Landtag von Baden-Württemberg
16. Wahlperiode
Drucksache 16 /
2556
21. 08. 2017
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Eingegangen: 21. 08. 2017 / Ausgegeben: 29. 09. 2017
Kleine Anfrage
Wir fragen die Landesregierung:
1. Welche in Mitgliedsländern der Europäischen Union nicht für die Behandlung
von Steinobst zugelassenen Pflanzenschutzmittel sind nach ihrer Kenntnis in
der Republik Türkei für diesen Zweck zugelassen?
2. Welche vergleichenden Erkenntnisse hat sie über die durchschnittlichen Rück-
stände von Pflanzenschutzmitteln bei Steinobst aus deutscher Produktion, aus
Produktion innerhalb der Europäischen Union und aus türkischer Produktion?
3. Wie stellt sich bei den im baden-württembergischen Lebensmitteleinzelhandel
verfügbaren Kirschen aus türkischer Produktion (zum Beispiel Sorte „Napo -
leon“) die Konzentration der Wirkstoffe Acetamiprid, Carbendazim (Summe
mit Benomyl, berechnet als Carbendazim), Cypermethrin, Dimethoat (Summe
mit Omethoat, berechnet als Dimethoat), Fenhexamid, Fluopyram, Fosetyl-
aluminium (Summe mit Phosphonsäure und deren Salze, berechnet als Fo-
setyl), Lambda-Cyhalothrin und Thiacloprid dar?
4. Kann sie garantieren, dass bei den im baden-württembergischen Lebensmittel-
einzelhandel verfügbaren Kirschen aus türkischer Erzeugung die in Deutsch-
land gültigen Höchstmengen für die oben genannten Wirkstoffe eingehalten
werden?
5. Kann sie garantieren, dass bei den im baden-württembergischen Lebensmittel-
einzelhandel verfügbaren Kirschen aus türkischer Erzeugung die jeweilige aku-
te Referenzdosis der oben genannten Wirkstoffe eingehalten wird?
6. Kann sie garantieren, dass bei den im baden-württembergischen Lebensmittel-
einzelhandel verfügbaren Kirschen aus türkischer Erzeugung die in Deutsch-
land maximal zulässige Anzahl von Wirkstoffen eingehalten wird?
Kleine Anfrage
der Abg. Dr. Friedrich Bullinger und Klaus Hoher FDP/DVP
und
Antwort
des Ministeriums für Ländlichen Raum
und Verbraucherschutz
Rückstände von Pflanzenschutzmitteln bei Steinobst
aus der Europäischen Union und aus der Türkei
Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet
abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente
Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeich-
net mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.
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7. Wozu dienen aus ihrer Sicht strenge Regulierungen des Pflanzenschutzes bei
der heimischen Erzeugung bzw. bei der Erzeugung innerhalb der Europäischen
Union, wenn zugleich weiterhin Importe aus Drittstaaten möglich sind, die der-
artige Regulierungen nicht beachten?
21. 08. 2017
Dr. Bullinger, Hoher FDP/DVP
Antwort
Mit Schreiben vom 12. September 2017 Nr. Z(36)-0141.5/192F beantwortet das
Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie
folgt:
Wir fragen die Landesregierung:
1. Welche in Mitgliedsländern der Europäischen Union nicht für die Behandlung
von Steinobst zugelassenen Pflanzenschutzmittel sind nach ihrer Kenntnis in
der Republik Türkei für diesen Zweck zugelassen?
Zu 1.:
Da sich die Mehrzahl der Fragen im Rahmen dieser Kleinen Anfrage speziell und
ausschließlich auf türkische Kirschen bezieht, wird diese Frage ebenfalls für Kir-
schen beantwortet. Nach Recherchen des Landwirtschaftlichen Technologiezen-
trums-Augustenberg sind in der Türkei 38 Pflanzenschutzmittelwirkstoffe in Kir-
schen zugelassen.
Davon weisen 19 Wirkstoffe auch in Deutschland für Kirschen eine Zulassung
auf und sind in Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmitteln enthalten. Zwei
in der Türkei zugelassene Wirkstoffe (Malathion und Phosmet) haben keine Zu-
lassung in Deutschland. Die übrigen 17 Wirkstoffe sind in Deutschland zwar zu-
gelassen, jedoch nicht für den Kirschenanbau. Eine detaillierte Übersicht über die
Zulassungssituation bei Kirschen ist Tabelle 1 zu entnehmen.
Die Türkei ist inzwischen der weltgrößte Kirschenproduzent, noch vor den USA.
Beim Kirschenexport steht die Türkei an dritter Stelle. Hauptmärkte sind die EU
und Russland. Die wichtigste Kirschsorte hierbei nennt sich Napoleon (Synony-
me: Salihli, Ziraat 0900), die aber nicht mit der deutschen Sorte Napoleon (Syno-
nym: Große Prinzessinkirsche) zu verwechseln ist. Die türkische Sorte Napoleon
wird von Ende Mai bis Anfang August im Handel angeboten, da die Produktion
in der Türkei in sehr unterschiedlichen klimatischen Regionen erfolgt.
2. Welche vergleichenden Erkenntnisse hat sie über die durchschnittlichen Rück-
stände von Pflanzenschutzmitteln bei Steinobst aus deutscher Produktion, aus
Produktion innerhalb der Europäischen Union und aus türkischer Produktion?
Zu 2.:
Die Lebensmittelüberwachung des Landes Baden-Württemberg hat im Jahr 2016
sowie im ersten Halbjahr 2017 insgesamt 294 amtliche Proben Steinobst verschie-
dener Herkunft auf Rückstände an Pflanzenschutzmittelwirkstoffen untersucht.
Zentral zuständig für diese Untersuchungen ist das Chemische und Veterinär -
untersuchungsamt (CVUA) Stuttgart. Bei allen in diesem Zeitraum untersuchten
Proben handelt es sich um Planproben, d. h. Ort der Probenahme und Untersu-
chungsspektrum wurden von der Lebensmittelüberwachung und dem CVUA
Stuttgart im Rahmen der jährlichen risikoorientierten Probenplanung festgelegt.
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Die Ergebnisse der Untersuchungen von 294 amtlichen Proben von Steinobst auf
Rückstände an Pflanzenschutzmittelwirkstoffen, differenziert nach Herkunft, im
genannten Zeitraum sind der Tabelle 2 der
Anlage
zu entnehmen. Bei den Proben
aus Drittländern sind die Proben mit Herkunft Türkei auch enthalten. Der mittlere
Rückstandsgehalt je Probe wurde hier jeweils unter Berücksichtigung der Rück-
stände an Fosetyl bzw. Phosphonsäure (ausgedrückt als Fosetyl, Summe) als auch
unter Ausschluss dieser Rückstände aufgeführt. Der Hintergrund hierzu ist, dass
der Wirkstoff Phosphonsäure nicht nur über eine Pflanzenschutzmittelanwendung,
sondern ggf. auch über phosphonathaltige Düngemittel in die Pflanze und somit
das Erntegut gelangen kann.
Tabelle 3 der
Anlage
zeigt als Vergleich die Ergebnisse der Untersuchungen im
genannten Zeitraum speziell für Kirschen aus türkischer Erzeugung (Anzahl an
untersuchten Proben).
3. Wie stellt sich bei den im baden-württembergischen Lebensmitteleinzelhandel
verfügbaren Kirschen aus türkischer Produktion (zum Beispiel Sorte „Napo -
leon“) die Konzentration der Wirkstoffe Acetamiprid, Carbendazim (Summe
mit Benomyl, berechnet als Carbendazim), Cypermethrin, Dimethoat (Summe
mit Omethoat, berechnet als Dimethoat), Fenhexamid, Fluopyram, Fosetyl-
aluminium (Summe mit Phosphonsäure und deren Salze, berechnet als Fose -
tyl), Lambda-Cyhalothrin und Thiacloprid dar?
Zu 3.:
Die Ergebnisse der Untersuchungen von insgesamt 22 Proben Kirschen aus türki-
scher Erzeugung auf die in Frage 3 angeführten Wirkstoffe im Zeitraum 2016 bis
Ende erstes Halbjahr 2017 sind der Tabelle 4 der
Anlage
zu entnehmen. In jeder
der untersuchten Proben waren Rückstände zumindest von einem der aufgeführ-
ten Wirkstoffe nachweisbar. Die Ausnahme bildeten Rückstände der Wirkstoffe
Dimethoat und Omethoat (berechnet als Dimethoat, Summe), welche in keiner
einzigen Probe türkischer Kirschen nachweisbar waren. Die höchsten Rück-
standsgehalte, sowohl im Durchschnitt als auch bei den Maximalwerten, zeigte
der Wirkstoff Phosphonsäure, welcher als Summenparameter mit Fosetyl ange -
geben wird.
4. Kann sie garantieren, dass bei den im baden-württembergischen Lebensmittel-
einzelhandel verfügbaren Kirschen aus türkischer Erzeugung die in Deutsch-
land gültigen Höchstmengen für die oben genannten Wirkstoffe eingehalten
werden?
5. Kann sie garantieren, dass bei den im baden-württembergischen Lebensmittel-
einzelhandel verfügbaren Kirschen aus türkischer Erzeugung die jeweilige
akute Referenzdosis der oben genannten Wirkstoffe eingehalten wird?
Zu 4. und 5.:
Verantwortlich für die Sicherheit der Lebensmittel und die Einhaltung der recht -
lichen Vorgaben sind in erster Linie die Lebensmittelunternehmer selbst (Erzeu-
ger, Großhändler, Importeure, ...), die im Wege der betrieblichen Eigenkontrollen
die Sicherheits- und Qualitätsanforderungen überwachen müssen.
Die amtliche Lebensmittelüberwachung ist die „Kontrolle der Kontrolle“, das
heißt sie überprüft die Wirksamkeit dieser betrieblichen Eigenkontrollen durch
risikoorientierte Betriebskontrollen und Probenahmen sowie zielgerichtete Proben -
untersuchungen. Dies entspricht den Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvor-
schrift Rahmenüberwachung.
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6. Kann sie garantieren, dass bei den im baden-württembergischen Lebensmittel-
einzelhandel verfügbaren Kirschen aus türkischer Erzeugung die in Deutsch-
land maximal zulässige Anzahl von Wirkstoffen eingehalten wird?
Zu 6.:
Für Pflanzenschutzmittelwirkstoffe sind zum einen EU-weit gültige Höchstge -
halte und zum anderen auf EU- und nationaler Ebene die Zulassung von Wirk-
stoffen geregelt. Dagegen gibt es weder in Deutschland noch in der EU Rechts-
vorschriften, in denen eine maximal zulässige Anzahl an Wirkstoffen, die in einer
Probe Obst oder Gemüse vorhanden bzw. nachweisbar sein dürfen, geregelt ist.
7. Wozu dienen aus ihrer Sicht strenge Regulierungen des Pflanzenschutzes bei
der heimischen Erzeugung bzw. bei der Erzeugung innerhalb der Europäischen
Union, wenn zugleich weiterhin Importe aus Drittstaaten möglich sind, die der-
artige Regulierungen nicht beachten?
Zu 7.:
Die Einhaltung von Rückstandshöchstgehalten (RHG) ist in der EU in der VO
(EG) Nr. 396/2005 im Artikel 18 „Einhaltung von Rückstandshöchstgehalten“ ge-
regelt, die den Verbraucherschutz zum Ziel hat. Danach sind Lebens- und Futter-
mittel verkehrsfähig, wenn die festgesetzten RHGs für Pflanzenschutzmittel un-
terschritten sind. Darüber hinaus dürfen die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen
von Lebens- und Futtermitteln in ihrem Hoheitsgebiet nicht mit der Begründung
verbieten oder verhindern, dass die Erzeugnisse Rückstände enthalten von im
eigenen Hoheitsgebiet nicht zugelassenen Pflanzenschutzmittelwirkstoffen, wenn
dafür RHGs festgesetzt sind. Für alle in der Türkei zugelassenen und in Kirschen
zur Anwendung kommenden Pflanzenschutzmittel sind in der EU RHGs festge-
setzt. Damit sind Kirschen aus der Türkei, die die RHGs unterschreiten, in der EU
und damit auch in Deutschland uneingeschränkt verkehrsfähig. Für einen dieser
Wirkstoffe ist der türkische RHG niedriger als der EU-Wert, für drei dieser Wirk-
stoffe hat die EU niedrigere RHGs festgelegt (siehe hierzu Tabelle 1 der
Anlage
).
Alle weiteren RHGs der in Tabelle 1 der
Anlage
aufgeführten Wirkstoffe sind so-
wohl in der Türkei als auch in der EU gleich. Der Verbraucherschutz ist damit
sichergestellt. Auf die Zulassungspraxis hinsichtlich Auswirkungen der Pflanzen-
schutzmittel auf die Umwelt und/oder den Anwenderschutz in der Türkei als
Drittland hat die EU keinen Einfluss.
Hauk
Minister für Ländlichen Raum
und Verbraucherschutz
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