Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 2528 16. 08. 2017 1Eingegangen: 16. 08. 2017 / Ausgegeben: 29. 09. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Ausnahmen vom Tötungsverbot nach § 44 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesnaturschutzgesetzes sind in den Jahren 2015, 2016 und 2017 bisher im Zusammenhang mit Windenergievorhaben beantragt worden (tabellarische Angabe nach Regierungsbezirken unter Nennung der Antragsteller und der jeweiligen geschützten Arten)? 2. Wie viele der unter Frage 1 genannten Anträge wurden – unter Angabe der Begründung – positiv beschieden (Angabe der Zahlen aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken)? 3. Inwiefern gibt es eine länderübergreifende Abstimmung zur einschlägigen Ausnahme- und Befreiungslage mit Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz sowie mit den nicht unmittelbar angrenzenden deutschen Ländern? 4. Zu welchen Vogelarten – unter Angabe der konkreten Begründung – weicht sie bezüglich der Errichtung von Windenergieanlagen von den Abstandsempfehlungen des aktuellen „Helgoländer Papiers“ der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten vom April 2015 ab? 5. Welche wissenschaftlichen Untersuchungen liegen diesbezüglich zu den einzelnen Vogelarten zugrunde (jeweils unter Angabe von Träger, Zeitraum und wesentlichem Ergebnis des Untersuchungsprojekts)? 6. Inwiefern sind die im Zusammenhang mit Ausnahmen vom Tötungsverbot nach Artikel 9 Absatz 3 der Vogelschutzrichtlinie 2009/147/EG obligatorischen jährlichen Meldungen an die Europäische Kommission erfolgt (gegebenenfalls unter Angabe der in den Berichten thematisierten geschützten Arten)? Kleine Anfrage des Abg. Andreas Glück FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Artenschutz bei Windenergievorhaben Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2528 2 7. Inwiefern trifft es zu, dass bei Befreiungen vom Tötungsverbot die erhebliche Erhöhung des Tötungsrisikos für die im jeweiligen Planungsgebiet vorgefundenen Arten nur in Bezug zur Gesamtpopulation gesetzt wird? 8. Inwiefern trifft es nach ihrer Kenntnis zu, dass die kumulative Wirkung von Befreiungen vom Tötungsverbot auf den Bestand von geschützten Arten (geschützte Arten nach der roten Liste und nach Anhang I der Vogelschutzricht - linie) weder landes- noch bundesweit erfasst wird? 9. Inwieweit liegen in Baden-Württemberg ein systematisches Monitoring oder einzelne Untersuchungen zu Schlagopferzahlen bei Windenergieanlagen zu Arten des Anhangs I der Vogelschutzrichtlinie vor (gegebenenfalls unter Nennung der Zahlen und der Erhebungsmethodik)? 10. Welche artenschutzrechtlichen Untersuchungen zum Zug- und Rastvogelgeschehen sind in Baden-Württemberg insbesondere mit Blick auf besonders und streng geschützte Arten nach Anhang I der Vogelschutzrichtlinie durchgeführt worden (gegebenenfalls unter Nennung des Erhebungszeitraums, des Trägers des Untersuchungsprojekts, der avifaunistischen Methodik und der wesentlichen Ergebnisse)? 15. 08. 2017 Glück FDP/DVP A n t w o r t Mit Schreiben vom 11. September 2017 Nr. 72-0141.5/40 beantwortet das Minis - terium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Ausnahmen vom Tötungsverbot nach § 44 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesnaturschutzgesetzes sind in den Jahren 2015, 2016 und 2017 bisher im Zusammenhang mit Windenergievorhaben beantragt worden (tabellarische An - gabe nach Regierungsbezirken unter Nennung der Antragsteller und der jeweiligen geschützten Arten)? 2. Wie viele der unter Frage1 genannten Anträge wurden – unter Angabe der Begründung – positiv beschieden (Angabe der Zahlen aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken )? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Die Nennung der jeweiligen Antragsteller ist aus Datenschutzgründen nicht möglich. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2528 3. Inwiefern gibt es eine länderübergreifende Abstimmung zur einschlägigen Ausnahme - und Befreiungslage mit Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz sowie mit den nicht unmittelbar angrenzenden deutschen Ländern? Bei der Erstellung der baden-württembergischen Hinweispapiere zur Planung und Genehmigung von WEA wurden die Hinweise der Länder Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz sowie von weiteren Ländern zu den Voraussetzungen von artenschutzrechtlichen Ausnahmen geprüft. Die Thematik wird zudem bei der Bund/ Länder-Arbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung (LANA) regelmäßig besprochen. 5HJLHUXQJV EH]LUN %HWURIIHQH $UWHQ -DKU 9HUIDKUHQV VWDQG $QPHUNXQJHQ )UHLEXUJ 5RWPLODQ $QWUDJ ]XUFNJH]RJHQ )UHLEXUJ :HVSHQEXVVDUG 9HUIDKUHQ OlXIW )UHLEXUJ 5RWPLODQ 9HUIDKUHQ OlXIW .DUOVUXKH *HOEEDXFKXQNH +DVHOPDXV *HQHKPLJXQJ HUWHLOW $XVQDKPHYRUDXVVHW]XQJHQ ODJHQ YRU LQVE ]ZLQJHQGHV EHUZLHJHQGHV |IIHQWOLFKHV ,QWHUHVVH GHV .OLPDVFKXW]HV 6WXWWJDUW 5RWPLODQ $QWUDJ DEJHOHKQW 'D GDV 9RUKDEHQ LQ HLQHP 'LFKWH]HQWUXP ODJ PXVVWH EHL GHVVHQ 5HDOLVLHUXQJ YRQ HLQHU 9HUVFKOHFKWHUXQJ GHV (UKDO WXQJV]XVWDQGV GHU 3RSXODWLRQ LP /DQG DXVJHJDQJHQ ZHUGHQ 6WXWWJDUW 5RWPLODQ *HQHKPLJXQJ HUWHLOW :HJHQ ZLUNVDPHU 9HUPHL GXQJVPD‰QDKPHQ ZDU HLQH $XVQDKPH QLFKW HUIRUGHUOLFK 6WXWWJDUW 6FKZDU]PLODQ :HVSHQEXVVDUG 9HUIDKUHQ OlXIW 6WXWWJDUW +DVHOPDXV *HQHKPLJXQJ HUWHLOW $XVQDKPHYRUDXVVHW]XQJHQ ODJHQ YRU LQVEHVRQGHUH EHUZLHJHQGHV |IIHQWOLFKHV ,QWHUHVVH GHV .OLPDVFKXW]HV 6WXWWJDUW 5RWPLODQ 6FKZDU]PLODQ :HVSHQEXVVDUG 9HUIDKUHQ OlXIW 7ELQJHQ +DVHOPDXV *HQHKPLJXQJ HUWHLOW $XVQDKPHYRUDXVVHW]XQJHQ ODJHQ YRU LQVEHVRQGHUH EHUZLHJHQGHV |IIHQWOLFKHV ,QWHUHVVH GHV .OLPDVFKXW]HV 7ELQJHQ +DVHOPDXV 0lXVHEXVVDUG ELV *HQHKPLJXQJ YHUVDJW 'LH LPPLVVLRQVVFKXW]UHFKWOLFKH *HQHKPLJXQJ ZXUGH DXV GHQNPDOVFKXW]UHFKWOLFKHQ *UQGHQ YHUVDJW 7ELQJHQ 5RWPLODQ ELV *HQHKPLJXQJ YHUVDJW 'LH LPPLVVLRQVVFKXW]UHFKWOLFKH *HQHKPLJXQJ ZXUGH DXV GHQNPDOVFKXW]UHFKWOLFKHQ *UQGHQ YHUVDJW Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2528 4 4. Zu welchen Vogelarten – unter Angabe der konkreten Begründung – weicht sie bezüglich der Errichtung von Windenergieanlagen von den Abstandsempfehlungen des aktuellen „Helgoländer Papiers“ der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten vom April 2015 ab? 5. Welche wissenschaftlichen Untersuchungen liegen diesbezüglich zu den einzelnen Vogelarten zugrunde (jeweils unter Angabe von Träger, Zeitraum und wesentlichem Ergebnis des Untersuchungsprojekts)? Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Die „Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebens - räumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten“ (sog. „Neues Helgoländer Papier“) der Länderarbeitsgemeinschaft der Staatlichen Vogelschutzwarten (LAG- VSW) mit Stand April 2015 sollen „eine sorgfältige und hinreichende Berücksichtigung naturschutzfachlicher Belange“ gewährleisten, „zur notwendigen Recht - sicherheit führen und dadurch auch verfahrensbeschleunigende Wirkungen entfalten .“ Bei der Anwendung der neuen Abstandsempfehlungen ist jedoch zu berücksichtigen , „dass die naturräumlichen Gegebenheiten, die Flächennutzung sowie das vorkommende Artenspektrum in den Bundesländern unterschiedlich sein können. Daher kann es erforderlich sein, die Empfehlungen landesspezifisch anzupassen “. Diese Ausführungen verdeutlichen, dass die Abstandsempfehlungen nicht den Charakter von bindenden Vorgaben haben, sondern unter fachlichen Gesichtspunkten im Hinblick auf Besonderheiten der einzelnen Bundesländer differenziert zu betrachten sind. Für folgende Arten sehen die baden-württembergischen Hinweispapiere keine bzw. geringere Mindestabstände vor, als sie im Helgoländer Papier empfohlen werden: a) Rotmilan Empfohlener Abstand zu den Fortpflanzungsstätten im Helgoländer Papier: 1.500 m. Empfohlener Abstand zu den Fortpflanzungsstätten in den baden-württembergischen Hinweispapieren: 1.000 m. Im Unterschied zu den Erkenntnissen einer wissenschaftlichen Studie in Thüringen , die dem „Neuen Helgoländer Papier“ bei der Bemessung des Mindestabstands zugrunde liegt, ist in Baden-Württemberg davon auszugehen, dass die Flugbewegungen des Rotmilans überwiegend in einem Radius von 1.000 m um den Brutplatz stattfinden. Hierfür sprechen die naturräumlichen Gegebenheiten, da Baden-Württemberg von einer reich strukturierten (häufiger Wechsel von Wald, Wiesen und Ackernutzung) und geomorphologisch abwechslungsreichen Landschaft mit einem hohen Anteil an Mittelgebirgslagen geprägt ist, die dem Rotmilan zumeist im näheren Umfeld seines Horstes ausreichende Nahrungshabitate bietet. Es kommt hinzu, dass in Baden-Württemberg im Hinblick auf die Flächennutzung vielerorts eine kleinräumige und vielgestaltige Landbewirtschaftung anzutreffen ist. Da der Rotmilan sein Jagdverhalten insbesondere auf frisch bearbeitete landwirtschaftliche Flächen ausrichtet, findet er in einer vielfältig genutzten Agrarlandschaft häufig ausreichend Nahrung, ohne längere Nahrungsflüge unternehmen zu müssen. Soweit der Rotmilan bei der Nahrungssuche weiter entfernte Flächen aufsucht, wird eine mögliche Gefährdung dadurch berücksichtigt, dass regelmäßig frequentierte Nahrungsgebiete und Flugkorridore bei Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen zu berücksichtigen sind. Auf die Aus - führungen zur Landtags-Drucksache 15/6786 unter Ziffer 1 wird verwiesen. b) Waldschnepfe Die Waldschnepfe wird in den baden-württembergischen Hinweispapieren bislang nicht gelistet. Im Helgoländer Papier wird darauf verwiesen, dass „weitere Untersuchungen zum Einfluss von WEA auf Waldschnepfen wünschenswert“ seien. Die Windenergieempfindlichkeit der Art wird derzeit geprüft. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2528 c) Steinadler Die Art wird in den baden-württembergischen Hinweispapieren nicht gelistet, da keine Brutvorkommen im Land bekannt sind. d) Wiedehopf Die Art wird in den baden-württembergischen Hinweispapieren nicht gelistet, da die wenigen Brutvorkommen im Wesentlichen auf wärmebegünstigte Lebens - räume in der Rheinebene beschränkt sind (v. a. Kaiserstuhl und nördlicher Ober - rhein). Diese Bereiche spielen für die Windenergienutzung derzeit keine Rolle. e) Auerhuhn Empfohlener Abstand im „Helgoländer Papier“ zu Vorkommensgebieten des Auer - huhns: 1.000 m. Zudem: Freihalten von Korridoren zwischen benachbarten Vorkommensgebieten . In Baden-Württemberg müssen die auerhuhnrelevanten Flächen des Aktionsplans Auerhuhn innerhalb eines 1.000 m-Radius um die beabsichtigte Windenergiean - lage untersucht werden. Hierzu hat das MLR einen Standard veröffentlicht. Die „Standardisierte Erhebungsmethodik zum Auerhuhn im Rahmen der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung bei der Genehmigung von Windenergieanlagen“ sieht vor, dass bei Auerhuhnvorkommen in einem Radius von 1.000 m, um die Anlagenstandorte, Balz- und Reproduktionsnachweise ausgeschlossen werden müssen. Der Aktionsplan Auerhuhn (Suchant & Braunisch 2008) und die Bewertungshilfe „Auerhuhn und Windenergie im Schwarzwald“ erlauben diese differenzierte Betrachtung. Die FVA führt derzeit das Forschungsprojekt „Auerhuhn und Windenergie“ durch, das den Einfluss von Windenergieanlagen auf Auerhühner untersucht. 6. Inwiefern sind die im Zusammenhang mit Ausnahmen vom Tötungsverbot nach Artikel 9 Absatz 3 der Vogelschutzrichtlinie 2009/147/EG obligatorischen jähr - lichen Meldungen an die Europäische Kommission erfolgt (gegebenenfalls unter Angabe der in den Berichten thematisierten geschützten Arten)? Nach Artikel 9 Abs. 3 der Richtlinie 2009/147/EG zur Erhaltung der wild lebenden Vogelarten („Vogelschutz-Richtlinie“) sind die Mitgliedstaaten der EU verpflichtet , der EU-Kommission jährlich einen Bericht zu Abweichungen von der Artikeln 5, 6, 7 und 8 der Vogelschutz-Richtlinie vorzulegen. Im Zusammenhang mit Windkraftplanungen sind vor allem die Zugriffsverbote nach Artikel 5 der Vogelschutz-Richtlinie relevant, die über den § 44 BNatSchG in nationales Recht überführt wurden. Die Meldung erfolgt durch das von der Europäischen Kommission für die Berichterstattung zur Verfügung gestellte, elektronische Meldesystem „HaBiDeS“ (Habitats and Birds Directives Derogation System). Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft fragt jeweils zum Stichtag die in Baden-Württemberg erteilten Ausnahmen von den oben genannten Zugriffsverboten bei den zuständigen Behörden ab und gibt sie an das BMUB weiter. Dort werden die Rückmeldungen der Länder gebündelt und an die EU-Kommission übermittelt. Die nächste turnusgemäße Berichterstattung an das BMUB erfolgt im September 2017. Die unter 2. aufgeführten, positiv beschiedenen Ausnahmen sind in dieser Meldung enthalten. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2528 6 7. Inwiefern trifft es zu, dass bei Befreiungen vom Tötungsverbot die erhebliche Erhöhung des Tötungsrisikos für die im jeweiligen Planungsgebiet vorgefundenen Arten nur in Bezug zur Gesamtpopulation gesetzt wird? Anträge auf Befreiungen nach § 67 Abs. 2 BNatSchG im Zusammenhang mit einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) für windkraftempfindliche Arten sind in Baden-Württemberg bislang nicht eingegangen . Die Vorschrift setzt im Übrigen voraus, dass private Interessen vorliegen, die das betroffene artenschutzrechtliche Verbot im Einzelfall als unzumutbare Belastung erscheinen lassen. Eine artenschutzrechtliche Ausnahme kann nach § 45 Abs. 7 BNatSchG nur dann zugelassen werden, wenn sich der Erhaltungszustand einer Art nicht verschlechtert . Bei der Beurteilung der Frage, ob es durch die Erteilung einer artenschutzrechtlichen Ausnahme zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustandes kommt, sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, darunter auch die Seltenheit der betroffenen Art. Als Referenzrahmen dient die Population auf Landesebene. Näheres kann den „Hinweisen zur Bewertung und Vermeidung von Beeinträchtigungen von Vogelarten bei Bauleitplanung und Genehmigung für Windenergieanlagen “ der LUBW vom 1. Juli 2015 entnommen werden. Dort finden sich unter anderem umfangreiche, artspezifische Ausführungen zur Frage, inwieweit es durch ein Vorhaben zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustandes kommen kann (Kap. 5.1.2 und 5.2.2 sowie Artensteckbriefe im Anhang). 8. Inwiefern trifft es nach ihrer Kenntnis zu, dass die kumulative Wirkung von Befreiungen vom Tötungsverbot auf den Bestand von geschützten Arten (geschützte Arten nach der roten Liste und nach Anhang I der Vogelschutzricht - linie) weder landes- noch bundesweit erfasst wird? Neben der aufgrund des Artikel 9 Abs. 3 der Richtlinie 2009/147/EG zur Erhaltung der wild lebenden Vogelarten („Vogelschutz-Richtlinie“) erfolgten Erfassung (vgl. Stellungnahme zu Frage 6) sehen die „Hinweise zu artenschutzrecht - lichen Ausnahmen vom Tötungsverbot bei windenergie-empfindlichen Vogel - arten bei der Bauleitplanung und Genehmigung von Windenergieanlagen“ des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz vom 1. Juli 2015 (Az.: 62-8850.68) eine Dokumentationspflicht gegenüber der LUBW vor (Kap. VI.). Auch auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass ein möglicher Einfluss auf den Landesbestand der betroffenen Arten frühzeitig erkannt werden kann. 9. Inwieweit liegen in Baden-Württemberg ein systematisches Monitoring oder ein - zelne Untersuchungen zu Schlagopferzahlen bei Windenergieanlagen zu Arten des Anhangs I der Vogelschutzrichtlinie vor (gegebenenfalls unter Nennung der Zahlen und der Erhebungsmethodik)? Dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft sind keine entsprechenden Untersuchungen bekannt. 10. Welche artenschutzrechtlichen Untersuchungen zum Zug- und Rastvogelgeschehen sind in Baden-Württemberg insbesondere mit Blick auf besonders und streng geschützte Arten nach Anhang I der Vogelschutzrichtlinie durchgeführt worden (gegebenenfalls unter Nennung des Erhebungszeitraums, des Trägers des Untersuchungsprojekts, der avifaunistischen Methodik und der wesentlichen Ergebnisse)? Nach den „Hinweisen für den Untersuchungsumfang zur Erfassung von Vogel - arten bei Bauleitplanung und Genehmigung für Windenergieanlagen“ der LUBW vom 1. März 2013 (nachfolgend LUBW-Erfassungshinweise Vögel) sind Rast - vogelerfassungen im Gelände auf Ebene des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens in aller Regel standardmäßig durchzuführen, sofern die über eine Recherche ermittelten Daten nicht den in Kapitel 1 der LUBW-Erfassungshinweise Vögel formulierten Anforderungen entsprechen. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass die Rastvogelerfassung im Rahmen der immissionsschutz- 7 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2528 rechtlichen Verfahren durchgeführt worden sind. Im Rahmen der Rastvogelerfassungen sind alle Arten zu ermitteln, die sich im Untersuchungsraum vorübergehend aufhalten, nicht aber dort brüten. Neben den auf dem Durchzug rastenden umfasst dies auch überwinternde Vögel. Gesonderte Erfassungen des aktiven Vogelzugs sind im Rahmen der Bauleitplanung und Genehmigung von Windenergieanlagen in der Regel nicht erforderlich, weil in Baden-Württemberg ein sogenannter „Breitfrontenzug“ vorherrscht. Erfassungen können dann sinnvoll sein, wenn im Bereich eines Vorhabens über mehrere Jahre bestätigte Verdichtungsräume des Vogelzuges bestehen oder ein begründeter Verdacht auf einen Verdichtungsraum besteht (vgl. LUBW-Erfassungshinweise Vögel, Kap. 4). Im Auftrag des Landes wurden für die Auswahl von Vorranggebieten und Konzentrationszonen zur Windenergienutzung im Bereich der Mittleren Schwäbischen Alb (Biosphärengebiet Schwäbische Alb) Erfassungen des aktiven Vogelzugs mit Blick auf das Problemfeld „Windenergie und Vogelzug“ durchgeführt. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Untersuchungen: Straub, F., J. Mayer, J. Trautner, N. Agster, U. Dorka, V. Dorka, W. Lissak, R. Steiner (2011): Konfliktanalyse von Vorranggebieten für den Ausbau der Windkraftnutzung aus Sicht des Vogelzugs im Biosphärengebiet Schwäbische Alb. 75 S. – Im Auftrag des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg. Straub, F., J. Mayer, J. Trautner, U. Dorka, V. Dorka, P. Reufsteck, R. Steiner (2012): Konfliktanalyse von Vorranggebieten für den Ausbau der Windkraftnutzung aus Sicht des Vogelzugs im Biosphärengebiet Schwäbische Alb. Untersuchung des Frühjahrszugs 2012, Berichtsstand August 2012. 47 S. + Anhang – Im Auftrag der Geschäftsstelle Biosphärengebiet Schwäbische Alb beim Regierungspräsidium Tübingen. Straub, F., J. Mayer, J. Trautner, V. Dorka, L. Ramos, P. Reufsteck, R. Steiner (2012): Konfliktanalyse von Vorranggebieten für den Ausbau der Windkraftnutzung aus Sicht des Vogelzugs im Biosphärengebiet Schwäbische Alb. Herbstzug 2012 und zusammenfassende Bewertung unter Berücksichtigung der früheren Untersuchungsphasen, 49 S. – Im Auftrag des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg und der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg. Wesentliche Ergebnisse der Untersuchungen: Die Zugplanbeobachtungen im Herbst 2011 sowie Frühjahr und Herbst 2012 ergaben , dass im Bereich der Schwäbischen Alb ein geleiteter Breitfrontenzug vorherrscht . Das Zuggeschehen verdichtete sich dabei entlang lokaler Leitlinien wie z. B. Waldränder und Taleinschnitte. Während der zweijährigen Untersuchungsphase wurden deutliche Unterschiede in der jährlichen Intensität des Zuggeschehens festgestellt (im Durchschnitt um den Faktor 2,5) und nicht alle Verdichtungsräume waren stabil. Gleichwohl kommen die Autoren zu dem Schluss, dass zumindest ein Teil der beobachteten Konzentrationsräume des Vogelzugs mehr oder weniger konstant waren. Ein Vergleich des Frühjahrs- und Herbstzuggeschehens zeigte, dass diese prinzipiell ähnlich sind. Die räumliche Differenzierung des Zuggeschehens war im Herbst jedoch deutlich stärker ausgeprägt. Die Unter - suchung des Frühjahrszuges erbrachte mit Blick auf die vergleichende Standortbewertung insgesamt keinen wesentlichen Erkenntniszugewinn. Darüber hinaus liegen für verschiedene Regionen in Baden-Württemberg unabhängig von konkreten artenschutzrechtlichen Fragestellungen langjährige Datenreihen aus feldornithologischen Vogelzuguntersuchungen vor. Langjährige Daten - reihen existieren z. B. vom Randecker Maar (Wulf Gatter [2000]: Vogelzug und Vogelbestände in Mitteleuropa. 30 Jahre Beobachtung des Tagzugs am Randecker Maar. Aula Verlag, Wiebelsheim) oder vom Bodensee (z. B. Heine et al. [1999]: Die Vögel des Bodenseegebiets. Ornithologische Jahreshefte Baden-Würt - temberg, Band 14/15). Aus Oberschwaben liegen zudem Untersuchungsergeb - nisse von punktuellen, nächtlichen Radarbeobachtungen vor. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2528 8 Im Rahmen von Bauleitplanungs- oder immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren können den zuständigen Planungsträgern und Behörden weitere, standortbezogene Erfassungen zum Zug- und Rastvogelgeschehen vorliegen. Eine Abfrage und Darstellung der Ergebnisse dieser Untersuchungen wäre jedoch mit einem unangemessen hohen Aufwand verbunden. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft