Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 2961 13. 11. 2017 1Eingegangen: 13. 11. 2017 / Ausgegeben: 21. 12. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung mobile Hühnerställe für die Auslaufhaltung von Hühnern auf der Weide hinsichtlich Tierwohl, Produktqualität, Innova - tionsbemühungen der Landwirte, Verbrauchernachfrage und Einkommens - sicherung der Landwirte? 2. Wie viele dieser Hühnermobile wurden in den Jahren 2014 bis 2016 durch staatliche Beihilfen bei der Anschaffung gefördert? 3. Wann erhielten die zuständigen Ministerien in Stuttgart Kenntnis von den rechtlichen Problemen bei der Inbetriebnahme des Hühnermobils in Mengen- Schallstadt (siehe swr.de vom 6. September 2017, 11.27 Uhr)? 4. Welche Gesetze und Verordnungen stehen einer genehmigungsfreien temporären Aufstellung von solchen „Hühnermobilen" im Außenbereich entgegen? 5. Wurden diese Gesetze und Verordnungen in dem in der Presse berichteten Fall in Schallstadt-Mengen korrekt angewendet? 6. Wie wurde in anderen Fällen, z. B. in Rottenburg (in der Nähe der Forsthochschule ), in Westhausen oder in Berghülen-Treffensbuch von Behördenseite verfahren? 7. Plant die Landesregierung – sofern die Gesetze und Verordnungen im Fall Schallstadt-Mengen korrekt angewendet wurden –, die Landwirte hier von der Genehmigungspflicht zu befreien und damit einen Schritt vom Bürokratieabbau hin zum Tierwohl zu machen? 8. Welche konkreten Maßnahmen empfiehlt die Landesregierung den Landwirten mit solchen Hühnermobilen im Fall des erneuten Auftretens der Vogelgrippe und der damit verbundenen Aufstallpflicht über viele Wochen? Kleine Anfrage des Abg. Udo Stein AfD und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Mobile Hühnerställe – rechtliche Voraussetzungen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2961 2 9. Gibt es schon Erkenntnisse und Empfehlungen aus dem Forschungsprojekt, das der Rottenburger Landwirt mit mobilen Hühnerställen zusammen mit der dortigen Forsthochschule bezüglich der Kombination von Baumpflanzungen als Greifvogelschutz für die Hühner durchgeführt hat? 10. Wie viele mobile Hühnerställe möchte die Landesregierung im Zeitraum des kommenden Doppelhaushalts fördern? 13. 11. 2017 Stein AfD B e g r ü n d u n g Die Presseberichte über den Fall in Schallstadt-Mengen könnten Landwirte, die ebenfalls in solche Hühnermobile investieren möchten, angesichts der dafür erforderlichen Bürokratie von der Investition abhalten. Hühnermobile sind durch die Möglichkeit, immer wieder neue Flächen mit Hühnern in Auslaufhaltung zu belegen , für Tierwohl und Tiergesundheit (Unterbrechung von Infektionsketten) optimal . Die so erzeugten Eier entsprechen dem Wunsch der Verbraucher nach Eiern aus Auslaufhaltung und nach der durch die Haltung im Freien deutlich verbesserten Transparenz der Tierhaltung. A n t w o r t Mit Schreiben vom 6. Dezember 2017 Nr. Z(26)-0141.5/221F beantwortet das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung mobile Hühnerställe für die Auslaufhaltung von Hühnern auf der Weide hinsichtlich Tierwohl, Produktqualität, Innova - tionsbemühungen der Landwirte, Verbrauchernachfrage und Einkommens - sicherung der Landwirte? Zu 1.: Die Haltung von Hühnern in Mobilställen wird im Hinblick auf das Tierwohl grundsätzlich positiv bewertet. Der tägliche Auslauf, der Kontakt mit Umweltreizen und die Möglichkeit, natür - liche Verhaltensweisen wie z. B. das Sandbaden ausleben zu können, tragen wesentlich zum Tierwohl bei. Durch die Mobilität der kleinen Einheiten und ihr regelmäßiges Versetzen wird die Grasnarbe des Grünlands geschont, punktuelle Nährstoffeinträge werden vermieden und der Krankheitsdruck wird erheblich reduziert . Die Grundidee der sogenannten Mobilställe ist die Haltung von Geflügel, insbesondere von Legehennen, in kleineren Einheiten in Verbindung mit einer regionalen Vermarktung. Diese Haltungsform kommt der kleinbäuerlichen Struktur in Baden-Württemberg entgegen. Das aus einer mobilen Hühnerhaltung resultierende Einkommen und der damit verbundene Beitrag zur Einkommenssicherung sind abhängig vom Einzelfall wie der Größe der Hühnerhaltung, dem Manage- 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2961 ment der Produktion und der Vermarktung der Eier. Eine allgemeingültige Aussage hierzu ist deshalb nicht möglich. Mobile Hühnerställe genießen – auch aufgrund der oft angeschlossenen Direktvermarktung – einen hohen Stellenwert bei den Verbrauchern. Repräsentative, belastbare statistische Daten zur Verbrauchernachfrage von Eier aus mobilen Hühnerställen liegen dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) dazu aber nicht vor. Im Folgenden wird deshalb auf die Freilandhaltung eingegangen, zu der auch die Haltung in mobilen Hühnerställen zählt. Die Nachfrage nach Freilandeiern stieg in den letzten Jahren kontinuierlich. 2016 kamen 27 % der in Deutschland nachgefragten Eier aus Freilandhaltungen. Der Selbstversorgungsgrad für Eier lag in Deutschland 2016 bei 70 %, in Baden-Württemberg (geschätzt) bei rund 30 %. Der Ausbau der Regionalvermarktung des Lebensmitteleinzelhandels und das geringe Angebot führen dazu, dass die Nachfrage nach baden-württembergischen Freilandeiern das Angebot oft übersteigt. Die Fipronil-Krise hat zu einer erhöhten Nachfrage nach baden-württembergischen Eiern im Land geführt. Diese Entwicklung verstärkt den Nachfrageüberhang zusätzlich und kann für die Produzenten einen Einkommensvorteil bedeuten. Hinsichtlich der Produktqualität im Kontext zu den lebensmittelrechtlichen Anforderungen an Eier liegen keine Daten zur Haltung von Legehennen in mobilen Hühnerställen vor. Dies gilt ebenso für die Vermarktung von Fleisch von Hühnern aus Mobilställen. 2. Wie viele dieser Hühnermobile wurden in den Jahren 2014 bis 2016 durch staatliche Beihilfen bei der Anschaffung gefördert? Zu 2.: In den Jahren 2014 bis 2016 wurden im Rahmen des Agrarinvestitionsförderungsprogrammes 54 Anträge zur Förderung des Kaufs von insgesamt 78 mobilen Geflügelställen bewilligt. 3. Wann erhielten die zuständigen Ministerien in Stuttgart Kenntnis von den rechtlichen Problemen bei der Inbetriebnahme des Hühnermobils in Mengen- Schallstadt (siehe swr.de vom 6. September 2017, 11.27 Uhr)? Zu 3.: Das Wirtschaftsministerium wurde in seiner Eigenschaft als oberste Baurechtsbehörde von diesem Einzelfall nicht unterrichtet und hatte daher von dem Sachverhalt vor der Berichterstattung in den Medien keine Kenntnis. Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz erhielt erst im Rahmen der Interviewanfrage des SWR am 4. September 2017 Kenntnis. 4. Welche Gesetze und Verordnungen stehen einer genehmigungsfreien temporären Aufstellung von solchen „Hühnermobilen“ im Außenbereich entgegen? Zu 4.: Ein Hühnermobil ist nach geltender Rechtslage eine bauliche Anlage im Sinne von § 2 Abs. 1 der Landesbauordnung (LBO), da sie nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden. Eine bauliche Anlage bedarf nach § 49 LBO vor der Errichtung und Nutzung auf einem Grundstück einer Baugenehmigung, soweit nicht ein Kenntnisgabeverfahren möglich ist oder die bauliche Anlage verfahrensfrei gestellt ist. Beides liegt hier nicht vor. Das Kenntnisgabeverfahren ist im Außenbereich generell nicht eröffnet. Auch sind Hühnermobile im Anhang zu § 50 Abs. 1 LBO nicht als verfahrensfreie Vorhaben aufgeführt. Zu beachten ist, dass nach § 50 Abs. 5 LBO verfahrensfreie Vorhaben ebenso wie genehmigungspflichtige Vorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften ent- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2961 4 sprechen müssen. Selbst wenn Hühnermobile vom Gesetz verfahrensfrei gestellt wären, wäre damit noch keine Aussage darüber getroffen, ob sie baurechtlich zulässig sind und aufgestellt werden dürfen. Auch verfahrensfreie Hühnermobile im Außenbereich dürfen weder gegen die bauplanungsrechtlichen Vorschriften noch gegen die fachrechtlichen Vorgaben z. B. aus dem Bereich des Natur-, Wasser - oder Immissionsschutzes verstoßen. Für die Einhaltung der Vorschriften durch sein Hühnermobil wäre hier der Landwirt dann selbst verantwortlich. 5. Wurden diese Gesetze und Verordnungen in dem in der Presse berichteten Fall in Schallstadt-Mengen korrekt angewendet? Zu 5.: Nach Mitteilung der zuständigen unteren Baurechtsbehörde wurde in diesem Fall im Dezember 2016 die Errichtung eines mobilen Hühnerstalls zur Haltung von 225 Hühnern auf mehreren Flurstücken beantragt. Die Baurechtsbehörde verneinte zutreffend , dass es sich um ein verfahrensfreies Vorhaben im Sinne der Nummer 1. c) des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO handelt, da der Hühnerstall dem dauerhaften und nicht nur dem vorübergehenden Schutz der Tiere dient, was Nummer 1. c) vo - raussetzt. Da das Vorhaben zudem im Außenbereich lag, kam nur ein Baugenehmigungsverfahren in Betracht. Im Rahmen dieses Verfahrens wurden die berührten Fachbehörden für Landwirtschaft, Wasser & Boden und Naturschutz und die Gemeinde Schallstadt beteiligt. Die untere Naturschutzbehörde forderte einen Freiflächengestaltungsplan mit Darstellung von Ausgleichsmaßnahmen nach und veranlasste, dass der Bauherr einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zur Sicherung der Ausgleichsmaßnahmen schloss. Die danach erforderlichen Ausgleichspflanzungen waren auf dem Grundstück eines anderen Eigentümers vorgesehen. Nachdem der öffentlich-rechtliche Vertrag zur Sicherung der Ausgleichsmaßnahmen vom Bauherrn am 29. August 2017 unterschrieben bei der Baurechtsbehörde vorlag , konnte am 1. September 2017 die Baugenehmigung erteilt und damit die Nutzung des mobilen Hühnerstalls zugelassen werden. Dieses Vorgehen ist rechtlich nicht zu beanstanden. 6. Wie wurde in anderen Fällen, z. B. in Rottenburg (in der Nähe der Forsthochschule ), in Westhausen oder in Berghülen-Treffensbuch von Behördenseite verfahren ? Zu 6.: Im Falle des mobilen Hühnerstalls in Rottenburg hat die zuständige Stadt diesen unter Auflagen der beteiligten Stellen aus der Abteilung Landwirtschaft, Naturschutz , Umwelt und Gewerbe des Landratsamtes Tübingen im Jahre 2010 zugelassen . Der zuständigen unteren Baurechtsbehörde des Landratsamts Ostalbkreis sowie der Gemeinde vor Ort ist kein mobiler Hühnerstall in Westhausen bekannt. Entsprechendes gilt für Berghülen-Treffensbuch. Auch hier ist beim Landratsamt Alb-Donau-Kreis kein mobiler Hühnerstall aktenkundig geworden. Die Landesregierung geht im Übrigen davon aus, dass von den unteren Baurechtsbehörden wie in der Antwort zu Frage 4 dargestellt verfahren wird. Weitere Fälle sind jedoch bisher nicht bekannt. 7. Plant die Landesregierung – sofern die Gesetze und Verordnungen im Fall Schallstadt-Mengen korrekt angewendet wurden –, die Landwirte hier von der Genehmigungspflicht zu befreien und damit einen Schritt vom Bürokratieabbau hin zum Tierwohl zu machen? Zu 7.: Die Landesregierung beabsichtigt, im Rahmen der anstehenden Novellierung der Landesbauordnung, die derzeit vorbereitet wird, auch zu prüfen, ob und ggf. in- 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 2961 wieweit eine verfahrensrechtliche Vereinfachung bei der Nutzung von Hühnermobilen möglich ist. 8. Welche konkreten Maßnahmen empfiehlt die Landesregierung den Landwirten mit solchen Hühnermobilen im Fall des erneuten Auftretens der Vogelgrippe und der damit verbundenen Aufstallpflicht über viele Wochen? Zu 8.: Das Geflügelpestgeschehen im letzten Winter in Deutschland und Europa hat gezeigt , dass die Biosicherheitsmaßnahmen bei der Geflügelhaltung konsequent einzuhalten sind, kein direkter Kontakt von gehaltenen Vögeln und Geflügel mit Wildvögeln erfolgt und die indirekte Übertragung von Krankheitserregern beispielsweise über Futter und Wasser ausgeschlossen ist. Die Anforderungen an die Hygiene bzw. Biosicherheit bei der Geflügelhaltung sind u. a. in der Geflügelpest-Verordnung vom 8. Mai 2013 (BGBl. I. S. 1212), der Verordnung zum Schutz gegen die Geflügelpest und die Newcastle-Krankheit vom 20. Dezember 2005 (BGBl. I. S. 3538) und in der Geflügel-Salmonellen- Verordnung vom 17. Januar 2014 (BGBl. I. S. 58) geregelt. Diese müssen unabhängig von einem akuten Tierseuchengeschehen ständig eingehalten werden, um die Einschleppung einer Tierseuche in einen Geflügelbestand zu verhindern. Bei einem Auslauf der Tiere ins Freie, wie beispielweise bei Hühnermobilen, ist es wichtig, dass durch die geographische Anordnung der Haltungen und Ausläufe sowie durch Schutzmaßnahmen möglichst kein Kontakt insbesondere mit wild - lebenden Wasservögeln, Greifvögeln und aasfressenden Vögeln stattfindet, da diese Virusträger und -ausscheider von Geflügelpestviren sein können. 9. Gibt es schon Erkenntnisse und Empfehlungen aus dem Forschungsprojekt, das der Rottenburger Landwirt mit mobilen Hühnerställen zusammen mit der dortigen Forsthochschule bezüglich der Kombination von Baumpflanzungen als Greifvogelschutz für die Hühner durchgeführt hat? Zu 9.: Der Landesregierung sind keine Informationen über Ergebnisse und Empfehlungen aus dem Forschungsprojekt bekannt. 10. Wie viele mobile Hühnerställe möchte die Landesregierung im Zeitraum des kommenden Doppelhaushalts fördern? Zu 10.: Voraussetzung für eine Förderung nach dem Agrarinvestitionsförderungsprogramm sind förderfähige Investitionen in den landwirtschaftlichen Betrieben. Die Entscheidung für eine Investition in mobile Hühnerställe liegt bei den landwirtschaftlichen Unternehmen. Die Landesregierung macht daher keine Vorgaben, wie viele mobile Geflügelställe gefördert werden sollen. Hauk Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz