Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 2895 24. 10. 2017 1Eingegangen: 24. 10. 2017 / Ausgegeben: 04. 12. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Geschäfte, die auf völlige Freiheit von Einzelverpackungen setzen und in dem die Kunden sich ihre Waren in selbst mitgebrachten oder im Laden erhältlichen Mehrwegverpackungen abfüllen, gibt es in Baden-Württemberg? 2. Wie fördert sie ggf. solche Konzepte? 3. Welche Vor- und Nachteile sieht sie an solchen Konzepten? 4. Welche Anreizsysteme setzt sie für Verbraucher, um die Zahl der Verpackungen zu verringern? 5. Hält sie steuerliche Anreize für Händler, die sich verpackungsvermeidend verhalten , für ein effizientes Mittel, um Verpackungen zu reduzieren? 6. Wie hoch ist ihrer Kenntnis nach die Akzeptanz der Verbraucher gegenüber verpackungsfreien Angeboten? 7. Wie viel Verpackungsmüll entstand 2016 in Baden-Württemberg in Tonnen? 8. Wie definiert sie eine optimale Verpackung mit Blick auf Freundlichkeit für Umwelt und Verbraucher? 9. Wie wirkt sie darauf hin, ggf. Verpackungen umwelt- und verbraucherfreundlich zu gestalten? Kleine Anfrage des Abg. Lars Patrick Berg AfD und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Verpackungsfreier Handel Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2895 2 10. Hat sie seit der Beantwortung der Landtagsdrucksache 16/207 positive An - reize für ein müllvermeidendes Verhalten in Erwägung gezogen (mit Angabe von Gründen, sollte dies nicht der Fall sein)? 19. 10. 2017 Berg AfD B e g r ü n d u n g In einzelnen Städten entstehen Konzepte für Geschäfte, die auf völlige Freiheit von Einzelverpackungen setzen und in dem die Kunden sich ihre Waren in selbst mitgebrachten oder im Laden erhältlichen Mehrwegverpackungen abfüllen. Dieses Konzept spart Ressourcen und gilt als umweltfreundlich. Diese Kleine An - frage soll die Situation in Baden-Württemberg beleuchten. In der Fernsehsendung „Die Höhle der Löwen“ des Senders VOX wurde eine Firma vorgestellt, die sich dem Konzept, die Verpackungsfreiheit und der somit herbeigeführten Müllvermeidung verschrieben hat. A n t w o r t Mit Schreiben vom 20. November 2017 Nr. 23-8973.10-2/131 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Ministerium für Finanzen, dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau und dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Geschäfte, die auf völlige Freiheit von Einzelverpackungen setzen und in dem die Kunden sich ihre Waren in selbst mitgebrachten oder im Laden erhältlichen Mehrwegverpackungen abfüllen, gibt es in Baden-Württemberg? Diese Zahl ist der Landesregierung nicht bekannt, weil hierüber keine systematischen Statistiken geführt werden und auch deren Volatilität vermutlich hoch sein dürfte. Die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte, die auf alle Arten von Einzelverpackungen verzichten, dürfte sehr gering sein. Nach Schätzung des Baden-Württembergischen IHK-Tages (BWIHK) ist von ca. 20 Betrieben im Land auszu - gehen. Grundsätzlich ist zwischen Um- bzw. Verkaufsverpackungen und Transportverpackungen (für die Kundinnen und Kunden) zu unterscheiden. Auf die Verkaufsverpackungen hat der Einzelhandel wenig Einfluss. Insgesamt haben die Be - mühungen des Handels zur Vermeidung von Verpackungen zugenommen. So hat die freiwillige Selbstverpflichtung des Handels mit dem Bundesumweltministe - rium in Hinblick auf die Vermeidung von Plastiktüten lt. BWIHK die definierten Quoten erreicht. Darüber hinaus haben einige große Handelsunternehmen angekündigt , mittelfristig vollkommen auf den Einsatz von Einkaufstüten verzichten zu wollen. 2. Wie fördert sie ggf. solche Konzepte? Eine spezifische Förderung solcher Konzepte, die auf Freiheit von Verpackungen beruhen, wird derzeit nicht vorgenommen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2895 3. Welche Vor- und Nachteile sieht sie an solchen Konzepten? Solche Konzepte sind aus Gründen des Umweltschutzes und der Ressourceneffizienz einerseits zu begrüßen, weil sie Rohstoffe für Verpackungen und die Kosten der entsprechenden Entsorgung sparen und viele allgemein damit verbundene Probleme verringern. Zu nennen ist dabei natürlich auch das Problem des sogenannten Meeres-Litterings, auch wenn der Beitrag aus Deutschland hierzu eher gering sein dürfte. Andererseits sind Verpackungen in vielen Fällen sinnvoll und manchmal obligatorisch , um gerade im Bereich des Großhandels, auch im globalen Warenverkehr die erforderlichen und unverzichtbaren hygienischen Anforderungen zu erfüllen und auch für die Transportfähigkeit, die Langlebigkeit oder eine lange Verwendbarkeit zu sorgen. Kritisch werden unnötige oder Verbraucher täuschende Verkaufsverpackungen gesehen. Der Versuch, durch selbst mitgebrachte oder im Laden erhältliche Mehrweggefäße Verpackungen einzusparen, ist unter den genannten Rahmenbedingungen sicherlich zu begrüßen, wenn auch eingeschränkt und nicht für den gesamten freien Warenverkehr geeignet. 4. Welche Anreizsysteme setzt sie für Verbraucher, um die Zahl der Verpackungen zu verringern? Es liegt angesichts der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung weitgehend nicht in der Kompetenz des Landes, im Umweltbereich eigene Gesetze über das Bundesrecht hinaus zu verabschieden. Mit der Verpackungsverordnung aus den 1990er-Jahren und dem in diesem Jahr beschlossenen Verpackungsgesetz, das ab 1. Januar 2019 in Kraft tritt, ist eine Sperrwirkung insoweit eingetreten. Das Ziel des Gesetzgebers ist es, Verpackungsvermeidungsanreize durch die zu entrichtenden Lizenzentgelte bei der Wirtschaft zu erzielen und Verpackungen, soweit sie in Verkehr gebracht wurden, einer hochwertigen Verwertung zuzuführen. Die langfristigen Zahlen der letzten 20 Jahre deuten nach anfänglichen Erfolgen darauf hin, dass das Recyclinggebot der lizenzierten Verpackungen (von derzeit 36 Prozent) noch zu wenig Vermeidungseffekte erzielt hat. Die Landesregierung hat in der Vergangenheit wiederholt auf erhebliche Mängel dieses nur schwer vollziehbaren Systems der privatwirtschaftlich organisierten dualen Entsorgung hingewiesen, hat aber trotz eines entsprechenden Bundesratsbeschlusses bislang bei der Bundesregierung ein verbrauchernahes, bürgerfreundliches und wirksames verpackungsminderndes Wertstoffgesetz bislang nicht durchsetzen können. 5. Hält sie steuerliche Anreize für Händler, die sich verpackungsvermeidend verhalten , für ein effizientes Mittel, um Verpackungen zu reduzieren? Wie in Frage 4 dargestellt, hat sich der Bund für ein privatwirtschaftlich orientiertes System mit Lizenzentgelten entschlossen. Bestrebungen für die Einrichtung anderer Anreiz- und Entsorgungssysteme, wie sie der Bundesrat beispielsweise auf der Grundlage von Vorarbeiten aus Baden-Württemberg beschlossen hatte, auch die Prüfung eines alternativen, möglichst einfachen Abgabensystems, hat der Bund mit dem neuen Verpackungsgesetz abgelehnt. 6. Wie hoch ist ihrer Kenntnis nach die Akzeptanz der Verbraucher gegenüber verpackungsfreien Angeboten? Im allgemeinen Umweltbewusstsein dürfte das Problem insbesondere überbordender Verpackungen bei Verbraucherinnen und Verbrauchern bekannt sein. Verbraucherinnen und Verbraucher haben – als Hauptakteure am freien Markt – die Möglichkeit, zumindest mit weniger Verpackungen (z. B. durch Verwendung von Mehrweggefäßen) oder in vorhandenen Geschäften sogar weitgehend verpack - ungsfrei einzukaufen. Die im Wege der freiwilligen Vereinbarung geschlossene Begrenzung der Verwendung von Kunststoff-Einmaltüten scheint immerhin eine gewisse Wirkung zu zeigen. Insgesamt dürfte aber das allgemeine Bewusstsein, dass es in vielen Bereichen z. B. aus hygienischen Gründen im normalen Alltag nicht ohne Verpackungen geht, ebenfalls vorhanden sein. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2895 4 7. Wie viel Verpackungsmüll entstand 2016 in Baden-Württemberg in Tonnen? Diese Frage lässt sich nicht umfassend beantworten, weil Verpackungsabfälle auch im gewerblichen Bereich anfallen, welche nicht unter die VerpackV fallen und nicht gesondert erfasst werden. Diese gilt auch für Verpackungen, die sich in gemischten Siedlungsabfällen aus Haushalten oder Gewerbebetrieben befinden. Für den im dualen System (gelbe Säcke, Papier, Pappe, Kartonagen und Glas aus Haushaltungen und vergleichbaren Anfallstellen mit dualer Entsorgung) erfassten Bereich wurden im Jahr 2016 in Baden-Württemberg laut Mengenstromnach - weisen der für die Sammlung von Verpackungsabfällen zuständigen dualen Sys - teme knapp 1,39 Megatonnen (mt) erfasst, davon Papier, Pappe, Karton (PPK) rd. 0,62 mt, Glas: rd. 0,255 mt, Leichtverpackungen (Kunststoff, Aluminium, Weiß - blech, Verbunde) rd. 0,51 mt. 8. Wie definiert sie eine optimale Verpackung mit Blick auf Freundlichkeit für Umwelt und Verbraucher? Nach Angaben des BWIHK werden im Einzelhandel schätzungsweise rund drei Millionen Produkte angeboten. Eine optimale Verkaufsverpackung kann es bei dieser Vielzahl von Produkten kaum geben. Verkaufsverpackungen sind für die Hersteller auch ein wichtiges Werbe- und damit Absatzinstrument. Eine aus Umwelt- und Verbrauchersicht optimale Verpackung ist – wenn überhaupt nötig – so klein wie möglich und so groß wie nötig, langlebig, geeignet hohe Lasten zu tragen und möglichst geringem Eigengewicht, kindersicher und seniorenfreundlich, kann am Lebensende idealerweise zu einem höherwertigen Produkt upgecycelt werden, wieder zur einer Verpackung vorbereitet oder recycelt , zumindest aber kompostiert werden. Falls dieses alles nicht möglich sein sollte, sollte sie am Ende möglichst schadstofffrei einer optimalen thermischen Verwertung zur Gewinnung von Wärme und Energie als Beitrag für die Energiewende zugeführt werden können. Welche der gängigen Materialien jeweils für Verpackungen verwendet werden, ist dabei eher zweitrangig und verwendungsabhängig. Eine zumindest hohe Re - cyclingfähigkeit liegt bei den meisten Stoffen vor. Für Verwendungszwecke, die eine Mehrfachnutzung der Verpackung nicht zulassen, ist es wichtig, auf innovative Materialien zu setzen, die umweltfreundlich sind und sich für Verbraucherinnen und Verbraucher zu den herkömmlichen Verpackungen gleichwertig dar - stellen. 9. Wie wirkt sie darauf hin, ggf. Verpackungen umwelt- und verbraucherfreundlich zu gestalten? Die Landesregierung begrüßt, dass auf Ebene der Europäischen Union weitgehende Regelungen in diesem Bereich vorgenommen werden, beispielsweise im Bereich Öko-Design. Darüber hinaus wirkt Baden-Württemberg sehr aktiv bei der Gesetzgebung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit. Das Land hat zudem die Möglichkeit, durch allgemeine Aufklärungsarbeit Informationen auf dem freien Markt zugänglich zu machen. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2895 10. Hat sie seit der Beantwortung der Landtagsdrucksache 16/207 positive An - reize für ein müllvermeidendes Verhalten in Erwägung gezogen (mit Angabe von Gründen, sollte dies nicht der Fall sein)? Regionalen Aktivitäten in den Städten und Gemeinden haben sich bezüglich des Umgangs mit Coffee-2-Go-Bechern bundesweit stark vermehrt. Sobald der in der UMK vom Bund erbetene Bericht vorliegt, wird die Landesregierung ggf. erforderliche weitergehende sinnvolle Aktivitäten prüfen. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft