Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 2615 07. 09. 2017 1Eingegangen: 07. 09. 2017 / Ausgegeben: 20. 10. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Bedeutung misst sie den im Landkreis Schwäbisch Hall gewonnenen mineralischen Rohstoffgruppen für die regionale, landesweite und bundesweite Bedarfsdeckung bei (z. B. Crailsheimer Muschelkalk, Gips und Anhydrit sowie gebrochene Natursteine aus Muschelkalk und Ziegeleirohstoffe)? 2. Wie viele Steinbrüche im Landkreis Schwäbisch Hall fördern jeweils Muschelkalke für die Herstellung von Baurohstoffen und/oder Crailsheimer Muschelkalk als architektonisch bundesweit gefragten Naturwerkstein? 3. In welchem Umfang sind für die oben genannten Steinbrüche, über die genehmigten Abbauflächen hinaus, Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für den Abbau und zur Sicherung von Rohstoffen festgelegt? 4. Inwiefern sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten im Landkreis Schwäbisch Hall Steinbrüche aufgrund fehlender Lagerstättenpotenziale stillgelegt worden? 5. Inwiefern gibt es Steinbrüche im Landkreis Schwäbisch Hall, die aus heutiger Sicht in absehbarer Zeit nicht mehr erweiterbar sind und somit für die Versorgung ausfallen? 6. Inwiefern ist die mittel- und langfristige Rohstoffversorgung der einzelnen Roh - stoffgruppen noch gewährleistet, wenn wesentliche Teile der einzelnen gesicherten Gebiete nicht genehmigt werden? 7. Was gedenkt sie zu tun, um die dezentrale Gewinnung von Rohstoffen aufrecht zu erhalten? Kleine Anfrage des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Rohstoffsicherung im Landkreis Schwäbisch Hall Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2615 2 8. Welche Bedeutung haben die Steinbrüche im Landkreis Schwäbisch Hall für die Verwertung von unbelastetem Bodenaushub im Rahmen der Rekultivierung ? 9. Von welchem Zeitbedarf ist überschlägig für die Erlangung von fachrechtlichen Abbaugenehmigungen auszugehen? 10. Welche einzelnen Verfahrensschritte geben der Öffentlichkeit gegebenenfalls die Möglichkeit, sich an einschlägigen Verfahren zu beteiligen? 07. 09. 2017 Dr. Bullinger FDP/DVP A n t w o r t Mit Schreiben vom 4. Oktober 2017 Nr. 4-4704/181 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Bedeutung misst sie den im Landkreis Schwäbisch Hall gewonnenen mineralischen Rohstoffgruppen für die regionale, landesweite und bundesweite Bedarfsdeckung bei (z. B. Crailsheimer Muschelkalk, Gips und Anhydrit sowie gebrochene Natursteine aus Muschelkalk und Ziegeleirohstoffe)? Im Landkreis Schwäbisch Hall sind nach Information des Landesamts für Geologie , Rohstoffe und Bergbau (LGRB) derzeit 19 Gewinnungsstellen in Betrieb, davon sind 17 Steinbrüche; außerdem ist ein Bergwerk (Anhydritgrube Vellberg- Talheim) und eine Bohrlochgewinnung (Sole) in Betrieb. Mengenmäßig wichtigste mineralische Rohstoffe sind die Kalksteine des Oberen Muschelkalks, die in sieben großen Steinbrüchen gewonnen werden; ein weiterer Steinbruch ist zeitweise in Betrieb. Die Gesamtförderung an Kalkstein beträgt derzeit ca. 3,3 Mio. Tonnen. Die überwiegende Zahl der aus den Kalksteinen gewonnenen Produkte hat regionale Bedeutung. Von großer Bedeutung ist außerdem die Gewinnung von Gips- und Anhydritstein, welcher derzeit an zehn Gewinnungsorten abgebaut wird; davon sind sieben Gruben ständig in Betrieb, drei zeitweise. Die gewonnenen Gips- und Anhydritsteinmengen werden überregional verarbeitet, die daraus erzeugten Produkte kommen bundesweit zum Einsatz. Neben dem Abbaugebiet auf der Baar (Region Schwarzwald -Baar-Heuberg) ist das Gebiet um Schwäbisch Hall und Crailsheim das zweitbedeutendste zur Gewinnung hochwertiger Gips- und Anhydrit-Rohstoffe in Baden-Württemberg. Landesweit werden seit 2010/2011 jährlich rund 1,1 Mio. Tonnen Rohgips gewonnen; aus dem Raum Schwäbisch Hall-Crailsheim stammen derzeit nur noch ca. 300.000 Tonnen; im Jahr 1992 waren dies noch über 420.000 Tonnen. Wegen der Stilllegung eines Gipsplattenwerks bei Jagstheim im Jahr 2000 wurde der Abbau in zwei Gipsgruben stark reduziert. Bundes- und sogar europaweiten Einsatz finden die hochwertigen Naturwerksteinblöcke und -waren aus dem Crailsheimer Muschelkalk (Steinbruch Satteldorf -Neidenfels). Ziegeleirohstoffe werden im Landkreis Schwäbisch Hall seit dem Jahr 2000 in Folge bundesweiter Konzentrationsprozesse nicht mehr gewonnen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2615 2. Wie viele Steinbrüche im Landkreis Schwäbisch Hall fördern jeweils Muschelkalke für die Herstellung von Baurohstoffen und/oder Crailsheimer Muschelkalk als architektonisch bundesweit gefragten Naturwerkstein? Derzeit findet nach Auskunft des LGRB Gewinnung von Muschelkalk in sieben Steinbrüchen statt (Wittighausen, Satteldorf-Heldenmühle, Satteldorf-Neidenfels, Michelbach-Wilhelmsglück, Vellberg-Eschenau, Obersontheim-Ummenhofen, Blau - felden-Gammesfeld [Metzholz]); ein weiterer Steinbruch (Kirchberg a. d. Jagst) ist nur zeitweise in Betrieb. Im Steinbruch Satteldorf-Neidenfels werden auch zwei Gesteinsschichten im Crailsheimer Muschelkalk separat für Naturwerksteinwaren abgebaut. 3. In welchem Umfang sind für die oben genannten Steinbrüche, über die genehmigten Abbauflächen hinaus, Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für den Abbau und zur Sicherung von Rohstoffen festgelegt? Im Regionalplan Heilbronn-Franken 2020 aus dem Jahr 2006 sind im Landkreis Schwäbisch Hall an insgesamt 26 Standorten Gebiete für den Abbau (Vorrang - gebiete) und/oder Gebiete zur Sicherung von Rohstoffen (Vorbehaltsgebiete) festgelegt . Acht Standorte betreffen den Rohstoff Muschelkalk, 15 Standorte Gips/ Anhydrit sowie drei Standorte Sand und Ton. Die Festlegungen umfassen – beim Muschelkalk ca. 205 ha in sieben Vorranggebieten und ca. 61 ha in fünf Vorbehaltsgebieten, – beim Gips/Anhydrit ca. 419 ha in neun Vorranggebieten und ca. 245 ha in 13 Vorbehaltsgebieten sowie – bei Sand und Ton ca. 14 ha in zwei Vorranggebieten und 47 ha in drei Vor - behaltsgebieten. Die Vorranggebiete, in denen die Gewinnung von Rohstoffen stattfindet, umfassen dabei die genehmigten Abbauflächen zum Zeitpunkt der Festlegung der Vorranggebiete im Regionalplan. In allen Vorranggebieten für Muschelkalk wird auch Rohstoff gewonnen. Lediglich am Standort Blaufelden-Gammesfeld findet keine Gewinnung mehr statt, da der Betrieb in dem Gemeinschaftsvorhaben Blaufelden-Gammesfeld (Metzholz) aufgegangen ist. In sieben Vorranggebieten für Gips/Anhydrit findet Rohstoffgewinnung statt, in zwei weiteren (Crailsheim-Wittau und Jagstheim) nach Kenntnisstand des Regionalverbands Heilbronn-Franken nicht kontinuierlich. In einem Vorbehaltsgebiet wurde zwischenzeitlich der Abbaubetrieb aufgenommen (Crailsheim-Maulach/ Triensbach). 4. Inwiefern sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten im Landkreis Schwäbisch Hall Steinbrüche aufgrund fehlender Lagerstättenpotenziale stillgelegt worden? Vier Steinbrüche zur Gewinnung von Muschelkalk für den Verkehrswegebau wurden laut Auskunft des LGRB in den Jahren 1989 bzw. 2003/2004 stillgelegt. Die Gesamtförderung an Muschelkalk ist von rd. 3 Mio. Tonnen im Jahr 1992 auf etwa 3,3 Mio. Tonnen angestiegen. Nach der rohstoffgeologischen Kartierung des LGRB sind bei fast allen stillgelegten Standorten, auch bei denen mit Werksteinlagern , noch Lagerstättenpotenziale entweder direkt am alten Standort oder in der unmittelbaren Nähe vorhanden. In drei aufgelassenen Steinbrüchen (Bölgental, Lobenhausen und Kirchberg-Mistlau) wird derzeit keine Werksteingewinnung betrieben , obwohl noch ausreichende Lagerstättenvorräte vorhanden sind. Die vom LGRB herausgegebene Karte der mineralischen Rohstoffe, Blätter Schwäbisch Hall und Crailsheim, gibt darüber detaillierte Auskunft. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2615 4 5. Inwiefern gibt es Steinbrüche im Landkreis Schwäbisch Hall, die aus heutiger Sicht in absehbarer Zeit nicht mehr erweiterbar sind und somit für die Versorgung ausfallen? Folgende Steinbrüche im Landkreis Schwäbisch Hall sind nach Erreichen der genehmigten Abbaugrenzen aufgrund der örtlichen Gegebenheiten aus Sicht des Landratsamts Schwäbisch Hall nicht mehr erweiterbar: – Muschelkalksteinbruch Satteldorf-Neidenfels (Kernmühle) – Muschelkalksteinbruch, Michelbach/Bilz-Wilhelmsglück – Gipssteinbruch, Gaildorf-Eutendorf. Bei diesen Steinbrüchen/Standorten sind direkt angrenzend an die genehmigten Abbauflächen auch keine weiteren Vorrang-/Vorbehaltsgebiete regionalplanerisch festgelegt. Die restliche Abbaudauer in diesen Steinbrüchen ist abhängig von der Entwicklung des Rohstoffbedarfs, Baukonjunktur etc. und deshalb nicht genau vorher - sehbar. 6. Inwiefern ist die mittel- und langfristige Rohstoffversorgung der einzelnen Roh - stoffgruppen noch gewährleistet, wenn wesentliche Teile der einzelnen gesicherten Gebiete nicht genehmigt werden? Nach Mitteilung des Regionalverbands Heilbronn-Franken wurden in der bisherigen Laufzeit des Regionalplans nur an zwei Standorten für Muschelkalk Erweiterungen /Tiefenabbau beantragt (Blaufelden-Gammesfeld [Metzholz] und Obersontheim -Ummenhofen), jeweils innerhalb der Vorrang- bzw. Vorbehaltsgebiete. Beim Gips ist derzeit ein Verfahren anhängig, das ebenfalls innerhalb von Vorranggebieten bzw. Vorbehaltsgebieten liegt (Satteldorf, Simmelbusch). Darüber hinaus sind dem Regionalverband Heilbronn-Franken zwei Verlängerungen von Rahmenbetriebsplänen an den Standorten Vellberg-Talheim, Kreuzhalde und Obersontheim-Mittelfischach, Hitzberg bekannt. Die im Regionalplan festgelegten Vorrang- und Vorbehaltsgebiete sind demnach bei weitem nicht ausgeschöpft. Es liegen auch keine Hinweise vor, die zu der Vermutung Anlass geben, dass wesentliche Teile der als Vorrang-/Vorbehaltsgebiet gesicherten Flächen keine Abbaugenehmigung erhalten könnten. Ein solcher Fall ist bislang auch noch nicht eingetreten. Insofern erscheint die Fragestellung theoretisch. Sollte es in einem Einzelfall aufgrund mangelnder Erweiterung tatsächlich zur Schließung eines Steinbruchs kommen, wird es zu Nachfrageverlagerungen an andere bestehende Standorte im Umfeld kommen. Die Abbauzeiträume der Steinbrüche mit dadurch erhöhter Nachfrage können sich dann ggf. verändern. 7. Was gedenkt sie zu tun, um die dezentrale Gewinnung von Rohstoffen aufrecht zu erhalten? Die dezentrale Gewinnung von Rohstoffen im Landkreis Schwäbisch Hall wird als nicht gefährdet angesehen. Insoweit ist auch keine Strategie zu deren Auf - rechterhaltung erforderlich. 8. Welche Bedeutung haben die Steinbrüche im Landkreis Schwäbisch Hall für die Verwertung von unbelastetem Bodenaushub im Rahmen der Rekultivierung ? Die genehmigten Rekultivierungspläne sehen nach Auskunft des Landratsamts Schwäbisch Hall i. d. R. nach dem Abbau die Verfüllung der Abbaustätten mit unbelastetem Bodenaushub zur Vorbereitung der Rekultivierung vor. Das große Auffüllvolumen der Steinbrüche im Landkreis Schwäbisch Hall ist für die Verwertung von unbelastetem Bodenaushub von erheblicher Bedeutung. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2615 9. Von welchem Zeitbedarf ist überschlägig für die Erlangung von fachrechtlichen Abbaugenehmigungen auszugehen? Die Vorbereitung der Antragsunterlagen für Abbauanträge mit den notwendigen Voruntersuchungen z. B. Artenschutz, Hydrogeologie, Spreng- und Erschütterungsgutachten , Staub-/Lärmprognose, Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) etc. beansprucht mindestens ein Jahr. Die Dauer der Genehmigungsverfahren am LRA Schwäbisch Hall ist abhängig von der Verfahrensart (förmliches oder vereinfachtes immissionsschutzrechtliches Verfahren, Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) oder UVP-Vorprüfung) und beträgt nach Vorliegen vollständiger Antragsunterlagen ca. 6 bis 12 Monate. Bei der Erteilung von Abbaugenehmigungen nach Bergrecht ist der Zeitbedarf stark abhängig von der Art des durchzuführenden Verfahrens (obligatorischer Rahmenbetriebsplan als Planfeststellungsverfahren mit UVP und förmlicher Öffentlichkeitsbeteiligung oder „einfacher“ fakultativer Rahmenbetriebsplan) sowie der Frage, ob zusätzlich zum bergrechtlichen Verfahren vorgelagert ein Raumordnungsverfahren durchzuführen ist, der Komplexität des Verfahrens, der Qualität der Antragsunterlagen und dem Konfliktpotenzial mit anderen Schutzzielen. Die reine Verfahrensdauer nach Einreichen der endgültigen Antragsunterlagen kann überschlägig zwischen ein und drei Jahren betragen. 10. Welche einzelnen Verfahrensschritte geben der Öffentlichkeit gegebenenfalls die Möglichkeit, sich an einschlägigen Verfahren zu beteiligen? Nach § 2 Umweltverwaltungsgesetz (UVwG) soll bei Vorhaben, für welche die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) besteht , bereits vor Antragstellung seitens des Antragstellers eine sog. frühe Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgen. In Verfahren nach § 10 Bundes-Immissionsschutzgesetz und wenn die Verpflichtung zur Durchführung einer UVP besteht, ist die Öffentlichkeitsbeteiligung nach UVwG zwingend vorgeschrieben. Bei Verfahren nach Bergrecht, die gemäß § 1 Nr. 1 b) UVP-V Bergbau einer UVP bedürfen, ist eine förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. Darüber hinaus eröffnet sich bei allen Verfahren eine Beteiligung der Öffentlichkeit über die Instrumente der „frühen Öffentlichkeitsbeteiligung“. In Vertretung Dr. Baumann Staatssekretär