Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 2599 08. 09. 2017 1Eingegangen: 08. 09. 2017 / Ausgegeben: 26. 10. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Sind ihr Fälle von Geräten – wie beispielsweise Drucker – in der Landesverwaltung bekannt, die von geplanter Obsoleszenz betroffen sind? 2. Welche Kenntnisse liegen ihr über den wirtschaftlichen Schaden für Verbraucher durch geplante Obsoleszenz vor? 3. Welche Kenntnisse hat sie darüber, welche Unternehmen in Baden-Württemberg mit dem Mittel der geplanten Obsoleszenz arbeiten? 4. Welche verbraucherschutzpolitischen Maßnahmen will sie ergreifen, um Verbraucher zu stärken und der geplanten Obsoleszenz entgegenzuwirken? 5. Welche Maßnahmen strebt sie an, um Reparaturen von Geräten attraktiver zu gestalten und so Ressourcen und Umwelt zu schonen? 6. Hält sie es für geboten, Reparaturkosten für Geräte wie Handwerkerrechnungen bei der Steuererklärung zu behandeln? 7. Hat sie Kenntnis darüber, in welchen Bereichen ein Engpass für die Versorgung von Ersatzteilen besteht, obwohl die betreffenden Produkte sich noch auf dem Markt befinden? 8. Welche rechtlichen Konsequenzen drohen den Herstellern, wenn eine geplante Obsoleszenz festgestellt wird? 9. Wie steht sie zu der Idee einer je nach Geräteart gestalteten Mindestlebens - dauer über die Garantie von zwei Jahren hinaus? Kleine Anfrage des Abg. Lars Patrick Berg AfD und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Geplante Obsoleszenz – Verbraucherschutz stärken Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2599 2 10. Ist ihr bekannt, wie viele Verdachtsfälle auf geplante Obsoleszenz 2016 der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e. V. gemeldet wurden? 17. 08. 2017 Berg AfD B e g r ü n d u n g Geplante Obsoleszenz gilt als Teil einer Produktstrategie, bei der Lösungen mit absehbar kurzer Haltbarkeit entwickelt, Rohstoffe von minderer Qualität eingesetzt und/oder keine Ersatzteile angeboten werden, mit dem Ziel, dass das Produkt schneller schad- oder fehlerhaft wird oder nicht mehr in vollem Umfang genutzt werden kann – also das bewusste Einbauen von Schwachstellen in das betreffende Produkt für dieses Ziel. Dieses mutmaßliche Vorgehen mag einzelnen Produzenten möglicherweise zu mehr und schnellerem Umsatz verhelfen, liegt aber nach Auffassung des Frage - stellers weder im Interesse des Verbraucherschutzes noch im Sinne des schonenden Umgangs mit Ressourcen und Natur. Diese Kleine Anfrage soll die Thematik in Baden-Württemberg beleuchten. A n t w o r t Mit Schreiben vom 5. Oktober 2017 Nr. Z(37)-0141.5/198F beantwortet das Minis - terium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, dem Ministerium für Finanzen , dem Ministerium der Justiz und für Europa sowie dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Sind ihr Fälle von Geräten – wie beispielsweise Drucker – in der Landesverwaltung bekannt, die von geplanter Obsoleszenz betroffen sind? Zu 1.: Bislang existieren keine gesicherten Nachweise für das Phänomen einer „geplanten “ Obsoleszenz im Sinne einer mutwilligen, manipulativen Beeinflussung der Lebensdauer von Produkten durch Hersteller. So hatte beispielsweise die Stiftung Warentest in ihrem Themen-Special zur Obsoleszenz vom 29. August 20131 Produkt -Dauertests der vergangenen zehn Jahre ausgewertet und keine Anzeichen von geplanter Obsoleszenz gefunden. Dies entspricht auch dem Ergebnis einer Untersuchung des Öko-Institut e. V. und der Universität Bonn im Auftrag des Umweltbundesamtes aus dem Jahre 20162. _____________________________________ 1 „Schon kaputt?“ test 9/2013, S. 58–64, online unter: https://www.test.de/Geplante-Obsoleszenz- Gerade-gekauft-und-schon-wieder-hin-4596260-0/ 2 „Einfluss der Nutzungsdauer von Produkten auf ihre Umweltwirkung: Schaffung einer Informationsgrundlage und Entwicklung von Strategien gegen „Obsoleszenz“ von Siddharth Prakash , Günther Dehoust, Martin Gsell, Tobias Schleicher, Öko-Institut e. V. – Institut für Angewandte Ökologie, und Prof. Dr. Rainer Stamminger, Universität Bonn, Institut für Landtechnik, im Auftrag des Umweltbundesamtes 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2599 Schwerpunkte, auch im Hinblick auf bewusst eingebaute Schwachstellen, konnten im Rahmen der Studie nicht identifiziert werden. Der Landesregierung sind keine Fälle über Geräte, wie z. B. Drucker, in der Landesverwaltung bekannt, die von geplanter Obsoleszenz betroffen sind. 2. Welche Kenntnisse liegen ihr über den wirtschaftlichen Schaden für Verbraucher durch geplante Obsoleszenz vor? Zu 2.: Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 3. Welche Kenntnisse hat sie darüber, welche Unternehmen in Baden-Württemberg mit dem Mittel der geplanten Obsoleszenz arbeiten? Zu 3.: Kenntnisse über Unternehmen, welche mit geplanter Obsoleszenz bei Produkten arbeiten, liegen der Landesregierung nicht vor. 4. Welche verbraucherschutzpolitischen Maßnahmen will sie ergreifen, um Verbraucher zu stärken und der geplanten Obsoleszenz entgegenzuwirken? 5. Welche Maßnahmen strebt sie an, um Reparaturen von Geräten attraktiver zu gestalten und so Ressourcen und Umwelt zu schonen? Zu 4. und 5.: Baden-Württemberg setzt sich insbesondere im Rahmen der Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) sowie über den Bundesrat für eine Stärkung der Verbraucherrechte ein. Das Thema vorzeitiger Verschleiß bzw. Obsoleszenz von Produkten war in den vergangenen Jahren wiederholt Thema der VSMK. Die diesjährige 13. VSMK am 28. April 2017 in Dresden fasste einen Beschluss (TOP 54), in dem sich die Verbraucherschutzminister der Länder insbesondere für eine Verlängerung der Gewährleistungsfristen bei Waren mit einer langen Lebensdauer sowie für einen Rechtsanspruch auf Reparaturfähigkeit und Nutzbarkeit aussprachen. Einen besonders dringenden Handlungsbedarf sah die VSMK bei Waren mit einer zu erwartenden Lebensdauer von mindestens fünf Jahren. Die Verbraucherschutzminister der Länder sprachen sich ferner für eine Verlängerung der geltenden Beweislastumkehr von sechs Monaten auf zwei Jahre aus. Der Bund wurde gebeten, zeitnah mit den Vorbereitungen für einen Gesetzentwurf zu beginnen, der diese Empfehlungen berücksichtigt. Im Bundesrat wurde der vorzeitige Verschleiß von Produkten vor allem im Kontext des Vorschlags für eine Richtlinie über „bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren“ (Drs. 614/15) beraten. In seinem Beschluss vom 22. April 2016 forderte der Bundesrat unter anderem, dass neben den Kriterien der Qualität und Tauglichkeit von Waren auch die Haltbarkeit ausdrücklich in die Richtlinie aufgenommen werden sollte. Die Vertragsmäßigkeit einer Ware sollte somit auch davon abhängen, ob die Ware die Haltbarkeit aufweist, die der Verbraucher beim Kauf erwarten kann. Ferner sollte die Bundesregierung darauf hinwirken, dass die zweijährige Gewährleistungsfrist weiterhin als Mindeststandard ausgestaltet wird. Vor allem bei höherwertigen Produkten sollte für die Mitgliedstaaten auch weiterhin die Möglichkeit bestehen, längere Gewährleistungsfristen zu normieren. Derzeit befindet sich der Richtlinienvorschlag noch in den Beratungen beim Rat und beim EU-Parlament. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2599 4 Außerdem unterstützt das MLR das Verbraucherforschungszentrum „Verbraucher , Markt und Politik“ (CCMP) an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen. Das CCMP vernetzt Akteure der Verbraucherforschung, erstellt und begleitet Studien zu verbraucherpolitischen Themen des MLR und führt themenbezogene Veranstaltungen durch. Am 28. November 2014 fand an der Hochschule Pforzheim im Rahmen dieses Forschungsnetzwerks des CCMP ein Verbraucherforschungsforum zum Thema „Obsoleszenz: Qualitätsprodukte oder geplanter Verschleiß“ statt. Drei interdisziplinäre Workshops gingen den verschiedenen Aspekten des Phänomens Obsoleszenz nach: aus Unternehmensperspektive, aus gesellschaftlicher Perspektive sowie im Kontext des Mode- und Designwechsels. Die Veranstaltung wurde in einem Buchband „Obsoleszenz interdisziplinär. Vorzeitiger Verschleiß aus Sicht von Wissenschaft und Praxis“ dokumentiert. Darüber hinaus hat die Landesregierung bereits in ihrer Koalitionsvereinbarung Ressourceneffizienz zum Leitmotiv ihres politischen Handelns erklärt. Erstmals wurde mit der „Landesstrategie Ressourceneffizienz“ ein konzeptioneller Rahmen mit klaren Zielen für die Landespolitik geschaffen. Eine der insgesamt 31 Maßnahmen ist die aktive Beteiligung des Landes an der Weiterentwicklung der euro - päischen Ökodesign-Richtlinie. Denn das Design von Produkten ist entscheidend für deren Ressourcenverbrauch während der Nutzungsphase sowie der spätere Reparatur- und Recyclingfähigkeit. Es wird diskutiert im Rahmen der Weiterentwicklung der Ökodesign-Richtlinie, etwa durch Anforderungen an die Reparierbarkeit und Haltbarkeit von Produkten, einen deutlichen Beitrag zur Steigerung der Ressourcenschonung zu leisten. Um Reparaturen von Geräten attraktiver zu gestalten und so Ressourcen und Umwelt zu schonen, hat die Geschäftsstelle der Nachhaltigkeitsstrategie im UM gemeinsam mit mehreren Organisationen aus Kirche und Zivilgesellschaft sowie der Deutschen Telekom Technik GmbH die Handy-Aktion Baden-Württemberg ins Leben gerufen. Die Handy-Aktion informiert über die sozialen, ökologischen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Auswirkungen des weltweiten Smart - phone-Booms und sammelt alte Mobiltelefone. Rund 15 % der gesammelten Geräte sind voll funktionsfähig und eignen sich zur weiteren Verwendung. Die restlichen Geräte werden entweder repariert oder recycelt. Bis zu 60 Prozent der in einem Mobiltelefon eingesetzten Materialien lassen sich somit ein weiteres Mal verwenden. Auch die Reparatur und Wiederverwendung von Textilien wird im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes gefördert. Im Rahmen eines Projektes mit der Stiftung Entwicklungszusammenarbeit (SEZ) zum Thema Future Fashion werden etwa nachhaltige Stadtführungen angeboten, die über Wiederverwendung, Umnutzung und Upcycling von Bekleidung informieren sollen. Darüber hinaus werden im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie Baden-Württemberg zahlreiche zivilgesellschaftliche Aktivitäten unterstützt, die sich des Themas Reparatur und Ressourcenschutz annehmen, darunter etwa Repair-Cafés und Tauschbörsen. 6. Hält sie es für geboten, Reparaturkosten für Geräte wie Handwerkerrechnungen bei der Steuererklärung zu behandeln? Zu 6.: Nach § 35 a Absatz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) führt die Inanspruch - nahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen auf Antrag zu einer Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer . Sie beträgt 20 % der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens jedoch 1.200 Euro. Voraussetzung ist, dass die Handwerkerleistung haushaltsnah erbracht wird, der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung, d. h. unbar, erfolgt ist. Die Handwerkerleistung muss dabei in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2599 Da die Handwerkerleistung „in“ einem inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden muss, sind nach allgemeiner Auffassung nur handwerkliche Tätigkeiten begünstigt, die in der privaten Wohnung bzw. dem Haus nebst Zubehörräumen und Garten geleistet werden. Dabei werden die Grenzen des Haushalts im Sinne des § 35 a EStG nicht ausnahmslos durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt. Es muss sich allerdings immer noch um Leistungen handeln, die in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen. Deshalb besteht kein Bedarf, die aktuelle Rechtslage im Sinne der Fragestellung anzupassen. 7. Hat sie Kenntnis darüber, in welchen Bereichen ein Engpass für die Versorgung von Ersatzteilen besteht, obwohl die betreffenden Produkte sich noch auf dem Markt befinden? Zu 7.: Je nach Branche, Qualität und Alter eines Produktes gibt es große Unterschiede bei der Versorgung mit Ersatzteilen. Eine unterschiedliche Verfügbarkeit von Ersatzteilen sei sowohl bei Herstellern als auch bei den angeschlossenen Handelsstufen festzustellen. Nach den Erfahrungen des Fachverbands Elektro- und Informationstechnik Baden-Württemberg seien Ersatzteile etablierter Hersteller oft auch nach 10 Jahren noch verfügbar, was viele Hersteller auch ausdrücklich zu - sichern würden. Der Fachverband beobachte vor allem bei Elektro-Kleingeräten im Niedrigpreissegment wie Akkuschraubern, elektrischen Zahnbürsten oder Haar - trocknern, dass Hersteller bei solchen Produkten Gehäuse verschweißen bzw. anderweitige Vorkehrungen treffen, durch die diese Geräte nicht repariert werden können. Für solche Billig-Produkte sei auch keine Ersatzteilversorgung gegeben. Hier müsse im Hinblick auf den Einbau von Ersatzteilen der Preis des jeweiligen Produkts bzw. Gerätes im Verhältnis zum Preis der Logistikfinanzierung einer Ersatzteilbeschaffung und zum Arbeitslohn für den Einbau gesehen werden. 8. Welche rechtlichen Konsequenzen drohen den Herstellern, wenn eine geplante Obsoleszenz festgestellt wird? Zu 8.: Gelingt der Nachweis einer vom Hersteller nicht offen gelegten und nicht gerechtfertigten Manipulation von Produkten zur absichtlichen Verkürzung ihrer gewöhnlichen Lebensdauer, kommen je nach den Umständen des Einzelfalls schuldrechtliche , wettbewerbsrechtliche und bei Vorliegen eines Betrugstatbestands auch strafrechtliche Konsequenzen in Betracht. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Frage 1 verwiesen. 9. Wie steht sie zu der Idee einer je nach Geräteart gestalteten Mindestlebens - dauer über die Garantie von zwei Jahren hinaus? Zu 9.: Alle Produkte oder Geräte werden grundsätzlich auf eine bestimmte Lebensdauer hin ausgerichtet. So werden bestimmte Produkte zum Beispiel auf eine Begrenzung der thermischen oder mechanischen Belastung, der Anzahl von Schaltzyklen oder bei einer Glühbirne auf die Brenndauer ausgerichtet. Für eine gesetzgeberische Umsetzung ist hier der Bund zuständig. Unabhängig von der gesetzlichen Gewährleistung besteht momentan für jeden Hersteller oder Verkäufer die freiwillige Möglichkeit eine Garantie für einen längeren Zeitraum zusätzlich abzugeben. Dies kann durch eine Erklärung oder durch Zusagen in der Werbung erfolgen. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Fragen 4 und 5 verwiesen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2599 6 10. Ist ihr bekannt, wie viele Verdachtsfälle auf geplante Obsoleszenz 2016 der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e. V. gemeldet wurden? Zu 10.: Die Verbraucherzentrale vermerkt Fälle von Mängeln der Produkte in der Regel unter der Kategorie Gewährleistung bzw. Garantie, es sei denn es handelt sich um Fälle, die aufgrund von Sicherheitsmängeln einer Aufsicht gemeldet werden. Eine eigene Erfassung unter dem Stichwort Obsoleszenz erfolgt nicht. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e. V. verfügt über keine technische Expertise, bei den von Verbrauchern vorgebrachten Problemen eine geplante Obsoleszenz feststellen zu können. Diese ist in der Regel erforderlich, um schlecht konstruierte Produkte von einer geplanten Obsoleszenz unterscheiden zu können. Hauk Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz