Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 2669 21. 09. 2017 1Eingegangen: 21. 09. 2017 / Ausgegeben: 24. 10. 2017 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Wann wurde sie durch die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) von den Plänen zur Aufstockung ihres Anteils an der MVV Energie AG (MVV) unterrichtet ? 2. Wie reagierte sie auf diese Pläne? 3. Gibt es eine offizielle Stellungnahme der Landesregierung gegenüber der Stadt Mannheim, dem Kartellamt, der EnBW oder der MVV? 4. Inwieweit unterstützt sie die Pläne der EnBW, auch im Hinblick darauf, dass die Pläne im Widerspruch zu den artikulierten Interessen der Stadt Mannheim liegen? 5. Respektiert sie den Willen der Stadt Mannheim und macht sie als wichtigster Anteilseigner der EnBW ihren Einfluss auf dieses Landesunternehmen geltend, um einer Aufstockung der Anteile der EnBW an der MVV entgegenzuwirken? 6. Wie bewertet sie die Gefahr von negativen Auswirkungen auf den zukunftsorientierten Kurs durch einen von der Stadt Mannheim als Mehrheitsaktionär abgelehnten Anteilseigner mit qualifizierten Minderheitsrechten? 7. Teilt sie die Befürchtung der Stadt Mannheim, dass durch das Betreiben der EnBW die strategische und operative Ausrichtung der MVV beeinträchtigt wird? 8. Inwieweit und mit welchen Handlungsmöglichkeiten, beispielsweise durch das Instrument einer Konsortialvereinbarung zwischen EnBW und MVV, beabsichtigt die Landesregierung darauf hinzuwirken, die bisher nur mündlich und unverbindlich gegebene Zusage der EnBW, wonach diese mit der Anteilsübernahme keine strategischen Interessen verfolge, rechtlich langfristig verbindlich zu gestalten? Kleine Anfrage der Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei und Dr. Boris Weirauch SPD und Antwort des Ministeriums für Finanzen Aufstockung des Anteilspakets der Energie Baden-Württemberg AG an dem Energieversorgungsunternehmen MVV Energie AG Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2669 2 9. Wie bewertet sie in diesem Zusammenhang die Aussage der EnBW in der Stuttgarter Zeitung vom 16. März 2017, wonach das Unternehmen trotz artikuliertem Interesse einer reinen Finanzanlage nicht ausschließt, „irgendwann in Zukunft einen Aufsichtsratssitz“ anzustreben? 10. Wie vereinbart sie den laut öffentlicher Berichterstattung von ihr ins Auge gefassten möglichen Weiterverkauf des Aktienpakets der EnBW mit qualifizierter Minderheit mit ihrem bekundeten Interesse an einer weiterhin eigenständigen MVV? 21. 09. 2017 Dr. Fulst-Blei, Dr. Weirauch SPD B e g r ü n d u n g Die Landesregierung schätzt das Mannheimer Energieunternehmen MVV nach den Worten von Ministerpräsident Kretschmann als „ein wichtiges Unternehmen in Baden-Württemberg und in der Region“ und ist daran interessiert, „dass es so bleibt“ (Mannheimer Morgen, 14. September 2017). Insbesondere bei erfolg - reicher Umsetzung der pluralistisch angelegten Energiewende im Land und in ganz Deutschland nimmt das kommunal geprägte und in der Metropolregion Rhein- Neckar fest verankerte Unternehmen mit seiner nachhaltigen und innova tiven Strategie eine wichtige Vorreiterrolle ein. Die Stadt Mannheim lehnt als Mehrheitseigentümer der MVV seit Jahrzehnten die EnBW als Partner für die MVV ab. Auch im aktuellen Fall haben sich alle Fraktionen des Mannheimer Gemeinderats gegen diese Bestrebungen ausgesprochen. Ministerpräsident Kretschmann hat gegenüber der Öffentlichkeit (Mannheimer Morgen, 14. September 2017) mitgeteilt, dass er vor Bekanntwerden der Pläne der EnBW zur Aufstockung ihres Anteils an der MVV im März 2017 darüber von der EnBW unterrichtet worden sei. Die EnBW bezeichnet die Anteile an der MVV als reine Finanzbeteiligung ohne jegliche strategische Interessen. Mit dieser Behauptung hat die EnBW auch bereits 2004 bei der Übernahme des ersten Aktienpakets an der MVV in Höhe von 15 Prozent von der damaligen Ruhrgas argumentiert und durch die Zusage gegenüber dem Bundeskartellamt , das den Vorgang damals kartellrechtlich geprüft hat, bekräftigt, keine weiteren Anteile an der MVV erwerben zu wollen. Entgegen dieser Verpflichtungserklärung beauftragte die EnBW schon 2007 die Barclays Bank, für die EnBW verdeckt weitere 7,2 Prozent der Aktien von der MVV zu erwerben, was 2012 durch eine aktienrechtliche Änderung offengelegt und 2014 auch formell vollzogen wurde. Die EnBW begründet den nun geplanten neuerlichen, nicht mit der Stadt Mannheim abgestimmten Anteilserwerb unter anderem auch damit, dass ihr bisheriger Aktienanteil von 22,5 Prozent mit der Erhöhung zu einer qualifizierten Minderheit führe und damit besser verkäuflich sei. Auch diese Bestrebungen haben große Irritationen in Mannheim ausgelöst. Ein neuer Eigentümer würde die Beteiligung sicher nicht als reine Finanzbeteiligung ansehen, sondern strategische Interessen einbringen und einfordern, die durchaus im Widerspruch mit dem bisherigen Kurs des kommunal verankerten Unternehmens und den langfristigen Zielen der Stadt Mannheim stehen könnten. Die Kleine Anfrage verfolgt das Ziel zu eruieren, ob die Landesregierung vor diesem Hintergrund der seit mehr als 15 Jahren anhaltenden Versuche der EnBW, über verdeckte Aktienkäufe gegen den Willen der Stadt Mannheim Einfluss auf die MVV zu gewinnen, weiterhin bei der Auffassung von Ministerpräsident Kretschmann bleibt, der keinen Grund zum Zweifel an der Aussage der EnBW hat, damit kein strategisches Interesse zu verfolgen. Alternativ soll geklärt werden, ob die Landesregierung bereit ist, dem Willen der Stadt Mannheim zu folgen und die unabhängige Zukunftsentwicklung der MVV ohne Einflussnahme der EnBW zu gewährleisten. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2669 A n t w o r t Mit Schreiben vom 17. Oktober 2017 Nr. 5-3221.EBWAG-09/144 beantwortet das Ministerium für Finanzen die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wann wurde sie durch die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) von den Plänen zur Aufstockung ihres Anteils an der MVV Energie AG (MVV) unterrichtet ? Zu 1.: Am 16. März 2017 erfolgte eine Unterrichtung der Landesregierung über die geplante Aufstockung der Minderheitsbeteiligung an der MVV Energie AG (MVV) durch die EnBW Energie Baden-Württemberg AG (EnBW). 2. Wie reagierte sie auf diese Pläne? Zu 2.: Da es sich bei der geplanten Aufstockung der MVV-Anteile nicht um ein Geschäft der EnBW handelt, welches der Zuständigkeit der Aktionäre unterliegt, erfolgte keine Reaktion seitens der Landesregierung. 3. Gibt es eine offizielle Stellungnahme der Landesregierung gegenüber der Stadt Mannheim, dem Kartellamt, der EnBW oder der MVV? Zu 3.: Es gibt keine offizielle Stellungnahme der Landesregierung gegenüber der Stadt Mannheim, dem Kartellamt, der EnBW oder der MVV. 4. Inwieweit unterstützt sie die Pläne der EnBW, auch im Hinblick darauf, dass die Pläne im Widerspruch zu den artikulierten Interessen der Stadt Mannheim liegen? 5. Respektiert sie den Willen der Stadt Mannheim und macht sie als wichtigster Anteilseigner der EnBW ihren Einfluss auf dieses Landesunternehmen geltend, um einer Aufstockung der Anteile der EnBW an der MVV entgegenzuwirken? Zu 4. und 5.: Das Land Baden-Württemberg ist über die NECKARPRI-Gesellschaften mit 46,75 % an der EnBW beteiligt. Schon daher ist eine direkte Einflussnahme rechtlich nicht möglich. Überdies wird sich das Land auch faktisch nicht in die unternehmerischen Angelegenheiten der EnBW einmischen, da es sich in Sachen MVV um das unternehmerische Geschäft der EnBW handelt. Hierfür sind aus - schließlich die gesetzlich eingerichteten Organe „Vorstand“ und „Aufsichtsrat“ zuständig. 6. Wie bewertet sie die Gefahr von negativen Auswirkungen auf den zukunftsorientierten Kurs durch einen von der Stadt Mannheim als Mehrheitsaktionär abgelehnten Anteilseigner mit qualifizierten Minderheitsrechten? Zu 6.: Die Landesregierung sieht keine Gefahr einer negativen Auswirkung auf den zukunftsorientierten Kurs der MVV. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2669 4 7. Teilt sie die Befürchtung der Stadt Mannheim, dass durch das Betreiben der EnBW die strategische und operative Ausrichtung der MVV beeinträchtigt wird? Zu 7.: Die EnBW würde nach der geplanten Aufstockung ihrer Minderheitsbeteiligung insgesamt 28,76 % an der MVV halten, während die Anteile der Stadt Mannheim unberührt bei 50,1 % blieben. Die von der EnBW geplante Aufstockung würde nicht zu einer normalen, sondern nur zu einer stark eingeschränkten Sperrminorität führen, da die Satzung der MVV in § 19 Absatz 1 eine Regelung enthält, wonach bei allen Beschlussfassungen die einfache (von der Stadt Mannheim allein kontrollierte) Mehrheit ausreicht, soweit nicht das Gesetz zwingend eine ¾-Mehrheit verlangt. Es gibt nur sehr wenige Beschlussgegenstände , die in essentielle Rechte der Aktionäre eingreifen und die damit zum Greifen der Sperrminorität führen (z. B. Satzungsänderungen gem. § 179 Aktiengesetz oder Kapitalerhöhungen gem. § 182 Aktiengesetz). Die EnBW hätte also trotz der Sperrminorität aufgrund der Satzung grundsätzlich keinen relevanten Einfluss auf die strategische und operative Ausrichtung der MVV. 8. Inwieweit und mit welchen Handlungsmöglichkeiten, beispielsweise durch das Ins trument einer Konsortialvereinbarung zwischen EnBW und MVV, beabsichtigt die Landesregierung darauf hinzuwirken, die bisher nur mündlich und unverbindlich gegebene Zusage der EnBW, wonach diese mit der Anteilsüber nahme keine strategischen Interessen verfolge, rechtlich langfristig verbindlich zu gestalten? Zu 8.: Das Abschließen einer Konsortialvereinbarung fällt nicht in die Zuständigkeit der Aktionäre. Auch hier handelt es sich um eine unternehmerische Angelegenheit, auf die das Land Baden-Württemberg keinen Einfluss nehmen kann. 9. Wie bewertet sie in diesem Zusammenhang die Aussage der EnBW in der Stuttgarter Zeitung vom 16. März 2017, wonach das Unternehmen trotz artikuliertem Interesse einer reinen Finanzanlage nicht ausschließt, „irgendwann in Zukunft einen Aufsichtsratssitz“ anzustreben? Zu 9.: Die Aufsichtsratsmitglieder werden mit einfacher Mehrheit in der Hauptversammlung gewählt, also durch die Stimmmehrheit der Stadt Mannheim. 10. Wie vereinbart sie den laut öffentlicher Berichterstattung von ihr ins Auge ge fass - ten möglichen Weiterverkauf des Aktienpakets der EnBW mit qualifizierter Minderheit mit ihrem bekundeten Interesse an einer weiterhin eigenständigen MVV? Zu 10.: Eine eingeschränkte Sperrminorität infolge der Aufstockung der Minderheitsbeteiligung der EnBW ist nicht geeignet, um auf strategische Weichenstellungen, das operative Geschäft oder den Vorstand der MVV nennenswerten Einfluss zu nehmen oder gar die Eigenständigkeit der MVV zu gefährden. Auch ein mög - licher Weiterverkauf des Aktienpakets gefährdet damit nicht die Eigenständigkeit der MVV. Im Übrigen ist diese Perspektive Ausfluss der gesellschaftsrechtlichen Entscheidung , die MVV als Aktiengesellschaft auszugestalten und deren Aktien zu handeln. In Vertretung Dr. Splett Staatssekretärin