Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 3098 30. 11. 2017 1Eingegangen: 30. 11. 2017 / Ausgegeben: 17. 01. 2018 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche (auch ungeschriebenen) rechtlichen Vorgaben bestehen für die Nutzung von Forschungsergebnissen, die ein Promovend im Rahmen seiner eigenfinanzierten Doktorarbeit erhoben hat? 2. Welche Unterschiede bestehen dabei zwischen einer Promotion im Angestelltenverhältnis mit der gradverleihenden Hochschule und einer externen Promotion ? 3. Wie beurteilt sie die Verwendung durch Veröffentlichung derartiger Forschungsergebnisse durch den Doktorvater gegen den Willen des Promovenden und ohne Quellennennung vor dem Abschluss der Dissertation? 4. Muss der Promovend zum Schutz seiner innovationstauglichen Forschungsergebnisse eine Patentierung anstreben oder besteht bereits im vertraglichen Innenverhältnis zwischen Promovend und Hochschule ein Schutz immateriellen Eigentums? 5. Welcher Schaden für die wissenschaftliche Reputation des Promovenden und seine mögliche kommerzielle Nutzung der Forschungsergebnisse werden in einer solchen Situation erkannt? 6. Welche nicht-gerichtlichen Vorgehensweisen sind für Fälle vorgesehen, bei denen es an Hochschulen des Landes zu Konflikten hinsichtlich der Verwendung von Forschungsergebnissen kommt? 7. Welche Möglichkeiten stehen Promovenden offen, deren Forschungsergebnisse unsachgemäß gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis und zu deren Nachteil verwendet wurden, um einen Ausgleich bzw. eine Korrektur für erlittene Schäden zu erreichen? Kleine Anfrage des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Rechte und Pflichten bei unsachgemäßer Verwendung von Forschungsergebnissen bei Dissertationen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3098 2 8. Welche eigenen Anstrengungen eines Promovenden sind hinreichend, um die Wahrung seiner Rechte bzw. einen (vollständigen) Ausgleich für erlittenen Schaden erwirken zu können, der ihm aufgrund unsachgemäßer Verwendung eigener Forschungsergebnisse durch Dritte, beispielsweise durch den Doktorvater zugefügt wurde, auch unter Berücksichtigung etwaig betroffener, durch Bundes-, Landes- oder kommunale Mittel geförderter Forschungsprojekte? 9. Wer wäre der zuständige Ansprechpartner an der Hochschule bei oben genannten Fragestellungen im Verhältnis zwischen Promovend und Doktorvater ? 10. Wer wäre diesen Personen aufsichtsrechtlich vorgesetzt? 30. 11. 2017 Dr. Rülke FDP/DVP A n t w o r t Mit Schreiben vom 22. Dezember 2017 Nr. MWK-7812.32/43/1 beantwortet das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Welche (auch ungeschriebenen) rechtlichen Vorgaben bestehen für die Nutzung von Forschungsergebnissen, die ein Promovend im Rahmen seiner eigenfinanzierten Doktorarbeit erhoben hat? Neben urheber- und patentrechtlichen Aspekten sind insbesondere die Empfehlung zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis der Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zu nennen. Die 17 Empfehlungen der Kommission geben dabei sowohl den ethischen Rahmen in Form von Normen vor, als auch konkrete Hinweise und Regelungen zur Einhaltung der guten wissenschaftlichen Praxis, bis hin zu Verfahrensempfehlungen für den Umgang mit Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens . Zu den allgemeinen Prinzipien wissenschaftlicher Arbeit gehört unter anderem, die strikte Ehrlichkeit im Hinblick auf die Beiträge von Partnern, Konkurrenten und Vorgängern zu wahren. Wissenschaftliche Arbeit unterliegt auf vielen Gebieten rechtlichen und standesrechtlichen Regelungen, Verhaltensregeln wie der Deklaration von Helsinki und professionellen Normen. Die Empfehlungen der Kommission sollen diese Normen und Regelungen nicht ersetzen, sondern durch allgemeine Grundsätze ergänzen . Zu den Regeln guter wissenschaftlicher Praxis und den besonderen Herausforderungen von Industriepromotionen hat der deutsche Hochschulverband im Jahr 2016 eine eigene Resolution verfasst. Die Resolution basiert auf den allgemeinen Regeln zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis der DFG und verweist dar - über hinaus auf das Primat der Hochschule bezüglich der Themensetzung, Betreuung der Promovierenden und die Veröffentlichung der Ergebnisse im Rahmen der Promotion. Aus dem internationalen Kontext sind außerdem der European Code of Conduct for Research Integrity, das Singapore Statement on Research Integrity, der InterAcademy Council and IAP Policy Report, das Statement of Principles for Research In- 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3098 tegrity sowie das Montreal Statement on Research Integrity in Cross-Boundary Research Collaborations zu erwähnen. 2. Welche Unterschiede bestehen dabei zwischen einer Promotion im Angestelltenverhältnis mit der gradverleihenden Hochschule und einer externen Promotion ? Die Empfehlungen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis richten sich gleichermaßen an Promotionen, die im Rahmen einer Promotionsstelle verfasst werden, wie an externe Promotionen. Sofern Promotionen im Rahmen einer Promotionsstelle verfasst werden, sind dienst- und arbeitsrechtliche Belange zu beachten . Des Weiteren kann eine differenzierte Behandlung hinsichtlich urheber-, patent- und vertragsrechtlicher Aspekte im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden . 3. Wie beurteilt sie die Verwendung durch Veröffentlichung derartiger Forschungsergebnisse durch den Doktorvater gegen den Willen des Promovenden und ohne Quellennennung vor dem Abschluss der Dissertation? Die Verwendung von Forschungsergebnissen durch den Doktorvater oder die Doktormutter gegen den Willen und ohne Quellennennung kann einen Verstoß gegen die gute wissenschaftliche Praxis darstellen, die strikte Ehrlichkeit im Hinblick auf die Beiträge von Partnern, Konkurrenten und Vorgängern zu wahren gebietet . Auch die Verletzung von Urheber- oder Patentrechten kommt in Betracht. Zugleich verstößt es auch gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis, wenn Mitautoren ihre Mitarbeit an Veröffentlichungen ohne hinreichenden Grund beenden . 4. Muss der Promovend zum Schutz seiner innovationstauglichen Forschungsergebnisse eine Patentierung anstreben oder besteht bereits im vertraglichen Innenverhältnis zwischen Promovend und Hochschule ein Schutz immateriellen Eigentums? 5. Welcher Schaden für die wissenschaftliche Reputation des Promovenden und seine mögliche kommerzielle Nutzung der Forschungsergebnisse werden in einer solchen Situation erkannt? Die Fragen 4 und 5 werden im Zusammenhang beantwortet. Angesichts des Abstraktionsgrades der Fragen und der Variationsbreite möglicher Fallkonstellationen lassen sich die Fragen nur mithilfe eines umfänglichen Rechtsgutachtens beantworten , das zu erstellen den zeitlichen Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage erheblich überschreiten würde. 6. Welche nicht-gerichtlichen Vorgehensweisen sind für Fälle vorgesehen, bei denen es an Hochschulen des Landes zu Konflikten hinsichtlich der Verwendung von Forschungsergebnissen kommt? Nach § 3 Absatz 5 des Landeshochschulgesetzes (LHG) sind die Hochschulen zur wissenschaftlichen Redlichkeit und zur Einhaltung der allgemein anerkannten Grundsätze wissenschaftlicher Praxis verpflichtet. Darüber hinaus haben die Hochschulen des Landes Baden-Württemberg Regeln zur Einhaltung der allgemein anerkannten Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten aufzustellen. Dementsprechend haben alle Hochschulen des Landes eine jeweils eigene Satzung verabschiedet, in der sie sich zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zur Einrichtung von Institutionen zur Selbstkontrolle verpflichten. In Abhängigkeit von der Größe und Struktur der Hochschule wurden an allen Hochschulen Ombudspersonen ernannt und Kommissionen eingerichtet. Die Ombudspersonen beraten Personen, die sie über ein vermutetes wissenschaftliches Fehlverhalten informieren. Sie beraten auch Personen, die dem Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens ausgesetzt sind. Ombudspersonen unterliegen Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3098 4 der Amtsverschwiegenheit. In der Regel prüfen die Ombudspersonen den Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten auf Plausibilität und geben dann die Information zur weiteren inhaltlichen Prüfung und Bearbeitung an die Kommis - sion. Nach der Feststellung eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens liegt es im Zuständigkeitsbereich der Hochschule, die von der Kommission gegebenenfalls empfohlenen dienst- bzw. arbeitsrechtlichen Maßnahmen umzusetzen. Parallel zu den Strukturen an den Hochschulen wurde bereits 1999 der bundesweit arbeitende Ombudsmann für die Wissenschaft von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zur Beratung und Vermittlung zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu Themen der wissenschaftlichen Integrität eingerichtet. Der Ombudsmann für die Wissenschaft wurde neben den lokalen Ombudspersonen eingesetzt, um eine alternative Möglichkeit zur Beratung und Vermittlung zu schaffen. Anfragenden Personen steht es frei, ob sie sich an den Ombudsmann für die Wissenschaft oder an lokale Ombudspersonen wenden. 7. Welche Möglichkeiten stehen Promovenden offen, deren Forschungsergebnisse unsachgemäß gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis und zu deren Nachteil verwendet wurden, um einen Ausgleich bzw. eine Korrektur für erlittene Schäden zu erreichen? Ausgleiche für erlittene Schäden können ggf. zivilrechtlich eingeklagt werden. Bei einer Verletzung eines Urheberrechts stehen dem Urheber nach §§ 97 ff. Urhebergesetz insbesondere Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung, Schadenersatz und Entschädigung zu. Auch im Bereich des Patentrechts bestehen mit den §§ 139 ff. Patentgesetz besondere Ansprüche des Patentinhabers. 8. Welche eigenen Anstrengungen eines Promovenden sind hinreichend, um die Wahrung seiner Rechte bzw. einen (vollständigen) Ausgleich für erlittenen Schaden erwirken zu können, der ihm aufgrund unsachgemäßer Verwendung eigener Forschungsergebnisse durch Dritte, beispielsweise durch den Doktorvater zugefügt wurde, auch unter Berücksichtigung etwaig betroffener, durch Bundes-, Landes- oder kommunale Mittel geförderter Forschungsprojekte? Angesichts des Abstraktionsgrads der Frage und der Variationsbreite möglicher Fallkonstellationen lässt sich die Frage nur mithilfe eines umfänglichen Rechtsgutachtens beantworten, das zu erstellen den zeitlichen Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage erheblich überschreiten würde. 9. Wer wäre der zuständige Ansprechpartner an der Hochschule bei oben genannten Fragestellungen im Verhältnis zwischen Promovend und Doktorvater? Wie oben beschrieben, können sowohl die lokalen Ombudspersonen an der jeweils betroffenen Hochschule bei Konflikten zur guten wissenschaftlichen Praxis angesprochen werden, als auch der Ombudsmann für die Wissenschaft bei der DFG. Anliegen, die an den Ombudsmann herangetragen werden, werden grund - sätzlich strikt vertraulich behandelt. Weitere beteiligte Personen, Institutionen oder Leitungsgremien werden vom Ombudsmann nicht oder nur mit dem Einverständnis der Hinweisgeber informiert. Die Gewährleistung der Vertraulichkeit dient dem Schutz aller in ein Verfahren involvierten Personen. 10. Wer wäre diesen Personen aufsichtsrechtlich vorgesetzt? Da die Ombudsperson zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis unabhängig und ehrenamtlich tätig ist, gibt es in Bezug auf die Tätigkeit als Ombudsperson keinen aufsichtsrechtlichen Vorgesetzten. Dasselbe gilt für den Ombudsmann für die Wissenschaft bei der DFG. Bauer Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst