Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Große Anfrage der Fraktion der CDU und Antwort der Landesregierung Raiffeisenjahr 2018 G r o ß e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Bedeutung der Idee von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der zu den Gründern der genossenschaftlichen Bewegung in Deutschland zählt, für die Entwicklung und Zukunft der Wirtschaft und Gesellschaft in Baden-Württemberg? 2. Auf welchen Feldern sieht die Landesregierung die dringende Notwendigkeit, gemeinsam Lösungen für die Zukunft von Gesellschaft und Wirtschaft in Baden -Württemberg zu erarbeiten und welchen Beitrag könnten dabei Genossenschaften leisten? 3. Wie viele Genossenschaften gibt es aktuell in Baden-Württemberg (unter Angabe , welche davon auf Raiffeisen zurückgehen)? 4. Wie hat sich die Anzahl der Genossenschaften und deren Mitglieder in den letzten zehn Jahren in Baden-Württemberg entwickelt? 5. Wie bewertet die Landesregierung die Bedeutung von kleinen und mittleren Genossenschaftsbanken, wie den Volksbanken Raiffeisenbanken, für die Ausprägung eines starken, dezentralen Mittelstands in Baden-Württemberg? 6. Wie bewertet die Landesregierung die Rolle der Genossenschaften speziell in der Land- und Agrarwirtschaft in Baden-Württemberg? 7. Wie bewertet die Landesregierung die Rolle der Genossenschaften speziell im gewerblichen Sektor der kleinen und mittleren Unternehmen in Baden-Württemberg (unter Angabe, in welchen Branchen es hier Genossenschaften gibt und welche dabei von besonderer Relevanz sind)? 8. Wie bewertet die Landesregierung die Rolle der Schülergenossenschaften? Eingegangen: 15. 11. 2017 / Ausgegeben: 29. 01. 2018 Drucksache 16 / 3005 15. 11. 2017 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3005 2 9. Inwieweit leben die Genossenschaften in Baden-Württemberg nach ihrer Einschätzung die Grundlagen der Idee von Raiffeisen und Schulze-Delitzsch in der Gegenwart tatsächlich und halten die Idee mit innovativen Ansätzen fit für die Zukunft? 10. In welchen Branchen finden derzeit Neugründungen von Genossenschaften statt und inwiefern können Genossenschaftsneugründungen von Förderangeboten des Landes profitieren und welche weiteren Förderangebote stehen Genossenschaften zur Verfügung? 11. Welchen Beitrag können Genossenschaften in Baden-Württemberg zum Erhalt und zur Stärkung von selbstständigem Unternehmertum leisten – gerade auch von Start-ups? 12. Inwiefern könnten genossenschaftliche Nachfolgeregelungen für Branchen, die stark vom Nachfolgermangel betroffen sind, hilfreich sein? 13. Wirkt die Landesregierung – und wenn ja, inwieweit – auf eine stärkere Bekanntheit der Rechts- und Unternehmensform der eingetragenen Genossenschaft hin? 14. Inwieweit trägt sie dazu bei, die Genossenschaftsidee – speziell auch angesichts des Raiffeisenjahres 2018 – an Schulen, Universitäten etc. bekannt zu machen? 15. Inwiefern setzt sich die Landesregierung dafür ein, landwirtschaftliche Wertschöpfungsketten und Zusammenhänge besser verständlich zu machen und welchen Beitrag können Genossenschaften dabei leisten? 16. Welches Potenzial sieht die Landesregierung für Genossenschaften bei der Bewältigung von Herausforderungen des demografischen Wandels? 17. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, die Beteiligung von Kommunen an Genossenschaften eindeutig zu klären und zu vereinfachen? 18. Inwiefern trägt die Landesregierung dazu bei, Digitalisierung in Genossenschaften zu fördern? 19. Wie schätzt die Landesregierung das Potenzial der Genossenschaften ein, als Multiplikatoren für ihre Mitglieder und deren Mitarbeiter die Digitalisierung voranzubringen? 20. Welche Erwartungen hat die Landesregierung an Genossenschaften im Zusammenhang mit der Lösung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Herausforderungen ? 21. Was unternimmt die Landesregierung perspektivisch, um das Genossenschaftswesen in Baden-Württemberg weiter zu fördern und die Zukunftsfähigkeit dieser etablierten Idee, Rechts- und Unternehmensform zu unterstützen? 13. 11. 2017 Dr. Reinhart, Dr. Rapp, Paal, Wald und Fraktion B e g r ü n d u n g In 2018 jährt sich der 200. Geburtstag von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, welcher als Mitbegründer des Genossenschaftswesens in Deutschland gilt. Dieses Ereignis soll zum Anlass genommen werden, um zum einen die Bedeutung der Genossenschaften näher zu beleuchten und zum anderen deren breites Tätigkeitsspektrum stärker in den Fokus zu rücken. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3005 3 A n t w o r t * ) Schreiben des Staatsministeriums vom 23. Januar 2018 Nr. III: In der Anlage übersende ich unter Bezugnahme auf § 63 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg die von der Landesregierung beschlossene Antwort auf die Große Anfrage. Murawski Staatsminister und Chef der Staatskanzlei *) Der Überschreitung der Sechs-Wochen-Frist wurde zugestimmt. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3005 4 Anlage: Schreiben des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Mit Schreiben vom 18. Januar 2018 Nr. 4-4237.0/91 beantwortet das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau im Einvernehmen mit dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, dem Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration, dem Ministerium für Soziales und Integration, dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, dem Ministerium für Wissenschaft , Forschung und Kunst sowie dem Ministerium für Finanzen im Namen der Landesregierung die Große Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Bedeutung der Idee von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der zu den Gründern der genossenschaftlichen Bewegung in Deutschland zählt, für die Entwicklung und Zukunft der Wirtschaft und Gesellschaft in Baden-Württemberg? Zu 1.: Die in dem wohl bekanntesten Zitat von Friedrich Wilhelm Raiffeisen „Was einer alleine nicht schafft, das vermögen viele“ zum Ausdruck gebrachte Idee ist aus Sicht der Landesregierung auch heute noch aktuell. Genossenschaften basieren auf den Prinzipien der Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung. Eine Gemeinschaft trägt das Unternehmen und hat Mitspracherecht. Eigenverantwortung und Solidarität liegen diesen Prinzipien gleichermaßen zugrunde. Die Besonderheit des Genossenschaftsmodells liegt darin, dass jedes Mitglied unabhängig von der Höhe der finanziellen Einlage über eine Stimme in der Generalversammlung und damit über die gleichen Mitspracherechte verfügt. Des Weiteren zeichnen sich Genossenschaften u. a. wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtprüfungen durch eine vergleichsweise hohe Insolvenz- und Krisenfestigkeit aus. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) kann die Genossenschaft ein geeignetes Kooperationsinstrument darstellen. Die Mitgliedsunternehmen können in dieser Rechtsform ihre Stärken und spezifischen Kompetenzen bündeln und gemeinsam Aufgaben bearbeiten oder Märkte erschließen, die sonst nur wesentlich größeren Unternehmen offenstehen. Genossenschaften leisten deshalb einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Mittelstandes in Baden-Württemberg. Darüber hinaus spielen Genossenschaften eine wichtige Rolle bei der Förderung und Aktivierung des gesellschaftlichen Engagements der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere wenn es darum geht, möglichst viele Menschen in Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen. 2. Auf welchen Feldern sieht die Landesregierung die dringende Notwendigkeit, gemeinsam Lösungen für die Zukunft von Gesellschaft und Wirtschaft in Baden- Württemberg zu erarbeiten und welchen Beitrag könnten dabei Genossenschaften leisten? Zu 2.: Genossenschaften können innovative Lösungsansätze für vielfältige gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen liefern. Als stabile und gleichzeitig flexible Unternehmensform sind sie in der Lage, praxisorientiert auf Umbrüche und neue Aufgaben zu reagieren. Angesichts der derzeit angespannten Situation auf vielen Wohnungsmärkten in Baden -Württemberg können Wohnungsbaugenossenschaften beispielsweise einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum leisten. Hierdurch helfen sie auch dabei mit, dem Fachkräftemangel zu begegnen. Die baden-württembergischen Unternehmen sind auf eine stabile und adäquate Wohnraumversorgung angewiesen, um qualifizierte Fachkräfte und deren Familien im Land zu halten oder für sich zu gewinnen. Gesellschaft und Wirtschaft profitieren von einem guten, ausgewogenen Wohnraumangebot gleichermaßen. Des Weiteren ist es in der Klimaschutz- und Energiepolitik wichtig, die Bürger vor Ort bei der Gestaltung der Energiewende aktiv mit einzubinden. Hierbei können Energiegenossenschaften und Nahwärmegenossenschaften einen entsprechen- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3005 5 den Beitrag leisten. Durch den genossenschaftlichen Ansatz kann die Akzeptanz der Energiewende gestärkt und sichergestellt werden, dass die Wertschöpfung zu einem hohen Anteil in der Region verbleibt. Regionale Unternehmen und Handwerksbetriebe profitieren von der Planung, Installation und Wartung von Erzeugungsanlagen oder der Durchführung von Effizienzmaßnahmen. Land- und Forstwirte können sich durch die Bereitstellung von Biomasse oder den Betrieb von Biogasanlagen zusätzliche Einkommensmöglichkeiten sichern. Kommunen können von steigenden Gewerbesteuereinnahmen aus dem Betrieb von Erneuerbaren -Energien-Anlagen profitieren. Zudem gibt es Energiegenossenschaften, die Car-Sharing-Modelle mit Elektrofahrzeugen anbieten und ihren Mitgliedern eine nachhaltige Mobilitätsmöglichkeit eröffnen. Beispielsweise kann die Zusammenarbeit von Ärzten in Genossenschaften ein Modell zur Sicherung der ärztlichen Versorgung – insbesondere im ländlichen Raum – für die Zukunft darstellen. Als mögliche Modelle für Gesundheitsgenossenschaften sind Kooperationen zwischen Ärzten denkbar, um sich Arbeit und Praxisräume zu teilen und um bürokratische Lasten zu verringern. Zum anderen können Dienstleistungen verschiedener Akteure im Gesundheitswesen im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften durch genossenschaftliche Kooperation verknüpft werden. Bisher gibt es 15 Gesundheitsgenossenschaften in Baden-Württemberg. Die Landesregierung sieht ein erhebliches Potenzial für genossenschaftliches Engagement im Gesundheitsbereich – u. a. beim Aufbau von Versorgungszentren. Das Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg sowie das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg stehen diesbezüglich mit dem Hausärzteverband Baden-Württemberg, dem Gemeindetag Baden-Württemberg und dem BWGV in einem konstruktiven Austausch. 3. Wie viele Genossenschaften gibt es aktuell in Baden-Württemberg (unter Angabe , welche davon auf Raiffeisen zurückgehen)? Zu 3.: Im Bereich des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV) gab es im Jahr 2016 insgesamt 180 Genossenschaftsbanken, 306 gewerbliche Genossenschaften und 329 landwirtschaftliche Genossenschaften. Die Zahl der Mitglieder beträgt (Stand 2016) 3.897.733 in allen Genossenschaften, 3.730.971 davon in Genossenschaftsbanken, 62.062 in gewerblichen Genossenschaften und 104.700 in landwirtschaftlichen Genossenschaften. 114 der aktuell bestehenden Genossenschaften in Baden-Württemberg tragen „Raiffeisen“ in ihrem Namen. Auf das Wirken von Friedrich Wilhelm Raiffeisen selbst gehen rund 60 Genossenschaftsgründungen zurück, die heute noch bestehen. Sie wurden im 19. Jahrhundert gegründet und sind entweder Raiffeisen-Banken oder landwirtschaftliche Genossenschaften. Der Verband baden-württembergischer Wohnungsunternehmen (vbw) hat aktuell 174 Wohnungsbaugenossenschaften als Mitglieder. Vordenker bei der Gründung von Wohnungsbaugenossenschaften waren neben Friedrich Wilhelm Raiffeisen unter anderem auch Victor-Aimé Huber und Hermann Schulze-Delitzsch. 4. Wie hat sich die Anzahl der Genossenschaften und deren Mitglieder in den letzten zehn Jahren in Baden-Württemberg entwickelt? Zu 4.: Im Bereich des BWGV ist die Zahl der Genossenschaften und deren Mitglieder in den letzten zehn Jahren gestiegen. Mittlerweile zählen die Genossenschaften rund 3,9 Millionen Mitglieder. Damit ist jeder dritte Einwohner in Baden-Württemberg selbst Mitglied in mindestens einer Genossenschaft. Während im Banken- und Landwirtschaftsbereich in den letzten Jahren Konzentrationsprozesse stattgefunden haben, verzeichnete vor allem der gewerbliche Sektor Neugründungen. Die Zahl der Genossenschaftsbanken ist in den letzten zehn Jahren durch zahlreiche Fusionen von 251 auf 180 gesunken. Dieser Trend geht insbesondere Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3005 6 auf die Belastung durch gestiegene regulatorische Anforderungen zurück. Die Zahl der Mitglieder in Genossenschaftsbanken ist im selben Zeitraum um rund 500.000 Mitglieder auf über 3,7 Millionen gestiegen. Die Zahl der landwirtschaftlichen Genossenschaften ist in den letzten Jahren von 395 (2007) auf 329 (2016) gesunken. Zeitgleich ist auch die Zahl der Mitglieder zurückgegangen. Dies ist auf den generellen Strukturwandel in der Landwirtschaft zurückzuführen. Dennoch zeigt sich im Vergleich mit dem Produktionswert der gesamten Landwirtschaft, dass die landwirtschaftlichen Genossenschaften weiterhin besonders relevant für die Wertschöpfung in diesem Wirtschaftszweig sind. Die Zahl der gewerblichen Genossenschaften ist von 106 im Jahr 2007 auf 306 im Jahr 2016 gestiegen. Die Zahl der Mitglieder wuchs im selben Zeitraum von rund 20.000 auf über 62.000. Ursache hierfür sind v. a. viele Gründungen von Energiegenossenschaften als wichtigen Trägern der Energiewende. Im Bereich des vbw ist die Anzahl der Wohnungsbaugenossenschaften im Betrachtungszeitraum durch Fusionen und Neugründungen weitgehend stabil geblieben . Die Mitgliederzahlen bei diesen Genossenschaften liegen derzeit bei etwa 308.500 Mitgliedern. Die Mitgliederzahlen haben sich (auch in Anbetracht der niedrigen Zinsen und der Erwartung der jährlichen Auszahlung von Dividenden) in den vergangenen Jahren sukzessive erhöht. 5. Wie bewertet die Landesregierung die Bedeutung von kleinen und mittleren Genossenschaftsbanken , wie den Volksbanken Raiffeisenbanken, für die Ausprägung eines starken, dezentralen Mittelstands in Baden-Württemberg? Zu 5.: Der wirtschaftliche Erfolg und der Wohlstand Baden-Württembergs beruhen in starkem Maße auf einer leistungsfähigen mittelständischen Wirtschaft. Rund 99 Prozent der baden-württembergischen Unternehmen sind KMU. Deren externe Finanzierung erfolgt in Deutschland und Baden-Württemberg überwiegend über (langfristige) Bankkredite. Insbesondere sind Bankkredite oft entscheidend für die Umsetzung von Gründungsideen und Investitionsvorhaben. Die Genossenschaftsbanken bilden die dritte Säule in der deutschen Bankenlandschaft und vergeben rund ein Drittel aller Mittelstandskredite. Zusammen mit den Sparkassen sind sie mit einem Marktanteil von 80 Prozent Hauptfinanzierer des Mittelstands und tragen so wesentlich zur Wertschöpfung der Wirtschaft vor Ort bei. Das genossenschaftliche System ist trotz der Konsolidierungsprozesse durch Dezentralität und Subsidiarität gekennzeichnet, d. h. die Genossenschaftsbanken agieren eigenverantwortlich und selbstständig. Insofern sind Genossenschaftsbanken stärker als andere Banken in der Fläche präsent und auch in ländlichen Regionen vertreten, da sie in die regionalen Wirtschaftskreisläufe eng eingebunden und in der Bevölkerung verwurzelt sind. Diese Nähe und Dezentralität sind von wesentlicher Bedeutung für eine langfristig stabile Kreditbeziehung mit KMU. Gemessen an ihrer Bilanzsumme engagieren sich die Genossenschaftsbanken so auch überproportional für KMU. Seit dem Ausbruch der Finanzmarktkrise 2008 steigerten die Genossenschaftsbanken nach eigener Auskunft ihr Firmenkreditvolumen sogar um 49 Prozent. Die Volks- und Raiffeisenbanken im Land verfügen derzeit über ca. 2.800 Bankstellen (inklusive SB-Stellen) in Baden-Württemberg und beschäftigen rund 23.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon rund 2.200 Auszubildende. Die Kredite der Genossenschaftsbanken an Unternehmen im Land haben 2016 gegenüber dem Vorjahr um 4,0 Prozent auf rund 35 Milliarden Euro zugelegt, die an Privatpersonen um 5,2 Prozent auf 54,4 Milliarden Euro – Haupttreiber war hier der Wohnungsbau. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3005 7 6. Wie bewertet die Landesregierung die Rolle der Genossenschaften speziell in der Land- und Agrarwirtschaft in Baden-Württemberg? Zu 6.: Die Land- und Agrarwirtschaft stellt eine traditionelle Stütze des Genossenschaftswesens im Land dar. Die landwirtschaftlichen Genossenschaften erzielen nach Angaben des BWGV mit 104.700 Mitgliedern einen Umsatz von rund 3,42 Milliarden Euro (Stand 2016). Erwirtschaftet werden diese Umsätze insbesondere im Bereich der allgemeinen Warenwirtschaft (Getreide, Energie etc.), den Molkereigenossenschaften , den Winzer- und Weingärtnergenossenschaften, im Sektor Obst, Gemüse, Gartenbau sowie im Bereich der Nutz- und Schlachttiere. Trotz des anhaltenden Strukturwandels finden noch rund 70 Prozent des Weinbaus in Baden und Württemberg genossenschaftlich statt. Die genossenschaftlichen Rebflächen betrugen 2016 10.249 Hektar in Baden und 7.439 Hektar in Württemberg. Landwirtschaftliche Genossenschaften tragen zu einem erheblichen Teil zur Wertschöpfung der Landwirtschaft in Baden-Württemberg bei. Zudem zeigen auch die Beschäftigtenzahlen den positiven Einfluss der landwirtschaftlichen Genossenschaften im ländlichen Raum. So waren 2016 über 6.000 Personen direkt bei den Genossenschaften angestellt, wo 228 eine Ausbildung absolvierten. Die landwirtschaftlichen Betriebe in Baden-Württemberg sind vergleichsweise kleinteilig strukturiert. Angesichts globalisierter Märkte und der weiter zunehmenden Konzentration von Unternehmen auf der Abnehmerseite wird die Bündelung von Kräften landwirtschaftlicher Betriebe in Form von Genossenschaften nach wie vor als wichtig angesehen. Beispielsweise können im Sonderkulturbereich die Anforderungen des organisierten Handels, der nach stetiger Lieferung von homogen großen Partien, gekühlt, schonend gelagert und entsprechend verpackt, verlangt, von einem Betrieb allein nicht unter zeitlich und ökonomischen sinnvollen Gesichtspunkten erfüllt werden. Ferner wünscht der Handel häufig nur einen Ansprechpartner, sodass neben der Bündelungsfunktion auch der Kanalisierung der Aktivitäten für Geschäftsbeziehungen mit dem Handel eine wichtige Funktion zukommt. Ebenso bieten genossenschaftliche Kooperationen Vorteile beim Einkauf von Futter - und Düngemitteln in großen Mengen, um beispielsweise Rabatte zu beziehen (Bezugs- und Absatzgenossenschaften). Doch nicht nur Zusammenschlüsse von landwirtschaftlichen Betrieben zu einer Genossenschaft bieten Chancen, sondern auch die Vereinigung von ländlichen Genossenschaften miteinander, um ihre Marktposition zu stärken und somit ihren Absatz zu sichern. In der nachfolgenden Tabelle ist die Anzahl der ländlichen Genossenschaften in den Jahren 2015 und 2016, aufgeteilt in fünf Warengruppen, abgebildet: Tabelle: Anzahl ländliche Genossenschaften (Raiffeisen) in Baden-Württemberg: Mitglieder 2015 2016 Summe Raiffeisen-Genossenschaften 332 329 Bezugs- und Absatzgenossenschaften, Lagerhäuser 45 44 Milchgenossenschaften 25 24 Obst-, Gemüse- und Gartenbaugenossenschaften 21 21 Weingärtner-/Winzergenossenschaften 117 116 Sonstige ländliche Waren- und Dienstleistungen (z. B. Vieherzeuger-Gemeinschaft eG) 124 124 Quelle: Baden-Württembergischer Genossenschaftsverband 2017 Unbenommen vom allgemeinen Strukturwandel kommt der Mitgliederwerbung und dem Akquirieren junger Betriebsleiter und deren Bereitschaft, sich für ein Ehrenamt in einem genossenschaftlichen Gremium zu engagieren, eine wichtige Rolle zu. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3005 8 7. Wie bewertet die Landesregierung die Rolle der Genossenschaften speziell im gewerblichen Sektor der kleinen und mittleren Unternehmen in Baden-Württemberg (unter Angabe, in welchen Branchen es hier Genossenschaften gibt und welche dabei von besonderer Relevanz sind)? Zu 7.: Die gewerblichen Genossenschaften decken mit mehr als 50 verschiedenen Branchen fast die gesamte Bandbreite wirtschaftlichen Handelns ab – vom Kinderarzt über Handelsgenossenschaften, Kooperationen aus dem Handwerk, Energiegenossenschaften und Dorfläden bis hin zu Dienstleistungsanbietern, Beratern und Softwareentwicklern. Der Gesamtumsatz aller gewerblichen Genossenschaften in Baden-Württemberg betrug im Jahr 2016 rund 5,2 Milliarden Euro. Fast 60 Prozent des Umsatzes der gewerblichen Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften entfielen im Jahr 2016 auf die 14 Genossenschaften des Fachhandels. Diese verzeichneten im Vergleich zu 2015 einen Umsatzanstieg um 0,3 Prozent auf rund 2,9 Milliarden Euro. Auch die Genossenschaften im Handwerk wie etwa die Einkaufsgenossenschaften der Bäcker und Konditoren (BÄKO), Fleischergenossenschaften oder auch die Genossenschaft Zentraleinkauf Holz+Kunststoff (ZEG) bieten ihren Mitgliedern mittlerweile Unterstützungsleistungen an, die über den gemeinsamen Wareneinkauf hinausgehen. Mit einem Umsatzwachstum von 1,6 Prozent auf rund 1,8 Milliarden Euro war die Entwicklung der 27 Genossenschaften des Handwerks im Jahr 2016 positiv. Mehr als 11.700 Handwerksbetriebe in Baden-Württemberg sind nach Angaben des BWGV Mitglieder in genossenschaftlichen Kooperationen. Die Energiegenossenschaften haben sich als wichtige Akteure der Energiewende etabliert. Derzeit sind 150 Energiegenossenschaften Mitglied im BWGV. Die Energiegenossenschaften haben im Jahr 2016 einen Umsatz von 267 Millionen Euro erwirtschaftet. Hinter den Energiegenossenschaften stehen 30.800 Einzelmitglieder . Von den 150 Energiegenossenschaften des BWGV sind ca. 120 im Geschäftsfeld Photovoltaik tätig. Dies betrifft die Modelle der nach EEG vergüteten Stromeinspeisung, Direktvermarktung, Direktlieferung, Anlagen-Pacht-Modelle und Mieterstrom-Modelle. 21 Energiegenossenschaften betreiben Nahwärmenetze , die fast ausschließlich mit regenerativen Energien vor Ort die Wärmeversorgung sicherstellen. Die restlichen Energiegenossenschaften befinden sich in den Geschäftsfeldern Windenergie, Elektromobilität, Stromnetze, Energieeffizienz und Contracting. Als Förderer der Energiewende vor Ort spielen Energiegenossenschaften auch im Bereich Information und Schulungen eine wichtige Rolle. Die meist ehrenamtlichen Führungsgremien der Energiegenossenschaften sind wichtige Ansprechpartner für Schüler, Studenten und auch für internationale Gäste. 8. Wie bewertet die Landesregierung die Rolle der Schülergenossenschaften? Zu 8.: Anlässlich des Internationalen Jahres der Genossenschaften initiierte der BWGV im Jahr 2012 das Projekt „Schülergenossenschaften“. In der aktuellen Legislaturperiode 2016 bis 2021 hat die Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Frau Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut MdL die Schirmherrschaft übernommen. Ziel ist es, frühzeitig bei Jugendlichen den Unternehmergeist zu wecken, unternehmerisches Handeln zu fördern und sie auf eine berufliche Selbstständigkeit vorzubereiten . Schülergenossenschaften sind von Schülerinnen und Schülern in Eigenverantwortung geführte Schülerfirmen. Sie werden wie echte Unternehmen gegründet und bleiben nachhaltig über die Schuljahre hinweg bestehen. Projekte mit Schülergenossenschaften ergänzen die breit angelegten Initiativen zur Gründungsqualifizierung von Schülerinnen und Schülern, deren Ziel u. a. die Gründung von Schülerfirmen ist (z. B. JUNIOR, Jugend gründet, NFTE). Mit den Schülergenossenschaften können junge Menschen für eine Unternehmensform gewonnen werden, die wirtschaftliches Handeln mit Selbstverwaltung, Eigenverantwortung und Selbsthilfe verbindet. Dieses Wirtschaften auf demokratischer Basis, das nicht Gewinnmaximierung , sondern Mitgliederförderung zum Ziel hat, macht die Besonderheit einer Schülergenossenschaft aus. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3005 9 Derzeit existieren in Baden-Württemberg 19 Schülergenossenschaften. Die Geschäftsideen reichen von der Eventagentur bis zum Anbieter von Computerkursen und Einkaufsdienstleistungen für ältere Menschen. 9. Inwieweit leben die Genossenschaften in Baden-Württemberg nach ihrer Einschätzung die Grundlagen der Idee von Raiffeisen und Schulze-Delitzsch in der Gegenwart tatsächlich und halten die Idee mit innovativen Ansätzen fit für die Zukunft? Zu 9.: Die Entwicklung der Genossenschaften ist in Deutschland und Baden-Württemberg neben Friedrich Wilhelm Raiffeisen auch mit Hermann Schulze-Delitzsch eng verbunden. Unabhängig von Raiffeisen rief Schulze-Delitzsch im 19. Jahrhundert eine Hilfsaktion ins Leben, die den in Not geratenen Handwerkern zugutekommen sollte. Nach Auffassung von Schulze-Delitzsch war eine nachhaltige Verbesserung der wirtschaftlichen Bedingungen nur durch den Zusammenschluss einzelner, schwacher Einheiten und den Abbau von Fremdbestimmung zu erreichen. Nach den Grundsätzen der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung gründete er die ersten „Rohstoffassoziationen“ für Tischler und Schuhmacher und den ersten „Vorschussverein“ – den Vorläufer der heutigen Volksbanken. Noch heute leben Genossenschaften Raiffeisens und Schultze-Delitzschs Grundidee der Hilfe zur Selbsthilfe bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit. Zudem stehen in der genossenschaftlichen Rechts- und Unternehmensform nach wie vor die Mitgliederförderung statt Gewinnmaximierung, ebenso wie regionale Geschäftsmodelle und die demokratische Unternehmensverfassung im Fokus. Gleichzeitig werden die genossenschaftlichen Grundprinzipien weiterentwickelt und auf neue Problemstellungen übertragen. Die Rechtsform Genossenschaft kann daher auch im 21. Jahrhundert noch Lösungsansätze für aktuelle und zukünftige Herausforderungen bieten. Dies zeigen junge bzw. neu gegründete Genossenschaften etwa im Energiebereich und bei der Nahwärmeversorgung, beim Ausbau der Elektromobilität (z. B. Angebot von Car-Sharing-Modellen mit Elektrofahrzeugen durch Energiegenossenschaften), im Gesundheits- und Pflegebereich, in der Nahversorgung (Dorfläden, Dorfgaststätten etc.) oder auch im Bereich Forschung und Entwicklung. Gerade für den ländlichen Raum können Genossenschaften einen wichtigen Beitrag dabei leisten, für künftige Generationen attraktiv zu bleiben. Der Gemeinschaftsgedanke zeigt sich bei vielen Wohnungsbaugenossenschaften – über das traditionelle Maß hinaus – beispielsweise in der Einrichtung von Mieter- Cafés und Nachbarschaftstreffpunkten. Diese Einrichtungen wirken der Vereinsamung entgegen und sind Mittelpunkt in den Quartieren. Quartiersmanager und Koordinatorinnen und Koordinatoren sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im sozialen Management kümmern sich nicht nur um diese Kommunikationszentren, sondern auch um andere Belange der Mieterinnen und Mieter. Wohnungsbaugenossenschaften bieten ihren Mitgliedern auch Raum für neue Wohnformen, wie beispielsweise Senioren-Wohngemeinschaften oder Mehrgenerationenwohnhäuser . Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung haben sie zudem begonnen den Vermietungsprozess zu digitalisieren, ihre Mieterinnen und Mieter an Mieterkanäle anzubinden und Smart Home-Technologien einzusetzen. Auch der Einbau von Ladestationen für Elektrofahrzeuge in Garagen und Gebäuden ist bei einigen Wohnungsbaugenossenschaften in der Planung. 10. In welchen Branchen finden derzeit Neugründungen von Genossenschaften statt und inwiefern können Genossenschaftsneugründungen von Förderangeboten des Landes profitieren und welche weiteren Förderangebote stehen Genossenschaften zur Verfügung? Zu 10.: Im Jahr 2016 gab es laut Statistischem Landesamt 29 Neugründungen von Genossenschaften , vorwiegend im Wirtschaftszweig Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen (12). Die anderen Neugründungen teilen sich wie folgt auf: Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (4), Verkehr und Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3005 10 Lagerei (3), Grundstücks- und Wohnungswesen (3), Energieversorgung (2), freiberufliche , wissenschaftliche und technische Dienstleistungen (2) sowie im „Verarbeitenden Gewerbe“ (1), unter „sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen“ (1) und in „Erziehung und Unterricht“ (1). Im Rahmen der Vorgründungsberatung gelten für die personenbezogene Förderung von Existenzgründerinnen und Existenzgründern bzw. Übernehmerinnen und Übernehmern bei der Gründung von Genossenschaften üblicherweise die gleichen Regeln wie bei Existenzgründungen im Zusammenhang mit anderen juristischen Personen. Voraussetzung ist eine sogenannte tätige Beteiligung, welche durch die aktive Mitunternehmerschaft der Gründerin oder des Gründers charakterisiert wird (Wahrnehmung der Geschäftsführungsfunktion nach außen). Die Mitunternehmerschaft erfordert ausreichende Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftspolitik durch Wahrnehmung von Stimmrechten (mindestens 10 Prozent). In den Förderprogrammen der allgemeinen finanziellen Gewerbeförderung der L-Bank sind Genossenschaften als Antragsteller möglich, soweit sie der Steuerpflicht unterliegen und Gewinnerzielungsabsicht haben. Werden Steuerbefreiungen in Anspruch genommen, z. B. wegen Gemeinnützigkeit, scheidet in aller Regel eine Wirtschaftsförderung aus. Auch die Bürgschaftsbank Baden-Württemberg kann genossenschaftliche Vorhaben begleiten. Im Einzelnen können mittelständische Einkaufs-, Fertigungs- oder Liefergenossenschaften oder andere Zusammenschlüsse in der Form juristischer Personen unterstützt werden, sofern sie gleiche oder ähnliche Geschäftszwecke wie die genannten Genossenschaften verfolgen und ausschließlich den Mitgliedern dienen. Das genossenschaftliche Vorhaben muss ferner über einen tätigen Unternehmer/Gesellschafter verfügen, der grundsätzlich bereit ist, für das Kreditengagement eine persönliche Mitverpflichtung zu übernehmen. Die L-Bank hat seit 2012 im Rahmen der Gründungsfinanzierung insgesamt drei genossenschaftliche Vorhaben aus den Bereichen Weinbau/Weinhandel, Fremdenverkehr und Einzelhandel unterstützt. Die Bürgschaftsbank Baden-Württemberg hat in den vergangenen fünf Jahren insgesamt drei Bürgschaftsübernahmen zugunsten von Unternehmen in der Rechtsform einer Genossenschaft genehmigt. Hiervon hat es sich in einem Fall um eine Neugründung gehandelt, die beiden anderen Bürgschaftsübernahmen haben Vorhaben von etablierten Genossenschaften ermöglicht. Die Vorhaben waren den Bereichen Energieberatung/regenerative Energien, Anlagen für regenerative Energie und sonstiger Großhandel zuzuordnen. Im Bereich des Umweltministeriums können (Energie-)Genossenschaften von den folgenden Förderangeboten profitieren: • Im Förderprogramm „Energieeffiziente Wärmenetze“ werden für den Bau und die Erweiterung von Wärmenetzen Zuschüsse gewährt. In den letzten beiden Jahren haben sowohl neu gegründete als auch bestehende Genossenschaften Zuschüsse bewilligt bekommen. • Genossenschaften können bei der energetischen Sanierung gewerblich genutzter Immobilien nach dem CO2-Minderungsprogramm in „Klimaschutz-Plus“ gefördert werden. • Auch im Rahmen des Programms „Demonstrationsvorhaben Smart Grids und Speicher“ ist eine Förderung von Genossenschaften möglich. Im Geschäftsbereich des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz stehen bei Genossenschaftsneugründungen nachfolgende Förderangebote zur Verfügung: Erzeugerzusammenschlüsse und deren Vereinigungen können – unter Einhaltung der Fördervoraussetzungen (z. B. Anerkennung nach dem Agrarmarktstrukturrecht ) – eine Förderung der Aufwendungen für Organisationskosten (Gründungskosten , soweit sie in unmittelbarem und sachlichem Zusammenhang mit der Gründung stehen, Geschäftskosten etc.) erhalten. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3005 11 Weitere Förderangebote a) Investitionsbeihilfen zur Marktstrukturverbesserung für Erzeugerzusammenschlüsse und Unternehmen der Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, b) Förderung der Erzeugerorganisationen im Sektor Obst und Gemüse nach der gemeinsamen Marktorganisation, c) Verbesserung der Erzeugungs- und Vermarktungsbedingungen für Bienenzuchterzeugnisse (VwV Imkereiförderung), d) Umstrukturierung und Umstellung von Rebflächen, e) Förderung von Investitionen im Weinbau, f) Stärkung des ökologischen Landbaus, g) Absatzförderung im Rahmen des Gemeinschaftsmarketings. Im Mitgliedsbereich des vbw wurde im Jahr 2017 eine Seniorengenossenschaft neu gegründet. Rund fünf weitere Interessentengruppen befinden sich in Planungen zur Gründung einer Wohnungsgenossenschaft. Eine Genossenschaft in Gründung will sich vorrangig dem sozialen Wohnungsbau widmen. In der Regel steht hinter der Gründungsabsicht der Gedanke, gemeinsam fürs Alter die geeignete Wohnform zu gestalten. Das Förderprogramm „Wohnungsbau Baden-Württemberg 2017“ steht auch neugegründeten Wohnungsgenossenschaften zum Bau von miet- und belegungsgebundenen Wohnungen zur Verfügung. Des Weiteren ist im Rahmen des Förderprogramms auch die Förderung des Erwerbs von Genossenschaftsanteilen an Wohnungsbaugenossenschaften möglich. Im Geschäftsbereich des Ministeriums für Soziales und Integration werden ab 2018 mit der Strategie „Quartier 2020 – Gemeinsam.Gestalten.“ Kommunen und Landkreise bei der Etablierung und Weiterentwicklung von Quartieren vor Ort unterstützt. U. a. werden Beratungsgutscheine für zivilgesellschaftliche Akteure und Kommunen sowie finanzielle Anreize und Förderungen bereitgestellt, die auch zum Aufbau von genossenschaftlichen Quartiersangeboten genutzt werden können . 11. Welchen Beitrag können Genossenschaften in Baden-Württemberg zum Erhalt und zur Stärkung von selbstständigem Unternehmertum leisten – gerade auch von Start-ups? Zu 11.: Start-up-Unternehmen mit ihren innovativen Geschäftsideen sind auf Wachstum und Wertsteigerung ausgerichtet. Oft haben es die Start-ups dabei mit einem jungen oder noch nicht existierenden Markt zu tun und müssen erst ein funktionierendes , skalierbares Geschäftsmodell finden. Die Finanzierung erfolgt häufig mit Risikokapital. Aus Sicht der Beteiligungskapitalgeber kommt hier die Rechtsform der Genossenschaft weniger in Betracht. 12. Inwiefern könnten genossenschaftliche Nachfolgeregelungen für Branchen, die stark vom Nachfolgermangel betroffen sind, hilfreich sein? Zu 12.: Im Zuge der Unternehmensnachfolge kann es in bestimmten Fällen durchaus sinnvoll sein, das Unternehmen von einem Einzelunternehmen in eine GmbH, eine andere Rechtsform der Personengesellschaft oder auch Genossenschaft umzuwandeln , etwa wenn ein Einzelkaufmann oder ein Freiberufler sein Unternehmen an mindestens drei Nachfolger übergibt. Gleiches gilt, wenn Mitarbeiter den Betrieb ihres Arbeitgebers übernehmen, etwa im ländlichen Raum, wo es tendenziell schwerer ist, eine geeignete Nachfolge zu finden. Insgesamt dürfte jedoch das Potenzial für genossenschaftliche Nachfolgeregelungen begrenzt sein. Laut Statistischem Landesamt stehen jedes Jahr rund 8.000 kleine und mittlere Unternehmen Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3005 12 in Baden-Württemberg vor der Herausforderung, die Unternehmensnachfolge zu meistern. Die Anzahl der Übernahmen in der Rechtsform der Genossenschaft lag gemäß Statistischem Landesamt in den letzten 10 Jahren zwischen 1 und 17 Fällen pro Jahr. 13. Wirkt die Landesregierung – und wenn ja, inwieweit – auf eine stärkere Bekanntheit der Rechts- und Unternehmensform der eingetragenen Genossenschaft hin? Zu 13.: Seitens des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau sowie des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport werden Schülergenossenschaften in Baden-Württemberg neben anderen Schülerfirmen in Veranstaltungen publik gemacht. Somit wird auf diese mögliche Rechtsform und ihre Vorteile aufmerksam gemacht (s. auch Antwort Ziffer 14). Seitens der Landesregierung wird auf www.service-bw.de auf die unterschiedlichen Rechtsformen und somit auch auf die Möglichkeit einer Gründung in der Rechtsform der Eingetragenen Genossenschaft (eG) hingewiesen. Darüber hinaus unterstützt die Landesregierung die Genossenschaftsverbände bei der Werbung für die Rechtsform Genossenschaft. Im Jahr 2015 übernahm Herr Ministerpräsident Kretschmann die Schirmherrschaft für das „Baden-Württembergische Jahr der Genossenschaften“. Das ganze Jahr über stellten sich die Genossenschaften im Land durch vielfältige Aktionen und Veranstaltungen mit ihrem umfangreichen Produkt- und Dienstleistungsangebot der Öffentlichkeit vor. Im Rahmen der Strategie „Quartier 2020 – Gemeinsam.Gestalten.“ möchte das Ministerium für Soziales und Integration mit einem neuen Internet-Portal „Quartier 2020“ Kommunen bei der Etablierung und Weiterentwicklung von Quartieren unterstützen und den kommunalen Austausch fördern. Um das neue Portal mit Leben zu füllen, wurden vielversprechende Beispiele aus der Praxis gesucht. Der BWGV ist bisher mit fünf Projekten vertreten. Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft veranstaltet zusammen mit dem BWGV regelmäßig einen Energietag Baden-Württemberg. Dabei werden auch Projektbeispiele aus den Energiegenossenschaften vorgestellt. Am 23. März 2018 findet in Biberach der nächste Energietag statt. Zweimal im Jahr findet ein Netzwerktreffen von ehrenamtlichen Energieinitiativen mit der Landesanstalt für Umwelt (LUBW) statt, an dem auch der BWGV und Vertreter von Energiegenossenschaften mitwirken. Diese Treffen dienen u. a. auch dazu, die Rechtsform der Genossenschaft bekannter zu machen. Darüber hinaus hat das Umweltministerium Ende 2012 einen Leitfaden „Bürger machen Energie – Rechtsformen und Tipps für Bürgerenergieanlagen“ herausgegeben. Derzeit ist eine Broschüre zum Thema Energiegenossenschaften in Arbeit, die im Frühjahr 2018 gemeinsam mit dem BWGV herausgegeben werden soll. Ziel ist es, aktuelle Trends und Handlungsoptionen bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle für Energieprojekte aufzuzeigen. Des Weiteren finden im Bereich verschiedener Ressorts Wettbewerbe mit Bezug zum Genossenschaftswesen unter Schirmherrschaft von Mitgliedern der Landesregierung statt. Der von den Volksbanken Raiffeisenbanken jährlich ausgeschriebene VR-InnovationsPreis Mittelstand ist ein wichtiger Innovationspreis für die mittelständische Wirtschaft in Baden-Württemberg. Schirmherr ist Herr Ministerpräsident Winfried Kretschmann; ein Vertreter des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau arbeitet in der Preisjury mit. Der Preis wird jährlich an drei KMU aus dem Land verliehen, eines davon aus dem Handwerk. Der BWGV wird 2018 zum zweiten Mal nach 2015 einen Genossenschaftspreis ausschreiben. Die Schirmherrschaft hat Herr Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Peter Hauk übernommen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3005 13 14. Inwieweit trägt sie dazu bei, die Genossenschaftsidee – speziell auch angesichts des Raiffeisenjahres 2018 – an Schulen, Universitäten etc. bekannt zu machen? Zu 14.: Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau unterstützt in Kooperation mit dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport neben anderen Projekten im Themenbereich „Schule und Selbstständigkeit“ das Projekt „Schülergenossenschaften in Baden-Württemberg“, z. B. durch Bekanntmachung in Veranstaltungen . Mit dem Schulfach Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung beabsichtigt die Landesregierung, das Wissen der Schüler über wirtschaftliche Vorgänge, deren komplexe Bedingungen, Einflüsse und Zusammenhänge zu verbessern. Im Unterricht soll auch über Motive zur Gründung eines Unternehmens gesprochen werden. Die an der Universität Hohenheim angesiedelte Forschungsstelle für Genossenschaftswesen widmet sich der praxisrelevanten und theoriebegleitenden Forschung auf dem Gebiet des Genossenschaftswesens mit interdisziplinärem Ansatz. Sie verbreitet die Ergebnisse zahlreicher Forschungsarbeiten über Genossenschaftsthemen in Konferenzen und in ihren Schriftreihen. 15. Inwiefern setzt sich die Landesregierung dafür ein, landwirtschaftliche Wertschöpfungsketten und Zusammenhänge besser verständlich zu machen und welchen Beitrag können Genossenschaften dabei leisten? Zu 15.: Mit folgenden Maßnahmen unterstützt das Land u. a. die heimische Agrar- und Ernährungswirtschaft: Landesaktion Gläserne Produktion Die Gläserne Produktion wird seit 1991 mit der Agrar- und Ernährungswirtschaft in Kooperation mit den unteren Landwirtschaftsbehörden durchgeführt. Ziel ist es, Informationen rund um die Produktion, Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse für den Verbraucher erlebbar und nachvollziehbar zu machen. Auch Genossenschaften, wie beispielsweise Winzer- und Weingärtnergenossenschaften , beteiligen sich an der Landesaktion. Im Jahr 2017 haben insgesamt über 300.000 Verbraucher Veranstaltungen von 312 mitwirkenden Betrieben, davon 281 landwirtschaftliche Betriebe, besucht. Qualitätsprogramme für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel Das Land hat die Chancen und Herausforderungen der Regionalität für die baden -württembergische Land- und Ernährungswirtschaft erkannt und frühzeitig zwei Qualitätsprogramme – das Qualitätszeichen Baden-Württemberg und Bio- Zeichen Baden-Württemberg – entwickelt und bietet den Unternehmen der Landund Ernährungswirtschaft die Nutzung an. Beide Qualitätsprogramme können im Hinblick auf die Bedürfnisse des Marktes in Zusammenarbeit mit den Akteuren entlang den Wertschöpfungsketten gemeinsam weiterentwickelt werden. Auch die Förderung von Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln als geschützte Ursprungsbezeichnung (g. U.), geschützte geografische Angabe (g. g. A.) oder als garantiert traditionelle Spezialität (g. t. S.) trägt zur Erhöhung der heimischen Wertschöpfung bei. Die Programme sind auch für Genossenschaften nutzbar. Regionalkampagne „Natürlich. VON DAHEIM“ Darüber hinaus wurde zur Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten die Regionalkampagne „Natürlich. VON DAHEIM“ konzipiert. Ziel der von 2017 bis 2021 angelegten Kampagne ist es, den Mehrwert regionaler Wertschöpfungsketten und Produkte noch stärker zu kommunizieren und über eine Profilierung durch Vielfalt, besondere Produkt- und Prozessqualität und Genuss die Wettbewerbsfähigkeit der baden-württembergischen Land- und Ernährungswirtschaft zu stärken. Grundlage bieten die beiden Qualitätsprogramme des Landes sowie die EU-weit geschützten Originale aus Baden -Württemberg. Die Umsetzung erfolgt schrittweise in neun Handlungsfeldern, Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3005 14 in denen vielfach auch genossenschaftliche Unternehmen, wie z. B. Obstgroßmärkte , Einkaufsgenossenschaften (z. B. BÄKO) und auch der genossenschaftlich organisierte Lebensmitteleinzelhandel tätig sind. Entscheidend für den Erfolg der Regionalkampagne ist es, dass diese von den Absatzmittlern, einschließlich deren Erzeugern und Verarbeitern entlang den entsprechenden Wertschöpfungsketten, als gemeinsame Plattform genutzt wird. Bildungsarbeit In der Fortbildung zum/r Wirtschafter/-in, Techniker/-in oder Meister/-in der Landwirtschaft , im Garten- oder im Weinbau ist das Thema Genossenschaftswesen integriert . Zum einen sind Genossenschaften Marktpartner der zukünftigen Unternehmerinnen und Unternehmer, zum anderen übernehmen einige Studierende in ihrem weiteren Berufsleben Verantwortung in den Gremien von Genossenschaften. 16. Welches Potenzial sieht die Landesregierung für Genossenschaften bei der Bewältigung von Herausforderungen des demografischen Wandels? Zu 16.: Zwar hat die Einwohnerzahl in Baden-Württemberg seit 2011 insgesamt zugenommen , jedoch haben vor allem verdichtete Räume von diesem Zuwachs profitiert. Der ländliche Raum hingegen konnte überwiegend nur geringe Bevölkerungszuwächse verzeichnen. Dies wirkt sich auf die Infrastruktur und die Nahversorgung , insbesondere in kleinen ländlichen Gemeinden, aus. Vielerorts kommt es zu Schließungen von Bäckereien, Metzgereien oder anderen Lebensmittelgeschäften. Insbesondere für ältere, weniger mobile Bürgerinnen und Bürger bedeutet dies auch ein Wegfall sozialer Treffpunkte und Begegnungsstätten. Um die wohnortnahe Versorgung mit Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs in ländlichen Gemeinden zu sichern, organisieren sich Bürger einer Kommune beispielsweise in Genossenschaften, um gemeinsam einen Dorfladen zu betreiben. Das stärkt die Kundenbindung, und mit dem Dorfladen wird zudem ein kommunikativer Treffpunkt für die Einwohner geschaffen. Für Baden-Württemberg wird bis 2030 ein Bevölkerungswachstum prognostiziert , das mit einem gleichzeitigen Anstieg des Durchschnittsalters der Bevölkerung verbunden ist. Die Anzahl der 20- bis 59-Jährigen geht zurück, während die Anzahl der über 80-Jährigen überproportional wächst. Der wachsende Anteil von sehr alten Menschen an der Gesamtbevölkerung führt insgesamt zur Erhöhung des Erkrankungs- und Pflegebedürftigkeitsrisikos. Die Sicherstellung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung hat – auch vor diesem Hintergrund – für die Landesregierung einen hohen Stellenwert. Ziel ist es, dass die Menschen auch im ländlichen Raum sicher sein können, dass es eine Hausärztin oder einen Hausarzt in ihrer Nähe gibt. Die medizinische Versorgung ist auch ein Schwerpunkt in der Arbeit des Kabinettsausschusses Ländlicher Raum. Der Kabinettsausschuss hat eine Initiative des Gemeindetags Baden-Württemberg, des Hausärzteverbandes Baden-Württemberg und des BWGV aufgegriffen und nimmt sich unter Federführung der Interministeriellen Arbeitsgruppe „Pflege und Gesundheit“ (Leitung: Ministerium für Soziales und Integration) der Modell- und Konzeptideen hinsichtlich genossenschaftlicher Lösungen zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung im ländlichen Raum an. Dies wird mit dem Ziel der Umsetzung von Modellversuchen verfolgt. Über medizinische Versorgungszentren in Genossenschaftsform könnten zusätzliche Möglichkeiten geschaffen werden, sowohl dem zunehmenden Wunsch nach Teilzeit - und Angestelltentätigkeiten von Ärztinnen und Ärzten gerecht zu werden, als auch die wirtschaftlichen Risiken einer Niederlassung zu vermeiden. Genossenschaftliche Modelle könnten somit dazu beitragen, den Beruf des Landarztes auch für junge Ärztinnen attraktiver zu machen. Wie bereits in Ziffer 2 und 10 ausgeführt, spielen Wohnungsbaugenossenschaften eine wichtige Rolle bei der Wohnraumversorgung der Bevölkerung. Viele Mieter, die in der Vergangenheit neuen Wohnraum bei einer Wohnungsgenossenschaft gefunden haben, leben sehr langfristig in ihren Wohnungen. Die Wohnung bedeutet für sie häufig mehr als nur ein Zuhause. Angesichts der demografischen Entwick- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3005 15 lung geht es zunehmend darum, diese Wohnungen barrierearm und seniorengerecht auszustatten, damit die Menschen möglichst lange selbstständig darin wohnen können. 17. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, die Beteiligung von Kommunen an Genossenschaften eindeutig zu klären und zu vereinfachen? Zu 17.: Die Beteiligung von Kommunen an Unternehmen und damit auch die Beteiligung an Genossenschaften ist durch die §§ 102 ff. der Gemeindeordnung geregelt. Ein Bedarf für eine Änderung der bewährten Regelungen ist derzeit nicht ersichtlich. Das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration ist zur Beteiligung von Kommunen an Genossenschaften mit dem BWGV und dem Gemeindetag Baden- Württemberg im Gespräch. 18. Inwiefern trägt die Landesregierung dazu bei, Digitalisierung in Genossenschaften zu fördern? 19. Wie schätzt die Landesregierung das Potenzial der Genossenschaften ein, als Multiplikatoren für ihre Mitglieder und deren Mitarbeiter die Digitalisierung voranzubringen? Zu 18. und 19.: Die Unterstützung der Unternehmen bei der Wahrnehmung der Chancen und Bewältigung der Herausforderungen der Digitalisierung ist ein zentrales wirtschaftspolitisches Ziel der Landesregierung. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Landesregierung die Initiative Wirtschaft 4.0 gestartet. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich Unternehmen aus allen Branchen der Wirtschaft der fortschreitenden Durchdringung mit digitalen Technologien und Geschäftsmodellen gegenübersehen und bei der Anpassung an diese Entwicklung unterstützt werden müssen. Entsprechendes gilt für die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt. Der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband e. V. ist Partner der Initiative Wirtschaft 4.0. Im Rahmen der Initiative Wirtschaft 4.0 werden branchenübergreifende Fördermaßnahmen umgesetzt, die auch für die Genossenschaften nutzbar sind. So werden etwa sogenannte Digitallotsen gefördert, um branchenübergreifend gerade die „digitalen Neulinge“ unter den kleineren Unternehmen auf dem Weg zu einer erfolgreichen Digitalisierungsstrategie zu unterstützen. Die Digitallotsen sollen die KMU für das Thema Digitalisierung sensibilisieren und sie dazu befähigen, individuelle Lösungsansätze zu entwickeln. Um die Digitalisierung in der Fläche des Landes voranzutreiben, werden zudem regionale Digital Hubs gefördert. Diese sollen als regionale Kristallisationspunkte der Digitalisierung der Wirtschaft bestehende Unternehmen mit Start-ups zusammenbringen und als Experimentierräume die gemeinsame Entwicklung und Umsetzung von digitalen Projekten anregen. Mit der modellhaft erprobten Digitalisierungsprämie wurden gerade die kleineren Unternehmen im Land bei konkreten investiven Umsetzungsschritten zur Digitalisierung begleitet. Mit ihr konnten sowohl die Einführung digitaler Lösungen im Betrieb als auch damit verbundene Investitionen in die Qualifikation der Mitarbeiter gefördert werden. Momentan wird die Modellphase ausgewertet, gleichzeitig werden die Vorbereitungen getroffen, damit die Digitalisierungsprämie im Jahr 2018 in geeigneter Form als reguläres Förderprogramm starten kann. Darüber hinaus können Genossenschaften bspw. den Innovationsgutschein Hightech Digital in Anspruch nehmen. Baden-Württemberg unterstützt zudem seit 2007 mit seinem Förderprogramm den Aufbau einer flächendeckenden und leistungsstarken digitalen Infrastruktur, die die Lebensader einer digitalen Gesellschaft ist. Die Landesregierung schafft damit die Voraussetzungen, dass alle gesellschaftlichen Gruppen sowie alle Bürgerinnen und Bürger – und somit auch Genossenschaften – an der Digitalisierung teilhaben können. Die Digitalisierung ist eine Querschnittsaufgabe, die alle Lebens- und Arbeitsbereiche und damit auch Genossenschaften umfasst. Genossenschaften können im privatwirtschaftlichen Rahmen durch finanzielle Beteiligungen einen Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3005 16 Beitrag leisten, den Breitbandausbau in Baden-Württemberg voranzutreiben. Die örtliche Verankerung der Genossenschaften kann hierbei ein wichtiger Motivationsfaktor sein. Genossenschaften erbringen viele Dienstleistungen für ihre Mitglieder, so auch im IT-Bereich bzw. bei der Datenverarbeitung. Insofern sind sie gut geeignet, ihre Mitglieder bei Digitalisierungsprojekten zu unterstützen. Als Multiplikatoren der Digitalisierung wirken z. B. die digitalen Angebote der Volksbanken und Raiffeisenbanken , die sich nicht nur an deren Kunden richten, sondern digitale Prozesse und Anwendungsmöglichkeiten auch für eine hohe Anzahl an Mitgliedern nutzbar machen, etwa im Bereich des Mobile-Bankings mithilfe moderner Applikationen. Darüber hinaus unterstützt der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband seine Mitglieder dabei, die Herausforderungen der Digitalisierung zu bewältigen. Beispielsweise ist geplant, anhand von individuellen Unternehmens-Check-ups Ansätze zu erarbeiten, wie die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung angegangen werden können. Die Weiterbildungseinrichtung des Verbands (BWGV-Akademie) bietet Weiterbildungen für die Mitarbeiter der Mitgliedsgenossenschaften an, um sie für die Digitalisierung zu qualifizieren. Angeboten werden z. B. Fachkonferenzen zur Digitalisierung in verschiedenen Branchen, Seminare zu Kundenansprache und Führung in der digitalen Welt und Anwendungsschulungen . Einzelhandelsfachkräfte können sich zu Online-Händlern weiterbilden lassen. 20. Welche Erwartungen hat die Landesregierung an Genossenschaften im Zusammenhang mit der Lösung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Herausforderungen ? Zu 20.: Genossenschaften können auf vielen Feldern gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Herausforderungen Lösungsbeiträge anbieten. Gerade für die Energiewende gilt dies in besonderem Maße. Auf kommunaler Ebene bieten Genossenschaften eine Möglichkeit für bürgerschaftliches Engagement zur Erhaltung von Infrastruktur , insbesondere im ländlichen Raum. Das Spektrum möglicher Betätigungsfelder reicht dabei von Dorfläden über die ärztliche Versorgung zu Themen wie Mobilität, Betreuung und Pflege älterer Menschen, Bildung und die soziale und nachhaltige Entwicklung von Stadtquartieren. Gemeinsame Verantwortung, Mitbestimmung und gesellschaftliche Integration sowie das Interesse an einem langfristigen Engagement im Quartier können auch aus Sicht der Landesregierung von Genossenschaften als Beitrag in die Quartiersentwicklung und die Entwicklung von neuen, mit integrierten Dienstleistungen verbundenen Wohnkonzepten eingebracht werden . Wohnungsbaugenossenschaften können einen wichtigen Beitrag zur Integration und zum selbstständigen Leben im Alter leisten. 21. Was unternimmt die Landesregierung perspektivisch, um das Genossenschaftswesen in Baden-Württemberg weiter zu fördern und die Zukunftsfähigkeit dieser etablierten Idee, Rechts- und Unternehmensform zu unterstützen? Zu 21.: Die Landesregierung unterstützt die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der Genossenschaften in Baden-Württemberg, wie dargestellt, auf unterschiedliche Weise und mit vielfältigen Maßnahmen. Darüber hinaus setzt sich die Landesregierung für die Interessen der Genossenschaften auch gegenüber der Bundes- und Europapolitik ein. So hat sie sich etwa bei der Überarbeitung des Umsetzungsgesetzes der Wohnimmobilienkreditrichtlinie auf Bundesebene für die Berücksichtigung der Belange der Genossenschaftsbanken eingesetzt und unterstützt auch deren Position gegen die Vergemeinschaftung der Einlagensicherung auf EU-Ebene. Darüber hinaus setzt sich das Land gemeinsam mit dem BWGV und dem Sparkassenverband gegenüber der EU-Kommission dafür ein, die regulatorische Belastung der Volksund Raiffeisenbanken sowie der Sparkassen zu begrenzen. Der Beitrag der Genossenschaftsbanken zur Finanzierung des Mittelstands wird durch die regulatorische Privilegierung von Darlehen an kleine Unternehmen erleichtert. Die Eigenkapital- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3005 17 unterlegung von Darlehen an kleine und mittlere Unternehmen wird nach geltendem Recht bei Darlehen bis 1,5 Mio. Euro mit dem Faktor 0,7619 multipliziert. Für diese Darlehen müssen die Kreditinstitute „nur“ 76,19 Prozent des üblichen Eigenkapitals binden. Nach dem im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Bankenregulierungspaket soll dieser Anrechnungsfaktor auf 76,12 Prozent leicht optimiert werden. Eine zusätzliche zentrale Verbesserung liegt darin, dass auch Darlehen an KMU oberhalb der Grenze von 1,5 Mio. Euro mit weniger Eigenkapital unterlegt werden müssen. Der neue Anrechnungsfaktor 0,85 für alle Darlehen an KMU gilt ohne Obergrenze. Diese Darlehen müssen also nur noch mit 85 Prozent des üblichen Eigenkapitals unterlegt werden. Der Einsatz des Landes für den Mittelstand und die dreigliedrige Bankenstruktur in Brüssel war diesbezüglich bereits erfolgreich. Die Vertretung der Interessen der baden-württembergischen Wirtschaft, so auch der Genossenschaften, bleibt gleichwohl eine Daueraufgabe. Dr. Hoffmeister-Kraut Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau