Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 3092 30. 11. 2017 1Eingegangen: 30. 11. 2017 / Ausgegeben: 24. 01. 2018 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Tatsache, dass zwar vom benachbarten Ausland wie der Schweiz lebensrettende Nachtflüge mit einem Rettungshubschrauber durchgeführt werden dürfen, dies in Baden-Württemberg aber nicht erlaubt ist? 2. Welche Voraussetzungen sind grundsätzlich notwendig, damit Rettungsflüge von Hubschraubern in Baden-Württemberg auch nachts durchgeführt werden können? 3. Welche besonderen Bedingungen gibt es bei der Frage von Nachtflügen aus dem benachbarten Ausland zu beachten? 4. Ist die Landesregierung bereit, dafür die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen , um dieses Ziel zu erreichen? 5. Ist die Landesregierung bereit, die dafür notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen ? 30. 11. 2017 Rivoir SPD Kleine Anfrage des Abg. Martin Rivoir SPD und Antwort des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Nachtflüge von Rettungshubschraubern Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3092 2 B e g r ü n d u n g Rettungshubschrauber dürfen in Baden-Württemberg nachts nicht fliegen, weil die Piloten dazu nicht ausgebildet sind und die Ausstattung dazu fehlt – im Gegensatz zu Hubschraubern von Polizei und Bundeswehr. Nachtflüge dürfen jedoch z. B. am Bodensee von der Schweiz aus durchgeführt werden. Deshalb ist zu klären, ob nicht auch Rettungsflüge, die immer nur unterstützende Funktion haben , auch in Baden-Württemberg durchgeführt werden dürfen, sofern sie lebensrettend sind. A n t w o r t Mit Schreiben vom 2. Januar 2018 Nr. 6-5461.4/20 beantwortet das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration im Einvernehmen mit dem Ministerium für Verkehr und dem Ministerium für Finanzen die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Tatsache, dass zwar vom benachbarten Ausland wie der Schweiz lebensrettende Nachtflüge mit einem Rettungshubschrauber durchgeführt werden dürfen, dies in Baden-Württemberg aber nicht erlaubt ist? 4. Ist die Landesregierung bereit, dafür die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen , um dieses Ziel zu erreichen? 5. Ist die Landesregierung bereit, die dafür notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen ? Zu 1., 4. und 5.: Anders als die Frage vermuten lässt, gibt es in Baden-Württemberg kein Nachtflugverbot für Hubschrauber in der Notfallrettung. Die Zentrale Koordinierungsstelle für Intensivtransporte und die Integrierten Leitstellen disponieren auch bei Nacht die vier in der Schweiz an der Grenze zu Deutschland stationierten Hubschrauber sowie die in München, Nürnberg, Regensburg und Gießen stationierten Hubschrauber. Diese kommen seit jeher länderübergreifend zum Einsatz, wie auch die im Land stationierten Hubschrauber innerhalb ihrer Betriebszeiten grenzüberschreitend eingesetzt werden. Ziel des Innenministeriums ist es, die rettungsdienstliche Versorgung weiter zu verbessern. Hierzu gehört auch die Versorgung durch die Luftrettung zur Nachtzeit . Daher wurden zum 1. Oktober 2017 die Betriebszeiten des am Luftrettungszentrum Schwarzwald-Baar-Klinikum in Villingen-Schwenningen stationierten Rettungshubschraubers (Christoph 11) erweitert. Damit steht ein weiterer Hubschrauber im 24-Stunden-Betrieb einsatzbereit zur Verfügung. Um die rettungsdienstliche Versorgung und damit auch die Luftrettung zukünftig noch besser aufzustellen, wird das Innenministerium eine Strukturuntersuchung veranlassen und dabei auch das Zusammenwirken des luft- und bodengebundenen Rettungsdienstes in Baden-Württemberg berücksichtigen. Insbesondere der ländliche Raum mit seinen topografischen und demografischen Herausforderungen soll dabei im Fokus stehen. Entsprechende Mittel für ein Gutachten sind im Staatshaushaltsplan 2018/2019 vorgesehen. 2. Welche Voraussetzungen sind grundsätzlich notwendig, damit Rettungsflüge von Hubschraubern in Baden-Württemberg auch nachts durchgeführt werden können? Zu 2.: Bei einer luftrechtlichen Entscheidung über den Bau und Betrieb eines Hubschraubersonderlandeplatzes sowie über eine Betriebszeitenausweitung und die 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3092 Anzahl der zu genehmigenden Starts und Landungen hat das zuständige Regierungspräsidium insbesondere eine umfangreiche Abwägung vorzunehmen: Es gilt einerseits das Interesse auf Umsetzung des Gesamtprojekts zu berücksichtigen, auf der anderen Seite ist unter anderem aber auch das berechtigte Ruheinteresse der Anwohnerinnen und Anwohner, das heißt die zu erwartenden Schallimmissionen , einzubeziehen. Im Flugbetrieb sind zudem Luftverkehrsregeln und Anforderungen der Flugsicherung einzuhalten bzw. zu erfüllen. Nach § 36 Absatz 1 der Luftverkehrs-Ordnung sind Sichtflüge bei Nacht in Deutschland nur unter den in Anhang SERA.5005 Buchstabe c der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 genannten Bedingungen zulässig. Danach ist unter anderem grundsätzlich ein Flugplan aufzugeben, bestimmte Anforderungen an den Flugfunk zu erfüllen und Mindest-Sichtwetterbedingungen wie beispielsweise der Abstand von Wolken einzuhalten. Die zuständige Behörde kann Hubschraubern für medizinische Flüge die Einhaltung geringerer Mindest- Sichtwetterbindungen erlauben. Das Luftfahrzeug, das für den Nachtflug genutzt wird, muss zudem den Anforderungen der Dritten Durchführungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät sowie dem Anhang SERA.3215 der Durchführungsverordnung (EU) 923/2012 genügen. Danach muss das Luftfahrzeug unter anderem mit bestimmten Navigationsinstrumenten, Warn- und Positionslichtern sowie einem Landescheinwerfer ausgerüstet sein. Außerdem muss der Pilot für Nachtflüge eine Nachtflugberechtigung gemäß Anhang FCL.810 der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 vorweisen. Um diese zu erlangen, sind eine umfang - reiche, im Detail festgelegte, Ausbildung zu absolvieren sowie eine Mindestzahl von 100 Flugstunden erforderlich. 3. Welche besonderen Bedingungen gibt es bei der Frage von Nachtflügen aus dem benachbarten Ausland zu beachten? Zu 3.: Die luftverkehrsrechtlichen Bedingungen für die Durchführung von Sichtflügen mit Grenzüberschreitung bei Nacht innerhalb der Europäischen Union sind im Anhang SERA.4001 Buchstabe b (5) und SERA.5005 Buchstabe c (5) der Durchführungsverordnung (EU) 923/2012 festgelegt. Demnach muss bei einem Flug nach Sichtflugregeln bei Nacht über Staatsgrenzen in der Regel ein Flugplan abgegeben und der Flug, von Starts und Landungen abgesehen, in bestimmten Mindesthöhen durchgeführt werden. Aufgrund des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Luftverkehr gelten die Regelungen der Durchführungsverordnung (EU) 923/2012 auch für die Durchführung von Sichtflügen bei Nacht zwischen der Schweiz und Deutschland. In Vertretung Würtenberger Ministerialdirektor