Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 2649 18. 09. 2017 1Eingegangen: 18. 09. 2017 / Ausgegeben: 02. 11. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet sie das Recht der Weisungsbefugnis des Justizministers gegen - über der Staatsanwaltschaft? 2. Sieht sie hierbei Änderungsbedarf? 3. Wenn ja, welche Gründe sprechen aus ihrer Sicht für eine Beibehaltung der aktuellen Regelung? 4. Wenn nein, welche Gründe sprechen aus ihrer Sicht für eine Änderung der aktuellen Regelung? 5. Welche Änderungen plant sie hierzu in dieser Legislaturperiode? 11. 09. 2017 Klos AfD Kleine Anfrage des Abg. Rüdiger Klos AfD und Antwort des Ministeriums der Justiz und für Europa Weisungsbefugnis des Justizministers auf staatsanwaltliche Prozesse Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2649 2 B e g r ü n d u n g Anders als Richter, die bei ihrer Amtsführung nicht an Weisungen von Vorgesetzten gebunden sind, unterstehen Staatsanwälte in Deutschland der Behörden- und Ministerialhierarchie. Damit sind sie an die Weisungen ihrer jeweiligen Vorgesetzten gebunden. Deren Befugnisse umfassen sowohl Weisungen im Einzelfall − wie etwa das Absehen von Strafverfolgungsmaßnahmen gegen eine bestimmte Person − als auch generelle Anweisungen wie etwa das Absehen von Strafverfolgungsmaßnahmen bei sogenannten Kleinstmengen im Betäubungsmittelrecht. Staatsanwaltschaften müssen objektiv und fair arbeiten, sie sind keine „Partei“ wie man sie aus dem Zivilprozess kennt. Nach § 160 Absatz 2 Strafprozessordnung dürfen sie nicht einseitig gegen den Beschuldigten ermitteln, sondern müssen gleichermaßen belastende wie entlastende Umstände ermitteln. Die Weisungsgebundenheit gibt Anlass für die Sorge der Einmischung, indem der Justizminister als Mitglied der Exekutive Einfluss auf Vorbereitungen der Entscheidungen der Judikative nimmt. Deshalb hat die für die Angelegenheiten der Staats - anwälte zuständige Kommission des Deutschen Richterbunds (DRB) verlangt, dieses Weisungsrecht abzuschaffen, um die Gewaltenteilung gemäß dem Grund - gesetz wiederherzustellen. Ohne diese vom DRB geforderte Reform könnten nach Ansicht des Fragestellers Politiker und Bürger mit guten Beziehungen zur Politik kriminellen Aktivitäten nachgehen und blieben von einer Strafverfolgung verschont . A n t w o r t Mit Schreiben vom 5. Oktober 2017 beantwortet das Ministerium der Justiz und für Europa die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet sie das Recht der Weisungsbefugnis des Justizministers gegen - über der Staatsanwaltschaft? 2. Sieht sie hierbei Änderungsbedarf? 3. Wenn ja, welche Gründe sprechen aus ihrer Sicht für eine Beibehaltung der aktuellen Regelung? 4. Wenn nein, welche Gründe sprechen aus ihrer Sicht für eine Änderung der aktuellen Regelung? 5. Welche Änderungen plant sie hierzu in dieser Legislaturperiode? Zu 1. bis 5.: Nach § 147 Nr. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) steht den Landesjustizverwaltungen das Recht der Aufsicht und Leitung hinsichtlich aller staatsanwaltschaftlicher Beamter des betreffenden Landes zu. Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen (§ 146 GVG). Dabei stehen der Landesjustizverwaltung keine staatsanwaltschaftlichen Befugnisse zu. Die dienstaufsichtsrechtlichen Befugnisse der Landesjustizverwaltung umfassen zum einen allgemeine, generelle und abstrakte Richtlinien zur inhaltlichen oder formellen Verfahrensbearbeitung gleichgelagerter Ermittlungsverfahren, die durch die Landesjustizverwaltung im Interesse einer einheitlichen Strafverfolgungs - praxis etwa in Form von Verwaltungsvorschriften erlassen werden. Zum anderen werden hiervon auch Weisungen zur staatsanwaltschaftlichen Sachbehandlung eines konkreten Einzelfalls („externes Weisungsrecht“) erfasst. Die gesetzlichen Grenzen dieses Weisungsrechts ergeben sich aus dem in § 152 der Strafprozess - ordnung verankerten Legalitätsprinzip, der allgemeinen Bindung der Exekutive 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2649 an Recht und Gesetz, Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) sowie den Strafgesetzen. Eine von sach- und justizfremden Erwägungen getragene Aus - übung des externen Weisungsrechts ist damit unzulässig. In Baden-Württemberg ist der Prüfungsmaßstab für das externe Weisungsrecht in ständiger Selbstbindung des Ministeriums der Justiz und für Europa grundsätzlich nur die rechtliche Vertretbarkeit des staatsanwaltschaftlichen Handelns im konkreten Einzelfall. Entscheidungen, die einen Beurteilungsspielraum aufweisen, und Ermessensentscheidungen werden nicht auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft. Diese Prüfung ist der Generalstaatsanwaltschaft im Rahmen des dortigen Weisungsrechts vorbehalten. Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit sind nach Artikel 97 Absatz 1 GG nur den Richterinnen und Richtern garantiert. Die staatsanwaltschaftliche Weisungsgebundenheit entspricht daher dem verfassungsrechtlichen Prinzip der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament, das einen „ministerialfreien Raum“ auf dem Gebiet der Strafverfolgung nicht zulässt. Zudem gewährleistet das Weisungsrecht die notwendige Einheitlichkeit der Strafverfolgungspraxis . Vor diesem Hintergrund und angesichts der restriktiven Handhabung des externen Weisungsrechts in der Praxis besteht kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Wolf Minister der Justiz und für Europa