Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Drucksache 16 / 3039 24. 11. 2017 Große Anfrage der Fraktion der AfD und Antwort der Landesregierung Zahl der Gefährder und Abschiebehindernisse G r o ß e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: I. A u s l ä n d e r r e c h t l i c h e u n d s t a a t s a n g e h ö r i g k e i t s r e c h t l i c h e S t r u k t u r d e r G e f ä h r d e r s z e n e 1. Wie viele „islamische Gefährder“ haben sich zum Stichtag 1. November 2017 in Baden-Württemberg aufgehalten? 2. Für den Fall, dass diese Angabe aus „einsatztaktischen Gründen“ verweigert wird, welche Gründe sind das – im Unterschied zum Bundeskriminalamt, welches diese Bedenken nicht zu hegen scheint – konkret? 3. Wie viele der sich zu diesem Tag auf freiem Fuß befindlichen islamischen Gefährder (bitte tabellarisch) a) waren staatenlos, b) hatten eine ungeklärte Staatsangehörigkeit, c) besaßen ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit, d) besaßen ausschließlich eine ausländische Staatsangehörigkeit, e) besaßen zusätzlich zu einer ausländischen Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit (Doppelstaater)? 4. Wie viele der o. g. islamischen Gefährder (bitte tabellarisch) befinden sich im laufenden Asylverfahren, wie viele sind als Asylberechtigte anerkannt und wie viele sind abgelehnte Asylbewerber? 5. Wie viele der islamischen Gefährder mit Doppelstaatsangehörigkeit erwarben die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung? Eingegangen: 24. 11. 2017 / Ausgegeben: 16. 01. 2018 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3039 2 6. Wie viele der zu diesem Stichtag in Freiheit befindlichen islamischen Gefährder mit ausschließlich ausländischer Staatsangehörigkeit waren vollziehbar ausreisepflichtig? 7. Was – bitte tabellarisch – steht der Abschiebung der in Frage 6 erfragten, vollziehbar ausreisepflichtigen Personen in jedem Einzelfall entgegen? 8. Gibt es Fälle – unter Angabe der Anzahl –, in denen islamische Gefährder eine Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis nach Asylanerkennung erhielten, obwohl sie als islamische Gefährder eingestuft waren? 9. Besitzen zu diesem Stichtag nicht vollziehbar ausreisepflichtige islamische Gefährder – unter Angabe, wie viele – eine „unangefochtene“ Niederlassungserlaubnis oder Daueraufenthaltserlaubnis – EU – , also einen entsprechenden Titel, für welchen die Ausländerbehörde bisher weder den Versuch einer Rücknahme oder eines Widerrufs aufgrund der Gefährdereigenschaft eingeleitet hat? 10. Bei wie vielen der zu diesem Stichtag nicht vollziehbar ausreisepflichtigen islamischen Gefährder hat die Ausländerbehörde die Verlängerung eines befristeten Aufenthaltstitels abgelehnt, einen Titel widerrufen oder zurückgenommen mit der Folge eines derzeit anhängigen Widerspruchs- bzw. Klageverfahrens , das mit einer vollziehbaren Ausreisepflicht enden kann? 11. Wie kam es in jedem Einzelfall dazu, dass angeblich oder tatsächlich staatenlosen islamischen Gefährdern ihre frühere Staatsangehörigkeit abhanden kam, nachdem dies nach Kenntnis der Antragsteller in der (Staaten-)Praxis üblicherweise höchst selten vorkommt? 12. Wie viele Fälle islamischer Gefährder gibt es, deren angebliche Staatenlosigkeit darauf beruht, dass diese Personen (passiv) nie eine Staatsangehörigkeit offenbart haben oder (aktiv) die Staatenlosigkeit nur behaupten oder (aktiv) den Besitz einer Staatsangehörigkeit ableugnen und die positive Feststellung einer Staatsangehörigkeit aufgrund dieses Verhaltens nicht möglich ist mit der Folge der Einstufung als „staatenlos“? 13. Wie wird oder wurde bei den angeblich staatenlosen islamischen Gefährdern deren Staatenlosigkeit festgestellt – insbesondere, wurden Experten für Internationales Recht o. ä. damit beauftragt, anhand des Rechts des Herkunftsstaats festzustellen, ob ein Verlust tatsächlich wie angegeben eintreten konnte – und wurde hierbei in allen Fällen eine Art „Negativbescheinigung“ des Drittstaats, welche den Nachweises des Nichtbesitzes der jeweiligen Staatsangehörigkeit beweist, vorgelegt oder eingeholt? 14. Gibt es – und ggf. warum nicht – erfahrene und spezialisierte „Ausländer- Sondersachbearbeiter“, die zuständigkeits- und behördenübergreifend die Möglichkeiten der Überwindung von Abschiebehindernissen erschöpfend ausermitteln oder zu überwinden versuchen, oder bleibt dies den einzelnen, bei kleinen Behörden aus teilweise zwei Sachbearbeitern bestehenden, Ausländerbehörden selbst überlassen? 15. Ist es – und ggf. warum nicht – den Abgeordneten oder von ihnen Beauftragten möglich, Ausländerakten von Gefährdern anzufordern und einzusehen, da – sollte es solche geben – nur auf diese Weise konkret Fälle benannt werden könnten, in denen abschiebefähige Gefährder nicht abgeschoben werden? Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3039 3 II. Praxis der Gefährderüberwachung 1. Wie viele der auf freiem Fuß befindlichen islamischen Gefährder aus Abschnitt I Frage 1 befinden sich in einer 24 Stunden/7 Tage (24/7)-Überwachungsmaßnahme durch Polizeibeamte? 2. Wie viele islamische Gefährder befinden sich in einer 24/7-Überwachungsmaßnahme in Form einer „elektronischen Fußfessel“ nach § 56 a Aufenthaltsgesetz oder beginnen diese Maßnahmen erst aktuell nach Inkrafttreten des § 27 c des kürzlich überarbeiteten Polizeigesetzes? 3. Welche Kosten verursacht eine 24/7-Überwachung durch Polizeibeamte pro überwachter Person und Monat und wie viele Fahrzeuge und Beamte pro Überwachung (ggf. Durchschnittswert) sind dadurch jeweils gebunden? 4. Findet in Baden-Württemberg – ggf. warum nicht – eine 24/7-Überwachung von islamischen Gefährdern durch Polizeibeamte auch an Feiertagen und am Wochenende statt und gibt es eine zeitliche oder personale Obergrenze der Überwachung? 5. Nach welchen Gesichtspunkten werden Dolmetscher für Verfahren beispielsweise bei Gericht oder bei Befragungen durch die Sicherheitsbehörden ausgewählt und welche Sicherheitsprüfungen finden im Vorfeld für diese statt? 6. Ist der Landesregierung bekannt, dass islamische Gefährder zum Zweck der Verschleierung Geheimsprachen und Dialekte wie beispielsweise Kurmandschi (Nordkurdisch) oder Sorani (Zentralkurdisch) verwenden und gibt es dafür qualifizierte Dolmetscher? 7. Wie wird – da die Behörden nach Auffassung der Fragesteller keine „Dolmetscher für Dolmetscher“ engagieren können – sichergestellt, dass Dolmetscher derselben Herkunft und kulturellen Sozialisation objektiv und neutral übersetzen und nicht etwa aus landsmannschaftlicher, ethnischer oder religiöser Verbundenheit unbemerkt für den Befragten Partei ergreifen? 8. Ist der Landesregierung bekannt, dass asylberechtigte (im Sinne von Flüchtlingsanerkennung nach § 3 Asylgesetz) islamische Gefährder Familiennachzug beantragten und dieser Nachzug auch nach Baden-Württemberg erfolgte? 20. 11. 2017 Dr. Meuthen und Fraktion B e g r ü n d u n g Die Zahl der als „islamische Gefährder“ eingestuften Personen in Baden-Württemberg ist bislang nicht befriedigend geklärt, da sich nach Auffassung der Fragesteller insoweit nur wenige und dabei widersprechende Angaben finden. Die „Badische Zeitung“ vom 2. Januar 2017 zitiert das Innenministerium mit einer „niedrigen dreistelligen Zahl“ und konkretisiert mit 120 Personen, jedoch gebe das Innenministerium aus „einsatztaktischen Gründen“ keine genaue Zahl an. Im selben Artikel nennt demgegenüber jedoch das Bundeskriminalamt eine Zahl von (damals) 549 Gefährdern im Bund. In der Drucksache 16/1960 wird diese Frage nach Auffassung der Fragesteller nicht vollständig beantwortet, es ist nur von einer „hohen zweistelligen“ Zahl die Rede. In der Landtagsdebatte vom 22. Juni 2017 blieb die vom Abgeordneten Emil Sänze (AfD) geäußerte Zahl von ebenfalls 120 islamischen Gefährdern vonseiten der Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3039 4 Landesregierung unwidersprochen. Allerdings wird Innenminister Strobl in den Stuttgarter Nachrichten vom 29. Juli 2017 mit einer „mittleren zweistelligen“ Zahl zitiert. Die Gründe für eine nicht mögliche Abschiebung von Gefährdern sind bislang nicht geklärt. Stand 29. Juli 2017 seien laut Innenminister Strobl nach Angabe der Stuttgarter Nachrichten von diesem Tag im Jahr 2017 erst vier Gefährder abgeschoben worden. In der 42. Sitzung des Landtags am 11. Oktober 2017 forderte Innenmister Strobl den Abgeordneten Lars Patrick Berg (AfD) auf dessen Aufforderung hin, Gefährder abzuschieben, unter TOP 6 dazu auf, „Ross und Reiter“ zu benennen und die Fälle darzulegen, in denen das Land Gefährder abschieben könnte, sie aber nicht abschieben würde; Abg. Berg habe keinen einzigen Fall „auf der Platte“. Die Große Anfrage soll dazu dienen, diesbezüglich zu eruieren, ob und warum tatsächlich – geht man von der eingangs erwähnten Zahl von 120 Gefährdern aus – davon vier, also nur unter 5 Prozent der Gefährder abgeschoben werden konnten und welche unüberwindlichen Gründe einer Abschiebung entgegenstehen und ob diese im Einzelfall stichhaltig sind. A n t w o r t Schreiben des Staatsministeriums vom 9. Januar 2018 Nr. I-1083.: In der Anlage übersende ich unter Bezugnahme auf § 63 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg die von der Landesregierung beschlossene Antwort auf die Große Anfrage. Murawski Staatsminister und Chef der Staatskanzlei Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3039 5 Anlage: Schreiben des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Mit Schreiben vom 27. Dezember 2017 Nr. 4-1362/225/ beantwortet das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration im Einvernehmen mit dem Ministerium der Justiz und für Europa im Namen der Landesregierung die Große Anfrage wie folgt: I. A u s l ä n d e r r e c h t l i c h e u n d s t a a t s a n g e h ö r i g k e i t s r e c h t l i c h e S t r u k t u r d e r G e f ä h r d e r s z e n e 1. Wie viele „islamische Gefährder“ haben sich zum Stichtag 1. November 2017 in Baden-Württemberg aufgehalten? Zu 1.: Nach der bundeseinheitlichen polizeilichen Definition ist ein „Gefährder“ eine Person, zu der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100 a Strafprozessordnung (StPO), begehen wird. Infolge von Ein- und Ausstufungen unterliegt die Anzahl der „Gefährder“ einer ständigen Veränderung. Im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) – religiöse Ideologie war in Baden-Württemberg zum Stichtag 1. November 2017 eine hohe zweistellige Zahl an Personen als „Gefährder“ eingestuft. Davon hatten rund zwei Drittel ihren aktuellen Lebensmittelpunkt in Baden-Württemberg. 2. Für den Fall, dass diese Angabe aus „einsatztaktischen Gründen“ verweigert wird, welche Gründe sind das – im Unterschied zum Bundeskriminalamt, welches diese Bedenken nicht zu hegen scheint – konkret? Zu 2.: Gemäß einem bundesweiten Übereinkommen wird die Gesamtzahl der „Gefährder “ durch das Bundeskriminalamt veröffentlicht. Entsprechende Zahlen der Bundesländer werden nicht veröffentlicht. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass insbesondere auf regionaler Ebene Rückschlüsse auf Einzelpersonen gezogen und hierdurch gegebenenfalls mögliche polizeiliche Maßnahmen gefährdet werden könnten. 3. Wie viele der sich zu diesem Tag auf freiem Fuß befindlichen islamischen Gefährder (bitte tabellarisch) a) waren staatenlos, b) hatten eine ungeklärte Staatsangehörigkeit, c) besaßen ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit, d) besaßen ausschließlich eine ausländische Staatsangehörigkeit, e) besaßen zusätzlich zu einer ausländischen Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit (Doppelstaater)? Zu 3.: Die Gruppe der als „Gefährder“ im Bereich der PMK – religiöse Ideologie eingestuften Personen, die zum Stichtag 1. November 2017 ihren Aufenthalt in Baden- Württemberg hatten und sich in Freiheit befanden, gliedert sich wie folgt auf: c) ausschließlich deutsche Staatsangehörigkeit ca. 1/5 d) ausschließlich ausländische Staatsangehörigkeit ca. 3/4 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3039 6 Nur in einzelnen Fällen konnte die Staatsangehörigkeit der Gefährder im Bereich der PMK – religiöse Ideologie nicht geklärt werden beziehungsweise besitzen diese sowohl die deutsche als auch eine ausländische Staatsangehörigkeit oder sind staatenlos. Im Übrigen wird auch die Antwort zu Ziffer 2 verwiesen. 4. Wie viele der o. g. islamischen Gefährder (bitte tabellarisch) befinden sich im laufenden Asylverfahren, wie viele sind als Asylberechtigte anerkannt und wie viele sind abgelehnte Asylbewerber? Zu 4.: Von der Gruppe der als „Gefährder“ im Bereich der PMK – religiöse Ideologie eingestuften Personen, die zum Stichtag 1. November 2017 ihren Aufenthalt in Baden -Württemberg hatten und sich in Freiheit befanden, sind eine einstellige Zahl im laufenden Asylverfahren (einschließlich Klageverfahren). Rund die Hälfte der unter Ziffer 3 genannten Gesamtpersonengruppe der ausschließlich ausländischen Staatsangehörigen wurde bestandskräftig ein Schutzstatus zuerkannt (einschließlich Abschiebungsverbot). Bei keiner der genannten Personen ist der Asylantrag bestandskräftig abgelehnt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Ziffer 2 verwiesen. 5. Wie viele der islamischen Gefährder mit Doppelstaatsangehörigkeit erwarben die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung? Zu 5.: Sämtliche der in der Antwort zu Ziffer 3 als „Gefährder“ im Bereich der PMK – religiöse Ideologie genannten Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit haben die deutsche Staatsangehörigkeit durch eine Einbürgerung erworben. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Ziffer 2 verwiesen. 6. Wie viele der zu diesem Stichtag in Freiheit befindlichen islamischen Gefährder mit ausschließlich ausländischer Staatsangehörigkeit waren vollziehbar ausreisepflichtig ? 7. Was – bitte tabellarisch – steht der Abschiebung der in Frage 6 erfragten, vollziehbare ausreisepflichtigen Person in jedem Einzelfall entgegen? Zu 6. und 7.: Zum Stichtag 1. November 2017 war eine niedrige einstellige Zahl von in Baden- Württemberg in Freiheit befindlichen sog. „Gefährdern“ im Bereich der PMK – religiöse Ideologie mit ausländischer Staatsangehörigkeit vollziehbar ausreisepflichtig , wobei die Problematik der ungeklärten Staatsangehörigkeit als Abschiebehindernis entgegenstand. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Ziffer 2 verwiesen. 8. Gibt es Fälle – unter Angabe der Anzahl –, in denen islamische Gefährder eine Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis nach Asylanerkennung erhielten , obwohl sie als islamische Gefährder eingestuft waren? Zu 8.: Es gibt keinen Fall eines Ausländers, der nach Asylanerkennung und nach der Einstufung als „Gefährder“ eine Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis erhalten hat. 9. Besitzen zu diesem Stichtag nicht vollziehbar ausreisepflichtige islamische Gefährder – unter Angabe, wie viele – eine „unangefochtene“ Niederlassungserlaubnis oder Daueraufenthaltserlaubnis – EU –, also einen entsprechenden Titel, für welchen die Ausländerbehörde bisher weder den Versuch einer Rücknahme oder eines Widerrufs aufgrund der Gefährdereigenschaft eingeleitet hat? Zu 9.: Bei den als „Gefährder“ im Bereich der PMK – religiöse Ideologie eingestuften Personen, die zum Stichtag 1. November 2017 ihren Aufenthalt in Baden-Würt- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3039 7 temberg hatten, war eine niedrige einstellige Zahl an Ausländern im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Ziffer 2 verwiesen. 10. Bei wie vielen der zu diesem Stichtag nicht vollziehbar ausreisepflichtigen islamistischen Gefährdern hat die Ausländerbehörde die Verlängerung eines befristeten Aufenthaltstitels abgelehnt, einen Titel widerrufen oder zurückgenommen mit der Folge eines derzeit anhängigen Widerspruchs- bzw. Klageverfahrens , das mit einer vollziehbaren Ausreisepflicht enden kann? Zu 10.: Da durch die Beantwortung der Frage die Gefahr entstehen würde, dass Rückschlüsse auf Einzelpersonen gezogen und hierdurch gegebenenfalls mögliche polizeiliche Maßnahmen gefährdet werden könnten, kann diese Frage nicht beantwortet werden. 11. Wie kam es in jedem Einzelfall dazu, dass angeblich oder tatsächlich staatenlosen islamischen Gefährdern ihre frühere Staatsangehörigkeit abhanden kam, nachdem dies nach Kenntnis der Antragsteller in der (Staaten-)Praxis üblicherweise höchst selten vorkommt? Zu 11.: Es gibt keinen Fall eines „Gefährders“, der seine Staatsangehörigkeit mit der Folge einer Staatenlosigkeit verloren hat. 12. Wie viele Fälle islamischer Gefährder gibt es, deren angebliche Staatenlosigkeit darauf beruht, dass diese Personen (passiv) nie eine Staatsangehörigkeit offenbart haben oder (aktiv) die Staatenlosigkeit nur behaupten oder (aktiv) den Besitz einer Staatsangehörigkeit ableugnen und die positive Feststellung einer Staatsangehörigkeit aufgrund dieses Verhaltens nicht möglich ist mit der Folge der Einstufung als „staatenlos“? Zu 12.: Zum Stichtag 1. November 2017 gab es keinen Fall im Sinne der Fragestellung. 13. Wie wird oder wurde bei den angeblich staatenlosen islamischen Gefährdern deren Staatenlosigkeit festgestellt – insbesondere, wurden Experten für internationales Recht o. ä. damit beauftragt, anhand des Rechts des Herkunftsstaats festzustellen, ob ein Verlust tatsächlich wie angegebene eintreten konnte – und wurde hierbei in allen Fällen eine Art „Negativbescheinigung“ des Drittstaats, welche den Nachweis des Nichtbesitzes der jeweiligen Staatsangehörigkeit beweist , vorgelegt oder eingeholt? Zu 13.: Da durch Beantwortung der Frage die Gefahr entstehen würde, dass Rückschlüsse auf Einzelpersonen gezogen und hierdurch gegebenenfalls mögliche polizeiliche Maßnahmen gefährdet werden könnten, kann diese Frage nicht beantwortet werden . 14. Gibt es – und ggf. warum nicht – erfahrene und spezialisierte „Ausländer- Sondersachbearbeiter“, die zuständigkeits- und behördenübergreifend die Möglichkeiten der Überwindung von Abschiebehindernissen erschöpfend ausermitteln oder zu überwinden versuchen, oder bleibt dies den einzelnen, bei kleinen Behörden aus teilweise zwei Sachbearbeitern bestehenden, Ausländerbehörden selbst überlassen? Zu 14.: Nach § 8 der Verordnung der Landesregierung und des Innenministeriums über Zuständigkeiten nach dem Aufenthaltsgesetz, dem Asylgesetz und dem Flüchtlingsaufnahmegesetz sowie über die Verteilung unerlaubt eingereister Ausländer (Aufenthalts- und Asyl-Zuständigkeitsverordnung – AAZuVO) vom 2. Dezember 2008 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3039 8 ist das Regierungspräsidium Karlsruhe landesweit für aufenthaltsbeendende Maßnahmen zuständig. Diese Zuständigkeit umfasst insbesondere die Organisation der Abschiebung, aber auch die Beschaffung der erforderlichen Heimreisedokumente und damit die Identitätsklärung sowie die Entscheidung über Abschiebungsverbote nach § 60 Absatz 5 und 7 Aufenthaltsgesetz, soweit hierfür nicht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig ist, und auch die Aussetzung der Abschiebung nach § 60 a Absatz 2 Aufenthaltsgesetz. Aufgrund der Aufgabenkonzentration auf das Regierungspräsidium Karlsruhe sind die dort mit der Aufenthaltsbeendigung befassten Mitarbeiter spezialisiert und mit der erforderlichen Fachkompetenz ausgestattet. Das Regierungspräsidium Karlsruhe wird im Rahmen der Aufenthaltsbeendigung auch behördenübergreifend tätig. So findet eine intensive Zusammenarbeit mit den zuständigen unteren Ausländerbehörden, den anderen Regierungspräsidien und auch Bundesbehörden, wie etwa der Bundespolizei und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder aber auch dem Gemeinsamen Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr (ZUR) statt. Sofern Herkunftsstaaten generell unkooperativ sind und ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung zur Rückübernahme ihrer eigenen Staatsangehörigen nicht nachkommen, fällt dies in die Zuständigkeit des Bundes. Zudem wird im Innenministerium ein Sonderstab eingerichtet, der sich mit besonders problematischen Fällen befasst und bei dem erfahrene Spezialisten eingesetzt werden. 15. Ist es – und ggf. warum nicht – den Abgeordneten oder von ihnen Beauftragten möglich, Ausländerakten von Gefährdern anzufordern und einzusehen, da – sollte es solche geben – nur auf diese Weise konkrete Fälle benannt werden könnten, in denen abschiebungsfähige Gefährder nicht abgeschoben werden? Zu 15.: Der parlamentarische Informationsanspruch folgt aus Artikel 25 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 27 Absatz 2 und 3 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg. Dieser Informationsanspruch der Abgeordneten wird durch die Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg ausgestaltet und unterliegt nach dem Gewaltenteilungsprinzip verfassungsrechtlichen Grenzen. Danach hat der Landtag einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zu respektieren. Die Kontrollkompetenz des Landtags bezieht sich insbesondere nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge, da sie nicht die Befugnis umfasst, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen. Die Befugnis des Landtags beschränkt sich somit auf eine nachvollziehende Kontrolle des Regierungshandelns, soweit nicht Fälle einer ausdrücklich verfassungsrechtlich vorgesehenen parlamentarischen Mitwirkung vorliegen. Da dies im ausländerrechtlichen Verfahren nicht vorgesehen ist, bezieht sich der Informationsanspruch nur auf abgeschlossene Vorgänge . Nach Maßgabe von § 40 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg besteht ein Akteneinsichtsrecht der Abgeordneten auf Akten, die sich beim Landtag oder einem Untersuchungsausschuss befinden. Hierfür ersucht gemäß § 36 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg der Präsident bzw. die Präsidentin die Regierung um die Auskünfte und die Akten, die der Landtag oder ein Ausschuss zur Erledigung seiner Aufgaben für erforderlich hält. Eine Übersendung von Akten in abgeschlossenen ausländerrechtlichen Verfahren könnte damit auf ein Ersuchen nach § 36 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg oder aufgrund einer Vorlage nach den Maßgaben von § 14 des Untersuchungsausschussgesetzes erfolgen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3039 9 II. P r a x i s d e r G e f ä h r d e r ü b e rwa c h u n g 1. Wie viele der auf freiem Fuß befindlichen islamischen Gefährdern aus Abschnitt I Frage 1 befinden sich in einer 24 Stunden/7 Tage (24/7)-Überwachungsmaßnahme durch Polizeibeamte? Zu 1.: Hierzu können aus einsatz- und kriminaltaktischen Aspekten grundsätzlich öffentlich keine Angaben gemacht werden. 2. Wie viele islamische Gefährder befinden sich in einer 24/7-Überwachungsmaßnahme in Form einer „elektronischen Fußfessel“ nach § 56 a Aufenthaltsgesetz oder beginnen diese Maßnahmen erst aktuell nach Inkrafttreten des § 27 a des kürzlich überarbeiteten Polizeigesetzes? Zu 2.: § 27 c Polizeigesetz Baden-Württemberg, der die elektronische Aufenthaltsüberwachung zur Verhütung terroristischer Straftaten regelt, trat zum 8. Dezember 2017 in Kraft. In Baden-Württemberg fand zum Zeitpunkt der Beantwortung keine elektronische Aufenthaltsüberwachung von „Gefährdern“ im Bereich der PMK – religiöse Ideologie – nach § 27 c Polizeigesetz Baden-Württemberg oder § 56 a Aufenthaltsgesetz statt. 3. Welche Kosten verursacht eine 24/7-Überwachung durch Polizeibeamte pro überwachter Person und Monat und wie viele Fahrzeuge und Beamte pro Überwachung (ggf. Durchschnittswerte) sind dadurch jeweils gebunden? Zu 3.: Die Kosten für eine sogenannte Dauerüberwachung sind abhängig vom im jeweiligen Einzelfall erforderlichen Personalansatz sowie dem Einsatz von Führungs- und Einsatzmitteln. Selbst eine überschlägige Bezifferung der Kosten ist daher nicht möglich. 4. Findet in Baden-Württemberg – ggf. warum nicht – eine 24/7-Überwachung von islamischen Gefährdern durch Polizeibeamte auch an Feiertagen und am Wochenende statt und gibt es eine zeitliche oder personale Obergrenze der Überwachung ? Zu 4.: Die Dauer einer Observation ist an die im jeweiligen richterlichen Beschluss im Strafverfahren beziehungsweise in der polizeirechtlichen Anordnung festgesetzten Frist gebunden, wodurch auch Feiertage und Wochenenden grundsätzlich umfasst sind. Der Personaleinsatz wird an den konkreten Anforderungen des Einzelfalls ausgerichtet und unterliegt daher grundsätzlich keiner Obergrenze. Zu etwaigen aktuellen offenen oder verdeckten polizeilichen Maßnahmen können aus einsatz- und kriminaltaktischen Gesichtspunkten grundsätzlich öffentlich keine Auskünfte erteilt werden. 5. Nach welchen Gesichtspunkten werden Dolmetscher für Verfahren beispielsweise bei Gericht oder bei Befragungen durch die Sicherheitsbehörden ausgewählt und welche Sicherheitsprüfungen finden im Vorfeld für diese statt? Zu 5.: In gerichtlichen Verfahren obliegt die Dolmetscherauswahl den Richtern im Rahmen ihrer richterlichen Unabhängigkeit. Im Bereich des polizeilichen Staatsschutzes werden Dolmetscher einer Sicherheitsüberprüfung nach dem Landessicherheitsüberprüfungsgesetz unterzogen. Die Auswahl eines Dolmetschers erfolgt anhand einer beim Landeskriminalamt geführten Liste. Darüber hinaus sind bei der Polizei Baden-Württemberg auch Dolmetscher für verschiedene Sprachen angestellt. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3039 10 Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) setzt in verschiedenen Bereichen Dolmetscher ein. Sollen sie Zugang zu Verschlusssachen ab dem Geheimhaltungsgrad VS-VERTRAULICH erhalten, werden sie einer Sicherheitsüberprüfung nach dem Landessicherheitsüberprüfungsgesetz unterzogen. 6. Ist der Landesregierung bekannt, dass islamische Gefährder zum Zweck der Verschleierung Geheimsprachen und Dialekte wie beispielsweise Kurmandschi (Nordkurdisch) oder Sorani (Zentralkurdisch) verwenden und gibt es dafür qualifizierte Dolmetscher? Zu 6.: Hinweise auf die Verwendung von Geheimsprachen durch Gefährder der PMK – religiöse Ideologie liegen der Polizei Baden-Württemberg nicht vor. Die Sprache Kurmandschi wird von über 60 Prozent der kurdischen Bevölkerung, vorwiegend in der Türkei, Syrien, Armenien sowie im Irak und Iran, gesprochen. Sorani sprechen etwa acht bis zehn Millionen Menschen im Iran und Irak. Aus der Dolmetscher- und Übersetzerdatenbank www.gerichts-dolmetscher.de ergibt sich, dass in Baden-Württemberg derzeit für Kurmandschi (Nordkurdisch) 27 Dolmetscher und für Sorani (Zentralkurdisch) 14 Dolmetscher allgemein beeidigt sind. In ganz Deutschland sind für Kurmandschi (Nordkurdisch) 98 und für Sorani (Zentralkurdisch) 52 Dolmetscher allgemein beeidigt. In Baden-Württemberg wird als Dolmetscher von den zuständigen Präsidenten der Landgerichte auf Antrag allgemein beeidigt, wer die Eignung als Verhandlungsdolmetscher u. a. durch eine staatliche Prüfung oder durch eine dieser gleichwertigen Prüfung nachweist. Die Polizei Baden-Württemberg kann zur Übersetzung von Sprache und Schriftstücken auf qualifizierte Dolmetscher in allen relevanten Sprachen und Dialekten zurückgreifen. Im Zuge des sogenannten Anti-Terror-Pakets III der Landesregierung im Juli 2016 wurden beim Landeskriminalamt Dolmetscher für Kurmandschi und Sorani eingestellt. 7. Wie wird – da die Behörden nach Auffassung der Fragesteller keine „Dolmetscher für Dolmetscher“ engagieren können – sichergestellt, dass Dolmetscher derselben Herkunft und kulturellen Sozialisation objektiv und neutral übersetzen und nicht etwa aus landsmannschaftlicher, ethnischer oder religiöser Verbundenheit unbemerkt für den Befragten Partei ergreifen? Zu 7.: Alle von den Gerichten zugezogenen Dolmetscher haben gemäß § 189 Absatz 1 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes bzw. – wenn sie allgemein beeidigt werden – gemäß § 14 Absatz 4 Satz 2 des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen der ordentlichen Gerichtsbarkeit (AGGVG) den Eid zu leisten, dass sie „treu und gewissenhaft übertragen“ werden. In Baden-Württemberg wird als Dolmetscher nur allgemein beeidigt und in das Dolmetscherverzeichnis aufgenommen, wer die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit besitzt. Zum Nachweis dieser Voraussetzung ist eine unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister gemäß § 41 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 3 des Bundeszentralregistergesetzes einzuholen. Stellt sich später heraus, dass der Dolmetscher diese persönliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, soll die Eintragung ins Dolmetscherverzeichnis gelöscht werden, § 14 Absatz 7 Satz 2 AGGVG. Übersetzt ein Dolmetscher nicht objektiv und neutral, sondern ergreift er Partei für die befragte Person, fehlt die persönliche Zuverlässigkeit. Dolmetscher werden bei der Polizei Baden-Württemberg nicht nur im Rahmen von Befragungen beziehungsweise Vernehmungen eingesetzt, sondern beispielsweise auch zur Übersetzung des aufgezeichneten gesprochenen Wortes. Bestehen Zweifel an der Qualität der Übersetzungen beziehungsweise an der Neutralität der Dolmetscher, können die Inhalte jederzeit durch andere Dolmetscher zusätzlich Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3039 11 übersetzt und damit abgeglichen werden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Ziffer II. 5. verwiesen. Das LfV wirkt bei der Überprüfung von Personen mit, die sich um eine Aufnahme in das polizeiliche Dolmetscherverzeichnis bewerben. In diesem Fall führt das LfV mit Einwilligung des Bewerbers eine Abfrage im nachrichtendienstlichen Informationssystem NADIS durch. 8. Ist der Landesregierung bekannt, dass asylberechtigte (im Sinne von Flüchtlingsanerkennung nach § 3 Asylgesetz) islamische Gefährder Familiennachzug beantragten und dieser Nachzug auch nach Baden-Württemberg erfolgte? Zu 8.: Der Landesregierung ist kein Fall bekannt, in dem ein „Gefährder“ im Bereich der PMK – religiöse Ideologie Familiennachzug beantragte und der Nachzug auch nach Baden-Württemberg erfolgt ist. In Vertretung Würtenberger Ministerialdirektor