Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 2475 03. 08. 2017 1Eingegangen: 03. 08. 2017 / Ausgegeben: 08. 09. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Auf welchen fachlichen Kriterien fußt die in der Presse seitens der Ministerin für Kultus, Jugend und Sport gemachte Aussage, wonach die Landesakademie für Lehrerfortbildung mit Sitz auf der Comburg ihre Ausbildungsziele komplett verfehlt habe? 2. Wie viele Lehrerinnen und Lehrer wurden in wie vielen unterschiedlichen Fortbildungsangeboten pro Jahr in wie vielen Ausbildungsstunden und unter Verwendung der Ferienzeit im Zeitraum der letzten zehn Jahre am Standort auf der Comburg weiter- bzw. fortgebildet? 3. Welche Erkenntnisse liegen ihr über die jeweils im Anschluss an die einzelnen Ausbildungsmaßnahmen durchgeführten Evaluationen im Verlauf der letzten zehn Jahre vor? 4. Wie hoch ist die Anzahl von Absolventen des Standortes Comburg in den vergangenen zehn Jahren, die im Zusammenhang an eine dort abgehaltene Führungsfortbildungsmaßnahme mit der Leitung einer Schule betraut wurden? 5. Plant sie zeitnah, den Standort Comburg in der von ihr angestrebten neuen Struktur der Lehrerfortbildung zugunsten eines anderen, gegebenenfalls in einem Ballungsgebiet gelegenen Standortes, aufzugeben? 6. Wie hoch ist insgesamt die Investitionssumme für bauliche und sonstige Maßnahmen , die seit der Errichtung der Einrichtung im Jahr 1947 vonseiten des Landes in den Standort auf der Comburg geflossen ist, insbesondere hinsichtlich der in den vergangenen 10 Jahren in die Einrichtung geflossenen Mittel? Kleine Anfrage des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Was plant die Landesregierung zukünftig mit der derzei - tigen Landesakademie für Lehrerfortbildung auf der Comburg (Schwäbisch Hall)? Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2475 2 7. Wie beurteilt sie die derzeitige Ausstattung der Comburg als Tagungs- und Fortbildungszentrum für den Lehrkörper des Landes hinsichtlich der vor Ort vorhandenen (medien-)technischen Einrichtungen sowie bezüglich der Unterbringungssituation und der Verkehrsinfrastruktur? 8. Wie sind – im Gegensatz zu den seitens des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport offenbar zeitnah angestrebten tiefgreifenden Strukturveränderungen im Bereich der baden-württembergischen Lehrerfortbildung inklusive drohender Standortschließungen und Verlagerungen – die in der Presse im Anschluss an einen Vor-Ort-Besuch der Staatssekretärin Dr. Gisela Splett jüngst verlautbarten Aussagen hinsichtlich des Standortes auf der Comburg zu bewerten, wonach das Land anstrebe, zukünftig auf der gegenüberliegenden Hangseite in der Immobilie Kleincomburg zusätzliche Räume zur Nutzung für die Landesakademie bereitzustellen? 9. Welche konkreten Nutzungskonzepte hat sie aktuell für die weitere Verwendung des gesamten Areals vorliegen, sofern der Standort Comburg in der neuen Struktur der baden-württembergischen Lehrerfortbildung keine weitere Be - rück sichtigung als Ausbildungsstandort mehr finden sollte? 10. Mit welcher finanziellen Belastung für den Landeshaushalt müsste bei der Errichtung einer vergleichbaren Einrichtung in einem städtischen Ballungsraum gerechnet werden? 01. 08. 2017 Dr. Bullinger FDP/DVP B e g r ü n d u n g Die jüngst im gemeinsamen Kreisteil der drei örtlichen Lokalzeitungen des Landkreises Schwäbisch Hall verlautbarten Pläne, wonach die Ministerin für Kultus, Jugend und Sport, Susanne Eisenmann (CDU), plant, die Lehrerfortbildung in Baden -Württemberg einem tiefgreifenden Strukturwandel unterziehen zu wollen, haben offenbar auch massive Auswirkungen auf den bis dato zentralen Standort der Landesakademie für Lehrerfortbildung auf der Comburg in Schwäbisch Hall. Die Einrichtung existiert bereits seit dem Jahr 1947 und wurde seinerzeit als bundesweit erste Landesfortbildungsanstalt für den gesamten süddeutschen Raum eröffnet . Neben einer bildungsfachlichen Analyse hinsichtlich des Wirkens der Einrichtung sind nicht zuletzt insbesondere auch die Standortfrage und mögliche anderweitige Nutzungen seitens des Landes für das gesamte Areal von großem Interesse für die gesamte Raumschaft. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass bis in die jüngste Zeit hinein bei Besuchen von Regierungsmitgliedern die Arbeit am Standort Comburg stets gewürdigt und zudem eine bauliche Erweiterung der Einrichtung auf die sich in unmittelbarer Nachbarschaft auf der gegenüberliegenden Hangseite befindliche Kleincomburg in Aussicht gestellt wurde. Ein Abzug bzw. eine Nichtbeachtung der Comburg in der neuen Struktur der Lehrerfortbildung, möglicherweise zugunsten einer Neuansiedlung in einem Ballungsgebiet, würde nach Auffassung des Fragestellers nach vielen erfolg reichen Jahren der Nutzung des Areals einen massiven Schlag gegen die Bildungsstruktur im ländlichen Raum bedeuten. Ein klares Bekenntnis der Landesregierung zum Standort Comburg als zentraler Lehrerfortbildungsstätte im Land auch für die Zukunft tut daher not und wäre aus Sicht des Fragestellers zudem auch hinsichtlich der bisher vor Ort eingesetzten Haushaltsmittel sowie vor dem Hintergrund einer der ökologischen Nachhaltigkeit verpflichteten Politik absolut sinnvoll und damit einer möglicherweise im Raum stehenden Verlagerung der Einrichtung in einen städtischen Ballungsraum ohne Wenn und Aber vorzuziehen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2475 A n t w o r t Mit Schreiben vom 28. August 2017 Nr. 25-6767.40/185/1 beantwortet das Mi - nis terium für Kultus, Jugend und Sport im Einvernehmen mit dem Ministerium für Finanzen und dem Ministerium für Verkehr die Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Auf welchen fachlichen Kriterien fußt die in der Presse seitens der Ministerin für Kultus, Jugend und Sport gemachte Aussage, wonach die Landesakademie für Lehrerfortbildung mit Sitz auf der Comburg ihre Ausbildungsziele komplett verfehlt habe? Die Ministerin für Kultus, Jugend und Sport hat zu keinem Zeitpunkt eine derart lautende Aussage getroffen. Vielmehr hat sie im Zuge der Diskussion um die Qualitätsentwicklung stets betont, dass die geplanten Umstrukturierungen im Bereich der Lehrerfortbildung in keinem kausalen Zusammenhang mit der Qualität der bisherigen Arbeit der Landesakademie für Fortbildung und Personalentwicklung an Schulen stehen, sondern das Ergebnis einer Reihe von intensiven Beratungen mit Bildungsforschern, Schulpraktikern, Experten aus anderen Bundesländern sowie Verbänden, Vertretern der Kultusverwaltung und der Beratungsgremien sind. 2. Wie viele Lehrerinnen und Lehrer wurden in wie vielen unterschiedlichen Fortbildungsangeboten pro Jahr in wie vielen Ausbildungsstunden und unter Verwendung der Ferienzeit im Zeitraum der letzten zehn Jahre am Standort auf der Comburg weiter- bzw. fortgebildet? In den Jahren 2007 bis 2016 wurden von der Landesakademie für Fortbildung und Personalentwicklung an Schulen am Standort Comburg insgesamt 72.941 Lehrkräfte fortgebildet. Die Lehrkräfte werden in der Regel in 2,5 tägigen Lehrgängen (entspricht etwa je Lehrgang 20 Fortbildungsstunden, bei Wochenkursen 40 Stunden) fortgebildet, in den beiden ersten Wochen der Sommerferien auch in Wochenkursen . Im genannten Zeitraum wurden 236 Ferienseminare mit insgesamt 4.000 Lehrkräften durchgeführt. In der Regel handelt es sich um Qualifikationsangebote (Einführung , berufsbegleitende Seminare) für pädagogisches Führungspersonal aus Schule und Schulverwaltung. Hinzu kommen noch Seminare aus anderen Fortbildungsbereichen , die aus Kapazitätsgründen teilweise aus Bad Wildbad oder Esslingen auf die Comburg verlegt werden. 3. Welche Erkenntnisse liegen ihr über die jeweils im Anschluss an die einzelnen Ausbildungsmaßnahmen durchgeführten Evaluationen im Verlauf der letzten zehn Jahre vor? Die Landesakademie evaluiert jeden Lehrgang direkt nach Seminarende. Insgesamt zeugen die Rückmeldungen aus den Jahren 2011 bis 2016 von einer großen Zufriedenheit der teilnehmenden Kolleginnen und Kollegen. Von den 25.322 Rückmeldungen der Lehrkräfte bewerteten 53 Prozent (13.329) das Ergebnis des jeweiligen Lehrgangs für die o. g. Jahre mit „sehr gut“, 38 Prozent mit „gut“. Rund zwei Drittel der Teilnehmenden attestierte der Lehrgangsleitung eine sehr gute Kompetenz, 25 Prozent bewerten die Kompetenz der Lehrgangsleitung mit „gut“. Die Umsetzungsmöglichkeiten im Unterricht bzw. in der beruflichen Tätigkeit schätzten 40 Prozent der Teilnehmer und Teilnehmerinnen mit „sehr gut“ und 47 Prozent mit „gut“ ein. Was die Organisation des Akademiebetriebs und die Verpflegung betrifft, waren zwei Drittel der rückmeldenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer sehr zufrieden (14.234) bzw. bezeichneten die Organisation und Betreuung als „gut“ (6.674). Die Verpflegung wurde von 95 Prozent der Teilnehmenden mit „sehr gut“ oder „gut“ bewertet. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2475 4 4. Wie hoch ist die Anzahl von Absolventen des Standortes Comburg in den vergangenen zehn Jahren, die im Zusammenhang an eine dort abgehaltene Führungsfortbildungsmaßnahme mit der Leitung einer Schule betraut wurden? In den Jahren 2008 bis 2014 nahmen ca. 3.500 Lehrkräfte an Seminaren zur Vorqualifizierung für Führungskräfte an der Landesakademie Comburg teil. Diese Seminare richteten sich an Schulleitungen oder hatten das Ziel einer Fachbe - ratung. Zur Anzahl von Absolventen dieser Vorqualifizierungsangebote, die an - schließend eine Führungsaufgabe übernommen haben, liegt keine umfassende Statistik vor. Seit dem Jahr 2015 wird die Vorqualifizierung für schulische Führungskräfte dezentral , das heißt von den vier Regierungspräsidien in Kooperation mit den Staatlichen Schulämtern, durchgeführt. Weiterhin auf der Comburg angeboten wird das Programm „Frauen fit für Führung“. Im Zeitraum 2005 bis 2013 nahmen 798 Frauen an dem Programm teil. In einer anschließenden Befragung gaben 86 Prozent derjenigen Frauen an, die sich auf eine Führungsposition beworben hatten, dass ihre Bewerbung erfolgreich war. Aktuellere Zahlen zur Übernahme von Führungsaufgaben nach der Teil - nahme an dem Qualifizierungsprogramm liegen derzeit nicht vor. 5. Plant sie zeitnah, den Standort Comburg in der von ihr angestrebten neuen Struktur der Lehrerfortbildung zugunsten eines anderen, gegebenenfalls in einem Ballungsgebiet gelegenen Standortes, aufzugeben? 9. Welche konkreten Nutzungskonzepte hat sie aktuell für die weitere Verwendung des gesamten Areals vorliegen, sofern der Standort Comburg in der neuen Struktur der baden-württembergischen Lehrerfortbildung keine weitere Be - rücksichtigung als Ausbildungsstandort mehr finden sollte? Im Rahmen der Umsetzung des Qualitätskonzepts für das Bildungssystem Baden- Württembergs werden Standort- und Raumkonzepte für die geplanten strukturellen Veränderungen entwickelt. Nach derzeitiger Planung soll der Standort Comburg auch weiterhin als Fortbildungsstätte fungieren. 6. Wie hoch ist insgesamt die Investitionssumme für bauliche und sonstige Maßnahmen , die seit der Errichtung der Einrichtung im Jahr 1947 vonseiten des Landes in den Standort auf der Comburg geflossen ist, insbesondere hinsichtlich der in den vergangenen 10 Jahren in die Einrichtung geflossenen Mittel? Bis 1947 können die Ausgaben nicht zurückverfolgt werden. Insgesamt beläuft sich die Höhe der Investitionssumme von 1992 bis 2017 auf rund 15 Mio. Euro. 7. Wie beurteilt sie die derzeitige Ausstattung der Comburg als Tagungs- und Fortbildungszentrum für den Lehrkörper des Landes hinsichtlich der vor Ort vorhandenen (medien-)technischen Einrichtungen sowie bezüglich der Unterbringungssituation und der Verkehrsinfrastruktur? Der Standort Comburg entspricht in technischer Hinsicht dem Standard, den man von einem Tagungszentrum erwartet. Darüber hinaus verfügt das pädagogische Personal über eine umfassende Kenntnis der für den jeweiligen Fachbereich relevanten wissenschaftlichen Literatur, die zu einem großen Teil auch für den Lehrgangsbetrieb ausgeliehen werden kann. Für die Teilnehmenden stehen 82 Zimmer zur Verfügung, die zu einem großen Teil (49 Zimmer) über eine eigene Nasszelle verfügen. Zwei Gästehäuser sind noch nicht mit Zimmern mit Nasszellen ausgestattet. Die Modernisierung eines dieser Gästehäuser (Wamboldbau) ist derzeit durch den Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg in Planung. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2475 Der Standort Comburg ist mit dem Zug gut über die Bahnlinie Stuttgart–Nürnberg bzw. Heilbronn–Schwäbisch Hall zu erreichen. Eine Stadtbuslinie verkehrt in regelmäßigen Abständen vom Bahnhof zur Comburg. Für Autofahrer ist die Comburg gut über die A 6 an das Fernstraßennetz angebunden. 8. Wie sind – im Gegensatz zu den seitens des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport offenbar zeitnah angestrebten tiefgreifenden Strukturveränderungen im Bereich der baden-württembergischen Lehrerfortbildung inklusive drohender Standortschließungen und Verlagerungen – die in der Presse im Anschluss an einen Vor-Ort-Besuch der Staatssekretärin Dr. Gisela Splett jüngst verlautbarten Aussagen hinsichtlich des Standortes auf der Comburg zu bewerten, wonach das Land anstrebe, zukünftig auf der gegenüberliegenden Hangseite in der Immobilie Kleincomburg zusätzliche Räume zur Nutzung für die Landesakademie bereitzustellen? Die Landesakademie nutzt mit Ausnahme der Alten Vogtei alle Räume auf der Comburg. Über einen möglichen Einbezug und Sanierung sowie Umbau der Kleincomburg könnten 22 bis 24 weitere Übernachtungszimmer sowie ein Seminarraum gewonnen werden. Die Entscheidung darüber, in der Immobilie Kleincomburg zukünftig zusätzliche Räume zur Nutzung für die Landesakademie herzurichten und bereitzustellen, ist zunächst bis zum Jahresende 2017 ausgesetzt. Es gilt, die Entwicklungen im o. g. Umstrukturierungsprozess abzuwarten. 10. Mit welcher finanziellen Belastung für den Landeshaushalt müsste bei der Errichtung einer vergleichbaren Einrichtung in einem städtischen Ballungsraum gerechnet werden? Für die Errichtung einer vergleichbaren Einrichtung in einem städtischen Ballungsraum bestehen derzeit keine Planungen. Insoweit können auch keine Kostengrößen beziffert werden. Dr. Eisenmann Ministerin für Kultus, Jugend und Sport