Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 2590 31. 08. 2017 1Eingegangen: 31. 08. 2017 / Ausgegeben: 12. 10. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. In welchem Umfang sind seit der Umstrukturierung der landwirtschaftlichen Beratung einschlägige Module bzw. Einzelberatungsleistungen gefördert worden (tabellarische Angabe der Höhe ausgezahlter Fördermittel und der Zahl durchgeführter Beratungen jeweils nach anerkannter Beratungsorganisation und Kalenderjahr)? 2. In welcher Weise stellt sie strukturell und organisatorisch sicher, dass bei der Vergabe von Beratungsmodulen der landwirtschaftlichen Beratung an einschlägige Anbieter die nach Artikel 15 Absatz 3 der Verordnung der Europäischen Union 1305/2013 vom 17. Dezember 2013 gebotene Neutralität bzw. der dort geforderte Ausschluss von Bewerbern mit Interessenskonflikten gewährleistet ist? 3. Teilt sie die Auffassung, dass diesbezüglich ein erhöhter Überprüfungsbedarf besteht, wenn Inhaber bzw. Betriebsleiter landwirtschaftlicher Betriebe selbst zugleich herausragende Vorstandspositionen in einem eingetragenen Verein inne haben, der von angestellten Tierärztinnen und Tierärzten einschlägige Beratungsmodule und weitere Dienstleistungen anbieten und durchführen lässt? 4. Wenn ja, in welchen derartigen Fällen und in welcher Weise ist das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz diesem erhöhten Überprüfungsbedarf bisher nachgekommen (z. B. beim Beratungsdienst Rindermast Baden- Württemberg e. V.)? 5. Welche Erkenntnisse hat sie hinsichtlich solcher Vereinskonstruktionen über die Struktur der Mitgliederbeiträge bzw. über die mögliche Verrechnung von (öffentlich bezuschussten) Entgelten für Beratungsmodule mit den Beiträgen von Vereinsmitgliedern? Kleine Anfrage des Abg. Klaus Hoher FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Landwirtschaftliche Beratungsdienste und Wettbewerbsrecht Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2590 2 6. Inwiefern liegt ihrer Rechtsauffassung nach ein Sachverhalt im Sinne von § 124 Absatz 1 Nummer 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vor, wenn die Mitglieder eines solchen Vereins von diesem Arzneimittel und Impfstoffe zu den Einkaufspreisen beziehen können bzw. zu Preisen, welche die Verkaufspreise nach der Arzneimittelpreisverordnung oder die marktüblichen Mindestaufschläge gemäß der Barsoi-Liste unterbieten? 7. Inwiefern ist ein derartiges Geschäftsmodell mit der Gebührenordnung für Tierärzte vereinbar? 8. Inwiefern betrachtet sie das oben dargestellte Geschäftsmodell als dazu geeignet , die Neutralität der Beratung dahingehend sicherzustellen, dass die Beraterinnen und Berater tatsächlich fachlich angemessene Arzneimittelmengen abgeben bzw. nicht aufgrund denkbarer wirtschaftlicher Abhängigkeitsverhältnisse dem Druck ausgesetzt sind, Gefälligkeitsabgaben durchführen zu müssen (z. B. bei Antibiotika)? 9. Inwiefern stellt dieses Geschäftsmodell nach ihrer Rechtsauffassung eine rechtmäßige Verwendung von Fördermitteln der Europäischen Union für land - wirtschaftliche Beratungsmodule im Sinne der Verordnung der Europäischen Union 1306/2013 vom 17. Dezember 2017 dar? 10. Inwiefern trifft es zu, dass Bedienstete des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz bestimmten Beratungsorganisationen mit der Rechtsform eines eingetragenen Vereins nahe gelegt haben, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu gründen, um dem möglichen Vorwurf eines Interessenkonflikts der Vereinsmitglieder vorzubeugen? 31. 08. 2017 Hoher FDP/DVP A n t w o r t Mit Schreiben vom 27. September 2017 Nr. Z(28)-0141.5/195F beantwortet das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. In welchem Umfang sind seit der Umstrukturierung der landwirtschaftlichen Beratung einschlägige Module bzw. Einzelberatungsleistungen gefördert worden (tabellarische Angabe der Höhe ausgezahlter Fördermittel und der Zahl durchgeführter Beratungen jeweils nach anerkannter Beratungsorganisation und Kalenderjahr)? Zu 1.: Die Förderung der Beratung wurde Mitte des Jahres 2015 umgestellt und erfolgt seitdem mit EU-Mitteln. Für die Maßnahme Beratung erfolgten Auszahlungen an 61 Beratungsorganisationen. Die Zahlstelle Baden-Württemberg veröffentlicht jähr - lich die Namen der Begünstigten und die Beträge, die die Förderempfänger aus dem EGFL bzw. ELER erhalten haben. Dies geschieht bundeseinheitlich über die Internetseite der Bundesanstalt für Land - wirtschaft und Ernährung (BLE) unter der Internetadresse: www.agrar-fischereizahlungen .de. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2590 2. In welcher Weise stellt sie strukturell und organisatorisch sicher, dass bei der Vergabe von Beratungsmodulen der landwirtschaftlichen Beratung an einschlä - gige Anbieter die nach Artikel 15 Absatz 3 der Verordnung der Europäischen Union 1305/2013 vom 17. Dezember 2013 gebotene Neutralität bzw. der dort geforderte Ausschluss von Bewerbern mit Interessenskonflikten gewährleistet ist? 3. Teilt sie die Auffassung, dass diesbezüglich ein erhöhter Überprüfungsbedarf besteht, wenn Inhaber bzw. Betriebsleiter landwirtschaftlicher Betriebe selbst zugleich herausragende Vorstandspositionen in einem eingetragenen Verein inne haben, der von angestellten Tierärztinnen und Tierärzten einschlägige Beratungsmodule und weitere Dienstleistungen anbieten und durchführen lässt? 4. Wenn ja, in welchen derartigen Fällen und in welcher Weise ist das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz diesem erhöhten Überprüfungsbedarf bisher nachgekommen (z. B. beim Beratungsdienst Rindermast Baden- Württemberg e. V.)? Zu 2. bis 4.: Die Auswahl der Beratungsorganisationen erfolgte 2015 und aktuell 2017 in einer europaweiten Ausschreibung einer Dienstleistungskonzession für die in Baden- Württemberg anzubietenden, insgesamt 61 Beratungsmodule. Jede Beratungs - organisation – und zusätzlich jede Beratungskraft –, die sich um einen Zuschlag für ein oder mehrere Beratungsmodule bewirbt, hat das Nichtvorhandensein eines Interessenkonflikts zu erklären und eine auf das jeweilige Modul bezogene Erklärung vorzulegen. Unabhängig von der Rechtsform der Beratungsorganisation ist es legitim, sowohl Beratungsleistungen als auch andere Dienstleistungen anzubieten. Durch die Dienst leistungskonzession wird nur der Marktzugang gewährt. Die landwirtschaftlichen Unternehmen können je Beratungsmodul zwischen verschiedenen Beratungsorganisationen wählen. Tierärzte können aufgrund ihrer Qualifizierung bestimmte Beratungsmodule erbringen. Sie dürfen jedoch bei erbrachten Beratungsleistungen im gleichen landwirtschaftlichen Unternehmen keine tierärztliche Betreuung übernehmen. Die Einhaltung der abgegebenen Eigenerklärungen ist mit allen 63 Beratungs - organisationen vertraglich geregelt. Darüber hinaus obliegt die Förderabwicklung der Beratungsmodule einem intensiven Kontrollregime. Förder- und Zahlungsanträge unterliegen einer Verwaltungskontrolle nach EU-Regeln. Systematisch erfolgen im Förderverfahren Vor- Ort-Kontrollen. Jährlich überprüft zudem die bescheinigende Stelle die Förderverfahren des ELER, so auch „Beratung.Zukunft.Land“. Abhängig von der Art der Nichteinhaltung von Vorgaben wird die Beratungsorganisation sanktioniert. Kürzungen des Zuwendungsbetrages für die Beratungsleis - tung, Aberkennung der Beratungskraft bis hin zur Kündigung des Rahmenvertrages mit der Beratungsorganisation und dem damit einhergehenden Entzug der Konzession sind möglich. 5. Welche Erkenntnisse hat sie hinsichtlich solcher Vereinskonstruktionen über die Struktur der Mitgliederbeiträge bzw. über die mögliche Verrechnung von (öffentlich bezuschussten) Entgelten für Beratungsmodule mit den Beiträgen von Vereinsmitgliedern? Zu 5.: Die Erbringung definierter Beratungsmodule wurde EU-weit als Dienstleistungskonzession für die einzelnen Beratungsmodule ausgeschrieben. Der Zuschlag im Verfahren erfolgt durch den Abschluss eines Rahmenvertrags, nach dessen Konditionen die Beratungsorganisation einen Teil der Rechnung an das landwirtschaftliche Unternehmen für erbrachte Beratungsleistungen vom Land erstattet bekommt. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2590 4 Voraussetzung ist u. a. ein Beratungsvertrag zwischen der konzessionierten Beratungsorganisation und dem landwirtschaftlichen Unternehmen. Die Zuwendung wird daher auf der Grundlage einer Rechnung der Beratungsorganisation an das landwirtschaftliche Unternehmen gewährt. Dabei wird die Zuwendung in Höhe eines je Beratungsmodul festgelegten Prozentsatzes, z. B. 80 Prozent vom Nettobetrag der Rechnung, berechnet und ausbezahlt. In Abhängigkeit vom Beratungsmodul sind Förderobergrenzen festgelegt. Der Restbetrag der Rechnung, der nach Abzug der Zuwendung für die Beratungsorganisation verbleibt, ist vom landwirtschaftlichen Unternehmen zu begleichen. Zur Struktur der Mitgliedsbeiträge der Beratungsorganisationen, die in der Rechts - form eingetragener Vereine organisiert sind, liegen dem Ministerium für Länd - lichen Raum und Verbraucherschutz keine Erkenntnisse vor. 6. Inwiefern liegt ihrer Rechtsauffassung nach ein Sachverhalt im Sinne von § 124 Absatz 1 Nummer 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vor, wenn die Mitglieder eines solchen Vereins von diesem Arzneimittel und Impfstoffe zu den Einkaufspreisen beziehen können bzw. zu Preisen, welche die Verkaufspreise nach der Arzneimittelpreisverordnung oder die marktüblichen Mindestaufschläge gemäß der Barsoi-Liste unterbieten? Zu 6.: Ein zwingender Ausschlussgrund im Vergabeverfahren nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB liegt dann vor, wenn der öffentliche Auftraggeber hinreichende Anhaltspunkte dahingehend hat, dass das Unternehmen mit anderen Unternehmen Vereinbarungen getroffen oder Verhaltensweisen aufeinander abgestimmt hat, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbes bezwecken oder bewirken. Diese Bestimmung setzt Artikel 57 Abs. 4 Buchstabe d der Richtlinie 2014/24 EU um und ist zeitlich zwar weit – also über das laufende Vergabeverfahren hinaus – sachlich jedoch eng auszulegen. Nach der Gesetzesbegründung reichen beispielsweise bloße kartellbehördliche Ermittlungsmaßnahmen nicht aus. Die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) ist für Tierärzte eine Höchstpreisverordnung (anders als bei Humanmedizinern: Dort müssen die Zuschläge erhoben werden). Sie legt Höchstzuschläge bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Tierarzneimitteln fest, sie schreibt aber keine Mindestzuschläge vor. Das bedeutet , dass die Tierärztin/der Tierarzt keinen Zuschlag erheben muss. Durch die Gebührenordnung für Tierärzte sind diese Regelungen sowohl für die Abgabe als auch für die Anwendung von Tierarzneimitteln anzuwenden. Verschreibungspflichtige Tierarzneimittel können nicht vom Verein, sondern nur von einer Tierärztin/einem Tierarzt im Rahmen der ordnungsgemäßen Behandlung von Tieren oder Tierbeständen abgegeben bzw. angewendet werden. Eine Aushändigung von Arzneimitteln auf Anweisung und in Verantwortung der Tierärztin/des Tierarztes durch Dritte ist möglich, sofern diese dazu befugt und ausgebildet sind, und von der Tierärztin/dem Tierarzt beaufsichtigt werden. Eine Aushändigung von Arzneimitteln durch Dritte darf nur in der tierärztlichen Hausapotheke (örtlich, also an der gemeldeten Adresse) erfolgen. Die legale Ausübung des Dispensierrechts außerhalb der geförderten Beratung ergibt für das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz keinen hinreichenden Anhaltspunkt des Vorliegens einer Vereinbarung oder der Abstimmung , welche die bewusste oder jedenfalls in Kauf genommene Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbes bezweckt oder bewirkt. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2590 7. Inwiefern ist ein derartiges Geschäftsmodell mit der Gebührenordnung für Tierärzte vereinbar? Zu 7.: In den Anmerkungen der Bundestierärztekammer zur Gebührenordnung für Tier - ärzte (GOT) zu § 8 Arzneimittelpreise ist aufgeführt, dass es aus wettbewerblichen Gründen nicht zulässig ist, Arzneimittel ohne Berechnung abzugeben. 8. Inwiefern betrachtet sie das oben dargestellte Geschäftsmodell als dazu geeignet , die Neutralität der Beratung dahingehend sicherzustellen, dass die Beraterinnen und Berater tatsächlich fachlich angemessene Arzneimittelmengen abgeben bzw. nicht aufgrund denkbarer wirtschaftlicher Abhängigkeitsverhält - nisse dem Druck ausgesetzt sind, Gefälligkeitsabgaben durchführen zu müssen (z. B. bei Antibiotika)? 9. Inwiefern stellt dieses Geschäftsmodell nach ihrer Rechtsauffassung eine rechtmäßige Verwendung von Fördermitteln der Europäischen Union für landwirtschaftliche Beratungsmodule im Sinne der Verordnung der Europäischen Union 1306/2013 vom 17. Dezember 2017 dar? Zu 8. und 9.: Wirtschaftliche Abhängigkeiten würden aus Sicht des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz einen Interessenkonflikt darstellen. Bei solch einem Interessenskonflikt würde das Geschäftsmodell der VO (EU) Nr. 1306/3017 vom 17. Dezember 2013 nicht entsprechen. Im Rahmen der Vergabe bzw. Zulassung erklären die Beratungsorganisation und die Beratungskräfte den Ausschluss von Interessenkonflikten (auf die Beantwortung zu Fragen 2 bis 4 wird verwiesen). Da die Beratungskräfte in den landwirtschaftlichen Unternehmen, in denen sie Beratungsleistungen durchführen, nicht tierärztlich behandeln dürfen, dürfen sie in diesen Betrieben auch keine Arzneimittel abgeben. 10. Inwiefern trifft es zu, dass Bedienstete des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz bestimmten Beratungsorganisationen mit der Rechtsform eines eingetragenen Vereins nahe gelegt haben, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu gründen, um dem möglichen Vorwurf eines Interessenkonflikts der Vereinsmitglieder vorzubeugen? Zu 10.: Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz hat im Rahmen der Umstrukturierung der Beratungsförderung 2014 allen damals noch geförderten Beratungsdiensten Workshops unter Beteiligung externer Spezialisten angeboten , bei denen die Vor- und Nachteile der verschiedenen Rechtsformen beleuchtet wurden. Ein wie in der Frage formulierter Hinweis von Bediensteten zur Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist nicht bekannt. In Vertretung Puchan Ministerialdirektorin