Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 2527 16. 08. 2017 1Eingegangen: 16. 08. 2017 / Ausgegeben: 25. 09. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie gestalten sich bei einer Sichtung bzw. bei einem Fund eines möglichen Nachweises für örtliche Vorkommen besonders und streng geschützter Arten die Meldewege zwischen den verschiedenen Behördenebenen (unter chronologischer Angabe der einzelnen Meldeschritte)? 2. Welche formalisierten Verfahren (z. B. Musterblätter, elektronische Meldeverfahren etc.) gibt es in diesem Zusammenhang in Baden-Württemberg? 3. Unter welchen Voraussetzungen führen entsprechende Meldungen zur Über - arbeitung von Artenkartierungen (z. B. beim Auerwild)? 4. Nach welcher Maßgabe bzw. in welchem zeitlichen Rhythmus erfolgt die jeweilige Aktualisierung der artenbezogenen Kartierungen bzw. des Monitorings? 5. Wird explizit das Ziel von laufenden, regelmäßigen Studien verfolgt, um die gebietsübergreifende Migration von Artenpopulationen zu berücksichtigen (Abund Zuwanderung von Individuen)? 6. Inwiefern bzw. unter welchen Voraussetzungen fließen Meldungen im Sinne von Frage 1 bis 5 in Berichte nach der Vogelschutzrichtlinie (2009/147/EG) an die Europäische Kommission ein? 7. Welche Gründe könnten aus ihrer Sicht dazu führen, dass entsprechende Meldungen auf bestimmten Behördenebenen nicht weitergereicht werden? 15. 08. 2017 Glück FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Andreas Glück FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Meldeverfahren bei Fund von Auerwild-Nachweisen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2527 2 A n t w o r t Mit Schreiben vom 7. September 2017 Nr. 72-0141.5/39 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Minis - terium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie gestalten sich bei einer Sichtung bzw. bei einem Fund eines möglichen Nachweises für örtliche Vorkommen besonders und streng geschützter Arten die Meldewege zwischen den verschiedenen Behördenebenen (unter chronologischer Angabe der einzelnen Meldeschritte)? 2. Welche formalisierten Verfahren (z. B. Musterblätter, elektronische Meldeverfahren etc.) gibt es in diesem Zusammenhang in Baden-Württemberg? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Von der Vielzahl an nach § 7 Abs. 2 Nr. 13 („besonders“) und 14 („streng“) Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) geschützten Arten wird nur ein vergleichs - weise geringer Anteil in Datenbanken von Behörden erfasst. Dies ist beispielsweise für Arten der Fall, für die Berichtspflichten aufgrund des Washingtoner Artenschutzabkommens , der Vogelschutz- oder FFH-Richtlinie bestehen sowie für besonders und streng geschützte Arten, die dem Jagd- oder Fischereirecht unterliegen . Liegen Beobachtungen dieser Arten durch Dritte vor, können sie einer der genannten Behörde gemeldet werden. Sofern die Beobachtung validiert werden kann und von überregionaler Bedeutung ist, wird sie ggf. auf elektronischem Wege an die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) bzw. die Wildforschungsstelle oder die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) für dem Jagdrecht unterliegende Arten bzw. an die Fischereiforschungsstelle für dem Fischereirecht unterliegende Arten weitergegeben. Für bestimmte Arten (Hirschkäfer, Gottesanbeterin, Feuersalamander, Laubfrosch, Weinbergschnecke) können Beobachtungen durch Bürgerinnen und Bürger über die online-Meldeplattform (http://www4.lubw.baden-wuerttemberg.de/ servlet/is/ 224033/) der LUBW gemeldet werden, die die Meldungen plausibilisiert und in die Datenbanken übernimmt. Von zufälligen Beobachtungen und deren Weitergabe sind planmäßige Kartierungen von Artvorkommen sowie artspezifische Monitoringprogramme zu unterscheiden . Bei Kartierungen und Monitoringprogrammen sind die Durchführung und Datenweitergabe an die Naturschutz-, Jagd- oder Fischereiverwaltung klar geregelt. Hierbei findet neben der Datenweitergabe in Form von Berichten vermehrt eine Weitergabe in digitaler Form statt. Standardisierte Verfahren für die Datenweitergabe kommen aufgrund der artspezifisch teilweise sehr unterschied - lichen Daten in der Regel nicht zur Anwendung. Beim Fischmonitoring ist die Datenweitergabe weitgehend standardisiert. Beim Auerhuhnmonitoring kommen verschiedene Methoden zur Anwendung: • Zufallsmonitoring Alle direkten und indirekten Auerhuhn-Nachweise werden von den Beobachterinnen und Beobachtern an die/den Wildtierbeauftragte/n, die Auerwildhegeringe bzw. Auerwildhegegemeinschaft oder direkt an die FVA weitergegeben. Die FVA validiert die Beobachtungen und nimmt eine Zuordnung zu der Nachweis -Qualität vor (sicher, wahrscheinlich, möglich, unsicher, falsch). Nach dieser Beurteilung werden die Daten in die Wildtiermonitoring-Datenbank eingepflegt . 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2527 • Balzplatzerhebungen Die Auerwildhegeringe bzw. -hegegemeinschaften führen jährlich Balzplatz - zählungen durch, die bei der FVA zusammengeführt werden. • 5-Jahres-Kartierung Die FVA führt seit 1993 alle fünf Jahre eine Kartierung der Auerhuhn-Verbreitungsgebiete und der Balzplätze in Zusammenarbeit mit den Wildtierbeauftragten , den Auerwildhegeringen/-hegegemeinschaften, den unteren Forstbehörden sowie Ornithologinnen und Ornithologen durch. Dabei werden in gemeinsamen Besprechungen die Balzplätze verortet und alle Nachweise der vergangenen fünf Jahre zusammengetragen (Wildtiermonitoringdatenbank und weitere Nachweise) und zu Verbreitungsgebieten zusammengefasst. • Reproduktions-Monitoring Die FVA führt seit 2006 jährlich ein Reproduktions-Monitoring im Nordschwarzwald durch. Dabei werden auf insgesamt 161 Kilometer Transekte begangen und sowohl direkte, als auch indirekte Auerhuhn-Nachweise (Hahn, Henne, Küken) erfasst. Die Daten der Wildtiermonitoring-Datenbank stehen den autorisierten Personen (Wildtierbeauftragte, Mitglieder AG Raufußhühner etc.) laufend zu Verfügung, die Balzplatzerhebungen werden jährlich veröffentlicht, die Verbreitungsgebiete der 5-Jahres-Kartierung stehen allen Behörden und den mit dem Auerhuhn be - fassten Verbänden (AG Raufußhühner) zu Verfügung, die Daten des Reproduk - tions-Monitorings werden derzeit wissenschaftlich ausgewertet. Die Lage der Balzplätze wird nicht veröffentlicht. 3. Unter welchen Voraussetzungen führen entsprechende Meldungen zur Über - arbeitung von Artenkartierungen (z. B. beim Auerwild)? 4. Nach welcher Maßgabe bzw. in welchem zeitlichen Rhythmus erfolgt die jeweilige Aktualisierung der artenbezogenen Kartierungen bzw. des Monitorings? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Sofern für Arten stichtagsrelevante Berichte z. B. im Rahmen der Berichtspflichten nach der FFH- oder Vogelschutz-Richtlinie durchgeführt werden, werden maximal fünf Jahre alte, validierte Daten bei der Erstellung der Berichte berücksichtigt . Für Vorhaben, die mit Eingriffen verbunden sind, können nur Daten berücksichtigt werden, die maximal fünf Jahre alt sind, da sich insbesondere bei Tierarten große Veränderungen ergeben können. Bei Auerwild-Daten erfolgt eine Aktualisierung der Verbreitungsgebiete im 5- Jahres-Turnus. Bei fachlichen Einschätzungen werden aber auch aktuelle Nachweise einbezogen. 5. Wird explizit das Ziel von laufenden, regelmäßigen Studien verfolgt, um die gebietsübergreifende Migration von Artenpopulationen zu berücksichtigen (Abund Zuwanderung von Individuen)? Bei den meisten Arten sind laufende regelmäßige Studien mit dem Ziel, die gebietsübergreifende Migration von Artpopulationen abzubilden, nicht leistbar, da hierfür weder die personellen noch die finanziellen Ressourcen gegeben sind. Stattdessen werden die Berichtspflichten unterliegenden Artvorkommen turnusmäßig erhoben. Im Rahmen des Forschungsprojektes „Auerhuhn und Windenergie“ werden derzeit genetische Untersuchungen durchgeführt, um den Austausch zwischen den Teilpopulationen erneut beurteilen zu können, der erstmals als Grundlage für den Aktionsplan Auerhuhn (2008) genetisch analysiert wurde. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2527 4 Bei ausgewählten Fisch- oder Flusskrebsarten untersucht die Fischereiforschungsstelle regelmäßig im Rahmen von zeitlich beschränkten Projekten landesweit oder zumindest regional die Dynamik von Populationen. Dadurch lassen sich Erkenntnisse gewinnen, in welchen Arealen sich die Bestände verändern und welche Ursachen zugrunde liegen. 6. Inwiefern bzw. unter welchen Voraussetzungen fließen Meldungen im Sinne von Frage 1 bis 5 in Berichte nach der Vogelschutzrichtlinie (2009/147/EG) an die Europäische Kommission ein? Die Vogelschutzrichtlinie sieht im Artikel 12 vor, dass über die Vogelschutzgebiete und im Zusammenhang mit Vogelschutzgebieten durchgeführte Maßnahmen alle drei Jahre berichtet wird. Die Europäische Kommission hat im Jahr 2012 ein grundlegend neues Berichtsformat vorgegeben. Der Bericht nach Art. 12 Vogelschutzrichtlinie ist seitdem – analog zur Berichtspflicht nach Art. 17 der FFH-Richtlinie – alle sechs Jahre zu erstellen. Neben der Berichtspflicht nach Artikel 12 Vogelschutzrichtlinie ist nach Artikel 9 der Vogelschutzrichtlinie jährlich über Ausnahmen von den artenschutzrechtlichen Verboten der Vogelschutzrichtlinie zu berichten. Validierte Daten für Vogelarten, die der Berichtspflicht nach Artikel 12 der Vogelschutzrichtlinie unterliegen, werden bei der Erstellung des nationalen Berichts für Deutschland berücksichtigt, sofern sie nicht älter als fünf Jahre sind. Die zu berichtenden Daten und deren Format sind von der Europäischen Kommission vorgegeben. Die unter den o. g. Methoden erhobenen Daten zum Auerhuhn fließen in die an das Bundesamt für Naturschutz im Rahmen der Berichtspflicht übermittelten Daten ein. 7. Welche Gründe könnten aus ihrer Sicht dazu führen, dass entsprechende Meldungen auf bestimmten Behördenebenen nicht weitergereicht werden? Meldungen von Beobachtungsdaten werden dann nicht weitergeleitet, wenn sich die Daten nicht validieren und plausibilisieren lassen oder wenn die Meldung unsubstantiiert ist. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft