Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 263 06. 07. 2016 1Eingegangen: 06. 07. 2016 / Ausgegeben: 12. 08. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie hat sich die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den verschiedenen Freiwilligendiensten in Baden-Württemberg in den letzten fünf Jahren entwickelt ? 2. Wie hoch sind die jeweiligen öffentlichen Zuschüsse für die jeweiligen Dienste und welche Kostendeckungsgrade ergeben sich hieraus? 3. Welche Lücken würden ohne die Freiwilligendienste in der sozialen Infrastruktur entstehen bzw. welche Kosten wären für den Ersatz durch entsprechende Beschäftigungsverhältnisse zu decken? 4. In welchen Ländern ist nach ihren Erkenntnissen das sogenannte Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) Politik eingeführt? 5. Wie bewertet sie die Einführung eines FSJ Politik im Land? 6. Werden nach ihren Erkenntnissen bereits im politischen Bereich FSJ über Dritte aus dem Bereich der Liga der freien Wohlfahrtspflege angeboten? 7. Wie möchte sie die Freiwilligendienste in Baden-Württemberg weiterentwickeln ? 06. 07. 2016 Keck FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Jürgen Keck FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Soziales und Integration Entwicklung der Freiwilligendienste Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 263 2 B e g r ü n d u n g Die Freiwilligendienste ermöglichen insbesondere jungen Menschen die Stärkung sozialer Kompetenzen und sie gewähren Einblicke in verschiedene Berufsfelder. Mit dieser Kleinen Anfrage soll die bisherige Entwicklung sowie die weiteren Zukunftsperspektiven dieses Bereichs abgefragt werden. A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 3. August 2016 Nr. 24-5002.4-020 beantwortet das Ministe - rium für Soziales und Integration die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie hat sich die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den verschiedenen Freiwilligendiensten in Baden-Württemberg in den letzten fünf Jahren entwickelt ? Die Anzahl der Teilnehmenden in Baden-Württemberg in den Freiwilligendiens - ten Freiwilliges Soziales Jahr, Freiwilliges Ökologisches Jahr und Bundesfreiwilligendienst in den letzten fünf Jahren sind in folgenden Tabellen dargestellt: Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) *) Nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist eingegangen. Jahr Teilnehmendenzahlen 2012 10.497 2013 10.931 2014 12.350 2015 12.748 2016 12.732 (bisher gemeldet) Jahr Teilnehmendenzahlen 2012/2013 210 2013/2014 210 2014/2015 210 2015/2016 226 2016/2017 226 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 263 Bundesfreiwilligendienst (BFD) 2. Wie hoch sind die jeweiligen öffentlichen Zuschüsse für die jeweiligen Dienste und welche Kostendeckungsgrade ergeben sich hieraus? Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ): Der Landeszuschuss zum FSJ beträgt 500 Euro pro Teilnehmerin/Teilnehmer und Jahr für derzeit rd. 49 Prozent der Teilnehmenden. Der Zuschuss wird dabei zur Deckung der Kosten für die gesetzlich vorgeschriebene pädagogische Begleitung und die Seminartage sowie die Organisation derselben gewährt. Die Frage, inwieweit der Zuschuss zur Kostendeckung beiträgt, kann nicht insgesamt beantwortet werden, da die zur Durchführung des FSJ zugelassenen Träger individuelle Bildungskonzepte und pädagogische Konzepte bereithalten, die unterschiedliche Kosten ausweisen. Eine Kostendeckung erfolgt jedoch in keinem Fall. Der Bundeszuschuss beträgt je Monat und Teilnehmerin oder Teilnehmer im FSJ zu - sätzlich zum Landeszuschuss durchschnittlich 121 Euro, kann aber bis zu 200 Euro betragen. Er wird dabei an die bundeszentralen Stellen der Trägerverbände aus - gereicht, die ihn wiederum an ihre Mitgliedsverbände oder Untergliederungen weiterreichen. Welcher Anteil des Zuschusses nach Baden-Württemberg fließt bzw. zu welchem Anteil an einzelne Träger in Baden-Württemberg, kann nicht beantwortet werden. Internationaler Jugendfreiwilligendienst: Im Internationalen Jugendfreiwilligendienst – Förderjahrgang 2014/2015 – wurden vom Bund für 33.209 Teilnehmermonate Mittel in Höhe von ca. 11.5 Mio. Euro bewilligt. Im Jahresdurchschnitt nahmen bundesweit 3.397 Freiwillige teil. Weitere Angaben hierzu liegen dem Sozialministerium nicht vor. Freiwilliges Ökologisches Jahr: Exemplarisch kann festgestellt werden, dass aufgrund der Anträge der Träger für den A) Förderjahrgang 2015/2016 im FÖJ in Baden-Württemberg vom Bund für 226 Teilnehmer/-innen (à 200 Euro pro Monat) 542.400 Euro und vom Land für 210 Teilnehmer/-innen (à 350 Euro pro Monat) 882.000 Euro eingesetzt werden und für den B) Förderjahrgang 2013/2014 im FÖJ in Baden-Württemberg vom Bund für 210 Teilnehmer/-innen (à 200 Euro pro Monat) 504.000 Euro und vom Land für 210 Teilnehmer/-innen (à 390 Euro pro Monat) 982.800 Euro bewilligt wurden. Eine zusätzliche Finanzierung mit Mitteln aus anderen Quellen ist erforderlich. Jahr Teilnehmendenzahlen 2012 3.956 2013 4.595 2014 4.933 2015 4.760 2016 4.991 (derzeit im Einsatz) Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 263 4 Bundesfreiwilligendienst: Am Bundesfreiwilligendienst nahmen nach Auskunft des Bundes im Jahresdurchschnitt 2015 ca. 40.000 Freiwillige teil; im Haushalt 2015 waren 167,202 Mio. Euro dafür eingestellt. Für das „Sonderprogramm BFD mit Flüchtlingsbezug“ (Laufzeit 24. Oktober 2015 bis 31. Dezember 2018) wurden im Haushaltsjahr 2016 zusätzlich 50 Mio. Euro eingestellt; damit sollen zusätzlich 10.000 Freiwillige gewonnen werden. Den Einsatzstellen wird mit den zur Verfügung stehenden Mitteln der Aufwand für ein Taschengeld, die Sozialversicherungsbeiträge und die pädagogische Begleitung im Rahmen von Obergrenzen erstattet. Die Erstattung für das Taschengeld und die Sozialversicherungsbeiträge beträgt bis zu 250 Euro pro Monat für Freiwillige, die zu Beginn des BFD das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für Freiwillige ab Vollendung des 25. Lebensjahres bis zu 350 Euro pro Monat . Erstattet werden diese Höchstbeträge, wenn der Einsatzstelle gemäß der Vereinbarung (Vertrag) für die/den Freiwillige/-n auch Kosten in dieser Höhe für Taschengeld und Sozialversicherung (hier zahlt die Einsatzstelle den Arbeitgeberund Arbeitnehmeranteil) entstehen. Liegen die Kosten dafür unter den Höchst - beträgen, wird auch nur dieser Betrag konkret erstattet. Werden den Freiwilligen Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung oder entsprechende Geldersatzleistungen gewährt, tragen die Einsatzstellen diese Kosten vollständig. Darüber hinaus tragen die Einsatzstellen die Kosten der in § 4 BFDG vorgesehenen pädagogischen Begleitung der Freiwilligen. Hierfür werden bis zu 133 Euro in Form von Sach- und Geldleistungen pro Monat und Teilnehmerin und Teilnehmer erstattet. Auch die Fahrtkosten zum Seminar zur politischen Bildung an einem der Bildungszentren des Bundesamtes werden einmalig erstattet. Werden darüber hinaus Seminare an einem der Bildungszentren gebucht, trägt die Einsatzstelle für diese die Fahrtkosten zum Bildungszentrum. Außerdem hat die Einsatzstelle einen Eigenanteil von mindestens 10 % der erstattungsfähigen Kosten für die pädagogische Begleitung zu erbringen. 3. Welche Lücken würden ohne die Freiwilligendienste in der sozialen Infrastruktur entstehen bzw. welche Kosten wären für den Ersatz durch entsprechende Beschäftigungsverhältnisse zu decken? Die Struktur der Freiwilligendienste ist grundsätzlich arbeitsmarktneutral, sie können keine Beschäftigungsverhältnisse ersetzen. Das Freiwillige Soziale Jahr wird dabei als vorwiegend praktische Hilfstätigkeit definiert, die an Lernzielen orientiert ist und das Fachpersonal in den Einrichtungen unterstützen soll. Durch die damit erreichte Entlastung der Fachkräfte können sich diese auf ihre Kerntätigkeiten konzentrieren, was der Versorgung von Patientinnen und Patienten in Kliniken, Bewohnerinnen und Bewohnern von Pflegeheimen oder Einrichtungen für behinderte Menschen sowie Kindern und Jugendlichen in Kinder - tageseinrichtungen, Jugendzentren u. v. m. in hohem Maße zugute kommt. Darüber hinaus üben Freiwillige sogenannte zusätzliche Tätigkeiten aus, die ohne ihr Engagement wegfallen würden. Ohne Freiwillige in sozialen Einrichtungen würden sich große Lücken in der mitmenschlichen Versorgung derjenigen auftun, die auf Hilfe angewiesen sind. Beispielsweise engagieren sich junge Menschen, die ein FSJ geleistet haben auch später in hohem Maße für das Gemeinwohl. Dieser Gewinn, der sich dadurch für das Gemeinwesen ergibt, wäre ohne Freiwilligendienste mit großer Sicherheit weitestgehend verloren. Ein Freiwilligendienst ist insofern keine Frage der Kostenentlastung sondern vielmehr eine Frage des gesellschaftlichen und sozialen Miteinanders. Das Freiwillige Ökologische Jahr bedient überwiegend ökologische Themen und dient damit nicht im eigentlichen Sinne der sozialen Infrastruktur. Es würden daher in ökologischen Bereichen bei den Einsatzstellen Lücken entstehen. Aufgrund der Arbeitsmarktneutralität dürfen Teilnehmende im FÖJ nicht als Arbeitskraftersatz eingesetzt werden. Welche Mehrkosten entstehen würden kann deshalb nicht beurteilt werden. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 263 4. In welchen Ländern ist nach ihren Erkenntnissen das sogenannte Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) Politik eingeführt? Das Freiwillige Soziale Jahr Politik wird nach Erkenntnissen der Landesregierung in Brandenburg, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt durchgeführt. In anderen Bundesländern besteht wie in Baden- Württemberg die Möglichkeit, ein FSJ im politischen Bereich zu leisten, ohne dass hierzu ein gesondertes Format geschaffen wurde. 5. Wie bewertet sie die Einführung eines FSJ Politik im Land? 6. Werden nach ihren Erkenntnissen bereits im politischen Bereich FSJ über Dritte aus dem Bereich der Liga der freien Wohlfahrtspflege angeboten? Die Einführung eines gesonderten FSJ-Formates wie FSJ Politik wird nicht angestrebt . Für Freiwillige gibt es im Rahmen des allgemeinen FSJ Möglichkeiten, ein FSJ im politischen Bereich in Zusammenarbeit mit den zugelassenen Trägern des FSJ zu leisten. Insbesondere die nach dem Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten (JFDG) vorgeschriebenen Seminare bieten Einblick in gesellschaftspolitische , ökologische, ökonomische und interkulturelle Zusammenhänge. Partizipation und Mitbestimmung sind Kerninhalte der Seminare, die die Entwicklung von Handlungsperspektiven auch politischer Art vermitteln. In Einsatzplätzen wie beispielsweise Kommunalverwaltungen, Jugendgemeinderäten, aber auch Medien, Radiosendern oder Verbänden können Jugendliche ihre Kenntnisse, neben den in einem allgemeinen FSJ erworbenen Kompetenzen auf den Feldern Kommunikation und Kooperation, in Entscheidungs- Urteils- und Kritikfähigkeit sowie Konfliktmanagement, auch auf politische Themenfelder erweitern. 7. Wie möchte sie die Freiwilligendienste in Baden-Württemberg weiterentwickeln ? Freiwilliges Soziales Jahr: Die Weiterentwicklung des Freiwilligen Sozialen Jahres in Baden-Württemberg soll zunächst über die Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung führen. Ein besonderes Augenmerk legt die Landesregierung deshalb auf die pädagogische Begleitung sowie die Seminartage. Die Bildungsarbeit als Kernpunkt der Jugendfreiwilligendienste soll gestärkt und aufgewertet werden. Insbesondere sollen in den Seminartagen Inhalte wie Partizipation und Teilhabe noch stärker berücksichtigt werden. Darüber hinaus sollen Möglichkeiten zur verbesserten Anerkennung und Wertschätzung der Dienste ausgelotet werden. Freiwilliges Ökologisches Jahr: Die die Landesregierung tragenden Parteien haben im Koalitionsvertrag für die Legislaturperiode 2016 bis 2021 vereinbart, das FÖJ als wichtige Maßnahme der nachhaltigen Umweltbildung im bisherigen Umfang beizubehalten. Um die Platzzahl in Zukunft auf Stand der Jahre 2012 bis 2015 zu halten, ohne den Fördersatz weiter abzusenken, müssten die Haushaltsmittel auf dem vorhandenen Niveau verstetigt werden. Über die Bereitstellung von Mitteln wird im Rahmen des Haushaltsaufstellungsverfahrens entschieden. Bundesfreiwilligendienst und Internationaler Jugendfreiwilligendienst: Beide Freiwilligendienstformate liegen ausschließlich in der Zuständigkeit des Bundes. Lucha Minister für Soziales und Integration