Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Drucksache 16 / 3038 29. 11. 2017 Große Anfrage der Fraktion der AfD und Antwort der Landesregierung Qualitäts-Check der baden-württembergischen Naturschutz- Organisationen Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg e. V. (LNV), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Naturschutzbund Deutschland (NABU) über Artenschutzgutachten von Windkraft-Genehmigungen G r o ß e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Welchen Handlungsbedarf sieht sie, nachdem die bei der Landespressekonferenz in Stuttgart am 7. September 2017 vorgestellte Auswertung einer repräsentativ gezogenen und aus acht Genehmigungen bestehenden Stichprobe von Artenschutzgutachten zu einem aus Sicht der Naturschutzverbände unbefriedigenden Ergebnis geführt hat, wonach die Vorgaben der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) laut Mitteilung lediglich zwischen 28 Prozent und 56 Prozent erfüllt wurden, der Erfüllungsgrad der Vorgaben in lediglich zwei Fällen über 50 Prozent bzw. in zwei Fällen unter 30 Prozent der Prüfkriterien lag und keines der Artenschutzgutachten vollumfänglich den Erwartungen und Ansprüchen an „gute Gutachten“ entsprochen hat? 2. Sieht sie nach diesem von den Spitzen der Naturschutzverbände heftig kritisierten Ergebnis einen Anlass, ein Moratorium für alle derzeit bei den Landratsämtern noch laufenden Windkraft-Genehmigungsverfahren zu verhängen, bis die jetzt offengelegten Missstände in der Verwaltungs- und Genehmigungspraxis sowie bei den Artenschutzgutachtern abgestellt sind und das Qualitätsniveau bei den Artenschutzgutachten entsprechend angehoben worden ist, um zu verhindern , dass weiter Genehmigungen erteilt werden, die auf mangelhaften Artenschutzgutachten gründen und dadurch möglicherweise nicht gerichtsfest sind? 3. Von welchen Landratsämtern stammen die in der Stichprobe untersuchten Genehmigungen ? 4. Wurden die in die Stichprobe einbezogenen und alle weiteren mit Windkraft- Anträgen befassten Genehmigungs- und Widerspruchsbehörden über das Ergebnis der Stichprobe von Amts wegen informiert? Eingegangen: 29. 11. 2017 / Ausgegeben: 14. 02. 2018 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3038 2 5. Welche Landratsämter haben keine Akteneinsicht gewährt, obwohl sie von den Naturschutzverbänden dazu aufgefordert worden sind? 6. Warum wurden die Landratsämter Heilbronn (Heilbronn Land, Windvorranggebiet „Hardthäuser Wald“) und Ellwangen/Jagst (Ostalb, Windvorranggebiet „Rosenberg-Süd“) nicht in die Prüfung durch die Naturschutzverbände einbezogen , obwohl dort den Berichten der Lokalzeitungen zufolge durch Naturschützer und Gewährsleute ebenfalls Vorkommen von seltenen Arten (Rotmilane etc.) festgestellt wurden, die „harte“ Genehmigungshindernisse darstellen und deren fachlich gemäß LUBW-Vorgaben gebotene Berücksichtigung in den für den „Hardthäuser Wald“ bzw. für „Rosenberg-Süd“ erstellten Artenschutzgutachten möglicherweise nicht zu einer Genehmigung der zwischenzeitlich realisierten Vorhaben geführt hätte? 7. Unterstützt die Landesregierung die Forderung der Naturschutzverbände nach einer „Qualitäts-Offensive“, die neben einer Qualitäts-Verbesserung der Artenschutzgutachten und einer verbesserten Verwaltungs- und Genehmigungspraxis auch eine Zertifizierung der Artenschutzgutachter zum Ziel hat, die bisher keinen Kompetenznachweis erbringen mussten und die bisher keinen Qualitätskontrollen unterlagen? 8. Von welchem zeitlichen Rahmen bis zur Umsetzung der Forderungen geht sie aus, falls sie die Forderungen der Naturschutzverbände nach einer „Qualitätsoffensive “, nach der Erstellung eines Mustergutachtens, nach einer Definition von Standards für eine „Gute gutachterliche Praxis (GgP)“ und nach einer Zertifizierungspflicht für Artenschutzgutachter unterstützt? 9. Ist beabsichtigt, die Prüfung durch die Naturschutzverbände oder durch andere Prüfungsinstanzen über die gezogene Stichprobe hinaus auch auf alle 46 im Jahr 2016 nach Angaben des Umweltministeriums abgeschlossenen Genehmigungsverfahren auszudehnen, nachdem die Stichprobe „repräsentativ“ gezogen wurde und demzufolge davon auszugehen ist, dass das unbefriedigende Ergebnis der Stichprobe auch auf die Gesamtheit aller im Jahr 2016 und vorher durchgeführten Genehmigungsverfahren zutrifft? 10. Welche rechtlichen Möglichkeiten (Widerruf der Genehmigung, Aussetzung der Vollziehung bzw. Rücknahme des im Genehmigungsbescheid angeordneten Sofortvollzugs bei noch nicht bestandskräftigen Genehmigungen) bestehen für im Genehmigungs- und Widerspruchsverfahren unterlegene Antragsgegner bzw. für unterlegene Kläger, wenn es sich nachträglich herausstellt, dass die Genehmigung auf Basis eines nicht den LUBW-Hinweisen entsprechenden Artenschutzgutachtens und auf Basis einer fehlerhaften Verwaltungs- und Genehmigungspraxis erteilt wurde? 11. Unter welchen Umständen sind Urteile der Verwaltungsgerichte im Hauptsacheverfahren , Verwaltungsgerichts-Entscheidungen im Eilverfahren und im Eilverfahren vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg getroffene Entscheidungen revidierbar, falls es sich herausstellt, dass den Entscheidungen ein fehlerhaftes, weil nicht den LUBW-Hinweisen entsprechendes Artenschutzgutachten und eine fehlerhafte, ebenfalls den LUBW-Richtlinien und anderen Vorgaben nicht entsprechende Verwaltungs- und Genehmigungspraxis zugrunde gelegen hat? 12. Hat sich die Landesregierung von den Landräten Bericht erstatten lassen, ob und in welcher Weise z. B. durch Klageandrohungen Antragsteller von Windkraft -Bauanträgen in den letzten Monaten des Jahres versucht haben, Druck auf die Genehmigungsbehörden auszuüben? 13. Wie wurde dem Druck standgehalten bzw. wie wurde die Genehmigungspraxis dadurch beeinflusst? 14. Wie beurteilt sie vor diesem Hintergrund das noch im laufenden Genehmigungsverfahren beim Landratsamt Rems-Murr-Kreis (Waiblingen) befindliche Windkraft-Vorhaben „Schorndorf-Unterberken GP 03/Weinstraße“ der EnBW, nachdem bei der im Frühjahr 2017 in Schorndorf-Unterberken vom Landrats- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3038 3 amt abgehaltenen öffentlichen Anhörung nach der durch Sachverständige des Landratsamts und durch Gewährsleute erfolgten Befragung des von der EnBW beauftragten Artenschutzgutachters gemäß den zu Protokoll genommenen Auskünften festzustellen ist, dass bei der Erstellung des Artenschutzgutachtens die für die Erfassung von Vögeln und Fledermäusen geltenden LUBW-Hinweise ebenfalls nicht beachtet wurden? 15. Ist sie bereit, die von den Naturschutzverbänden geforderten Standards auch im Fall des noch im laufenden Genehmigungsverfahren beim Landratsamt Waiblingen befindlichen und von der EnBW betriebenen Verfahrens „WN 34“ anzuwenden, falls es sich herausstellen sollte, dass ein Gegengutachten zum Ergebnis kommt, dass das von der EnBW beauftragte Artenschutzgutachten schwerwiegende Mängel aufweisen und ebenfalls gegen LUBW-Hinweise verstoßen sollte? 19. 11. 2017 Dr. Meuthen und Fraktion B e g r ü n d u n g Aufgrund von massiven und im Zeitablauf immer stärker zunehmenden Beschwerden hauptsächlich von Bürgerinitiativen und ehrenamtlich arbeitenden Naturschützern , aber auch nach Kritik der interessierten Öffentlichkeit hat die Führung der baden-württembergischen Naturschutzverbände LNV, BUND und NABU im Frühjahr 2017 beschlossen, eine Sonderprüfung bezüglich der schon seit Langem heftig kritisierten Artenschutzgutachten durchzuführen, die gemäß Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) von den Windkraft-Vorhabensträgern auf deren Kosten einzuholen sind und die den Landratsämtern und Regierungspräsidien in der Verwaltungspraxis als Grundlage zur Genehmigung von Windindustrieanlagen dienen. Mit ein Auslöser für die Sonderprüfung dürfte auch das beim Verwaltungsgericht Stuttgart vor wenigen Monaten ergangene und in der Windkraft-Branche stark beachtete Urteil gewesen sein, demzufolge auf Betreiben des NABU Schwäbisch Hall eine bereits in Betrieb befindliche Windkraftanlage in der Nähe von Braunsbach/ Hohenlohe stillgelegt werden musste, nachdem es sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Stuttgart herausgestellt hat, dass die Windkraftanlage rechtswidrig in ein dort schon länger bestehendes und ein „hartes“ Genehmigungshindernis darstellendes Rotmilan-Dichtezentrum hinein gebaut worden war, das vom durch den Vorhabensträger beauftragten Artenschutzgutachter fälschlicherweise nicht als solches erkannt wurde. Obwohl dem Landratsamt Schwäbisch Hall nach Zeitungsberichten von Anfang an entsprechende Informationen vorgelegen haben und es der Aktenlage zufolge sehr frühzeitig vom NABU anhand gerichtsfester Beweise über die Rechtswidrigkeit seiner Genehmigung informiert wurde, haben Landratsamt und Regierungspräsidium nach Auskunft des NABU nichts gegen den rechtswidrigen und weiter fortschreitenden Bau unternommen, weshalb sich der NABU genötigt sah, (erfolgreich) Klage zu erheben. Wenige Wochen vor Beginn der Sonderprüfung hat der BUND beim Verwaltungsgericht Stuttgart einen Eilantrag zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die ebenfalls vom Landratsamt Schwäbisch Hall ausgesprochene Genehmigung einer mit 13 Windindustrieanlagen geplanten Windindustriezone in Langenburg/Hohenlohe („Brüchlinger Wald“) und einen damit verbundenen Antrag auf sofortigen Baustopp eingelegt. Dabei hat der BUND erstmalig in Baden-Württemberg von seinem Verbandsklagerecht Gebrauch gemacht , nachdem BUND-Mitarbeiter vor Ort laut Widerspruchsbegründung und Zeitungsberichten zufolge ebenfalls schwerwiegende Verstöße gegen Naturschutzgesetze und Verwaltungsrichtlinien festgestellt hatten. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3038 4 Im Übrigen hat das am Ende des Jahres 2016 festzustellende Verfahren der Landratsämter zu erheblicher Kritik der Naturschutzverbände an der Windkraft-Genehmigungspraxis geführt, nachdem es in den letzten beiden Monaten des Jahres 2016 zu einer „Jahresendrallye“ und entsprechenden Vorzieheffekten gekommen ist, wonach 60 Prozent der insgesamt im Jahr 2016 in Baden-Württemberg erfolgten Genehmigungen allein im durch die Weihnachtsfeiertage von den Arbeitstagen her ohnehin schon dezimierten Dezember ergangen sind, wodurch es die Landratsämter den Windkraft-Antragstellern ermöglichten, noch in den Genuss der höheren, nur noch bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)-Subventionen zu kommen, die bei Genehmigungen ab dem 1. Januar 2017 aufgrund der zu diesem Stichtag in Kraft getretenen EEG-Novellierung abgesenkt worden sind. Insbesondere das in diesen beiden Monaten zutage getretene Genehmigungsgebaren hat Zeitungsberichten zufolge bei den Naturschutzverbänden „das Fass zum Überlaufen gebracht“ und zur Festsetzung einer Sonderprüfung geführt, weil es aus Sicht der Naturschutzverbände völlig unglaubwürdig erschien, dass meist komplizierte und vom zu prüfenden Antragsvolumen her umfangreiche, arbeitsund zeitintensive BImSchG-Verfahren in einer Rekordzeit von nur wenigen Tagen und Wochen seriös und mit der bei jedem Einzelfall gebotenen Prüfungstiefe und -intensität durchgeführt worden sein konnten, zumal viele dieser Anträge erst kurz zuvor eingereicht wurden, mangels Unterlagen oft noch nicht vollständig waren und vergleichbare Anträge bis zur abschließenden Genehmigungs-Entscheidung normalerweise eine durchschnittliche Bearbeitungszeit von neun bis zwölf Monaten – im Einzelfall noch länger – benötigen. Die im September 2017 abgeschlossene Sonderprüfung hat 15 Landratsämter (Genehmigungsbehörden ) umfasst, die bei ihrer Genehmigungspraxis als auffällig erkannt wurden. Im Einzelnen waren dies die Landratsämter Enzkreis, Göppingen, Heilbronn, Lörrach, Main-Tauber-Kreis, Neckar-Odenwald-Kreis, Ortenaukreis, Rems-Murr- Kreis, Rottweil, Schwarzwald-Baar-Kreis, Schwäbisch Hall, Tuttlingen, Zollernalbkreis , Sigmaringen und Alb-Donau-Kreis. Von diesen Landratsämtern wurden Akten zu insgesamt 24 Genehmigungsverfahren zur Verfügung gestellt. Daraus haben die Naturschutzverbände eine repräsentative Stichprobe von acht Genehmigungsverfahren gezogen. Grundlage für die Überprüfung waren die Erfassungs- und Bewertungshinweise für Vögel und die Erfassungshinweise für Fledermäuse bei der Bauleitplanung und Genehmigung von Windenergieanlagen der dem Umweltministerium unterstellten LUBW (Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg ). Diese sind für die unteren Genehmigungsbehörden in den Landratsämtern verbindlich. Aus diesen LUBW-Hinweisen haben die Naturschutz-Verbände einen Katalog von 98 Prüf-Kriterien entwickelt, die je nach Bedeutung unterschiedlich gewichtet wurden. Bei der am 7. September 2017 abgehaltenen Landespressekonferenz haben die Spitzen der baden-württembergischen Naturschutz-Verbände mitgeteilt, dass nach der anhand der Aktenlage erfolgten Auswertung einer repräsentativ gezogenen und als „Qualitäts-Check“ bezeichneten Stichprobe massive und gehäuft vorkommende Unregelmäßigkeiten festzustellen waren. Im Einzelnen wurden erhebliche methodische Mängel genannt. Ihrer Beurteilung nach reichen die Artenschutzgutachten nicht aus, um eine fundierte naturschutzfachliche Prüfung und Bewertung möglicher Standorte für Windenergieanlagen vorzunehmen. Weiterhin wurde kritisiert, dass die Artenschutzgutachten in den Genehmigungsbehörden nicht genügend und zu lasch geprüft würden. Den Naturschutzverbänden zufolge sei es besonders schwerwiegend, dass keine einheitliche und konsequente Anwendung der vorgegebenen und zwingend einzuhaltenden LUBW-Standards erfolge, beispielsweise bezüglich der Anzahl der Zählungen und hinsichtlich der Zählmethode. Bei der Zählung von Fledermäusen wurde ermittelt, dass in manchen Fällen die notwendigen Telemetrie-Messungen mit kleinen Sendern nicht erfolgt sei. Ebenfalls schwerwiegend sei die Feststellung, dass keine Berücksichtigung von Beobachtungsdaten ausgewiesener und vor Ort gebietskun- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3038 5 diger Naturschützer erfolge, obgleich der Einbezug von zuverlässig gewonnenen Beobachtungsdaten, die durch Gewährsleute vor Ort zusammengetragen wurden, in mehreren Verwaltungsgerichtsurteilen gefordert werde. Scharf kritisiert wurde die auch in den Genehmigungsbescheiden erwähnte Druckausübung der Vorhabenträger und die unverhohlene Androhung von Klagen, falls die Genehmigung nicht im Jahr 2016 erteilt werde. Damit die festgestellten Missstände umgehend abgestellt werden, haben die Naturschutzverbände die eindringliche Forderung erhoben, wonach das Umweltministerium die nachgeordneten Behörden durch einen Erlass dazu veranlassen solle, die LUBW-Hinweise zwingend anzuwenden. Außerdem wurde eine umgehende „Qualitätsoffensive“ gefordert. A n t w o r t * ) Schreiben des Staatsministeriums vom 30. Januar 2018 Nr. III-4583: In der Anlage übersende ich unter Bezugnahme auf § 63 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg die von der Landesregierung beschlossene Antwort auf die Große Anfrage. Murawski Staatsminister und Chef der Staatskanzlei *) Der Überschreitung der Sechs-Wochen-Frist wurde zugestimmt. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3038 6 Anlage: Schreiben des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Mit Schreiben vom 23. Januar Nr. 72-0141.5/55 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Ministerium der Justiz und für Europa im Namen der Landesregierung die Große Anfrage wie folgt: 1. Welchen Handlungsbedarf sieht sie, nachdem die bei der Landespressekonferenz in Stuttgart am 7. September 2017 vorgestellte Auswertung einer repräsentativ gezogenen und aus acht Genehmigungen bestehenden Stichprobe von Artenschutzgutachten zu einem aus Sicht der Naturschutzverbände unbefriedigenden Ergebnis geführt hat, wonach die Vorgaben der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) laut Mitteilung lediglich zwischen 28 Prozent und 56 Prozent erfüllt wurden, der Erfüllungsgrad der Vorgaben in lediglich zwei Fällen über 50 Prozent bzw. in zwei Fällen unter 30 Prozent der Prüfkriterien lag und keines der Artenschutzgutachten vollumfänglich den Erwartungen und Ansprüchen an „gute Gutachten“ entsprochen hat? Zu dieser Frage verweist das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft auf die Ausführungen zu Ziffer 3 der Landtagsdrucksache 16/2956. Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft weist ferner darauf hin, dass rund ein Drittel der zwischen 1. Januar 2015 und 30. September 2017 abgelehnten oder zurückgezogenen Genehmigungsanträge für Windenergieanlagen ausschließlich auf naturschutzrechtliche Restriktionen zurückgeht. 2. Sieht sie nach diesem von den Spitzen der Naturschutzverbände heftig kritisierten Ergebnis einen Anlass, ein Moratorium für alle derzeit bei den Landratsämtern noch laufenden Windkraft-Genehmigungsverfahren zu verhängen, bis die jetzt offengelegten Missstände in der Verwaltungs- und Genehmigungspraxis sowie bei den Artenschutzgutachtern abgestellt sind und das Qualitätsniveau bei den Artenschutzgutachten entsprechend angehoben worden ist, um zu verhindern , dass weiter Genehmigungen erteilt werden, die auf mangelhaften Artenschutzgutachten gründen und dadurch möglicherweise nicht gerichtsfest sind? Ein Moratorium der derzeit laufenden Genehmigungsverfahren ist nicht angezeigt. Im Übrigen weist das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft darauf hin, dass die Prüfung der Naturschutzverbände ausschließlich die methodischen Hinweise zur Erfassung zum Inhalt hatte. Die abschließende Bewertung der Untersuchungsergebnisse wurde nicht in den Blick genommen. Mithin lässt sich aus den von den Naturschutzverbänden vorgestellten Ergebnissen nicht unmittelbar auf fehlerhafte Genehmigungen schließen. 3. Von welchen Landratsämtern stammen die in der Stichprobe untersuchten Genehmigungen ? Das Gutachten der Verbände wurde anonymisiert veröffentlicht. 4. Wurden die in die Stichprobe einbezogenen und alle weiteren mit Windkraft-Anträgen befassten Genehmigungs- und Widerspruchsbehörden über das Ergebnis der Stichprobe von Amts wegen informiert? Die Ergebnisse der Abfrage sind für jedermann zugänglich auf den Internetseiten des NABU Landesverbandes Baden-Württemberg veröffentlicht worden. Daher bestand kein Anlass, die Genehmigungs- und Widerspruchsbehörden zu informieren . 5. Welche Landratsämter haben keine Akteneinsicht gewährt, obwohl sie von den Naturschutzverbänden dazu aufgefordert worden sind? Dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft liegen hierzu keine Informationen vor. Der NABU Landesverband Baden-Württemberg bescheinigt den Genehmigungsbehörden auf seinen Internestseiten allerdings, dass sie „überwiegend bemüht [waren], dem gesetzlichen Informationsanspruch der Umweltverbände nachzukommen“ (vgl. https://baden-wuerttemberg.nabu.de/umwelt-undleben /klima-und-energie/windkraft/23061.html, mit Stand vom 12. Januar 2018). Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3038 7 6. Warum wurden die Landratsämter Heilbronn (Heilbronn Land, Windvorranggebiet „Hardthäuser Wald“) und Ellwangen/Jagst (Ostalb, Windvorranggebiet „Rosenberg-Süd“) nicht in die Prüfung durch die Naturschutzverbände einbezogen , obwohl dort den Berichten der Lokalzeitungen zufolge durch Naturschützer und Gewährsleute ebenfalls Vorkommen von seltenen Arten (Rotmilane etc.) festgestellt wurden, die „harte“ Genehmigungshindernisse darstellen und deren fachlich gemäß LUBW-Vorgaben gebotene Berücksichtigung in den für den „Hardthäuser Wald“ bzw. für „Rosenberg-Süd“ erstellten Artenschutzgutachten möglicherweise nicht zu einer Genehmigung der zwischenzeitlich realisierten Vorhaben geführt hätte? Da es sich bei der genannten Initiative um ein Vorhaben der Naturschutzverbände handelt, liegen dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft hierzu keine Informationen vor. 7. Unterstützt die Landesregierung die Forderung der Naturschutzverbände nach einer „Qualitäts-Offensive“, die neben einer Qualitäts-Verbesserung der Artenschutzgutachten und einer verbesserten Verwaltungs- und Genehmigungspraxis auch eine Zertifizierung der Artenschutzgutachter zum Ziel hat, die bisher keinen Kompetenznachweis erbringen mussten und die bisher keinen Qualitätskontrollen unterlagen? Die Aussage, dass Artenschutzgutachterinnen und -gutachter bisher keinen Kompetenznachweis erbringen mussten und keinen Qualitätskontrollen unterlagen, trifft nicht zu. So wird in den Hinweispapieren der LUBW darauf hingewiesen, dass die jeweiligen Untersuchungen von ornithologischem bzw. fledermauskundigem Fachpersonal durchzuführen sind. Die Prüfung der fachlichen Eignung der Bearbeiterinnen und Bearbeiter sowie der vorgelegten Unterlagen obliegt der zuständigen Zulassungsbehörde und wird im Rahmen der Prüfung der Antragsunterlagen durchgeführt. Gleichwohl setzt sich das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft dafür ein, über geeignete Maßnahmen wie beispielweise die Schulung der mit den Genehmigungsverfahren betrauten Akteure zu einer Verbesserung der Qualität von Artenschutzgutachten beizutragen. 8. Von welchem zeitlichen Rahmen bis zur Umsetzung der Forderungen geht sie aus, falls sie die Forderungen der Naturschutzverbände nach einer „Qualitätsoffensive “, nach der Erstellung eines Mustergutachtens, nach einer Definition von Standards für eine „Gute gutachterliche Praxis (GgP)“ und nach einer Zertifizierungspflicht für Artenschutzgutachter unterstützt? Zu dieser Frage verweist das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft auf die Ausführungen zu den Ziffern 6, 7 und 8 der Landtagsdrucksache 16/2956. 9. Ist beabsichtigt, die Prüfung durch die Naturschutzverbände oder durch andere Prüfungsinstanzen über die gezogene Stichprobe hinaus auch auf alle 46 im Jahr 2016 nach Angaben des Umweltministeriums abgeschlossenen Genehmigungsverfahren auszudehnen, nachdem die Stichprobe „repräsentativ“ gezogen wurde und demzufolge davon auszugehen ist, dass das unbefriedigende Ergebnis der Stichprobe auch auf die Gesamtheit aller im Jahr 2016 und vorher durchgeführten Genehmigungsverfahren zutrifft? Zu dieser Frage verweist das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft auf die Ausführungen zur Ziffer 4 der Landtagsdrucksache 16/2956. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3038 8 10. Welche rechtlichen Möglichkeiten (Widerruf der Genehmigung, Aussetzung der Vollziehung bzw. Rücknahme des im Genehmigungsbescheid angeordneten Sofortvollzugs bei noch nicht bestandskräftigen Genehmigungen) bestehen für im Genehmigungs- und Widerspruchsverfahren unterlegene Antragsgegner bzw. für unterlegene Kläger, wenn es sich nachträglich herausstellt, dass die Genehmigung auf Basis eines nicht den LUBW-Hinweisen entsprechenden Artenschutzgutachtens und auf Basis einer fehlerhaften Verwaltungs- und Genehmigungspraxis erteilt wurde? Soweit es das Verfahrensrecht zulässt, kann innerhalb eines Monats Widerspruch gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für ein Windenergievorhaben erhoben werden. Die Widerspruchsbehörde (Regierungspräsidium) überprüft die Rechtmäßigkeit der Genehmigung, indem sie sich je nach Sachlage ein eigenes Urteil über die Qualität von Artenschutzgutachten und deren Bewertung durch die Zulassungsbehörde im Hinblick auf die Genehmigungsfähigkeit eines Windenergievorhabens bildet. Bestätigt die Widerspruchsbehörde die Rechtmäßigkeit der Genehmigung, wird der Widerspruch zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung kann innerhalb eines Monats Klage erhoben werden. 11. Unter welchen Umständen sind Urteile der Verwaltungsgerichte im Hauptsacheverfahren , Verwaltungsgerichts-Entscheidungen im Eilverfahren und im Eilverfahren vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg getroffene Entscheidungen revidierbar, falls es sich herausstellt, dass den Entscheidungen ein fehlerhaftes, weil nicht den LUBW-Hinweisen entsprechendes Artenschutzgutachten und eine fehlerhafte, ebenfalls den LUBW-Richtlinien und anderen Vorgaben nicht entsprechende Verwaltungs- und Genehmigungspraxis zugrunde gelegen hat? Das Urteil eines baden-württembergischen Verwaltungsgerichts kann mit dem Rechtsmittel der Berufung angegriffen werden, wenn das Verwaltungsgericht die Berufung gegen sein Urteil ausdrücklich zugelassen hat (§ 124 Absatz 1 VwGO); dies erfolgt nur, wenn das Gericht der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zumisst oder ein Fall der Divergenz von ober- oder höchstrichterlicher Rechtsprechung gegeben ist (§ 124 a Absatz 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof Baden -Württemberg prüft den Streitfall innerhalb des Berufungsantrags im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht, berücksichtigt aber auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel (§ 128 VwGO). Gelangt der Verwaltungsgerichtshof im Berufungsverfahren zu der Auffassung, dass das angegriffene Urteil mit dem geltenden Recht nicht zu vereinbaren ist, ändert er die Entscheidung des Verwaltungsgerichts entsprechend ab. Gegen das Berufungsurteil des Verwaltungsgerichtshofs ist das Rechtsmittel der Revision zum Bundesverwaltungsgericht eröffnet , wenn der Verwaltungsgerichtshof die Revision gegen sein Urteil zulässt oder das Bundesverwaltungsgericht auf eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Zulassung der Revision beschließt (§ 132 VwGO). Die Zulassung der Revision erfolgt nur dann, wenn einer der Zulassungsgründe des § 132 Absatz 2 VwGO vorliegt. Hat das jeweilige Verwaltungsgericht die Berufung gegen sein Urteil nicht zugelassen , so kann der unterlegene Beteiligte einen Antrag auf Zulassung der Berufung durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg stellen (§ 124 a Absatz 4 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof gibt einem solchen Antrag nur statt, wenn ein Berufungszulassungsgrund nach § 124 Absatz 2 VwGO hinreichend dargelegt ist und tatsächlich vorliegt. Ist dies nicht der Fall, dann lehnt der Verwaltungsgerichtshof den Berufungszulassungsantrag durch Beschluss ab. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erwächst damit in Rechtskraft (§ 124 a Absatz 5 Satz 4 VwGO); denn gegen einen den Zulassungsantrag ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben. Lässt der Verwaltungsgerichtshof die Berufung durch Beschluss zu, so wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt (§ 124 a Absatz 5 Satz 6 VwGO). Zum weiteren Verfahren kann nach oben verwiesen werden. Gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts im Eilrechtsschutzverfahren ist die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg möglich (§ 146 VwGO). Über die Beschwerde entscheidet der Verwaltungsgerichtshof durch unanfechtbaren Beschluss (§§ 150, 152 VwGO). Für die Beschwerde gegen Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3038 9 Eilrechtsbeschlüsse des Verwaltungsgerichts gelten die besonderen Anforderungen des § 146 Absatz 4 VwGO. Der Verwaltungsgerichtshof prüft im Beschwerdeverfahren nur die Zulässigkeit der Beschwerde und, wenn diese zu bejahen ist, ausschließlich die vom Beschwerdeführer dargelegten Gründe (§ 146 Absatz 4 Satz 6 VwGO). Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht befugt ist, den eigenen Eilrechtsbeschluss von Amts wegen oder auf Antrag abändern. 12. Hat sich die Landesregierung von den Landräten Bericht erstatten lassen, ob und in welcher Weise z. B. durch Klageandrohungen Antragsteller von Windkraft -Bauanträgen in den letzten Monaten des Jahres versucht haben, Druck auf die Genehmigungsbehörden auszuüben? 13. Wie wurde dem Druck standgehalten bzw. wie wurde die Genehmigungspraxis dadurch beeinflusst? Die Fragen 12. und 13. werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Für eine entsprechende Abfrage sieht das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft keine Veranlassung. 14. Wie beurteilt sie vor diesem Hintergrund das noch im laufenden Genehmigungsverfahren beim Landratsamt Rems-Murr-Kreis (Waiblingen) befindliche Windkraft-Vorhaben „Schorndorf-Unterberken GP 03/Weinstraße“ der EnBW, nachdem bei der im Frühjahr 2017 in Schorndorf-Unterberken vom Landratsamt abgehaltenen öffentlichen Anhörung nach der durch Sachverständige des Landratsamts und durch Gewährsleute erfolgten Befragung des von der EnBW beauftragten Artenschutzgutachters gemäß den zu Protokoll genommenen Auskünften festzustellen ist, dass bei der Erstellung des Artenschutzgutachtens die für die Erfassung von Vögeln und Fledermäusen geltenden LUBW-Hinweise ebenfalls nicht beachtet wurden? Beim Antragsteller des Windenergievorhabens GP-03 handelt es sich nicht um die EnBW AG, sondern um die Energiedienstleistungen Remstal GmbH, an der die Stadtwerke Schorndorf und Fellbach mit je 50 % beteiligt sind. Im Rahmen des Erörterungstermins der Antragsunterlagen stellten sich die Fachgutachter den Fragen aus der Bevölkerung. Folglich wurden die Fachgutachter der Energiedienstleistungen Remstal GmbH beim Erörterungstermin von Bürgerinnen und Bürgern befragt und nicht von Sachverständigen des Landratsamtes (vgl. § 14 BImSchG). Abweichungen bezüglich der Anwendung der LUBW-Hinweise, die zu einem anderen Ergebnis oder einer anderen fachlichen Einschätzung hätten führen können, wurden während des Erörterungstermins nicht festgestellt. Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der zunächst für November 2016 angesetzte Erörterungstermin vonseiten des Landratsamtes abgesagt wurde, um die im Rahmen des Anhörungsverfahren vorgebrachten Einwendungen gründlicher aufarbeiten zu können. Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung wurde bislang nicht erteilt. Nachdem neue Erkenntnisse zur Situation der windkraftempfindlichen Vogelarten an diesem Standort vorliegen, haben sich Antragsteller, Vertreterinnen und Vertreter der Naturschutzbehörden und die Genehmigungsbehörde darauf verständigt, das Vorkommen von windkraftempfindlichen Vogelarten im Jahr 2018 erneut durch einen Gutachter untersuchen zu lassen. Erst wenn diese Daten Ende 2018 vorliegen, soll über den weiteren Fortgang des Projekts entschieden werden. 15. Ist sie bereit, die von den Naturschutzverbänden geforderten Standards auch im Fall des noch im laufenden Genehmigungsverfahren beim Landratsamt Waiblingen befindlichen und von der EnBW betriebenen Verfahrens „WN 34“ anzuwenden, falls es sich herausstellen sollte, dass ein Gegengutachten zum Ergebnis kommt, dass das von der EnBW beauftragte Artenschutzgutachten schwerwiegende Mängel aufweisen und ebenfalls gegen LUBW-Hinweise verstoßen sollte? Das Genehmigungsverfahren für den Windpark WN-34 Goldboden bei Winterbach wurde bereits im Dezember 2016 mit der Erteilung der immissionsschutz- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3038 10 rechtlichen Genehmigung abgeschlossen. Die EnBW AG hat die drei errichteten Windenergieanlagen im Dezember 2017 in Betrieb genommen. Das Genehmigungsverfahren sowie die dazugehörigen artenschutzfachlichen Gutachten werden derzeit in den anhängigen Widerspruchs- und Beschwerdeverfahren von den zuständigen Behörden überprüft. Diese Überprüfung ist noch nicht abgeschlossen . Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft