Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 3072 29. 11. 2017 1Eingegangen: 29. 11. 2017 / Ausgegeben: 25. 01. 2018 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie viele Züge, die im derzeitigen Stuttgarter Kopfbahnhof verkehren, werden nach ihrer Kenntnis mit Diesellokomotiven gefahren (bitte auch angeben, wie viel Prozent aller Zugbewegungen der DB in Stuttgart diese Zahl darstellt)? 2. Wann wurden nach ihrer Kenntnis auf wessen Veranlassung mit welchem Ergebnis Nachbesserungen am Brandschutzkonzept des S 21-Tiefbahnhofs vorgenommen (unter Darstellung, welche Organisationen oder Interessenvertretungen welche Veränderungen forderten und was daraufhin verändert wurde)? 3. Wie viele Personen könnten nach ihrer Kenntnis nach aktuellem Planungsstand binnen welcher Zeit über welche Fluchtwege aus dem künftigen Stuttgarter S 21-Tiefbahnhof evakuiert werden (bitte auch Vorkehrungen für in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen nennen)? 4. Welche Mehrkosten an dem Projekt S 21 hätten nach ihrer Kenntnis Entlüftungs - bzw. Entrauchungsanlagen verursacht, die auf die Möglichkeit des Dieselbetriebs auf unterirdischen Bahnanlagen ausgelegt worden wären (bitte in Zahlen und in Prozent der Baukosten nennen)? 5. Was ist ihr über das Brandverhalten von Fahrzeugen mit alternativen Antriebskonzepten (z. B. mit modernen Traktionsbatterien wie Lithium-Ionen-Akkus, mit Wasserstoff-Brennstoffzellen und Wasserstofftanks) in geschlossenen Räumlichkeiten bekannt? 6. Wie schätzen nach ihrer Kenntnis die berufsständischen Organisationen der Feuerwehr sowie professionelle Hilfs- und Rettungskräfte (THW etc.) das aktuelle Sicherheitskonzept der Anlagen von S 21 im Hinblick auf die von alternativen Antriebskonzepten ausgehenden veränderten Gefahr- und Risikostoffe im Falle von Havarien, Unfällen oder Bränden ein? Kleine Anfrage der Abg. Bernd Gögel, Anton Baron und Hans Peter Stauch AfD und Antwort des Ministeriums für Verkehr Sicherheitskonzept der neuen Stuttgart 21-Bahnhöfe Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3072 2 7. Welche spezifischen veränderten Risiken bei Unfällen in unterirdischen Anlagen können nach ihrer Kenntnis beim Einsatz welcher alternativen Antriebsformen für Schienenfahrzeuge aufgrund spezifischer Risikostoffe auftreten? 8. Welche Auswirkungen auf den Schienenverkehr in der Region Stuttgart hätte nach ihrer Kenntnis eine Havarie (z. B. eine Zughavarie oder ein Ausfall des Fahrstromnetzes) in einem der neuen Bahnhöfe für S 21, in der Form wie diese heute planfestgestellt und genehmigt sind? 9. Unterscheiden sich nach ihrer Kenntnis die unter Frage 8 erfragten Auswirkungen wesentlich von Auswirkungen einer vergleichbaren Havarie im bestehenden , im Rückbau befindlichen oberirdischen Kopfbahnhof mit unterirdischen S-Bahn-Gleisen? 10. In welcher Weise hat nach ihrer Kenntnis welche Behörde im Rahmen des aktuell genehmigten Sicherheitskonzepts der Anlagen für S 21 für den Fall von Havarien dem Umstand Rechnung getragen, dass diese Anlagen von vorne - herein technisch nicht für Dieselbetrieb ausgelegt wurden? 27. 11. 2017 Gögel, Baron, Stauch AfD B e g r ü n d u n g Der Dieselbetrieb ist Standard auf nichtelektrifizierten Strecken und die Rastatter Tunnel-Havarie vom 12. August 2017 hat die Zweckmäßigkeit einer Reserve von Diesellokomotiven erwiesen. Elektrisch bespannte Züge der Rheintalbahn muss - ten mit Diesellokomotiven über nicht elektrifizierte Bahnstrecken geschleppt werden . Für größere Eisenbahntunnels steht heute z. B. jeweils ständig ein mit je zwei Diesellokomotiven bespannter Bergungszug bereit. Ein Antrag (Drucksache 16/2483) zu alternativen Antriebsformen für Schienenfahrzeuge des Abgeordneten Burger (CDU) legte offen, dass der neue Stuttgarter S 21-Tiefbahnhof nicht von Dieselfahrzeugen befahren werden darf. Standpunkt der Landesregierung ist nach Kenntnis der Fragesteller, dass das Land bei einigen der regionalen Schienennetzausschreibungen alternative Antriebsformen vorgeschrieben hat und nach den Angeboten der Fahrzeughersteller entscheiden müsse, welche Technologie sich als praktikabel durchsetze. Nach Ansicht der Fragesteller bleibt damit völlig offen, welche Alternativen zu Dieselfahrzeugen bestehen, falls sich im Tiefbahnhof oder einem der S 21-Tunnels eine Havarie oder gar ein Brand ereignen sollte, und Rettungs- und Bergungsgerät zu bewegen wäre bzw. Züge abgeschleppt werden müssten. Ende November 2017 berichteten die „Reutlinger Nachrichten“ vom Brand eines Elektro-Pkw, der erst nach dreieinhalb Stunden durch Platzieren des Fahrzeugs in eine wassergefüllte Containermulde gelöscht werden konnte. Sollte der S 21-Tiefbahnhof zeitnah in Betrieb genommen werden, bleibt nach Ansicht der Fragesteller die Frage offen, wie in einer Anlage, deren Entlüftungseinrichtungen scheinbar nicht für den Betrieb mit Verbrennungsmotoren ausgelegt sind, im Falle einer Havarie schienengebundenes Gerät überhaupt bewegt werden kann. Dass keine Dieselzüge mehr vorgesehen sind, war bei Genehmigung der Betriebsund Sicherheitskonzepte sicherlich bekannt, ohne dass eine erprobte Nachfolgetechnologie am Markt ist. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3072 A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 9. Januar 2018 Nr. 3-3824.1-0-01/368 beantwortet das Minis - terium für Verkehr im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau und dem Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migra - tion die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Züge, die im derzeitigen Stuttgarter Kopfbahnhof verkehren, werden nach ihrer Kenntnis mit Diesellokomotiven gefahren (bitte auch angeben, wie viel Prozent aller Zugbewegungen der DB in Stuttgart diese Zahl darstellt)? Nach Auskunft der DB handelt es sich um 13 Zugankünfte pro Tag (Stichtag: Donnerstag/aktueller Fahrplan), was einem Anteil von 3,4 % an den Gesamtzügen an einem Donnerstag im aktuellen Fahrplan entspricht. 2. Wann wurden nach ihrer Kenntnis auf wessen Veranlassung mit welchem Ergebnis Nachbesserungen am Brandschutzkonzept des S 21-Tiefbahnhofs vorgenommen (unter Darstellung, welche Organisationen oder Interessenvertretungen welche Veränderungen forderten und was daraufhin verändert wurde)? Seit Beginn des Bahnprojekts Stuttgart–Ulm mit dem wesentlichen Teilprojekt Stuttgart 21 (Tiefbahnhof, Flughafenbahnhof, Tunnelstrecken im Stadtgebiet Stuttgart, Filderbereich) werden die Sicherheits- und Brandschutzkonzepte zwischen der Bahn bzw. der Projektgesellschaft und dem Regierungspräsidium Stuttgart (RPS) sowie der Landeshauptstadt Stuttgart diskutiert, wobei sich sowohl das Projekt selbst als auch die darauf bezugnehmenden Konzepte ständig weiterentwickeln . Da es sich um einen langandauernden, iterativen und ständig voranschreitenden Prozess handelt, können die Maßnahmen nicht im Einzelnen dargestellt werden. Insgesamt gab es im Laufe dieses Prozesses eine Vielzahl von kleineren und größeren Änderungen in nahezu allen Bereichen. Welche (weiteren) Organisationen und Interessenvertretungen welche Veränderungen an den Sicherheits- und Brandschutzkonzepten forderten und was daraufhin verändert wurde, kann von der Landesregierung nicht beantwortet werden, da die Beurteilung und die Stellungnahmen davon unabhängig erfolgen. Die abschließenden Entscheidungen zum Brandschutzkonzept werden vom Eisenbahn -Bundesamt (EBA) getroffen. 3. Wie viele Personen könnten nach ihrer Kenntnis nach aktuellem Planungsstand binnen welcher Zeit über welche Fluchtwege aus dem künftigen Stuttgarter S 21-Tiefbahnhof evakuiert werden (bitte auch Vorkehrungen für in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen nennen)? Die Entfluchtung des Tiefbahnhofs wird durch eine Simulation nachgewiesen. Grundlagen dafür sind u. a. die entsprechend den Vorgaben des EBA angenommene Personenzahl im Tiefbahnhof (16.164), der angenommene Bemessungsbrand (53 MW), die Brandmeldeanlage, die Warnanlage, die Entrauchungsanlage und die geplanten Rettungswege. Nach den Ergebnissen der vorliegenden Simulationen ist nach der Kenntnis der Landesregierung die Entfluchtung des Tiefbahnhofs sichergestellt. In der Selbstrettungsphase (ohne Einsatz der Feuerwehr) können sich alle Personen über die vorhandenen rauchfreien/raucharmen Rettungswege in der erforderlichen Zeit in Sicherheit bringen, bevor die Rettungswege verrauchen. In der Fremdrettungsphase (Einsatz der Feuerwehr) ist die Mindesthöhe der rauchfreien/raucharmen Schicht, die für einen Einsatz der Feuerwehr erforderlich ist, für die vorgegebene Zeit sichergestellt. _____________________________________ *) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3072 4 Als Rettungswege aus dem Tiefbahnhof stehen die drei auch für den Normalbetrieb vorgesehenen Stege über den Gleisen, ggf. die Abgänge zur S-Bahn sowie an jedem Bahnsteigende abgetrennte Zugänge zu Fluchttreppenhäusern bzw. zu Ausgängen zur Verfügung. Mobilitätseingeschränkte Personen können sich selbstständig über die Aufzüge mit Evakuierungsfunktion von den Bahnsteigen über die Stege in Sicherheit bringen, solange in diesen Bereichen lokal kein Rauch vorhanden ist. An jedem Bahnsteigende stehen darüber hinaus abgetrennte, temporär sichere Bereiche, die ebenfalls selbstständig erreicht werden können, zur Verfügung, von denen aus Fluchttreppen bzw. Ausgänge erreicht werden können . Die konkreten Entfluchtungszeiten sind abhängig vom tatsächlichen Standort, dem tatsächlichen Brandort, der tatsächlichen Brandleistung, der vorhandenen Personenzahl, den tatsächlich zur Verfügung stehenden Rettungswegen und vielen weiteren Parametern und können daher nicht pauschal ohne weitere Randbedingungen für den gesamten Tiefbahnhof angegeben werden. 4. Welche Mehrkosten an dem Projekt S 21 hätten nach ihrer Kenntnis Entlüftungs - bzw. Entrauchungsanlagen verursacht, die auf die Möglichkeit des Dieselbetriebs auf unterirdischen Bahnanlagen ausgelegt worden wären (bitte in Zahlen und in Prozent der Baukosten nennen)? Darüber liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. 5. Was ist ihr über das Brandverhalten von Fahrzeugen mit alternativen Antriebskonzepten (z. B. mit modernen Traktionsbatterien wie Lithium-Ionen-Akkus, mit Wasserstoff-Brennstoffzellen und Wasserstofftanks) in geschlossenen Räumlichkeiten bekannt? 6. Wie schätzen nach ihrer Kenntnis die berufsständischen Organisationen der Feuerwehr sowie professionelle Hilfs- und Rettungskräfte (THW etc.) das ak - tuelle Sicherheitskonzept der Anlagen von S 21 im Hinblick auf die von alter - na tiven Antriebskonzepten ausgehenden veränderten Gefahr- und Risikostoffe im Falle von Havarien, Unfällen oder Bränden ein? 7. Welche spezifischen veränderten Risiken bei Unfällen in unterirdischen Anlagen können nach ihrer Kenntnis beim Einsatz welcher alternativen Antriebsformen für Schienenfahrzeuge aufgrund spezifischer Risikostoffe auftreten? Fragen 5 bis 7 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Konkrete Erfahrungen zu Schienenfahrzeugen mit alternativen Antriebskonzepten im Allgemeinen und zu deren Brandverhalten im Besonderen liegen bisher nicht vor. Es gibt einzelne Erfahrungen aus Einsätzen mit verunglückten Straßenfahrzeugen , die über alternative Antriebe verfügen, auch in unterirdischen Verkehrsanlagen wie Tunneln oder Tiefgaragen. Die abschließende Einschätzung eventueller entsprechender Gefährdungen und die Festsetzung evtl. gebotener Schutzmaßnahmen obliegen dem EBA. 8. Welche Auswirkungen auf den Schienenverkehr in der Region Stuttgart hätte nach ihrer Kenntnis eine Havarie (z. B. eine Zughavarie oder ein Ausfall des Fahrstromnetzes) in einem der neuen Bahnhöfe für S 21, in der Form wie diese heute planfestgestellt und genehmigt sind? Nach Einschätzung der DB unterscheidet sich eine Havarie oder der Ausfall der Oberleitung in der Disposition von Ersatzmaßnahmen nicht von anderen Störungen . Es griffen vorbereitete Störfallkonzepte, die sich am Ausmaß der Beeinträchtigung orientieren. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3072 9. Unterscheiden sich nach ihrer Kenntnis die unter Frage 8 erfragten Aus - wirkungen wesentlich von Auswirkungen einer vergleichbaren Havarie im be - stehenden, im Rückbau befindlichen oberirdischen Kopfbahnhof mit unterirdischen S-Bahn-Gleisen? Nach der Einschätzung der DB gibt es keine wesentliche Unterscheidung der Auswirkungen. Auch heute existierten Störfallkonzepte, die entsprechend der Größe der Störung zu Dispositionsmaßnahmen führen. 10. In welcher Weise hat nach ihrer Kenntnis welche Behörde im Rahmen des aktuell genehmigten Sicherheitskonzepts der Anlagen für S 21 für den Fall von Havarien dem Umstand Rechnung getragen, dass diese Anlagen von vorneherein technisch nicht für Dieselbetrieb ausgelegt wurden? In einem Ereignisfall ist jederzeit der Einsatz von dieselgetriebenen Antriebseinheiten möglich. Dieser ist vom Regelbetrieb zu unterscheiden. Die Sicherheitskonzepte bei Havarien sind unabhängig von der Antriebsart der Schienenfahrzeuge . Es ist ja auch konzeptionell vorgesehen, dass die Rettungskräfte im Einsatzfall mit dieselgetriebenen Fahrzeugen in die Tunnel einfahren. Die endgültigen Regeln hierzu werden erst im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme festgeschrieben und sind nicht Bestandteil der Plangenehmigung. Hermann Minister für Verkehr