvollzugsgesetz ). Bei einem Belegungswechsel bedarf das betreffende Zimmer i. d. R. einer gründlichen Reinigung, um Hygienestandards einhalten zu können. Bei Gemeinschaftsräumen wie Küchen gelten hohe hygienische Anforderungen, die zu erfüllen dem Betreiber der Anlage obliegen. Daher bedürfen solche Bereiche einer professionellen täglichen Reinigung auch unter Einsatz von Desinfektionsmitteln. Ähnliches gilt für gemeinschaftlich genutzte Duschen oder auch den einrichtungseigenen Küchenbereich für die Versorgung der Untergebrachten. 6. Nachdem die Abschiebehaftanstalt nach § 10 a Asylbewerberleistungsgesetz offenbar nicht zuständige Leistungsbehörde für Abschiebehäftlinge zu sein scheint, warum sind unter Kapitel 0330 Titel 681 76, Seite 357 des Staatshaushaltsplans , 65.000 Euro für Taschengelder nach AsylbLG eingestellt? Zu 6.: Das Regierungspräsidium Karlsruhe ist nach § 2 Abs. 3 Nr. 5 FlüAG zuständig für die Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes während des Abschiebungshaftvollzuges . Ein Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG besteht daher gegenüber dem Regierungspräsidium Karlsruhe. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2468 4 7. Erhalten alle Abschiebehäftlinge denselben Betrag an „Taschengeld“? Zu 7.: Taschengeld können nur Untergebrachte erhalten, die nicht über ausreichend eigene Gelder verfügen, was in der überwiegenden Anzahl der Fälle zutrifft. Der Taschengeldsatz berücksichtigt, dass die Untergebrachten durch die Einrichtung versorgt werden; dieser deckt somit nur verbleibende individuelle Bedürfnisse (z. B. Telefon, Postverkehr, Tabakkonsum, Erwerb eigener Lebensmittel oder Getränke usw.) ab. Soweit Untergebrachte bedürftig sind, erhalten diese einen einheitlichen Taschengeldsatz. 8. Nach welchem Rechtsgrund werden − vor dem Hintergrund der Annahme, dass Abschiebehäftlinge nur überschaubare Zeit in der Abschiebehaftanstalt verweilen und dort mit allem Lebensnotwendigen versorgt werden − mittellose Inhaftierte unter Kapitel 0330 Titel 681 76, Seite 357, mit insgesamt 96.000 Euro versorgt? Zu 8.: Für eine Abschiebung ist es notwendig, dass die betreffende Person angemessen gekleidet ist, damit sie überhaupt auf dem Luftweg zurückgeführt werden kann. Bei notwendiger Ergänzung werden Kleidung und Schuhwerk entsprechend angepasst . Solche Ergänzungen sind beispielsweise auch notwendig, wenn die abzuschiebende Person in der kalten Jahreszeit nicht über geeignete Winterkleidung verfügt. Zudem ist die abzuschiebende Person bei Bedarf so finanziell auszustatten , dass sie bei der Abschiebung einen angemessenen Geldbetrag mit sich führt und nicht völlig mittellos ist. Daneben sind aus diesem Haushaltstitel auch die Kosten für eine anwaltliche Beratung nach dem Beratungshilfegesetz zu bestreiten . 9. Wie kann es mittellose Untergebrachte geben, nachdem ganz offenbar alle Untergebrachten Anspruch auf Leistungen nach AsylbLG haben? Zu 9.: Leistungen nach dem AsylbLG werden während einer Unterbringung in der Abschiebungshafteinrichtung durch das Regierungspräsidium gewährt und die Untergebrachten können, wenn sie nicht über ausreichend eigene Gelder verfügen, ein Taschengeld erhalten. Die Höhe des Taschengeldes ist dabei wegen der grundsätzlichen Vollversorgung durch die Einrichtung stark gekürzt. Daneben werden jedoch im Einzelfall besondere Sonderbedarfe wie warme Kleidung, Schuhe, anwaltliche Beratung o. ä. gesondert gewährt. Strobl Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration