Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 2843 17. 10. 2017 1Eingegangen: 17. 10. 2017 / Ausgegeben: 21. 11. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Ist ihr bekannt – und wenn ja seit wann – dass auf der Schweizer Seite des Schienerbergs in unmittelbarer Nähe zur Grenze Deutschlands/Baden-Württembergs eine Windkraftanlage geplant wird? 2. Wie beurteilt sie den Bau dieser Anlage, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Schienerberg eines der ältesten Landschaftsschutzgebiete Deutschlands ist? 3. Wie beurteilt sie den Bau dieser Anlage ferner vor dem Hintergrund, dass sie in einer Region mit hohem touristischen und Naherholungswert errichtet werden soll, welche im Übrigen eher windarm ist? 4. Wie beurteilt sie den Bau dieser Anlage des Weiteren vor dem Hintergrund, dass sie in einer Region mit etlichen in Baden-Württemberg als schützenswert und windkraftempfindlich klassifizierten Vogelarten, insbesondere in den Vogel - schutzgebieten Untersee, Überlinger See, Mindelsee, Bodanrück und Hohen - twiel-Hohenkrähen, errichtet werden soll? 5. Welche rechtlichen, vertraglichen oder sonstigen Regelungen und Auflagen sind ihr bekannt bzgl. des schweizerischen grenznahen Baues von Windkraftanlagen , insbesondere was den Abstand zur Grenze sowie Lärm-, Landschaftsund Artenschutz betrifft? 6. Ist sie bereit, die Einhaltung solcher Regelungen sicherzustellen und ggf. bei den betreffenden Schweizer Behörden vorstellig zu werden, damit solche Regelungen eingehalten werden? Kleine Anfrage des Abg. Dr. Wolfgang Gedeon fraktionslos und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Geplante Windkraftanlage Schienerberg Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2843 2 7. Ist sie bereit, sich dafür einzusetzen, diesen grenznahen Bau auf dem Schienerberg völlig zu verhindern? 17. 10. 2017 Dr. Gedeon fraktionslos B e g r ü n d u n g Die Errichtung von Windkraftanlagen fordert eine Abwägung verschiedenster Faktoren. Neben der Effizienz etwa die Lärmbelästigung, die Beeinträchtigung der Natur und des Landschaftsbildes, die daraus resultierenden Folgen für Bevölkerung und Tourismus, der Artenschutz, insbesondere von bedrohten Vogelarten, etc. Wägt man diese unterschiedlichen Faktoren ab, so zeigen sich die Bedenken der Bürgerinitiative „Landschaftsschutz Schienerberg“ als begründet, dass die Windkraftanlage in einer eher windarmen Region kaum eine allzu große Effizienz haben wird und dass demgegenüber die starke Beeinträchtigung der Lebensqualität der Anwohner, die drohenden Beeinträchtigungen für den Tourismus in der Region und die Gefahr für viele in der Region ansässigen schützenswerten und windkraftempfindlichen Vogelarten umso mehr ins Gewicht fallen und daher gegen einen Bau der Anlage sprechen. Da die Anlage grenznah errichtet werden soll, hat sie massive Auswirkungen auch auf die baden-württembergische Seite. Fällt zudem die Nutzen-Schaden- Bilanz wie dargelegt aus, müsste es der Landesregierung umso mehr ein Anliegen sein, sich der Sorgen ihrer Bürger bezüglich dieses Projekts anzunehmen. Zumindest sollten alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, welche für grenznahe Bauvorhaben mit negativen Auswirkungen über die Landesgrenzen hinweg zur Verfügung stehen, um das Landschaftsschutzgebiet Schienerberg möglichst unversehrt zu erhalten, den Artenschutz zu gewährleisten und den Anliegen vieler baden-württembergischer Anwohner gerecht zu werden, welche das Bauprojekt aus verschiedenen Gründen ablehnen. A n t w o r t Mit Schreiben vom 8. November 2017 Nr. 4-4516/2843 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Staatsministerium und dem Ministerium der Justiz und für Europa die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Ist ihr bekannt – und wenn ja seit wann – dass auf der Schweizer Seite des Schienerbergs in unmittelbarer Nähe zur Grenze Deutschlands/Baden-Württembergs eine Windkraftanlage geplant wird? Den Behörden des Landes ist seit einer ersten Informationsveranstaltung der schweizerischen Planungs- und Projekträger in Rielasingen-Worblingen am 19. Januar 2015 offiziell bekannt, dass auf eidgenössischem Gebiet am Standort „Chroobach“ auf dem Schienerberg die Errichtung von vier Windenergieanlagen geplant ist. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2843 2. Wie beurteilt sie den Bau dieser Anlage, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Schienerberg eines der ältesten Landschaftsschutzgebiete Deutschlands ist? Die Beurteilung des Vorhabens am Standort „Chroobach“ richtet sich nach den rechtlichen Vorgaben in der Schweiz. Die geplanten Windenergieanlagen auf schweizerischem Hoheitsgebiet befinden sich im Übrigen nicht in einem ausgewiesenen Landschafts- bzw. Naturschutzgebiet. Wie bei allen umweltrelevanten Vorhaben sind die zuständigen Behörden im jeweiligen Grenzland umfassend zu informieren und an den erforderlichen Verwaltungsverfahren zu beteiligen. Dies ist im Zusammenhang mit dem geplanten Wind energieanlagenstandort „Chroobach“ im Verfahren zur Änderung des kantonalen Richtplans geschehen, indem den betroffenen deutschen Behörden Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde. Fortgesetzt wird dies bei der anstehenden Umweltverträglichkeits-Hauptuntersuchung durch die schweizer Behörden . Eine mögliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch die geplanten Windenergieanlagen im Bereich des Schienerberges ist neben anderen Aspekten bereits im Verfahren zur Änderung des kantonalen Richtplans von deutscher Seite vorgetragen worden. 3. Wie beurteilt sie den Bau dieser Anlage ferner vor dem Hintergrund, dass sie in einer Region mit hohem touristischen und Naherholungswert errichtet werden soll, welche im Übrigen eher windarm ist? Die Region Bodensee ist bei Übernachtungs- und TagesbesucherInnen ein beliebtes Ziel in Baden-Württemberg. Neben dem Schwarzwald ist der Bodensee für Baden-Württemberg die national und international bekannteste touristische (Land - schafts-)Marke. Nach Erkenntnissen der Landesregierung kann die Frage nach den Auswirkungen von Windenergieanlagen auf die Tourismuswirtschaft nicht pauschal beantwortet werden. Derartige Effekte hängen von der jeweiligen Beurteilung des Einzelfalls ab. Für die Wahl von Urlaubsort und Urlaubsanlass spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle, bspw. Natur und Landschaft, Preis, Wettererwartungen, Freizeitangebot , Qualität der Unterkünfte und vieles mehr. Bisherige Untersuchungen über die möglichen Folgen eines Ausbaus der Windkraft für die Tourismuswirtschaft kamen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Da mögliche Auswirkungen sehr regionsspezifisch sind, findet je nach Standort eine genaue Abwägung der unterschiedlichen Interessen statt. Touristische, landschaftsästhetische , naturschutzrechtliche und ökonomische Belange werden dabei sorgfältig abgewogen. 4. Wie beurteilt sie den Bau dieser Anlage des Weiteren vor dem Hintergrund, dass sie in einer Region mit etlichen in Baden-Württemberg als schützenswert und windkraftempfindlich klassifizierten Vogelarten, insbesondere in den Vogel - schutzgebieten Untersee, Überlinger See, Mindelsee, Bodanrück und Hohen - twiel-Hohenkrähen, errichtet werden soll? Die Vogelwarte Sempach in der Schweiz hat nach den der Landesregierung vorliegenden Informationen eine Vorabklärung zum geplanten Windstandort durchgeführt . Die von dem Überlinger Planungsbüro Planstatt Senner erstellte Vogelstudie wurde der Vogelwarte in einer Sitzung am 10. Januar 2017 in Schaffhausen vorgestellt. Die Vogelwarte hat sich in diesem Rahmen u. a. zum Konfliktpoten - zial mit Zug- und Brutvögeln geäußert. Die Vogelwarte Sempach stuft nach eigenen Angaben dieselben Arten als windkraftsensibel ein wie dies in Deutschland der Fall ist. Teilweise kommen weitere alpine Arten in der Schweiz hinzu. Eine abschließende Abstimmung des artenschutzrechtlichen Gutachtens mit der Vogelwarte bzw. eine Bewertung im Umweltverträglichkeits- bzw. Zulassungsverfahren hat angesichts des derzeitigen Planungsstands noch nicht stattgefunden. Die Vogelwarte Sempach hat aber vorab verschiedene Nachbesserungen angeregt. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2843 4 5. Welche rechtlichen, vertraglichen oder sonstigen Regelungen und Auflagen sind ihr bekannt bzgl. des schweizerischen grenznahen Baues von Windkraft - anlagen, insbesondere was den Abstand zur Grenze sowie Lärm-, Landschaftsund Artenschutz betrifft? Anwendbar bei grenznahen Vorhaben ist grundsätzlich der Leitfaden der grenz - überschreitenden Zusammenarbeit bei Planungs- und Bewilligungsverfahren. Darüber hinaus haben das Regierungspräsidium Freiburg, der Regionalverband Hochrhein-Bodensee und die eidgenössischen Stellen im Kanton Schaffhausen ein koordiniertes Vorgehen bei grenznahen Vorhaben im Bodenseebereich vereinbart , das aber rechtlich nicht verbindlich ist. Weiterhin kommt eine Beteiligung deutscher Behörden auch über die sog. Espoo-Konvention zur grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung in Betracht. Gemäß der 2. Änderung der Espoo-Konvention aus dem Jahr 2004 wurde der Anhang I der Konvention, der die Tätigkeiten listet, um die Errichtung größerer Anlagen zur Nutzung von Windenergie (Windfarmen) ergänzt. Die Änderung ist noch nicht in Kraft getreten , da die erforderliche Ratifizierung durch ¾ der Mitgliedsstaaten bzw. Vertragsparteien noch nicht erreicht ist. Die Schweiz hat die Änderung aber bereits am 15. Mai 2013 ratifiziert. Das schweizerische Bundesamt für Energie empfiehlt daher bereits jetzt die entsprechende Anwendung für UVP-pflichtige Vorhaben mit möglichen grenzüberschreitenden Auswirkungen. Weitergehende Regelungen in Bezug auf schweizerischen grenznahen Bau von Windenergieanlagen sind der Landesregierung nicht bekannt. Ausweislich der aktuell öffentlich einsehbaren Standortbeurteilung „Chroobach“ im Rahmen der Richtplanänderung durch die zuständigen schweizerischen Planungsbehörden , werden die Richtwerte der TA Lärm für die Anwohner auf deutscher Seite überall eingehalten. 6. Ist sie bereit, die Einhaltung solcher Regelungen sicherzustellen und ggf. bei den betreffenden Schweizer Behörden vorstellig zu werden, damit solche Regelungen eingehalten werden? Es findet bereits jetzt ein reger Austausch der schweizerischen mit den deutschen Behörden und weiteren betroffenen Stellen statt. Auch die Projektierer binden die Angrenzergemeinden in den Prozess mit ein. Ein intensiver Begleitprozess mit einer Begleitgruppe, Informationsveranstaltungen und Exkursionen zum geplanten Windenergiestandort ergänzt den Austausch. Zahlreiche Dokumente werden auf der Website http://chroobach.ch/ öffentlich eingestellt. So sind unter anderem Daten zu Schallwerten, Windmessungen und Visualisierungen (z. B. auch zur Sichtbarkeit aus Richtung Rielasingen) veröffentlicht. 7. Ist sie bereit, sich dafür einzusetzen, diesen grenznahen Bau auf dem Schienerberg völlig zu verhindern? Die Beteiligung der Behörden des Nachbarstaates bei grenznahen Vorhaben sieht regelmäßig eine umfassende Information und die Möglichkeit der Äußerung zu einem Vorhaben vor. Daraus erwächst aber kein Abwehrrecht gegen ein Vorhaben in der Form, dass ein Vorhaben verhindert werden könnte. In die Hoheitsrechte eines anderen Staates kann grundsätzlich nicht eingegriffen werden. Für den geplanten Windenergiestandort Chroobach auf schweizerischem Hoheitsgebiet bedeutet das, dass die Landesregierung – auch wenn sie es wollte – die Errichtung der Windenergieanlagen gegen den Willen der schweizerischen Behörden nicht verhindern könnte. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft