Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 2844 17. 10. 2017 1Eingegangen: 17. 10. 2017 / Ausgegeben: 21. 11. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wann liefen die jeweiligen Genehmigungen für die 50 Tiere aus, die im September 2014 am MPI noch lebten? 2. Wurden diese 50 Tiere zwischen September 2014 und April 2017 gemäß Tierschutzgesetz in artgerechten Gehegen und in größeren gemischten Gruppen gehalten ? 3. Für wie viele dieser 50 Tiere war eine Tötung nach Abschluss der Versuchs - reihen im Forschungsantrag beantragt und/oder genehmigt worden? 4. Zu welchem Zeitpunkt und an welcher Todesursache sind 41 Tiere zwischen September 2014 und April 2017 am MPI gestorben? 5. Wann wurden die Mängel, die im September 2014 bei der Betreuung und dem Umgang mit den Tieren festgestellt wurden (z. B. Einsatz der Führstange) aufgehoben ? 6. Wie hat das MPI wissenschaftlich begründet, dass für neun Tiere das Forschungsvorhaben vor Ende der genehmigten Forschungsdauer abgebrochen wurde? 7. Wann wurde eine Genehmigung für diese neun Tiere erteilt unter Angabe, wie lange diese noch beim Abbruch des Forschungsvorhabens im April 2017 lief? 8. Wurde für diese neun Tiere im Forschungsantrag ursprünglich eine Tötung beim Versuchsabschluss beantragt und/oder genehmigt? Kleine Anfrage des Abg. Dr. Wolfgang Gedeon fraktionslos und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Primatenversuche am Max-Planck-Institut (MPI) für biologische Kybernetik in Tübingen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2844 2 9. Wurde die Zustimmung der zuständigen Behörde zur weiteren Verwendung dieser neun Tiere im Tierversuch – gemäß Auskunft der Behörde ist vom MPI nach Abbruch der Versuchsvorhaben für die verbleibenden neun Tiere in jedem einzelnen Fall eine rechtskonforme Vorgehensweise dargelegt worden, sodass die Behörde der geplanten weiteren Verwendung zugestimmt hat – auch von der Ethikkommission gemäß § 15 Tierschutzgesetz (TierSchG) befürwortet ? 10. Wann ist mit der gesetzlich vorgeschriebenen rückblickenden Bewertung aller abgeschlossenen Versuchsvorhaben am MPI durch die zuständige Behörde gemäß § 35 Tierschutz-Versuchstierverordnung (TierSchVersV) zu rechnen? 17. 10. 2017 Dr. Gedeon fraktionslos B e g r ü n d u n g Tierschutz genießt in Baden-Württemberg Verfassungsrang, zum einen durch Artikel 20 a Grundgesetz, zum anderen durch Artikel 3 b der Landesverfassung. Primaten gelten in den untergeordneten rechtlichen Regelungen als besonders schutzwürdig. Die Sicherstellung der Einhaltung geltender Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet und die Transparenz diesbezüglich sind daher nicht nur Tierschutzbünden und -aktivisten ein Anliegen, sondern von generellem und herausragendem Interesse. Der Schaffung dieser Transparenz und der Sicherstellung der Einhaltung der rechtlichen Vorgaben, bezogen auf eine konkrete Versuchsreihe bzw. konkrete Primaten, soll diese Kleine Anfrage dienen. A n t w o r t Mit Schreiben vom 8. November 2017 Nr. Z(34)-0141.51/209F beantwortet das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Wann liefen die jeweiligen Genehmigungen für die 50 Tiere aus, die im September 2014 am MPI noch lebten? Zu 1.: Entsprechend den dem Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen (MPIBK) für die o. g. 50 Tiere ursprünglich erteilten Genehmigungen galten die folgenden Fristen: 30. November 2014, 31. Dezember 2014, 31. Dezember 2014, 31. Juli 2015, 4. Au - gust 2015, 15. August 2015, 23. Oktober 2015, 30. November 2017, 31. Dezember 2016, 15. November 2018, 15. Mai 2019, 15. Januar 2018. Auf die Antwort zu Frage 6 wird hingewiesen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2844 2. Wurden diese 50 Tiere zwischen September 2014 und April 2017 gemäß Tierschutzgesetz in artgerechten Gehegen und in größeren gemischten Gruppen gehalten? Zu 2.: Die Haltung der 50 Tiere zwischen September 2014 und April 2017 stand im Einklang mit dem Tierschutzgesetz. Die Tiere wurden in artgerechten Gehegen sowie in gemischten Gruppen ge - halten. Abweichungen gab es nur in begründeten, tierschutzrechtskonformen Ausnahmefällen wie beispielsweise der „Unverträglichkeit“ einzelner Tiere oder der vorüber - gehenden Separierung von Tieren z. B. nach einer Operation. Daneben wurden kurzzeitig einzelne Tiere trainings- oder fütterungsbedingt in kleineren Käfigen gehalten. Diese Ausnahmen waren jeweils begründet und zu - lässig. 3. Für wie viele dieser 50 Tiere war eine Tötung nach Abschluss der Versuchsreihen im Forschungsantrag beantragt und/oder genehmigt worden? Zu 3.: Die Tötung der Tiere am Ende des Versuchsvorhabens (Verwendung im Rahmen eines sog. Terminalversuchs) wurde vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen (MPIBK) entweder von vornherein für alle Tiere beantragt oder als eine im Bedarfsfall zulässige Möglichkeit beantragt und jeweils genehmigt . Im ersteren Fall ist die Auswertung feingeweblicher Befunde integraler Bestandteil des Versuchsvorhabens. Im letzteren Fall legt die Genehmigung die abschließende Nutzung der Einzeltiere nicht von vornherein fest. Diese Vorgehensweise ist zulässig und sogar geboten, da die Entscheidung, ein Tier in einem Terminalversuch zu verwenden, in Abhängigkeit von den im Laufe des Versuchsvorhabens erhobenen Daten sowie in Abhängigkeit vom Gesundheitszustand des jeweiligen Einzeltieres zu treffen ist. Die Entscheidung, ein Tier am Versuchsende oder bereits während der Laufzeit des Versuchsvorhabens im Rahmen eines Terminalversuchs zu verwenden, obliegt dem jeweiligen Versuchsleiter bzw. der Institutsleitung. Der Tierschutzbeauftragte der Einrichtung ist in diesen Entscheidungsprozess immer zwingend einzubeziehen . 4. Zu welchem Zeitpunkt und an welcher Todesursache sind 41 Tiere zwischen September 2014 und April 2017 am MPI gestorben? Zu 4.: Die Tötung der Tiere erfolgte überwiegend zum Ende des jeweiligen Versuchs (Verwendung im Rahmen eines sog. Terminalversuchs, vgl. Antwort auf Frage 3). In einzelnen Fällen erfolgte eine Tötung aufgrund tierärztlicher Indikation. 5. Wann wurden die Mängel, die im September 2014 bei der Betreuung und dem Umgang mit den Tieren festgestellt wurden (z. B. Einsatz der Führstange) aufgehoben ? Zu 5.: Die im September 2014 durch eine Fernsehsendung bekannt gewordenen Sachverhalte wurden über einen längeren Zeitraum aufwändig und kontinuierlich (z. B. mittels Institutsbegehungen, Anforderung von mehreren umfangreichen Stellung - nahmen, Beratungen mit der Ethikkommission, Modifikation laufender Genehmi- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2844 4 gungsbescheide etc.) aufgearbeitet. Diese Aufarbeitung war im Juli 2016 abgeschlossen . Die Nutzung der Führstange wurde im Frühjahr 2015 (mit leicht variierenden Zeitpunkten für einzelne Versuchsvorhaben) für alle am MPIBK im Rahmen von Versuchsvorhaben genutzten, neu zu trainierenden Primaten untersagt. Bei bereits an dieses Prozedere gewöhnten, z. T. älteren Tieren wurde hiervon jedoch im Einzelfall abgesehen, da ein Wechsel der Methodik zu einer noch größeren Belastung der Tiere geführt hätte. 6. Wie hat das MPI wissenschaftlich begründet, dass für neun Tiere das Forschungsvorhaben vor Ende der genehmigten Forschungsdauer abgebrochen wurde? Zu 6.: Die genehmigte Forschungsdauer (Befristung) eines Tierversuchs stellt einen Maximalzeitraum dar, sodass das Erreichen des Forschungsziels und damit die Beendigung eines Versuchsvorhabens vor Ablauf der Befristung nicht ungewöhnlich ist. Nachdem seitens des MPIBK eine vorzeitige Beendigung der dort durchgeführten Primatenversuche beschlossen worden war, wurde dem Regierungspräsidium Tübingen auf Anforderung für die betroffenen Versuchsvorhaben im Frühjahr 2015 jeweils ein Zwischenbericht zum jeweiligen Stand der Untersuchungen sowie eine jeweils aktualisierte Planung für die noch ausstehenden Experimente ein - schließlich einer erneuten Abwägung der ethischen Vertretbarkeit vorgelegt, über die unter Einbeziehung der Kommission nach § 15 TierSchG entschieden wurde. Bis zur endgültigen Beendigung der Versuchsvorhaben im Frühjahr 2017 wurde die Versuchsdurchführung einzelner Vorhaben bei Bedarf in Form von Änderungsanträgen an sich ändernde Rahmenbedingungen angepasst, um dem MPIBK einen aus wissenschaftlicher und tierschutzrechtlicher Sicht geordneten Ausstieg aus der Primatenforschung zu ermöglichen. Nach Abschluss dieser Versuchsvorhaben in ihrer modifizierten Form teilte das MPIBK dem Regierungspräsidium Tübingen mit, dass die verbliebenen 9 Tiere, für die eine versuchsbedingte Tötung nicht erforderlich war, zur weiteren wissenschaftlichen Nutzung an ausländische Forschungseinrichtungen vermittelt werden sollten, die mit den Anforderungen der EU-Versuchstierrichtlinie 2010/63/EU in Einklang stehen. 7. Wann wurde eine Genehmigung für diese neun Tiere erteilt unter Angabe, wie lange diese noch beim Abbruch des Forschungsvorhabens im April 2017 lief? Zu 7.: Die beiden Versuchsvorhaben, in denen die o. g. Tiere verwendet wurden, wurden am 9. November 2012 bzw. am 30. Oktober 2013 genehmigt. Sie sind bis zum 30. November 2017 bzw. 15. November 2018 befristet. 8. Wurde für diese neun Tiere im Forschungsantrag ursprünglich eine Tötung beim Versuchsabschluss beantragt und/oder genehmigt? Zu 8.: In einem der beiden betroffenen Versuchsvorhaben war die Tötung der Tiere am Versuchsende von vornherein zur Beantwortung der wissenschaftlichen Frage - stellung beantragt und genehmigt worden. In dem anderen der beiden Versuchsvorhaben wurde die Tötung als im Bedarfsfall zulässige Möglichkeit beantragt und ebenfalls genehmigt (vgl. Frage 3). 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2844 9. Wurde die Zustimmung der zuständigen Behörde zur weiteren Verwendung dieser neun Tiere im Tierversuch – gemäß Auskunft der Behörde ist vom MPI nach Abbruch der Versuchsvorhaben für die verbleibenden neun Tiere in jedem einzelnen Fall eine rechtskonforme Vorgehensweise dargelegt worden, sodass die Behörde der geplanten weiteren Verwendung zugestimmt hat – auch von der Ethikkommission gemäß § 15 Tierschutzgesetz (TierSchG) befürwortet? Zu 9.: Auf der Grundlage der im Rahmen der betroffenen Versuchsvorhaben bei den Tieren erreichten – nach vorliegenden Erkenntnissen hier maximal mäßigen – Belastung sowie des seitens der Einrichtung vorgelegten tierärztlichen Gutach - tens zum Gesundheitszustand der Tiere am Versuchsende (vgl. § 28 Abs. 1 TierSchVersV) ist das Regierungspräsidium Tübingen zu der Einschätzung gelangt , dass für die o. g. Tiere die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine weitere Verwendung in maximal mäßig belastenden Versuchsvorhaben gegeben sind. Die weitere Prüfung der Anforderungen des § 18 TierSchVersV (erneutes Verwenden von Wirbeltieren und Kopffüßern) obliegt im Hinblick auf eine weitere Verwendung in einem konkreten Versuchsvorhaben der hierfür örtlich zuständigen Genehmigungsbehörde. Die weiteren Versuchsvorhaben finden jedoch im Ausland statt, sodass das Regierungspräsidium Tübingen diesbezüglich nicht mehr örtlich zuständig ist. Die Prüfung der Zulässigkeit einer weiteren Verwendung untersteht insoweit den jeweils für die erneute Verwendung zuständigen Genehmigungsbehörden im Ausland . 10. Wann ist mit der gesetzlich vorgeschriebenen rückblickenden Bewertung aller abgeschlossenen Versuchsvorhaben am MPI durch die zuständige Behörde gemäß § 35 Tierschutz-Versuchstierverordnung (TierSchVersV) zu rechnen? Zu 10.: Die als Grundlage für die rückblickende Bewertung dienenden Informationen hat das Regierungspräsidium Tübingen von den Antragstellern der drei betroffenen Versuchsvorhaben bis zum 31. Oktober 2017 eingefordert. Bei fristgerechtem Eingang dieser Unterlagen ist vorgesehen, die rückblickenden Bewertungen zum Jahresende abzuschließen. Hauk Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz